Beiträge von Herminia Tarpa

    Pomponia Pia


    Etwas erleichtert stellte die Vestalis Maxima fest, dass der Kaiser die Captio doch dem Ritus entsprechend durchgeführt hatte. Lediglich der plumpe Scherz, den er anfügte, ließ sie noch einmal die Nase rümpfen.


    "Dies wäre alles, Pontifex Maximus. Ich danke dir!"


    antwortete sie dann aber mit der gewohnten Unterwürfigkeit und wandte sich an Messalina.


    "Ich heiße dich herzlich willkommen!"


    Sie trat auf das Mädchen zu und begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange. Ebenso taten es die übrigen Vestalinnen, verbunden mit guten Wünschen.


    "Wir werden dir nun deine neue Heimat zeigen."


    kündigte sie schließlich an, während sie darauf wartete, dass der Kaiser das Atrium verließ.




    Pomponia Pia


    Ein wenig perplex folgte die Hausherrin dem Hausherrn und holte rasch zu ihm auf. Selbstredend konnte der Scherz auch sie kaum erheitern, was sie allerdings auch nicht verbarg - sie war eine Obervestalin, da waren Scherze über das Atrium Vestae unangebracht.


    Als sie dann endlich zum Stehen kamen, traten die übrigen Vestalinnen heran. Sie alle begrüßten den Kaiser mit einem Kuss auf die Wange, wie es Tradition war, dann stellten sie sich neben der Pomponierin auf. Plötzlich ging alles recht schnell:


    "Pontifex Maximus, dies ist Decima Messalina, sie will den Dienst am heiligen Herdfeuer leisten."


    sprach sie die einleitenden Worte.




    Pomponia Pia


    Wenig später öffnete sich die Tür des Atrium Vestae und die Virgo Vestalis Maxima, Haupt der Virgines Vestales und oberste Hüterin des heiligen Herdfeuers, trat in ihrer vollständigen Tracht hindurch nach draußen.


    "Decima, bist du bereit? Der Pontifex Maximus ist leider noch nicht hier, aber du kannst bereits hereinkommen."


    erklärte sie und musterte dann die anderen Anwesenden.


    "Möchten deine Freunde dich zu diesem Schritt begleiten?"


    Wie der Tempel der Vesta, so war das Atrium Vestae eigentlich für Besucher gesperrt, für männliche Gäste sogar verboten. Aber da Messalina noch so jung war und sie nur Frauen mitgebracht hatte, war die Pomponierin bereit, eine Ausnahme zu machen.




    Zwar hatte die Vestalis Maxima nicht den Eindruck, dass auf diesen Eid sehr viel zu geben war, andererseits war sie optimistisch und glaubte, dass kein Römer allen Ernstes einen Eid auf Vesta brechen würde. Also musste sie wohl oder übel die Rolle mit dem großen kaiserlichen Siegel nehmen und es in die ausgestreckte Hand des Vesculariers legen.


    "Mögen die Manen des Pontifex Maximus in Frieden ruhen!"


    beendete sie das Gespräch mit einem guten Wunsch und einem kritischen Blick auf Salinator. Sie traute diesem Mann nicht!




    Pomponia Pia


    Die Vestalis Maxima presste die Lippen aneinander und musterte die versammelte Schar. Die bewaffneten Leibwächter waren deutlich zu erkennen, aber sie würden es nicht wagen, die oberste Hüterin des ewigen Herdfeuers anzutasten! Das wäre ihr Tod! Andererseits war dieser Salinator nicht unbedingt dafür bekannt, sich groß um irgendwelche Regeln zu kümmern, schon gar keine kultischen! Und was nützte es ihr, wenn sie tot war, aber ihr Tod gerächt würde? Abgesehen davon war die Argumentation dieses Senators irgendwie schon stichhaltig...


    "Nungut, ich gebe es euch, wenn beim Herdfeuer der Vesta schwört, dass ihr das Testament umgehend im Senat verlesen lasst."


    sagte sie schließlich und hinter ihr trat eine andere Vestalin vor, die eine gesiegelte Papyrus-Rolle in Händen hielt.




