Beiträge von Herminia Tarpa

    Papiria Occia


    Nun gingen sie in das Triclinium. Im Augenblick befand sich niemand darin, sodass es recht still wirkte. In der Mitte standen drei Klinen, die sauber bezogen waren. Die Wände waren unten rot, oben mit Girlanden bemalt und der Boden mit einem Fischgratmustermosaik bedeckt. Alles wirkte recht freundlich, doch aufgrund der Leere etwas still.


    "Hier ist das Triclinium, in dem wir gemeinsam essen. Wenn du möchtest, können wir heute Abend gemeinsam unsere Cena einnehmen."


    erklärte sie. Mehr gab es über diesen Raum wohl nicht zu sagen.

    Occia lächelte leicht amüsiert. Offenbar hatte sie das Mädchen auf dem falschen Fuß erwischt.


    "Ja, natürlich du! Oder siehst du hier noch eine andere Amata? Aber es ist gar nicht so schwer. Denke nur etwas nach, dann bin ich sicher, dass du etwas zusammenbekommen wirst."

    "Nein, das geht leider nicht."


    bestärkte sie ihre Meinung, als Romana noch einmal nachfragte. Natürlich war das nicht die private Meinung der Papirierin, doch die Regeln des Atrium Vestae waren eisern und seit Jahrhunderten bewährt!


    "Ja, das musst du leider. Aber deine Ausbildung wird ja nicht wie üblich zehn Jahre dauern! Und du kannst dir ja auf Nachfrage bei Pomponia Zugang verschaffen."


    Sim-Off:

    SimOff kannst du natürlich gern selbst nachsehen und die Testamente dann per PN an den Decemvir verschicken!

    Die Vestalin seufzte. Eigentlich hatte sie genau mit dem Gebet gerechnet, das Romana weggelassen hatte. Dafür hatte sie die kurzen, wenig aussagekräftigen Gebete für das Voropfer aufgebetet (wobei diese natürlich fast immer gleich verwendet wurden und damit wohl auch am besten zu merken waren). Allerdings war es schwierig, daran den allgemeinen Ablauf eines Gebetes zu erklären:


    "Nicht schlecht, nicht schlecht. Ein Gebet besteht allgemein aus der Anrede des Gottes, in deinem Fall also beispielsweise 'Iano pater' - man muss sich natürlich stets gut überlegen, welchen Adressaten man für sein Opfer auswählt! Anschließend sollte man sich auf die Macht der Gottheit berufen, also etwa vergangene Hilfen - das fehlt bei unserem Bespiel leider. Dafür ist der nächste Teil, die Berufung auf eigene Leistungen wieder zu finden, nämlich 'te hoc ture ommovendo bonas preces precor'. Hier nennt man also oft seine Opfergabe oder ähnliches. Erst dann kommt die Bitte selbst, die oftmals in einer Art Hymnos wiedergegeben - besonders, wenn die Gebete besonders alt sind. In unserem Falle wäre das also 'uti sies volens propitius mihi liberisque meis domo familiaeque meae'. Und zum Abschluss kommt meist noch ein Gelübde dazu, das in diesem Fall entfällt. Aber du kannst es dir sicherlich vorstellen: Einfach ein Versprechen weiterer Gaben, wenn die Gottheit die Bitte erfüllt.


    Das klingt jetzt alles sehr theoretisch, daher wollen wir das ganze etwas mit Leben füllen! Könntest du ein Gebet um reiche Ernte entwerfen, das alle traditionellen Teile des Gebets enthält?"


    Sie blickte Romana erwartungsvoll an. Diese Aufgabe war schon etwas schwieriger als die bloße Abfrage von Wissen!

    Dies war sehr gut! Manche Mädchen dachten einfach an andere Dinge, während ihr Vater opferte. Doch offenbar gehörte Romana nicht dazu.


    "Ah, sehr gut! Kannst du dich vielleicht an ein Gebet erinnern? Oder dir eines überlegen, das dein Vater so oder so ähnlich benutzt?"


