Beiträge von Herminia Tarpa

    "Das wurde es nicht nur, sondern wird es immer noch. Erst vor ein paar Jahren gab es eines. Aber sonst ist alles richtig."


    Eigentlich konnte sie wirklich nichts hinzufügen, denn die Antwort war umfassend genug für den Anfang. Also besser weiter - und zwar zu einem Thema, das wohl jedem Römer zumindest entfernt bekannt war:


    "Wie du schon sagtest, spielen Opfer bei der Wahrung der Pax Deorum eine wichtige Rolle. Was gibt es dabei zu beachten?"

    Zwar wollte Messalina nicht mehr weiter diskutieren, aber für Occia war es doch wichtig, das Verhältnis zu den anderen Göttern zu regeln - allein schon, um Gefahren für die Pax Deorum zu vermeiden.


    "Naja, eine gewisse Macht scheint Apollon schon über uns zu haben - wieso sonst konnten die besiegten Griechen unsere Kultur bezwingen? Griechische Bauweise, griechische Lyrik und Rhetorik, griechische Theater, und und und? In den schönen Künsten, wie mir scheint, können wir einiges von den Griechen lernen.


    Was du zu den anderen Göttern lernen musst, ist folgendes: So wie jeder Ort seine Laren hat, die ihn beherrschen, so hat auch jedes Land und jedes Volk seine Götter, die sie beherrschen. Es mag sein, dass es dieselben sind wie die unsrigen, aber dennoch gefällt es ihnen scheinbar in anderen Ländern, auf andere Weise verehrt zu werden.


    Wir konnten die Welt erobern, weil unsere Götter die Mächtigsten sind - aber auch, weil wir Rücksicht auf die Götter der Besiegten genommen haben. Wir erlauben, dass sie verehrt werden und verehren sie nicht selten sogar selbst - wie Magna Mater, Apollon und viele weitere. Unsere Götter dulden sie neben sich, also sollten auch wir dies tun, solange sie dasselbe mit unseren Göttern tun."


    Dies war die Philosophie, der die Papirierin folgte und mit der Rom immer gut gefahren war.


    "Aber nun genug davon. Wir haben schon einen Punkt gestreift, der für unseren Kult von besonderer Wichtigkeit ist: die Pax Deorum. Was weißt du darüber?"

    Langsam wurde es Occia ein bisschen zu viel der Erregung - woher kam nur immer dieser ganze Hass gegen andere Religionsgemeinschaften? Es mochte viele Spinner geben,


    "Nichtsdestotrotz ist Magna Mater eine Göttin, die die Res Publica schützt und von ihr verehrt wird. Und auch bei uns ist es nicht immer so ganz klar mit den Zuständigkeiten: Zwar nehmen wir an, dass der Gott, den die Griechen Ares nennen, in Wahrheit unser Mars ist, doch lassen sich die Götter nicht immer ganz sicher zuordnen. Mars ist ja auch ein Gott der Felder, was Ares nicht ist. Vielleicht würden die Griechen auch den Kopf schütteln, wenn jemand behaupten würde, der Kriegsgott sei zugleich für das Wachstum zuständig - das scheint sich ja ebenfalls auszuschließen.


    Blieben noch die Christen und Juden.


    "Und was Christen und Juden betrifft: Auch sie halten meines Wissens nach Sklaven - auch wenn ich keinen persönlich kenne. Wie genau sie sich all das vorstellen, ist aber unwichtig - vermutlich ist es in weiten Teilen tatsächlich absurd.


    Nichtsdestotrotz bleibt eines festzuhalten: Wir Römer respektieren die Götter anderer Völker. Es ist auch logisch, dass sie existieren, denn sonst würde man sie ja kaum über Jahrhunderte hinweg verehren. Allerdings gehen wir davon aus, dass sie sie anders benennen, ebenso wie sie alle anderen Dinge in ihrer Sprache bezeichnen. Ares ist Mars, Belenus ist Apollon, der Gott der Juden ist Iuppiter und so weiter. Die anderen Völker mögen andere Traditionen der Verehrung haben, aber solange sie sich auch unserer Form der Verehrung nicht prinzipiell verschließen, akzeptieren wir sie. Manchmal machen wir sogar Ausnahmen davon, etwa in Bezug auf die Juden - aber hier haben wir ja auch nur eine unbedeutende Minderheit, genau wie die Christen."


    So eine absurde Religion würde sich ohnehin nie durchsetzen!


    "Wir müssen uns aber nicht damit befassen, denn wir leben zeit unseres Dienstes hier in Rom und verehren unsere Götter nach römischer Tradition. Und von einer germanischen Vesta habe ich sowieso noch nie gehört."