    Kaum war die Vestalin verschwunden, kam hektische Bewegung ins Atrium. Die Vestalis Maxima wurde informiert, dann brach ein Kriegsrat an. Sollte man das Testament anstandslos herausgeben? Immerhin war Salinator der Stellvertreter und es waren auch ein paar Senatoren dabei! Aber sollte so etwas nicht hochöffentlich geschehen? Einen Moment war Pomponia Pia versucht, das kaiserliche Testament selbst zu öffnen und nach dem Inhalt zu entscheiden...aber das war absurd. Das würde jeder bemerken.


    Schließlich öffnete sich die Porta erneut und die Virgo Vestalis Maxima trat persönlich heraus, angetan in ihrer vollen Amtstracht.


    "Salvete!"


    begrüßte sie die Anwesenden.


    "Als Hüterinnen des Testamentes unseres Pater und Pontifex Maximus hatten wir eigentlich erwartet, dass eine öffentliche Zeremonie im Senat stattfindet, bei der der letzte Wille des Ulpius Valerianus verlesen wird. Oder seid ihr gekommen, um das Testament zu diesem Zweck abzuholen? Wir können es auch gern dorthin bringen, um jeden Zweifel einer Fälschung zu zerstreuen."




    Dass der Glatzkopf sogar einen Decemvir mitgebracht hatte, hatte sie nicht erwartet. Trotzdem haftete dem ganzen ein Hauch von Illegalität an, wenn man sich diese Schar von Bewaffneten ansah...
    "Es ist keinem Mann außer dem Pontifex Maximus gestattet, das Atrium Vestae zu betreten. Ihr müsstet also hier warten!"
    erklärte sie weiterhin unsicher. Würde der Glatzkopf das akzeptieren? Oder würde er es gar wagen, die heiligen Räume der Vesta zu verletzen?

    Eine Vestalin öffnete und zuckte etwas zurück, als sie den großen Auflauf vor der Tür sah. Natürlich war auch an ihr nicht vorübergegangen, was in den letzten Tagen in Rom geschehn war. Und die Vestalis Maxima hatte sie bereits darauf vorbereitet, dass bald das Testament des Kaisers angefordert werden würde.
    "Ja bitte?"
    fragte sie etwas unsicher in die Senatorenschar hinein, auch wenn sie wusste, was der Glatzkopf hier wollte.

    Fragen wie diese hörte man häufiger im Haus der Vestalinnen, hatten sie doch aufgrund ihrer Tradition eben nahezu täglich mit dem Tod zu tun. Mal waren es Routineaufgaben, wenn man Testamente entgegennahm oder ausgab und mal waren es eben Fragen wie diese, die Verwandte belasteten. "Man weiß nie, ob die Götter nicht dieses zugelassen haben, um anderes zu verhindern", gab die Vestalin daher zur Antwort, was sie selber in solchen Situationen schon gehört hatte.

    Auch wenn die Vestalinnen im Atrium Vestae ein Leben führten, das der Außenwelt in weiten Teilen verborgen blieb, bedeutete dies keineswegs, dass sie nicht wussten, was in Rom passierte. Daher wussten sie natürlich auch schon vom tragischen Tod des flavischen Senators und waren von dem Anliegen nicht überrascht. "Selbstverständlich, Decemvir. Tritt ein und nimm Platz", antwortete die eine der beiden Vestalinnen daher. Gleich hinter der Tür befand sich nämlich ein Raum, in dem Gäste warten konnten, während man sich um ihre Anliegen kümmerte. Während die eine Vestalin nun im Inneren des Gebäudes verschwand, um das gewünschte Testament zu holen, leistete die andere dem Decemvir Gesellschaft.

    Geöffnet wurde ihm von zwei Vestalinnen, die gemeinsam an diesem Tag den Dienst an der Porta des Atrium Vestae versahen. "Salve. Wie können wir dir weiterhelfen", erkundigten sie sich höflich nach dem Anliegen des jungen Mannes.

    | Pomponia Pia


    Gerade wollte Pia auf ihre Sammlungen eingehen, als ein Schrei erscholl und der Sekretär des Pontifex zu Boden stürzte. Einen Moment war sie wie gebannt, dann stürzte sie sich auf den armen Mann, der sich unter Schmerzen wandt, die offenbar aus seiner Brust kamen.


