Beiträge von Herminia Tarpa

    "Jaja, schon gut."


    meinte Occia und machte eine wegwerfende Handbewegung - als Vestalin lernte man, Zeit totzuschlagen, denn oftmals saß man einfach im Tempel ohne eine konkrete Aufgabe (denn das Feuer brannte ja auch von selbst).


    "Wir werden die erhabendste Quelle Roms aufsuchen, die für unsere Zwecke verwendet wird. Sie wird Egerische Quelle genannt. Auf dem Weg werde ich dir etwas darüber erklären."


    Sie machte eine kurze Pause um zu sehen, ob der Name Romana etwas sagte. Dann jedoch hielt sie es für unpassend, sie darüber auszufragen, denn kaum ein Römer wusste etwas über diesen Ort!


    So wandte sie sich zum Gehen und trat hinaus auf das Forum Romanum, das zu dieser Zeit gerade zum Leben erwachte. Der Weg führte sie jedoch ein wenig weiter nach draußen...


    Dabei begann sie zu erzählen:


    "Die Egerische Quelle ist nach Egerius benannt, der neben ihr begraben liegt. Er hieß Tarquinius Egerius und war der Neffe des fünften römischen Königs Tarquinius Priscus. Während er als Statthalter Roms in Collatia diente, brachte er seinen Sohn, Tarquinius Collatinus zur Welt. Dieser wiederum schloss sich der Gruppe um Iunius Brutus an, die den letzten König Tarquinius Superbus vertrieb. Und dieser Collatinus wurde dann auch der Collega von Brutus..."

    Papiria Occia


    Als sie den Platz erreichten, war Papiria immer noch am Erzählen. Sie war nun jedoch weg von der Geschichte der Tarquinier, hin zur eigentlichen Quelle gekommen.


    "Der Sage nach ist die Quelle aber schon viel älter: Numa Pompilius soll sie als Quelle für die Reinigungsrituale der Vestalinnen bestimmt haben. Wir suchen sie jedenfalls noch immer auf. Damals lag sie natürlich noch außerhalb des Pomeriums - heute jedoch nicht mir. Da sind wir ja!"


    Sie blieb am Straßenrand stehen und deutete auf den Grabstein, der hier unbemerkt stand. Daneben floss eine Quelle aus einem Stein.


    "Nicht sehr beeindruckend, was?"

    Die Vestalin lachte auf, als sie ihre Schülerin erblickte - das Mädchen sah durchaus verwirrt aus! Ihre Begrüßung war allerdings fast etwas respektlos, was sie jedoch der Schlaftrunkenheit zurechnete. Offenbar war die Feier doch recht wild gewesen...


    "Genau das werden wir tun. Ich warte solange am Eingang."


    Damit wandte sie sich um und durchquerte den Hof.

    Papiria Occia


    Am zweiten Unterrichtstag kam Papiria Occia zum Zimmer der Claudierin. Heute durfte das Mädchen den Tempel betreten und würde wieder eine ganze Menge lernen - wenn sie gestern nicht zu viel gefeiert hatte!


    Vorsichtig klopfte sie an.

    Die Vestalin blickte etwas verträumt zu dem kleinen Fenster in den Hof. Sie musste bei der Erwähnung an die Ludi Romani an eine Begebenheit ihrer Jugend denken. Dann wurde sie jedoch von ihrer Schülerin aus der Erinnerung zurück ins Atrium Vestae geholt.


    "Ähm...ja. Dann machen wir das morgen. Geh' und amüsier' dich!"


    Sie machte eine scheuchende Handbewegung und rollte dann die Papyrus-Rolle auf ihrem Schoß zusammen. Für heute war genug gelernt worden!

    "Richtig, richtig. Ich denke, das genügt für heute. Und da du so viel wusstest, darfst du heute auch gern in die Stadt gehen und dich etwas umsehen."


    erklärte Occia und erhob sich.


    "Morgen früh werden wir Wasser bei der Egerischen Quelle holen - da fällt mir ein: Ich habe dir ja noch gar nicht den Tempel und den Rest des Atrium gezeigt! Wollen wir das jetzt noch tun oder morgen?"

