Beiträge von Narrator Germaniae

    Nachdem die Soldaten wieder gegangen waren, war sehr rasch wieder Leben in das Dorf zurückgekehrt. Wigand selbst war völlig verwirrt, dass die Römer keine Geiseln genommen oder sich sonst irgendwie abgesichert hatten, dass sie den Banditen nichts verrieten. Aber da das Dorf ja tatsächlich von den Räubern bedroht worden war, beschloss er, zu verschwinden, falls die Römer es nicht schafften, die Banditen zu beseitigen.


    So sammelten sich Alte, Frauen und Kinder auf dem Dorfplatz, zusammen mit ein paar Vorräten und dem Vieh, das die Banditen noch nicht geraubt hatten. Nach herzzerreißenden Abschieds-Szenen verließ dann ein Großteil der Bewohner das Dorf und machte sich auf, einen Wald in entgegengesetzter Richtung zum Banditen-Lager aufzusuchen. Verstecken war vorerst das Sicherste.


    So war nur eine Gruppe bewaffneter Männer unter Führung Wigands im Dorf, als die Vorhut eintraf...

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    Original von Tiberius Iulius Drusus
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    Diese unverschämten Römer! Wagte dieser tollkühne Kerl doch glatt, seinen Fuß durch die Türschwelle zu setzen! Kurz sauste Baldwin ein bestimmter Gedanke durch den Kopf, in dem seine Holzfälleraxt eine bedeutende Rolle spielte, ehe er erkannte, dass es wohl Selbstmord wäre, diese Schar an bewaffneten Römern tatsächlich anzugreifen. Aggressiv blickte er Drusus an. Er wollte die Kerle so schnell es irgendwie ging weg haben. Also grübelte er ernsthaft damit, ihnen einfach Informationen zu geben, obwohl sich diese in Grenzen hielten.


    "Ihr Römer ihr... bekommt auch alles was ihr wollt!", schimpfte Baldwin zornig, "Na gut, überredet, aber nur, weil ich euch weg haben will... ihr... argh.". Er unterbrach kurz und riss sich zusammen.


    "Nordöstlich vom Dorf gibt´s Palisaden. Dort gibt´s viel Lärm, und das Tor dieses Lagers muss sich in nördlicher Richtung befinden... die stellen Wachen ab, hab ich einmal im Vorbeilaufen gesehen.", verriet Baldwin, "Da kommen tagsüber glaube ich öfter Räuber rein und raus. Nachts ist es ruhig. Und jetzt verschwindet von meinem Grundstück! Mehr weiß ich eh nich´!".

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    Original von Tiberius Germanicus Probus
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    Ein wenig stolz berührte es Aribert schon, dass er zum Fund der Räuber beitragen konnte. Erleichtert atmete er auf, als er vernahm, dass die Soldaten hier waren, um die Räuber zu beseitigen. Es hatte wohl doch Sinn, sich kooperativ zu zeigen. Diese Römer hier waren anders als viele andere. "Freuen mich, dass konnte helfen!", meinte Aribert freudig.


    Mittlerweile erprobt in der Beantwortung der Fragen der Legionäre lauschte Aribert auch nur dieser wirklich allerletzten Bitte. Das Gelächter im Hintergrund hatte er gehört, aber was sollte er schon machen? Anlegen konnte er sich mit bewaffneten Männern nicht, deshalb musste er es wohl oder übel über sich ergehen lassen. Ja, der Römer hatte auch recht. Er wollte seine Familie nicht mehr in Gefahr bringen. Deshalb wandte er sich an diesen Victor. Es verstand sich von selbst, dass er dies in flüssigem, verständlichen Germanisch tat.


    "Von dem Dorf aus in Richtung Wald, geht ihr einfach geradeaus. Richtung Nordosten. Irgendwann trefft ihr auf einen großen alten Baum. Von dort aus könnt ihr einen Fluss rauschen hören, und dann geht ihr in die Richtung, von der das Rauschen kommt. Einen Fußmarsch später trefft ihr auf das Lager. Ich weiß jedoch nicht, wo sich das Tor des Lagers befindet... also seid auf der Hut."


    Nach seiner auf germanisch ausführlicheren Beschreibung wandte sich Aribert in seinem schlechten Latein wieder an Probus.


    "Brauchen noch ihr mich?".