    "was ist mit dir?"


    In Panik legte sie ihre Hände auf die Schulter des Mannes und überlegte fieberhaft. Sie hatte schon von derartigen Dingen gehört, sie aber noch nie mit eigenen Augen gesehen. Was zu tun war, wusste wohl nur ein Medicus! Sie sah zu dem Tiberier, die wie eine Salzsäule neben ihnen stand. Scheinbar stand er völlig unter Schock!


    "Pontifex, was sollen wir tun? Ich hole Hilfe!"


    meinte sie schließlich. Der Alte hatte bekanntlich ein schlimmes Bein, sodass sie wohl rascher die anderen Schwestern herbeiholen konnte - falls sie nicht ohnehin durch das Geschrei angelockt wurden. Mit wenigen Schritten war sie bei der Tür (wobei sie ihre Stola hochhielt, um schneller rennen zu können), dann war sie aus dem Raum.




    | Pomponia Pia


    Ordnungsgemäß übernahm Pia die Führung durch das Atrium. Da der alte Tiberier noch niemals hier gewesen war (die bisherigen Inspectiones waren immer von anderen Pontifices übernommen worden), erklärte sie alles besonders ausführlich. So verwies sie auf die Indigitamenta der Vesta, die Wandgemälde im Lararium und verschiedene andere Besonderheiten. Komischerweise schien der Alte sich allerdings kaum für ihre Worte zu interessieren: Er nickte zwar eifrig, wirkte aber seltsam abwesend. Möglicherweise dachte er bereits wieder an irgendwelche politischen Dinge - er war ja nicht nur Pontifex, sondern auch Consular und Politiker! Dass jemand allerdings so wenig Interesse zeigte, wenn er zum ersten Mal das Atrium Vestae inspizierte, war doch ungewöhnlich...


    Schließlich betraten sie die Bibliothek. Nicht ohne Stolz bemerkte die Pomponierin, dass die Sklavinnen ganze Arbeit geleistet hatten und die Regale ausnahmslos sauber wirkten. Gerade wollte sie zu einer Erklärung ansetzen, als Durus ihr zuvor kam und sich nach seinem Testament erkundigte. Zuerst war sie etwas verwirrt - es gab hier zahlreiche spannende Werke aus alter Zeit, da waren die Testamente doch recht unspektakulär! Andererseits war Tiberius Durus ein Jurist, sodass ihn erbrechtliche Fragen vielleicht wirklich schlicht interessierten...


    "Natürlich, das ist kein Problem. Wir bewahren die Testamente hier hinten auf. Der Raum ist natürlich stets verriegelt, damit niemand die Schreiben unautorisiert öffnet. Nur wir Vestalinnen haben Zutritt."


    antwortete sie deshalb und bewegte sich zielstrebig auf den hinten Bereich zu, in dem ein langes Regal mit zahllosen winzigen Fächern stand. In jedem steckte eine gesiegelte Rolle mit einem kleinen Papyrus-Zettel, auf dem der Name des Testierenden vermerkt war. Oben waren die Buchstaben vermerkt, sodass es kein Problem war, den Buchstaben "T" und schließlich "Tiberius Durus, Manius" zu finden. Sorgsam entnahm sie die Rolle und hielt sie dem Pontifex hin.


    "Hier ist es. Wie du siehst, in tadellosem Zustand! Wir haben nicht hineingesehen, wie Du siehst."


    erklärte sie und drehte das Schriftstück, sodass man das intakte Siegel sehen konnte. Da sie davon ausging, dass Durus eine Abschrift besaß, steckte sie es anschließend wieder zurück.