    Abgesehen von der Tatsache, dass der Plural vor 'Quindecemvir' 'Quindecemviri' lautete, hatte Romana erwartungsgemäß weitestgehend richtig geantwortet. Und diesen kleinen grammatikalischen Fehler übersah die Papirierin wohlwollend. Dafür beschloss sie jedoch, ein paar inhaltliche Anmerkungen zu machen:


    "'Unrömisch' klingt etwas stark. Dazu gehören auch alle Kulte im Graecus Ritus, also etwa der Kult des Hercules oder des Apoll. Und im weitesten Sinne können ihnen natürlich auch die Auguren helfen, indem sie den Entschluss durch Auspizien prüfen.


    Das ist auch die Hauptaufgabe der Auguren: Auspicia, die rituelle Einholung der göttlichen Zustimmung. Nur Magistrate mit Imperium, also die Proconsuln, der Kaiser, die Consuln und Praetoren können dies für den Staat tun. Daneben spielen sie auch bei Amtseinführungen und Tempelweihen eine wichtige Rolle."


    Sie legte einen Finger an die Lippen und schien nachzudenken, dann meinte sie


    "Wo wir gerade bei Amtseinführungen sind: In Kürze werden ja die Magistrate der Stadt inauguriert. Die Consuln und Praetoren legen dabei Vota, Gelübde, ab. Auch ein Privatmann kann ein Gelübde ablegen, etwa für die Heilung von Krankheit ein Votiv.


    Weißt du, welche Votivgaben für diese Anlässe üblich sind und an gegenüber wem man ein solches Gelübde am besten ablegt?"

    Tatsächlich war Occia eine große Freundin des berühmten Aristoteles und hielt es daher wie er für das beste, wenn der Schüler durch eigenes Nachdenken weitergebracht wurde. Daher stellte sie möglicherweise auch mehr Fragen als andere Lehrerinnen.


    "Richtig, richtig. Ein Prodigium wird durch den Senat festgestellt. Ebenso legt er die Form der Entsühnung fest, häufig in Form von Supplicationes oder Opfern. Dabei kann er sich jedoch auch den Rat einiger Priestercollegia einholen. Weißt du, von welchen? Und was diese Collegia sonst für Aufgaben haben?"


    Sicherlich wusste sie es! Romana kannte sich bereits sehr gut aus!

    Occia war noch immer erstaunt, als Romana weiter ihrem leidenschaftlichen Hass Ausdruck verlieh - offenbar war sie nicht gerade eine Stoikerin! Doch im Grunde war es ja egal (auch, dass die Juden ebenfalls den Menschen als Ebenbild Gottes betrachteten, denn das wusste die Papirierin genauso wenig wie die Tatsache, dass es die Christen taten). So reagierte sie nur auf die letzten Worte und meinte


    "Respekt ist das richtige Wort, genau!"


    Sie legte den Kopf ein wenig schief und griff sich sanft an ihr Kinn.


    "Aber wie nennt man ein Zeichen, das eine solche Störung der Pax Deorum anzeigt?"

    Etwas erstaunt nahm die Papirierin zur Kenntnis, dass Romana ja eine richtige Christenhasserin zu sein schien. Die anderen Religionen des Ostens waren ihr hingegen offenbar eher egal.


    "Du scheinst ja die Christen richtiggehend zu hassen! Aber mache dir keine Sorgen - sie sind nicht mehr und nicht weniger als eine jüdische Sekte, die sicherlich bald wieder vergehen wird."


    Wie sehr sie sich damit irren würde, war ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst - wie auch, denn erst hunderte Jahre später würde Konstantin der Große zum Glauben an diesen Kult des Gekreuzigten übertreten und damit die Weltgeschichte verändern.


    "Allerdings hast du Recht: 'Do ut des' ist unser Prinzip. Wir geben den Göttern und müssen uns daher nicht schämen und vor ihnen kriechen. Daraus ergibt sich jedoch auch etwas anderes: Die Götter interessieren sich abgesehen von diesen...sagen wir vertraglich zugesicherten Kultterminen und Riten wenig für uns. Gerade die Juden haben ja unglaublich viele Vorschriften und ihr gesamtes Leben ist durch ihren Gott geregelt. So etwas gibt es bei uns ebenfalls nicht: Moralische Richtlinien und das Staatswesen legitimiert sich ausschließlich aus der Tradition! Obwohl es natürlich klug ist, sich hierbei der Zustimmung der Götter zu versichern, damit es gelingt!"


    erklärte sie weiter. Einen Moment überlegte sie, dann fiel ihr noch etwas dazu ein.