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    Original von Tiberius Iulius Drusus
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    Der Römer zauberte Baldwin nicht mehr als ein boshaftes Lachen auf die Lippen. Er sollte ihnen helfen? Kleinen Römern doch nicht... Räuber, Römer... die unterschieden sich keinen Deut.
    "Verschwindet, ihr Römer!", antwortete Baldwin wenig freundlich, nachdem er seinen ersten Eindruck über Drusus und seine Kameraden mit dem Lachen unterstrich.


    Da hatten die Legionäre mal ein hartes Kaliber erwischt. Baldwin war stur, und man konnte ihm sehr schlecht klar machen, dass das Ganze hier zu dem Wohl der Menschen passierte. Der strikte Anti-Römer wusste, dass es besser war, von Räubern geplündert zu werden, als Römern zu helfen. Doch tatsächlich musste er kurz nachdenken, ob das letztlich doch klug war...

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    Original von Tiberius Germanicus Probus
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    Das war nicht gut. Aribert konnte sich nur sehr düster an den Weg erinnern, den er damals eingeschlagen hatte. Und dann musste er es den Soldaten noch auf Latein klar machen... hoffentlich war das jetzt die letzte Frage! Die Legionäre verlangten dem Familienvater wirklich Einiges ab!
    Aribert verzog die Augenbraue und starrte nachdenklich auf die Decke. Ein paar Fetzen Wegbeschreibung konnte er noch liefern. Aber ob das reichen würde, wusste er nicht. Hunderprozentig hatte er den Weg nicht in Erinnerung. Er versuchte, ihn nach seiner Flucht schnell zu vergessen.


    "Von Dorf aus...", versuchte Aribert, zu erklären, "Gehen in Wald... geradeaus, bis treffen ihr auf großen alten Baum. Danach hören ihr müssen Fluss rauschen. Gehen in die Richtung, von wo kommen. Irgendwann von irgendwo aus sehen müssen ihr das Lager der Räuber. Richtung Nordosten.".


    Aribert schaute die Räuber hoffnungsvoll an, ob das reichen würde. Wenn diese Soldaten die Räuber hoch nehmen würden... wäre seine Familie endlich wieder sicher.
    "Ihr wollen... töten Räuber?", fragte er hoffnungsschimmernd.

    Aber auch die anderen Miltes, die auserwählt waren, hoben ihre Hand.
    Es war wohl die grösste Ehre, die einem Soldaten zu Teil werden konnte
    und niemand wollte sich diese Chance entgehen lassen,
    auch wenn dies hiess, seine Freunde und Kameraden zu verlassen.


    Doch die Aufgaben die warteten und die Aussicht, dem Kaiser näher zu sein,
    als der Grossteil der Bevölkerung liessen diese Zweifel schnell schwinden.


    Dass der Dienst bei den Praetorianern oft noch eintöniger und langweiliger war,
    als bei den Legionen wussten die jungen Soldaten natürlich
    und es würde ihnen auch niemand sagen.


    Nichts desto Trotz war die Ehre natürlich gewaltig und von daher
    war es kein Wunder, dass sich fast alle, bis auf ein zwei Ausnahmen, gleich meldeten.

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    Original von Tiberius Iulius Drusus
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    Dieses Mal hatten die römischen Soldaten das Haus von Baldwin erwischt. Im gesamten Dorf hätte man ihn guten Gewissens als Anti-Römer abtun können. Denn wenn er etwas nicht leiden konnte, waren es Römer. Wenn er etwas noch weniger leiden konnte, waren es römische Soldaten. Wenn es nach ihm ginge, sollten sich diese Römer zurück in ihr sonniges Italien verkriechen.


    Eilig riss Baldwin die Türe auf, an der es klopfte. Er wusste, was ihn erwartete, aber das war noch lange kein Grund, zurückhaltend mit diesen Männern zu sein. Seiner Meinung nach waren die anderen Bewohner viel zu zimperlich mit den Soldaten hier.
    "Was?", fragte der stolze Germane scharf. Unkooperativität konnte man ihm von der Stirn ablesen.