    Ihrer Meinung nach lernte man am besten anhand von Bona Exempla. Und dass Claudius Menecrates ein solches war, dessen war Occia sich völlig sicher!

    "Genau. Licinia wird sicherlich bald wieder kommen und nach dem Feuer sehen."


    meinte Occia und zuckte mit den Schultern. Offenbar war dieser Tempel recht selbsterklärend. Sie traten heraus auf das Forum und verabschiedeten sich von Popianus, der wieder in sein Kabuff in der Nähe des Atrium zurückkehrte. Die beiden Vestalinnen hingegen betraten wieder den abgeschlossenen Hof und gingen eine der Treppen hinauf in den 1. Stock...

    Papiria Occia


    Vom Tempel der Vesta, dem heiligsten Ort des Atrium, gingen die beiden Vestalinnen direkt zum zweitheiligsten Ort, der Bibliothek. Vor der Tür suchte die Papirierin umständlich in ihren Gewändern, dann zog sie triumphierend einen Schlüssel hervor. Es dauerte eine Weile, doch dann hatte sie die Tür aufgeschlossen.


    Den beiden kam staubige Luft entgegen, als sie den Raum betraten. Überall standen Regale mit Papyrus-Rollen, von denen einige uralt wirkten. Sicher zerfielen sie zu Staub, wenn man sie berührte! Occia lächelte stolz.


    "Ich durfte die Bibliothek erst viel später besuchen. Aber ich denke, es schadet dir auch nicht, wenn wir es jetzt schon tun. Nur die voll ausgebildeten Vestales bekommen einen Schlüssel. Und auch sie dürfen sich nichts herausnehmen, man darf die Bücher nur hier lesen!"


    erklärte sie und trat an das erste Regal.


    "Das hier ist alles über unsere Geschichte. Wenn du einmal Vestalin bist, ist es bestimmt interessant, ein bisschen darin zu schmökern. Und hier sind etwas allgemeinere Texte über Religion. Vielleicht hilft dir das manchmal auch weiter."


    Sie trat an einen großen Schrank und öffnete ihn. Er bestand aus unzähligen kleinen Fächern mit kleinen Beschriftungen. Wenn man genau hinsah, erkannte man, dass es Namen waren.


    "Hier sind die Testamente, die bei uns hinterlegt werden. Natürlich dürfen wir sie nur verwahren, nicht lesen. Ab und zu kommen die Decemviri litibus iudicandis. Ihnen dürfen wir die Testamente aushändigen, sonst niemandem!"


    Die Betonung, die sie auf die letzten Worte legte, machte unmissverständlich klar, dass es ihr dabei sehr ernst war.


    "Am besten, du lässt die Finger ganz von dem Schrank."


    Noch einmal sah sie sich um - sie hatte scheinbar nichts vergessen, denn sie sah Romana an und fragte:


    "Noch Fragen?"

    Etwas ratlos verflogte Papiria den kurzen Wutausbruch des Mädchens. Manchmal war sie ihr fast ein wenig unheimlich! Sie hatte noch nie einen fanatischen Anhänger des römischen Staatskultes gesehen! Vielmehr war er doch geradezu von Tolleranz bestimmt - andererseits konnte man deswegen trotzdem auf diese Scharlatane herabschauen, die Geld aus der Angst kleiner Leute machten!


    "Natürlich werde ich das! Dafür bist du ja hier! Was weißt du denn zum Ablauf eines Opfers? Sicher hast du schon einmal gesehen, wie dein Vater nacheinander vorgegangen ist!"


    Die Claudier waren als sittenstrenge Familie bekannt, daher war sich Occia sicher, dass dort regelmäßig den Göttern und Laren geopfert wurde!

    "Es ist eine kultische Vorschrift. So geht zumindest nichts daneben. Ansonsten sind kultische Regeln eben manchmal nicht logisch. Aber immer bewährt!"


    erklärte die Vestalin, während sie die Kelle an ihren Platz zurückbrachte. Natürlich war sie nicht verrostet, denn sie wurde regelmäßig von den Vestalinnen gepflegt - so wie alles in diesem Tempel!