    "Eine religiöse Aufgabe hat der Staat dennoch: Den Erhalt der Pax Deorum. Der wird allerdings nur mit Hilfe von Opfern und Nachfragen erhalten. Kannst du mir erklären, was das ist und wie man dessen Störung nennt?"

    "Das ist richtig. Das Wasser kommt aus einer speziellen Quelle, die wir morgen gemeinsam aufsuchen werden."


    bestätigte sie und lächelte milde, als Romana von den geheimen Kultgegenständen sprach. Sie selbst hatte bisher die wenigsten gesehen, was allerdings kein Wunder war - je weniger Menschen sie sahen, desto weniger konnten sie stehlen!


    "Wir bewahren sie, ja. Allerdings im Tempel selbst, die meisten sind eingemauert, um den Diebstahl zu erschweren. Einzig das Palladium kann man auch von außen sehen."


    erklärte sie. Was das Palladium war, wusste Romana bestimmt, denn sie wusste ja schon so viel!


    "Die Sache mit dem Bewahren ist übrigens kein Spaß! Wenn das Feuer erlischt, wird die verantwortliche Vestalin entkleidet und ausgepeitscht - vom Pontifex Maximus persönlich! Außerdem ist es ein schlimmes Prodigium für den Staat."


    Noch einen Augenblick sah sie Romana eindringlich an, dann schien sie nachzudenken, wie sie fortfuhr. Dann schien sie eine Idee zu haben, denn ihre Augen begannen zu leuchten und sie meinte


    "Machen wir bei der Religio Romana im Allgemeinen weiter. Weißt du denn, was unseren Staatskult von diesen östlichen Religionen und Geheimkulten unterscheidet?"

    "Nein, tut mir leid. Wir haben eigentlich feste Liktoren, die weitergereicht werden. Wenn der alte allerdings zufällig in den Ruhestand geht, kannst du frei wählen."


    ...was so selten nicht war, denn immerhin diente jede Vestalin 30 Jahre - und wer konnte schon länger als diese Zeit arbeiten, wenn er nicht gerade ein reicher Mann war, der stets genug zu Essen hatte und auch sonst wenig beansprucht wurde?


    Dann jedoch wandte sie sich wieder ihrer Tracht zu. Sie fuhr sich über das Haar.


    "Richtig. Der Schleier wird Suffibulum genannt. Unser Haar ist gewöhnlich nicht sehr lang, denn immer, wenn wir das Atrium verlassen, tragen wir ihn. Außerdem ist uns jeglicher Schmuck oder Schminke untersagt - Reinheit in allen Lebenslagen eben!"


    Damit war die Tracht wohl ausreichend erklärt und Occia konnte die Überleitung zum allgemeineren Teil beginnen - doch zuerst galt es, die Aufgaben einer Vestalin zu diskutieren!


    "Welche Aufgaben hat die Vestalin denn nun? Sicher weißt du schon etwas!"

    "Möglicherweise. Obwohl wir uns nicht ganz so gut auskennen müssen wie die Haruspices. Aber Minucia wird sich sicher freuen!"


    Die uralte Vestalin war eine gebürtige Etruskerin und stammte aus einer alten Familie aus Haruspices. Doch Romana würde sie noch während ihrer Ausbildung kennen lernen!


    Als sie so freudig nach ihrem Liktoren fragte, lachte die Papirierin amüsiert auf.


    "Wenn du eine fertige Vestalin bist. Solange wirst du warten müssen. Übrigens haben unsere Liktoren keine Rutenbündel, sondern nur einen Stock als Prügel - falls uns jemand angreift oder respektlos ist!


    Einen Moment besann sie sich.