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    Original von Tiberius Germanicus Probus
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    Vielleicht hätte der Trick funktioniert, wäre Aribert jetzt nicht vollkommen ahnungslos. Er wusste nichts mehr, schließlich hatte er sich nicht zu einem längeren Aufenthalt im Räuberlager überreden lassen. Er sah tief im Wald Palisaden und war dann auch schon wieder weg, bevor man ihn erwischte und ausnehmen konnte. Ein Mann wusste ja wissen, wo er blieb. Es gab nur einen reißenden Bach in der Nähe. Mehr wie Wigand wusste Aribert also auch nicht.


    "Nichts mehr ich wissen, wirklich!", meinte der Familienvater mit vor Unschuld funkelnden Augen. Er konnte nur schildern, was er zu dem Zeitpunkt warnehmen konnte. "Pferde ich konnte nicht hören. Wachen ich nicht gesehen haben, aber können nicht ausschließen ihre Existenz. Im Lager, sehr viel Lärm seien! Wirklich, glauben ihr mir müssen!". Seine Stimme klang im Gegensatz zu denen der anderen Dorfbewohner engelsgleich. Aber auch er hatte eine raue Stimme, aus Sicht eines Römers.


    "Mama, was machen diese Männer hier?", fragte ein Kind unschuldig im Hintergrund.
    "Nichts, mein Schatz, nichts...", beruhigte die fürsorgliche Mutter ihren ängstlichen Sohn. Er verstand nicht, worum es geht. Er wünschte sich aber auch Räuber und Legionäre weg.

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    Original von Lucius Quintilius Valerian
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    Wigand reagierte skeptisch auf die Moralpredigt von Valerian. Das wusste er doch auch! Aber der Mann hatte ja leicht reden, schließlich war es ja Wigand, der jetzt seine alten Freunde verraten hatte. Er hatte dafür nicht mehr übrig, als ein mehr unzufriedenes als zufriedenes Nicken, welches von einem tiefen Brummen begleitet wurde. Die Schuld, seine alten Kindesfreunde verraten zu haben, lastete jetzt auf ihn. Nur auf ihn! Obwohl sie nun Räuber waren, Wigand wollte sie nicht einfach verraten. Nicht so schnell.


    "Vom Lager nicht weit weg, seien dort ein kleiner Bach. Ihr hören können, wenn in Nähe.", beschrieb Wigand die Lage des Baches. "Aber ich nicht mehr sagen können über Lager. Wirklich nicht, nie richtig dort gewesen seien. Und wenn doch, dann schnell wollten weg. Räuber gefährlich, nicht gut.". Die Verzweiflung, die mit diesen Räubern herrschte, konnte jeder der Bewohner hier zum Ausdruck bringen. Zum Teil tat man dies auch.
    Hoffentlich ließ wenigstens dieser Soldat endlich von Wigand ab. Er fühlte sich ziemlich ausgequetscht, so wie man ihn hier befragte!

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    Original von Tiberius Germanicus Probus
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    Aribert war sichtlich überrascht, dass man ausgerechnet ihn als Helferlein vorschlug. Dementsprechend fiel auch seine Reaktion aus, welche sich in einem verunsicherten Gesichtsausdruck wiederspiegelte. Er wusste schon, dass er lieber Informationen rausrückte. Er zeigte sich im Gegensatz zu Wigand weniger zimperlich, was die betraf. Aribert hatte eine Familie, und er hatte Angst um sie, wenn die Räuber zu ihnen stoßen sollten. Er wandte kurz seinen Kopf und blickte besorgt seine Frau an. Danach blickte er zu den Soldaten zurück.


    "Ich jagen neulich waren! Dort gesehen haben Pallisade, schlecht errichtet, im Wald tief sein drinn´!", erklärte Aribert launisch und das war die gleiche Info, die auch Wigand Valerian gab, "Nordosten!". Nun war es getan. Aribert wusste nichts mehr und hoffte, sowohl die Räuber als auch die Soldaten loszuwerden. Einfach nur in Frieden leben... das wollte er.