    Da die Germanen in Hütten und Höhlen hausten, war die Vorstellung eines Vesta-Kultes auch irgendwie seltsam und ließ die Vestalin ein bisschen lächeln.

    Wieder amüsierte Messalina mit ihrem Verhalten ihre Lehrerin. Offensichtlich zog Vesta auf magische Weise die intolerantesten und verstocktesten Exemplare altrömischer Religion und Tugend an. Schon die Claudierin war völlig außer sich geraten über die östlichen Kulte, ihre jetzige Schülerin tat es ihr gleich. Dabei wurde Magna Mater im ganzen Imperium, bis in den hohen Norden hinein verehrt - und auf den Palatin.


    "Das ist richtig, natürlich ist es völlig lächerlich, vor den Göttern herumzukriechen und um die eigene Unwürdigkeit zu wetteifern. Dennoch scheint das vielen Menschen zu gefallen, auch hier in Rom.


    Und sie haben auch Dinge mit uns gemeinsam: sie wie wir opfern unseren Göttern, sie wie wir glauben an Wirkmächte, die wir nicht ganz in der Hand haben. Und Kybele akzeptiert beispielsweise auch weitere Götter neben sich - Attis und Bacchus zumindest.


    Aber natürlich gibt es auch gravierende Unterschiede, die diese Religionen ein bisschen seltsam aussehen lassen: die Unterwürfigkeit ist eine Sache, vor allem aber die Einmischung der Götter in das ganze Leben. Unsere Götter haben, wie du schon sagst, einen Vertrag mit uns. Wir halten die kultischen Vorschriften ein, sie gewähren uns Heil. Was wir daneben tun, ist den Göttern ebenso egal, wie uns die Bettgeschichten eines Iuppiter oder die Eifersüchteleien einer Iuno egal sind.


    Wie unser Leben gelingen kann, sagt uns die Philosophie und die Mos Maiorum, keine göttlichen Offenbarungen und religiösen Gesetze, wie etwa bei den Juden. Und das ist auch das Schöne an unseren Göttern: sie gewähren uns im Alltag Freiheiten und schränken uns nicht ein!"


    erklärte sie dann.

    Die Bemerkung über Männer ließ Occia wieder lächeln - Messalina war noch zu jung, um Interesse an Jünglingen zu haben. Aber die Zeit der Anfechtung würde auch noch für sie kommen... falls sie nicht andere Vorlieben entwickeln würde, wie es manchmal bei den abstinenten Jungfrauen entstand...


    "Sehr richtig."


    kommentierte sie dann aber zufrieden und ein wenig beeindruckt, dass so ein junges Mädchen ihre Sinne so beisammen hatte. Blieb noch ihre Standard-Warnung vor den schrecklichen Folgen der Pflichtvergessenheit:


    "Aber das Herdfeuer ist das wichtigste - wenn es erlischt, wird die Verantwortliche vom Pontifex Maximus persönlich ausgepeitscht.


    Dann kommen wir noch einmal zu den allgemeinen Dingen der römischen Religion zurück. Weißt du, was unseren Staatskult von den Religionen des Ostens und den Geheimkulten unterscheidet?"


    Letztere waren ja immer mehr auf dem Vormarsch leider!

    Die Papirierin nickte langsam - für sie war die Frage nicht ganz so absonderlich, denn man musste die Dinge ja auch benennen können. Und im Atrium verzichteten die meisten Vestalinnen auch auf einen Teil ihrer Tracht - sie waren ja nicht cotidie feriatus wie der Flamen Dialis.


    "Zu bemerken wäre noch, dass wir keine Schminke oder Schmuck tragen dürfen. Und unser Haar normalerweise kurz tragen."


    Sie fuhr sich durch das kurze Haar. Dann lächelte sie.


    "Wir müssen ja sowieso keinen Mann beeindrucken - aber gehen wir weiter. Welche Aufgaben haben wir? Das Hüten des Herdfeuers hatten wir ja schon, aber was kommt hinzu?"

    Die Ausbilderin lächelte milde über so viel gerechten Zorn.


    "Wenn du ein bisschen älter bist, kannst du dich ja dafür einsetzen!"


    Eine Zwölfjährige besaß vermutlich selbst als Vestalin nicht genügend Einfluss, um da etwas zu unternehmen. Jetzt musste sie aber erst einmal lernen, was man als Vestalin wissen musste.


    "Aber zurück zu unserem Dienst. Kennst du die Bestandteile der Tracht einer Vestalin?"

    "Wieso? Ich weiß es nicht..."


    antwortete Occia, die sich wenig für Wirtschaften und Politik interessierte - wozu auch, als Frau konnte sie daran sowieso kaum teilnehmen, selbst wenn sie sui iuris war.


