Wäre eie dritte Person im Raum gewesen hätte sie nicht erahnen können, welcher Art der Inhalt war. Regungslos überflog der Tribun die Zeilen, welche vom Ableben seiner Schwester kündeten, las er im Schein der Wachslampen die Zeilen, welche sie ihm geschrieben hatte und las auch die Worte, der Sybille. Und ohne zu Zögern las er er auch den für MInervina bestimmten Brief.
Claudia war also dem Beispiel von Nova gefolgt, hatte mit eigener Hand ihrem Leben ein Ende gesetzt. Und wenn er bei Nova die Gründe noch nachvollziehen konnte, konnte er dies im Moment bei Claudia nicht. Die kryptischen Worte der Sybille sollten der Grund sein ? Hatte seine Schwester so sehr auf die wirren Äusserungen gehört ? Er konnte es nicht wirklich glauben, sie hatte doch schliesslich ihre Zukunft noch vor sich gehabt, hatte kurz vor der Heirat gestanden.Aber das war jetzt auch nicht der Zeitpunkt entgültig darüber nachzudenken, vielleicht würde er das später einmal tun, vielleicht zusammen mit Helena.
Er war zu pragmatisch, es gab anderes, das jetzt zu entscheiden war. Nocheinmal blickte er auf die Briefe, las die Zeilen nocheinmal und fasste dann einen entscheidenden Entschluss, entschied, das Minervina und Albina nicht erfahren sollten, was genau passiert war, sollten nicht erfahren, das es ein Selbstmord gewesen war.
Jetzt erst setzt er sich, holt eine Wachstafel hervor und beginnt eilig zu schreiben. Dann schliesst er die Tafel und versiegelt sie, nimmt eine zweite, und schreibt auch dort ein paar Zeilen drauf, verschliesst und siegelt auch diese. Er steht auf, geht zur Tür und ruft Titus herein. Mit wenigen Worten erklärt er seinem langjährigen Freund mit welcher Mission er ihn betraut. Titus fragt nicht lange, nickt, nimmt die Wachstafeln und verlässt das Tablinium.
Der Tribun hingegen geht zurück zu seinem Tisch, nimmt die Briefe von Claudia und der Abschrift der Weissagung und geht damit zu einer der Öllampen. Nach und nach überantwortet er die Briefe der Flamme...
"Vielleicht werde ich es eines Tages tun," sagt er leise zu sich, während auf den Brief seiner Schwester blickt, der in den Flammen aufgeht, "aber nicht heute."
Als auch die letzten Spuren der Briefe beseitigt sind, geht er zurück zu seinem Tisch, trinkt ein Schluck Wein und lässt nach den Familienmitgliedern schicken.