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    Original von Lucius Quintilius Valerian
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    Ein cleverer Bursche für einen Römer, dachte Wigand, als er dem Legionären sein Gehör schenkte. Doch der Mann hatte wiederum recht... was sollte Wigand jetzt tun? Seine alten Freunde verraten? Andererseits war denn die Frage, ob sie denn überhaupt vor ihm halt machen würden. Manchmal ließen sich Menschen so sehr von Beute und Reichtum blenden, dass sie Werte wie Freundschaft vergaßen. Wie Wigand merkte, musste da etwas Wahres dahinter stecken.
    Auf das Lob des Quintiliers ging Wigand nicht ein. Ihm war klar, dass es sehr schwer war, die Räuber aufzuhalten. Dieser Erfolg war ein großes Glück und es sollte sich nicht wiederholen, wenn eine zweite Gruppe zum Dorf kommen würde.
    Doch die freundliche Stimme des Legionären ermunterte Wigand ein wenig... vielleicht... ja, vielleicht konnte er ihnen ein wenig mehr erzählen. Valerian hatte ja letztlich recht. Aber freiwillig tat Wigand das trotzdem nicht.


    "Wir keine Späher haben... auch niemand hingegangen.", meinte Wigand trotz allem noch betrübt. Er entschloss sich, mehr Infos preiszugeben, als er eigentlich geben wollte. Doch seine alten Freunde... er müsste lange mit der Schuld kämpfen, sie verraten zu haben. Wigand handelte letztlich im Interesse des Dorfes. Er dachte an die Kinder und Frauen. Nein, er wollte niemanden hier leiden oder gar sterben sehen. Er konnte keine Rücksicht nehmen auf die Freunde, die sich auf die falsche Seite schlugen. Legionären machten kurzen Prozess mit Feinden, dass wussten sie auch.
    "Aber... aber Jäger von unserem Dorf, Lager gesehen haben. Ein Fußmarsch weg von hier sein... berichtet mir haben.", erzählte der Dorfanführer stutzig, "Richtung Nordosten... tief in Wald, kommen nicht einmal Sonnenschein durch Bäume durch. Mehr ich nicht sagen können, wirklich. Als wir in Flucht geschlagen haben Räuber, sie auch in diese Richtung gingen.". Nun stand Wigand da und blickte den Soldaten an. Er war sichtlich getroffen und kratzte sich am Bartüberwucherten Kinn.

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    Original von Tiberius Germanicus Probus



    Aribert entschied sich trotz des mächtigen Getümmels da draußen, bei seiner Frau und seinem Kind in der Wohnung zu verweilen. Er dachte keine Sekunde daran, sie alleine zu lassen. Dann jedoch klopfte es an der Türe. Es waren sicher die Soldaten, und Aribert hatte kein gutes Gefühl. Hoffentlich hatte er die Möglichkeit, kooperativ zu sein, damit ihm nichts passierte. Man konnte bei diesen Römern eben einfach nie wissen. Aribert traute den Kerlen nicht.
    Eilig öffnete der Familienvater die Türe, wo er schon römische Soldaten, gehüllt in Rüstung erblickte. Mist, sein Latein hielt sich stark in Grenzen.


    "Sale!", fing Ariberts Gruß schon falsch an, "Wie helfen kann euch ich?".

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    Original von Lucius Quintilius Valerian
    Die Gruppen für die Befragungen der Einwohner hatten sich selbständig gebildet. Sie bestanden je aus drei bis vier Mann, von denen jeweils einer germanisch sprach. Fünf Mann, von denen keiner germanisch sprach, waren zurückgeblieben und sie sicherten auf einen Wink von Valerian hin den Dorfplatz. Man konnte ja nie wissen. Gerade wollte Valerian weitere Fragen stellen, als Cupidus ins Dorf geritten kam. Da er aber nicht alarmiert oder beunruhigt wirkte, machte Valerian doch einfach weiter.


    "Nun, wir sind überhaupt nur in der Gegend, um die Banditen zu jagen, die hier in der Umgebung immer wieder Höfe und Häuser überfallen. Übrigens machen die keinen Unterschied zwischen Römern und Germanen, wen sie bestehlen und morden, kümmert sie nicht. Wißt ihr, in welcher Gegend sie wohl ihren Unterschlupf haben? Oder wißt ihr von Überfällen, die uns nicht gemeldet wurden? Gab es hier in eurer direkten Umgebung Überfälle?" Bei einer solchen Masse an Banditen mußte den Einheimischen doch etwas aufgefallen sein. "Auch Dinge, die nebensächlich erscheinen, könnten wichtig sein. Bedenkt, je eher wir die Kerle haben - und wir werden sie kriegen - umso eher könnt ihr wieder in Frieden und Sicherheit leben. Und umso eher kehren wir nach Mogontiacum zurück." Und brauchten dann auch keine weiteren Vorräte. Das sprach er so direkt nicht aus. Doch Wigand war sicher klug genug, selbst auf diesen Gedanken zu kommen.