    "Frauen dürfen schon Geschäfte machen, aber niemand, der im Cultus Deorum, in der Verwaltung oder beim Militär arbeitet und nicht zumindest Eques ist. Damit wollen die Senatoren wohl verhindern, dass jemand das staatliche Gehalt einstreicht und sich doch nur um seine Betriebe kümmert, verstehst du?"


    erklärte sie dann, um den Zorn ihrer Schülerin etwas zu dämpfen.

    Wie Messalina alles so abspulte, amüsierte die Vestalin ein bisschen.


    "Naja, ich würde dir schon raten, einen Advocatus vor Gericht zu arrangieren. Und zu den Geschäften: Nach der Lex Mercatus dürfen wir derzeit leider keine Geschäfte betreiben - nur, wenn wir Equites sind, was aber eigentlich nicht passiert..."

    Das Aussehen war für die Papirierin immer so eine Sache - zwar hielt sie sich selbst auch für nicht hässlich, aber das konnte man nicht von allen Vestalinnen behaupten. Das Verbot der Schminke machte es da auch nicht gerade besser...


    "Richtig, richtig. Deine Eltern dürften sogar nicht einmal Freigelassene sein. Wobei das nicht immer so eng gesehen wird..."


    Die Vestalis Maxima mochte dies zwar überhaupt nicht, aber es war eben nicht immer einfach, neue Virgines zu finden...


    "Dann machen wir mit den Formalitäten gleich weiter: Weißt du, welche Ehrenrechte wir als Vestalinnen dafür haben?"

    Sim-Off:

    Sorry, übersehen :P

    Pomponia Pia


    Kurze Zeit später erschien die Virgo Vestalis Maxima persönlich, da sie sich als Sprecherin der Vestalinnen auch für Kontakte mit den Magistraten zuständig hielt. Die ehrwürdige Pomponierin fixierte den aufstrebenden Aedil, der wahrscheinlich erst vor kurzem im Senat saß, dem ihre eigene Familie schon seit Generationen verbunden war.


    "Salve, Aedilis Plebis. Worum geht es?"


    fragte sie dann kritisch.




    Was Messalina berichtete, verwies durchaus auf profunde Kenntnisse - die Jahreszahlen waren nicht einmal der Vestalin selbst geläufig. Allerdings lag hier ein klitzekleiner Fehler vor:


    "Numa Pompilius war der König Roms, nicht von Lavinium. Deshalb hat er den Kult auch hier bei uns so begründet, wie wir ihn kennen. Er ist der Nachfolger von Romulus, folglich kann er ja nicht den Kult seiner Mutter begründet haben.


    Bleiben wir vielleicht gleich bei der Einrichtung des Kultes durch Numa. Er prägte die Vorschriften, die wir noch heute haben. Welche Voraussetzungen musstest du und jede neue Vestalin denn erfüllen, um zur Vestalin werden zu können?"

    Es rührte Occia ein bisschen, dass Messalina gleich in Tränen ausbrach - sie würde schon noch ein bisschen beherrschter werden.


    "Gut erkannt. Auch das Feuer steht für etwas bestimmtes und das ist der Grund, warum wir es hüten müssen - Vesta selbst ist in ihm in unserem Staat anwesend."


    fasste sie die Erkenntnis ihrer Schülerin zusammen. Sie machte eine kurze Pause und fügte noch an


    "Über Vesta gibt es nicht ganz so viele Geschichten wie über andere Götter. Das liegt wohl daran, dass sie keusch ist und damit für die liebestollen Griechen etwas uninteressanter. Vielleicht aber auch, weil viele Menschen ihre Andersartigkeit nicht recht verstehen. Der Zugang zu ihr ist ein anderer als zu anderen Göttinnen, aber du wirst ihn mit der Zeit wie von selbst lernen."


    Da die Decimerin aber auch schon auf den Kult angesprochen hatte, beschloss sie, weitere Mythen und Göttergeschichten hintan zu stellen, sondern bei Vesta zu bleiben.


    "Was kannst du mir über den Kult erzählen?"

    "Sie ist sogar die Gattin von Pluto. Aber wie du sicher weißt, nehmen die Götter es nicht so genau mit der ehelichen Treue. Und außerdem sind es eben Mythen, die die Menschen sich erzählen. Sie widersprechen sich ja teilweise sogar, sodass wir sie weniger wörtlich nehmen sollten, als das zu beachten, was sie uns über die Welt und das Wesen der Götter verraten.


    Proserpina beispielsweise ist die Tochter der Demeter und ihr Aufenthalt in der Unterwelt erklärt uns, warum Demeter im Winter nichts wachsen lässt. Und in der Unterwelt hilft sie jenen, die nicht dorthin gehören.


