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"Steh bequem, Centurio", wies Legatus Manius Arennius Cavarinus den Centurio an. Daraufhin ließ er Corvinus eine ganze Weile schmoren, während er eine Wachstafel studierte. Die Nachricht vom Tod des Kaisers war erst wenige Tage bekannt und noch wusste keiner wie es weiterging. Ab und an hob der Arennier den Kopf und warf einen Blick auf den Centurio, der da vor ihm stand.
Die Tabula, die die bisherige Karriere des Helvetiers beschrieb, malte irgendwie ein anderes Bild als das, welches ihm nun von Angesicht zu Angesicht geboten wurde. Der Werdegang des Helvetiers beschriebeinen jungen Mann, bestens auf den Dienst unter den Adlern vorbereitet durch seinen Vater, einem hoch dekorierten Veteranen. Entsprechend dieser Vorbereitung und natürlich der guten Ausbildung bei der Legio Secunda hatte der Helvetius dann auch der Legio und seiner Abstammung alle Ehre gemacht.
Schnell war er aufgestiegen - nicht wenige meinten zu schnell - und war schon bald Optio. Auch in diesem Rang zeichnete er sich weiter aus und war schließlich sogar kurz vor dem Feldzug nach Italia zu einem der jüngsten Centurios ernannt, den die Secunda je gehabt hatte. Im Bürgerkrieg zeigte Helvetius ein tadelloses Verhalten bis zur Schlacht bei Vicetia, die den Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn darstellte. Dort wurde er mehrfach verwundet aber auch hoch ausgezeichnet. Sogar die Corona Vallaris war ihm nach der Schlacht verliehen worden. Die erlittenen Verwundungen waren nicht so gravierend, weshalb er mit der Legio Secunda auch beim letzten Abschnitt des Feldzugs dabei war und an der Befreiung der Urbs Aeterna teilnahm. Doch schon da fiel er nicht mehr durch vergleichbare Leistungen auf wie er sie bei Vicetia noch gezeigt hatte.
Es war ganz so als ob bei oder kurz nach jener Entscheidungsschlacht irgendwas passiert war, das den Centurio grundlegend verändert hatte. Waren es gefallene Kameraden? Vielleicht der Verlust von engen Freunden? Das in der Schlacht Erlebte? Oder vielleicht doch etwas ganz anderes? Der Legat wusste es nicht aber die Entwicklung war deutlich zu erkennen. Waren die Berichte seiner früheren Vorgesetzten immer voll des Lobes gewesen so beschrieben sie aktuell einen Centurio der gerade noch unterer Durchschnitt war. Wäre er nicht schon Centurio gewesen sondern erst Optio wäre er wohl einer derjenigen gewesen, die ewig auf die Beförderung hätten warten müssen. Eben gerade weil es immer wieder andere, bessere Männer gab.
Angefangen hatte es schon beim Rückmarsch von Italia. Unter dem Kommando eines dekadenten senatorischen Tribuns, war der Mann bei der Vexillatio dabei gewesen, welche es geschafft hatte etliche Monate später als die Hauptstreitmacht in Mogontiacum anzukommen. Immerhin hatten sie sechzig Rekruten aus einer Veteranensiedlung bei Aventicum mitgebracht. Damals hatte man noch geglaubt, dass die Verspätung zu Lasten des Tribuns gegangen war und nur dank des Centurios überhaupt Rekruten gefunden worden waren. Doch ehrlich gesagt zweifelte der Legat langsam an dieser Version.
In den Monaten danach sanken die Leistungen des Helvetiers kontinuierlich und die Beurteilungen durch seine Vorgesetzten fielen zurückhaltender aus. Dem Mann war lange keine Centurie unterstellt worden, obwohl Offiziersmangel geherrscht hatte. Inzwischen waren die Lücken im Centurionat größtenteils geschlossen und Centurio Helvetius gehörte zu denjenigen, die kein dauerhaftes Kommando inne hatten. Anders als die meisten anderen Männer ohne eigene Centuria war er dabei aber kein Spezialist auf irgendeinem Fachgebiet. Weder war er ein guter Strafverfolger, noch war er ein guter Architekt oder Ingenieur und mit Zahlen konnte er auch nicht überdurchschnittlich gut jonglieren.
Das jüngste Ereignis, das Arennius dazu gebracht hatte sich mit Centurio Helvetius zu befassen, lag nur wenige Tage zurück. Unerlaubte Abwesenheit beim Morgenappell, die mit einer dürftigen Nachricht zur Entschuldigung erklärt wurde. Wenig später war der Centurio selbst aufgetaucht - deutlich erkennbar nicht von Krankheit, sondern vom übermäßigen Weingenuss gezeichnet. Seine Visage ließ außerdem auf die Beteiligung an einer Schlägerei schließen.
Am Ende seiner Überlegungen schloss der Legat die Wachstafel. Er hatte beschlossen zu handeln. Noch wollte er den Mann jedoch nicht aufgeben! "Centurio Helvetius. Du bist schon lange ohne eigenes Kommando über eine Centuria, obwohl der Secunda seit dem Bürgerkrieg einige erfahrene Centuriones fehlen. Angesichts der Verluste, die wir erleiden mussten, wäre es doch eigentlich sinnvoll, dir wieder eine Centuria anzuvertrauen. Andererseits sind da deine Leistungen der letzten Zeit, die eher dafür sprechen, dass ich dir den Vitis wegnehmen sollte!"
Er ließ die Worte eine Zeitlang wirken und studierte die Reaktion des Centurios. Degradierung oder Entlassung waren die wohl schlimmsten Geschehnisse, die ein Soldat sich vorstellen konnte - freilich abseits der Verstümmelung oder des Todes.
"Doch du hast Glück! Einer deiner Kameraden des Mithras, ein Perses, hat ein gutes Wort für dich eingelegt. Du entgehst also einem offiziellen Tadel. Eine Centuria werde ich dir dennoch nicht geben können. Ich habe da vielmehr einen Decurio der vierten Turma, der bald in den Ruhestand geht. Ich weiß, dass du kein erfahrener Reiter bist aber das ist alles was ich für dich im Moment vorgesehen habe. Die Turma Quarta besteht inklusive dir aus lauter Anfängern. Ironischerweise aus den Männern die du damals aus Aventicum mitgebracht hast. Ein Helvetier wird also eine Turmae aus lauter Helvetiern anführen! Der Posten des Tessarius ist noch frei, da kannst du sogar einen Mann deiner Wahl einsetzen. Dein Aufgabe wird es sein in der nächsten Zeit dich selber und diese Turmae in Form zu bringen!"
Der Legatus Legionis sah Centurio Helvetius Corvinus eindringlich an. "Bedenke: Dies ist deine letzte Chance um das Ruder deiner Laufbahn noch einmal herum zu reißen und nicht schon in jungen Jahren als Centurio Statorum irgendwo in der gallischen Pampa zu versauern! Bist du gewillt, diese Chance zu nutzen?"
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