    Natürlich bemerkte Occia, wie ihre Schülerin aufmerksam umherblickte, doch dagegen gab es ja keine Regel. Sie würde noch früh genug so an all das hier gewöhnt sein, dass sie kaum mehr aufblickte, wenn sie den Tempel betrat.


    Nachdem sie nun wieder am Eingang angekommen war, schob sie einen Vorhang neben dem Eingang beiseite und nahm eine archaische Schöpfkelle von einer Halterung. Damit trat sie an Romana heran und nahm ihr den Eimer ab, um ihn neben ein Loch in der Nähe des Herdes zu stellen. Langsam schöpfte sie das übrig gebliebene Wasser in den Schlund. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Eimer leer war und die letzten Tropfen direkt hineingegossen wurden. Dann jedoch erhob sich Occia endlich und sah Romana an.


    "Keine Angst, du wirst dieses Ritual noch öfter mitmachen, bevor du es selbst durchführen musst. Das Herdfeuer wurde gerade erst nachgelegt, wir müssen also nichts mehr tun. Möchtest du noch etwas zum Tempel wissen?"

    "Ganz genau. Daneben gibt es natürlich auch die Astrologie und sonstige Wahrsagerei. Aber das, was da dem einfachen Volk aufgeschwatzt wird, sollte man mit Vorsicht genießen. Auch diese Scharlatane, die als Haruspices durchs Land ziehen."


    bestätigte Occia. Dass sie nicht an diese "unrömischen" Methoden gedacht hatte, hatte sie sogar fast erwartet, denn die Claudier waren, was das betraf, schon sehr konservativ. Und auch, wenn wohl fast jeder reiche Römer ein Horoskop besaß, glaubte wohl nicht jeder daran.


    "Beginnen wir aber mit dem Opfer. Hast du schon einmal ein Opfer durchgeführt? Einem zugesehen hast du ja sicher schon einmal."

    Der Liktor zuckte mit den Schultern und stützte sich auf seinen Stock.


    "Zehn Jahre, denke ich."


    erwiderte er dann, doch ehe er mehr über sich erzählen konnte, öffnete sich die Tür erneut und Occia kam zurück. Lächend kam sie auf Romana und hielt einen Strauß aus Gräsern hoch, den sie schließlich in den Eimer der Claudierin fallen ließ.


    "Ich beginne jetzt. Wie gesagt, kein Wort, bis wir fertig sind. Und folge mir!"


    Ihre Fröhlichkeit wich aus dem Gesicht. Stattdessen begann sie nun auf ungewohnt ernste Weise ein Gebet zu sprechen:


    "Haec aqua fontis impuritates a corpore meo temploque velut plumbo ad aurum mutando eluat."


    Sie tauchte ihre Hand in den Eimer und benetzte ihre Stirn, ihre Brust und ihren Bauch mit dem kühlen Nass. Dann drehte sie sich zum Tempel und nahm den Strauch mit dem sie Wasser auf den Tempel spritzte.


    "Purga templum!"


    Wieder tauchte sie den Strauß ein, dann spritzte sie erneut auf den Tempel und begann, den Tempel zu umrunden und dabei von allen Seiten zu bespritzen.


    Als sie wieder am Eingang angekommen war, trat sie langsam die Stufen hinauf. Oben angekommen öffnete sie die Pforte und trat erneut ein, wobei sie erneut ein


    "Purga templum!"


    verlauten ließ und erst dann eintrat. Sie ließ die Tür offen, sodass auch Romana nun zum ersten Mal den Tempel der Vesta betreten durfte. Die einzige Lichtquelle innerhalb des Tempels das Loch in der Mitte des Daches. Darunter stand ein gemauerter Herd, in dem das Herdfeuer der Vesta glomm, denn es war nämlich gar kein Feuer, sondern eher eine stete Glut. Gegenüber des Eingangs befand sich eine Art Marmorbecken, in dem Kohlen aufbewahrt wurden. Davor stand eine goldene Schale.