    Aufmerksam betrachtete Valerian den Mann vor sich. Und auch die anderen, die aus den Hütten herausgekommen waren. Er achtete darauf, ob jemand von ihnen auffällig wertvolle Gegenstände bei sich trug. Hoffentlich hatten die anderen mit ihren Befragungen einigermaßen Erfolg.


    Mit einem lauten Brummen blickte Wigand zu dem Legionär, sah ihn nachdenklich an. Ja, er kam schnell auf den Gedanken... sie hatten jetzt die einmalige Möglichkeit, gleich zwei Probleme los zu werden. Die Räuber und danach die Legionäre, die später ja nicht mehr gebraucht wurden. Beide belasteten die Menschen in der Gegend, weshalb es nicht sehr dazu beitrug, ihnen die Informationen zu verwehren. Deshalb wollten die Dorfbewohner beide so schnell wie möglich los werden. Wigand durchforstete seine Gedanken und lief dabei vor Valerian auf und ab. Die Banditen schreckten vor niemandem zurück, so auch vor Wigands Dorf nicht. Vor einigen Tagen waren einige Räuber hier anwesend, drohten, schrien, wollten plündern. Es gelang Wigand und den Männern des Dorfes gerade noch, ihr Hab und Gut zu verteidigen. Aber nur eine Frage der Zeit, bis die Kerle mit Verstärkung wieder kommen würden.


    "Ja... plündern wollten uns die Räuber. Wir gerade noch konnten abwehren, aber wenn die kommen zurück mit Verstärkung...", sprach Wigand und verstummte wieder, während er sich besorgt am Kopf kratzte. Ihr Schicksal war klar, wenn die Räuber erneut kommen würden...
    Er konnte nicht viel sagen. Was die Legionäre nicht wussten war, dass der Anführer des Dorfes die Position des Lagers kannte. Mehrere seiner besten Freunde wechselten zu den Räubern, und Wigand befand sich jetzt in einer Zwickmühle. Er konnte sie doch nicht verraten... sie kannten sich schon seit der Kindheit. Doch es war eine falsche Entscheidung, sich ihnen anzuschließen. Wigand schwieg wie ein Grab.


    "Vielleicht die Anderen mehr wissen..."


    Wenig beeindruckt von diesen Römern grübelte Wigand, ob sie sich hilfsbereit zeigen sollten oder eben nicht. Sie brauchten nur Informationen… na hoffentlich nicht auch Vorräte! Wigand nickte verstehend und wollte sich erkundigen, was für Informationen das überhaupt waren: "Was für Hilfe ihr brauchen? Vielleicht wir können ein paar Informationen geben, aber wir nicht allwissend!", fragte er in seinem unsauberen Latein und mit seiner grimmigen Stimme, die so rau klang, als würde er nicht sehr oft reden. Ab und wann spielte er mit seinen Zöpfen rum oder streichelte seinen Bart, während er die Antwort des warscheinlichen Gruppenführers erwartete. Hoffentlich hatte der Kerl überhaupt was zu sagen. Hoffentlich kamen die Männer auch nicht, um mehr als nur Informationen zu besorgen. Valerian sah aus, wie ein typischer Römer. Sehr viel Metall am Körper, eine Stimme, wie sie nur die "Zivilisierten" hatten... der Rest unterschied sich auch nicht groß von den Kameraden.


    Während die zwei Männer sprachen, fielen weiterhin vorsichtige, spöttische oder missbilligende Blicke auf die Legionäre. Das mit Marcomers Dorf trug nicht zum guten Ruf der römischen Soldaten bei, die hier stationiert waren. Kein Wunder, schließlich waren alle nun viel besorgter geworden. Man musste Soldaten nun mit Vorsicht beäugen. Man wusste jedoch trotzdem, dass die Soldaten entsendet wurden, um zu helfen. Keine Hilfsbereitschaft war demnach ein Schnitt in das eigene Fleisch.

