Galeo Epidius Andronicus
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Der Tempelvorplatz war gut gefüllt und die Duumvirn und anderen Amtsträger hatten sich am Tempeleingang zusammengefunden, um dem anstehenden Schauspiel beiwohnen zu können. Ein Apparitor postierte sich dort, wo die Leute ihn gut hören konnten und verkündete den Beginn der Zeremonie und rief die Leute dabei zur Ruhe. Als das Geschwätz langsam abebbte, trat der Duumvir Galeo Epidius Andronicus vor und begann mit lauter Stimme, das Opfergebet zu sprechen.
"Oh Lares Vicani, ihr Geister dieses Ortes,
wir, die Bewohner der Stätte eures Wirkens,
stehen hier demütig vor euch,
schaut auf uns mit Wohlwollen!
nehmt an diese Gaben und gewährt uns Euren Schutz,
hört unser Gebet und verkündet es droben in göttlichen Gefilden
Eurem Meister Mogounus und unserem Schutzherrn Apollo,
an den wir uns voll Vetrauen wenden.
Wie der Rauch dieser Kräuter, so mögen unsere Gebete zu ihm hinaufsteigen!"
Der Duumvir hatte schon unzählige Male in seinem Leben geopfert und so besaß er einerseits die nötige Routine und Ruhe, andererseits erinnerte er sich noch an das geleierte Gebet von Lucius Petronius Crispus, dem er definitiv nicht nacheifern wollte, so dass er voller Inbrunst sprach und die Worte dramatisch betonte.
Daraufhin gab er die bereitgelegten Kräuter, es waren Lavendel und wilder Weizen, in die Feuerschale und hielt einen Augenblick inne, bis der Rauch in den Himmel stieg.
Ohne Zögern ging Epidius nun zum Hauptopfer über. Ein Opferdiener führte einen weißen Schafbock, das Tier, das die Civitas ihrem Schutzpatron traditionell opferte, zum Altar und der Duumvir begann erneut zu beten:
"Oh Apollo, Schirmherr der Herden und Städtegründer,
Grannus, Herr der Quellen und der Heilung,
Mogunus, Lichtbringer und Schild unserer Civitas!
Du hälst Mogontiacum in fruchtbringender Umarmung. Du hälst Krankheit und Tod von uns ab und segnest unsere Quellen. Deine göttliche Gegenwart gibt den Gesunden Kraft und stärkt die Kranken. Nie lässt du Leid über deine Herde kommen und nie wird uns Übel zugefügt, denn du hast dein wachsames Auge auf deine Kinder gerichtet und dein Pestpfeil zielt auf jeden Feind. Dein Wohlwollen ist der Sonnenschein über unseren Dächern und dein Atem bringt unseren Wiesen und Äckern Fruchtbarkeit.
Darum bringen wir dir dieses gerechte Opfer dar. Ein Schafbock, kräftig und rein, legen dir deine Kinder ehrerbietig zu Füßen, wie wir es immer voller Freude tun, denn du bist unser Heil!
Oh Apollo Grannus Mogounus, wir bitten dich um deinen Schutz für die Kasse unserer Civitas. Nimm diese Truhen unter deine Fittiche und halte jene von unseren Schätzen fern, die Übles im Sinn haben! Gewähre uns diese Gunst und groß wird unser Dank sein allezeit!"
Das war ein Kraftakt gewesen. Am Ende hatte Epidius Stimme beinahe gestreikt, denn er war nicht mehr der Jüngste und seine Lunge war nicht mehr so kräftig wie einst. Dennoch hatte er das Gebet dank fleißigem Auswendiglernen fehlerfrei vorgebracht.
Jetzt folgte die übliche Prozedur. Der Duumvir erhielt das Opfermesser und fuhr damit über den Rücken des Tieres. Dann kam die Frage des Opferschlächters:
"Agone?"
Und Galeo Epidius Andronicus antwortete:
"Age!"
Der Schafsbock ließ sein Leben und die Priester und der Haruspex gingen an die Arbeit. Jetzt hieß es Hoffen, dass Apollo keine Einwände gegen ihre Pläne hatte, die Stadtkasse in seinem Tempel zu vergraben...