    Aber selbst, wenn du sie nicht mögen solltest - auch das lehren uns die Geschichten der Götter - müssen wir sie ehren. Sie sind nun einmal mächtiger als wir und wir müssen ihnen auch gegen unseren Willen gehorchen, wie ein Soldat seinem Offizier unabhängig von seinen Gefühlen gehorchen muss. Du kannst es vermeiden, dich häufig mit dem Machtbereich der Gottheit zu befassen, aber wenn du es tust - und oftmals wirst du dem nicht entgehen können - dann musst du ihre Macht respektieren."


    belehrte Papiria das Mädchen mit seinen kindlichen Anwandlungen. In diesem Alter hatte sie vermutlich ähnlich gedacht - erst das Alter gab einem die nötige Weisheit und Unabhängigkeit, die Dinge weniger schwarz-weiß zu sehen.


    "So ist es auch bei Vesta. Ich kann dir nicht sagen, ob sich alles tatsächlich so abgespielt haben, wie die Griechen es von Hestia erzählen - andere sagen ja, dass Hestia selbst das ewige Feuer ist. Aber wir lernen daraus, dass es ihr Wille ist, dass ihre Dienerinnen - wir - jungfräulich leben und auch dem Werben der mächtigsten und schönsten Männer widerstehen sollen. Und dass wir in ihrer Vertretung zur Pflege eines Feuers berufen sind, das selbst den Göttern wichtig ist."


    ging sie dann auch auf Vesta ein.


    "Was weißt du noch über Vesta?"

    Ein mildes Lächeln umspielte die Lippen der Vestalin, als Messalina von ihren mangelnden "präsexuellen" Erfahrungen sprach. Tatsächlich konnte sie sich selbst erinnern, so etwas durchaus getan zu haben - allerdings nur bei einem Sklavenjungen, den sie später nie wieder gesehen hatte.


    Dann aber begann die Schülerin schon mit der Geschichte des legendären Liebespaars. Die Version war dabei durchaus eine populäre, aber es gab noch viel mehr:


    "Ja, diese Geschichte kenne ich auch. Aber es gibt zahlreiche andere mehr. Etwa, dass Venus Adonis mit Persephone teilen muss, weil sie ihn in der Unterwelt vor Ares verstecken musste. Diese Geschichten zeigen uns aber eben, wie Welt und Götterwelt zusammenhängen.


    Für den Staatskult sind sie allerdings von geringerer Bedeutung. Sie erklären höchstens, warum eine Gottheit für eine bestimmte Sache zuständig ist.


    Kommen wir also noch kurz zu den Mythen um Vesta, denn von ihr willst du ja mehr wissen. Kennst du eine Geschichte zu ihr?"

    Occia nahm die Tabula und las das kleine Gedicht. Tatsächlich war das für ein zwölfjähriges Mädchen recht beachtlich. Als sie dann doch ansetzte, ihr gesamtes Wissen auszubreiten, bremste die Vestalin rasch:


    "Moment, Moment. Du kommst also aus Genua? Hast du mit deinen Eltern dort an den städtischen Opfern teilgenommen? Du musst wissen, dass hier in Rom alles etwas größer ist als in den Städten Italias, aber grundlegend sehr ähnlich."


    Dass sie vom Opfern wenig Ahnung hatte, verwunderte die alte Vestalin allerdings wenig - normalerweise war das Opfern ja Männersache (zumindest bei den größeren Anlässen).


    "Fangen wir aber anders an: Deine Eltern haben dir Pietas und die Geschichten der Götter gelehrt? Das ist das wichtigste. Kennst du also beispielsweise die Geschichte von Venus und Adonis?"

    "Das freut mich, dann können wir ja ruhig anfangen."


    begann die Vestalin und schien einen Moment zu überlegen, ehe sie sagte


    "Fangen wir vielleicht so an: Kannst du bereits lesen und schreiben? Und was weißt du schon über unseren Kult und den Götterkult im Allgemeinen?"


    Die Fragen waren sehr offen gestellt, aber die Papirierin hoffte, dass Messalina nicht gleich einen mehrstündigen Vortrag halten würde. Sie wollte lediglich wissen, worauf sie bei der Ausbildung verzichten konnte...

    Papiria Occia


    Wieder einmal war Papiria Occia mit der Ausbildung der neuen Discipula betraut worden. Da sie allerdings gern mit den jüngeren als mit den älteren, verknöcherten Vestalinnen arbeitete, war sie damit ganz zufrieden. Außerdem war es eine willkommene Abwechslung im vestalischen Alltag.


    "Decima, hast du dich gut eingelebt?"


    fragte sie zu Beginn des ersten Tages der Ausbildung. Die Captio lag schon etwas zurück, sodass das Mädchen Zeit gehabt hatte, sich einzurichten und die Vestalinnen kennen zu lernen.