    Entlang der gesamten Tempelwand standen Steinbänke, auf denen eine etwas ältere Vestalin saß und aufblickte, als die beiden eintraten. Als Occia an ihr vorübergegangen war, erhob sie sich und verließ den Tempel.


    Der Raum war insgesamt wesentlich kleiner, als der Tempel von außen wirkte. An einer Stelle konnte man sehen, warum: Es befand sich eine relativ tiefe Nische in der Wand. In ihr stand eine bronzene, uralt wirkende Statue, die das berühmte Palladium, das Aeneas aus dem brennenden Troja gerettet hatte, sein musste. Die marmorne Innenwand war mit kassettenartigen Reliefs versehen. Alles wirkte sehr alt, aber auch sehr würdevoll.

    Noch einmal seufzte Occia. Sie musste wohl noch sehr daran arbeiten, ihre Gedanken auszudrücken um ihre Schülerinnen nicht zu verwirren. Sie hatte an etwas allgemeineres gedacht - viel allgemeiner.


    "Das stimmt, das alles sind Riten. Aber ich meinte die Akte, die die Verbindung zu den Göttern herstellen - einige hast du auch schon geanannt. Das Opfer ist eines, das Gelübde durchaus auch. Dann gibt es noch die Divination, also die direkte Befragung der Götter. Weißt du, wie wir den Willen der Götter erfahren können? Wir haben gestern schon etwas davon gesprochen."

    Als Claudia den Eimer aufnahm, nickte die Papirierin ihrem Liktor, der sie begleitet hatte, zu und setzte sich wieder in Bewegung - zurück zum Atrium. Dabei wichen die Passanten andächtig vor der Jungfrau zurück, die jedoch auf ganz und gar unspirituelle Weise weiterplapperte und das Kommende erklärte


    "Mit dem Wasser reinigen wir den Tempel jeden Morgen. Dazu besprengen wir ihn rundherum und auch im inneren mit dem Wasser. Davor gibt es ein Gebet und natürlich rituelle Worte, die du aber schnell lernen wirst..."


    So ging es weiter, bis sie vor dem Tempel der Vesta kamen.

    Papiria Occia


    Sie erreichten den Tempel. Unterwegs hatte die Papirierin auch ein wenig vom Aussehen des Tempels gesprochen, sowie den mystischen Kleinodien, die darin verwahrt waren. Als sie jetzt ankamen, schien ihr noch etwas einzufallen.


    "Ach ja, es ist wichtig, dass du mich während dem Ritus nicht unterbrichst - sonst müssen wir neu beginnen! Jetzt lass' mich noch rasch der diensthabenden Vestalin Bescheid geben, dann beginnen wir."


    Sie ließ Romana zusammen mit Popianus, dem Liktor von Occia, einfach stehen und stieg die Stufen zum Tempel hinauf, um kurz darauf hinter der metallbeschlagenen Tür zu verschwinden...

    Occia runzelte die Stirn. Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet! Aber vielleicht hatte sie ihre Frage auch nicht präzise genug ausgedrückt!


    "Nein, das lässt sich so nicht sagen. Wobei der Weihrauch zu Beginn eines Opfers selbstverständlich dazu dient, die Aufmerksamkeit der Götter auf den Opfernden zu ziehen.


    Das Opfer insgesamt wäre eine Möglichkeit. Welche Riten gibt es aber noch?"


    versuchte sie es daher noch einmal. Vielleicht klappte es diesmal!

    "Jetzt befüllen wir unsere Gefäße!"


    erklärte Occia fröhlich und zog einen Eimer hervor, den Romana möglicherweise nicht gesehen hatte, da Occias Schleier ihn verdeckt hatte. Langsam stellte sie ihn unter die Quelle und sah zu, wie das Wasser hineinplätscherte.


    "Zugegebenermaßen auch nicht soo spektakulär. Du darfst ihn zurücktragen, damit du auch beschäftigt bist!"


    fügte sie an, da sie feststellte, dass die Claudierin etwas unschlüssig herumstand.