    "Neben den Testamenten besitzen wir einige Bücher mit Kultvorschriften, Schriften zur Geschichte der Virgines Vestales und..."




    | Pomponia Pia


    Für Pomponia Pia war der Besuch des Pontifex pro Magistro doch eine Überraschung gewesen. Die letzte Inspektion durch Flavius Gracchus und Aurelius Corvinus lag schon eine ganze Weile zurück, aber dass die Pontifices ausgerechnet im December auf diese Idee kamen, hatte sie nicht erwartet. Dennoch hatte sie sich gehorsam gezeigt und ihre Schwestern angewiesen, alles vorzubereiten. Jeder Raum war gereinigt worden, die Kultgefäße poliert und der Rasen im Hof des Gebäudes gekürzt und die Statuen der Kaiser und Vestalinnen frisch bemalt worden.


    Noch heute Morgen hatte sie schließlich das gesamte Atrium inspiziert, die Kleidung der Leibsklavinnen und Lictores geprüft und war endlich zu dem Ergebnis gekommen, dass alles in tadellosem Zustand war. Dennoch war sie nervös, als der gebrechliche Tiberier das Atrium betrat. Das Wetter erschien ihr geradezu als schlechtes Omen!


    "Pontifex, wir freuen uns über Deinen Besuch und hoffen, dass Du alles zu Deiner Zufriedenheit vorfindest."


    Es wäre wohl unangebracht gewesen, sich bereits im Vorfeld seiner Amtsführung zu rühmen - vor allem als Frau. Zwar waren die Vestalinnen in gewisser Weise privilegiert, doch dem Collegium Pontificium als ihren Schutzherren gegenüber hatte man Demut zu wahren, wie sie eine Tochter ihrem Vater schuldete.




    Collegium Pontificium et Pontifex Maximus P Ulpius Aelianus Valerianus



    Virgo Vestalis maxima Pomponia Pia Collegio Pontificio et Pontifici Maximo P Ulpio Aeliano Valeriano s. p. d.


    Voller Freude und Stolz kann ich euch mitteilen, dass die Ausbildung der Amata prior Claudia Romana vollendet und sie bereit ist, in den Kreis der Sacerdotes Vestalis aufgenommen zu werden. Ich bitte daher um Abnahme ihrer Prüfung.


    Mögen die Götter mit euch sein!


    Pomponia Pia
    VIRGO VESTALIS MAXIMA


    Hortensia Calpetana


    In der Tat, Pomponia. Bei den Haruspizin hat sie sich besonders hervorgetan. Das sollte man meiner Meinung nach noch honorieren."


    erklärte Calpetana, die von der Antwort der Virgo Vestalis Maxima nicht besonders überrascht war, denn die Gemeinschaft der Priesterinnen der Vesta war schließlich auch nicht so furchtbar groß.


    Pomponia Pia


    "Salve, Hortensia!"


    meinte die Virgo Vestalis Maxima, als Calpetana eintrat. Offenbar hatte sie gerade einen Brief geschrieben, was sie nun jedoch unterbrach.


    "Ist Claudias Ausbildung nun endlich zu einem Ende gekommen? Das ist sehr gut - ich werde den Pontifices eine Nachricht zukommen lassen!"


    fuhr sie fort, ohne eine Antwort abzuwarten: Sie hatten nicht viele Amatae und Pomponia verfolgte deren Fortschritte regelmäßig.




    Hortensia Calpetana


    Calpetana nickte noch einmal anerkennend und zufrieden und beschloss dann das Theme hier zu beenden.


    [SIZE=7]"Wirklich beeindruckend. Ich sollte mich heute noch mit Pomponia unterhalten..."[/SIZE]


    murmelte sie halblaut und stand dann von ihrem Stuhl auf.


    "Wir werden sehen. Auf jeden Fall ist der Unterricht für heute beendet. Vale Claudia. Wir sehen uns sicher morgen."


    Hortensia Calpetana


    "Ich muss schon sagen, du hast sehr viel von deiner Großmutter gelernt."


    sagte Calpetana und nickte Claudia anerkennen zu. Es kam schließlich nicht jeden Tag vor, dass die jungen Anwärterinnen sich bereits so gut in der Materie auskannten.


    "Hat sie dir auch alle Bereiche der Leber gezeigt? Oder hast du dazu noch irgendwelche Fragen?"


    fragte Calpetana zur Sicherheit noch nach, um sicher zu gehen, dass die Ausbildung ihrer Schülerin auch komplett war.