    "Das stimmt alles, aber wählen dürfen wir leider nicht. Seit dem göttlichen Tiberius dürfen nur die Senatoren wählen - und so hoch stehen wir auch wieder nicht! Aber in alter Zeit wäre das wohl etwas anderes gewesen."


    Nach dieser Belehrung erhob sich die Vestalin und breitete die Arme aus. Einen Moment genoss sie die Miene der Claudierin, die sicherlich etwas Verwirrung ausdrückte, dann erklärte sie


    "Kommen wir zur Tracht der Vestalin! Welche Teile kennst du bereits?"

    "Ah, mach dir keine Sorgen! Die jungen Amatae werden meist sowieso hauptsächlich in Latein und Griechisch unterrichtet - und das beherrscht du ja sicherlich schon, nicht wahr?"


    meinte Occia beruhigend und beschloss dann, mit dem Unterricht fortzufahren.


    "Zu den Pflichten einer Vestalin gehört der Gehorsam gegenüber ihrem Pater Familias, dem Pontifex Maximus, die Einhaltung der Kultvorschriften und - was besonders wichtig ist - die völlige Enthaltsamkeit in körperlichen Dingen. Aber das sagte ich ja bereits. Und natürlich, dass es nicht möglich ist, den Dienst vor Ablauf von 30 Jahren* zu beenden.


    Weißt du denn, was die andere Seite der Münze ist? Also welche Privilegien eine Vestalin genießt?"


    Sim-Off:

    * in unserem Fall mindestens 6 SimOff-Monate

    "Zwar nennt man sie gewöhnlich Rhea Silvia, doch das übrige ist korrekt. Es ist sehr ungewöhnlich, dass eine Vestalin Mutter ist, denn uns ist jeder fleischliche Kontakt zu Männern strengstens untersagt. Deshalb ist es Männern grundsätzlich verboten, unser Atrium zu betreten."


    fuhr sie fort, wobei sie wohl Dinge ansprach, die Romana ohnehin längst klar waren. Die nächste Frage war allerdings etwas schwieriger:


    "Die Voraussetzungen, um eine Vestalin zu werden sind sehr streng. Kannst du sie alle aufzählen?"


    fragte sie daher.

    Papiria Occia


    Die Vestalin betrat kurz hinter dem Mädchen den Raum. Diesmal hatte sie die Ehre, den Beginn der Ausbildung selbst zu leiten, anstatt ihn an eine Vestalis de Confirmatione abzugeben. Daher nahm sie - ein wenig stoz - auf der Cathedra Platz und gebot Romana mit einer Geste, den Hocker zu ihren Füßen einzunehmen.


    "Hier wirst du also ausgebildet werden. Ich fange mit den Dingen über den Vesta-Kult an, dann schauen wir auch noch einmal auf den allgemeinen Cultus. Und dann gehen wir noch einmal auf Vesta zurück. Ich mache allerdings nicht alles allein. Manche von den Schwestern sind auf bestimmte Dinge spezialisiert, daher werden sie einzelne Teile übernehmen."


    Sie wartete kurz, ob es Fragen gab (allerdings fast ein wenig zu kurz), dann begann sie


    "Was glaubst du, wie alt der Kult der Vesta ist?"

    Papiria Occia


    Die Papirierin hatte das Opfer schweigend verfolgt und war zufrieden, dass ihre Schülerin so gelehrig war. Nun jedoch löste sich die Gemeinschaft rasch auf und nur Romana und ihre Lehrerin blieben zurück.


    "Das hast du schon ganz gut gemacht, Claudia! Dann können wir ja mit der Ausbildung beginnen! Folge mir!"


    Damit führte sie das Mädchen hinüber in den Ausbildungsraum.

    CAMERA
    DER UNTERRICHTSRAUM


    Ein mittelgroßer, leerer Raum des Atrium Vestae dient als Unterrichtsraum für die jungen Amatae. Bevor man eine Vestalin werden kann, muss man viel lernen, daher ist es verständlich, dass dafür extra ein Raum eingerichtet ist.


    In dem sonst kargen Zimmer befindet sich ein Stuhl für die lehrende Vestalis, dazu Hocker für die Amatae. An der Wand befindet sich ein Regal mit Schriftrollen zu allerlei Lerninhalten.