    Schon von weitem vernahmen die Bewohner des verschlafenen Dorfes, dass sie Besuch bekamen. Pferde, klappernde Rüstungen, Marschgeräusche, Befehle… das waren Soldaten, ohne Zweifel. Alle Menschen, die dieses kleine Dörfchen ihr Eigen zu nennen pflegten, verbrachten die Zeit in ihren Häusern, völlig ungeahnt dessen, dass sie nun von Legionären überrascht werden würden. Die Leute gingen von einer Patrouille aus, als immer näher kommende Marschgeräusche zu vernehmen waren. Diese verstummten jedoch bald, und man hörte von dem Inneren der Häuser aus, dass Offiziere oder Gruppenführer ihre Befehle erteilten. Erschrocken nahmen die Frauen ihre Kinder auf den Schoß, während die kräftig gebauten Männer sich ihre Mäntel grimmig blickend umlegten. Jeder merkte, dass dies unmittelbar vor den Häusern geschah. Während keine Frauen und Kinder zu sehen waren, trat eine Handvoll Männer in die Eiseskälte hinaus. Tatsächlich, es waren römische Soldaten… was trieb diese Männer nur in ihr kleines Dorf? Was wollten sie? Doch nicht etwa... ?
    Was in Marcomers Dorf geschehen war, hatte sich in Windeseile in den Dörfern der Umgebung herumgesprochen. Und auch, was Marcomer danach unternommen hatte… wenig verwunderlich, dass immer mehr Blicke der Missgunst und des Misstrauens auf die Soldaten Roms fielen. Nein, sie wollten sich nicht ausnehmen lassen. Die Vorräte reichten auch so kaum für den Rest des Winters. Reichten die Vorräte aus Marcomers Dorf etwa nicht?!


    Endlich trat auch Wigand, der Anführer des Dorfes in einem dicken, warmen Mantel hinaus, der seinen kräftigen, aber gealterten Körper überdeckte. Ein Großteil des Kopfs wurde von langen Haaren und seinem Bart verdeckt, einige Haarsträhnen zu typisch germanischen Zöpfen gebunden. Alte Narben erinnerten den Anführer an frühere Tage, in denen er schon so manchen Kampf ausgefochten hat. Die äußere Erscheinung von Wigand konnte einem durchaus Angst einflößen.
    Er beherrschte kein perfektes Latein, doch es sollte reichen, um mit den Männern zu kommunizieren. Es musste reichen, etwas Anderes hatten sie ja nicht! Eilig trat er vor die Legionäre, blieb in einem sicheren Abstand stehen und rief wahllos mit rauer Stimme: "Was wolln´ ihr hier?". Er wusste nicht, wer hier das Sagen hatte, deshalb sprach er niemanden gezielt an. Diese Römer mit ihren Rängen immer… da blieb einem jeglicher Überblick verwehrt!

    Allmählich beruhigte sich die Lage auf dem Forum wieder.
    Es war zwar nicht so, dass die Bürger zufrieden mit dem Eingreifen
    der Militärs waren, doch konnte oder wollten sie auch nicht wirklich
    etwas ausrichten.


    Langsam aber sicher entfernte sich der Grossteil der Menge
    und begab sich in die Tavernen oder ihre Heime.
    Am Forum würde an diesem Tag ohnehin nicht mehr viel los sein.
    Einerseits wegen dem eben Gesagten, andererseits würden die
    Legionäre keinerlei Zusammenrottungen mehr durchgehen lassen.


    Was aber in den nächsten Tagen, in den Seitengassen
    und kleinen Plätzen der Stadt vor sich gehen würde,
    das wussten nur die Götter.

    Doch die Bürger der Stadt wollten sich so einfach nicht zufrieden setllen lassen. Keineswegs würden sie jetzt nach Hause gehen.
    Es hatte zwar einige Zeit gedauert, bis sich die Meldung bis zum letzten Mann durchgesprochen hatte,
    doch jetzt wussten es alle am Platz und es wurde heftig diskutiert.
    Noch mehr, denn jetzt wurde der PLatz wieder geöffnet und die Bürger trugen die Nachricht überall nach Mogontiacum
    und so wie Leute vom Platz verschwanden, so strömten von allen Strassen wieder Andere herbei,
    um das soeben gehörte bestätigt zu wissen und mitzureden, wo es etwas zu reden gab.


    Wigands Dorf lag am Rande einer großen, freien Fläche, unweit des Rhenus-Ufers nördlich von Borbetomagus. Etwa 15 Hütten umfassten einen kleinen Dorfplatz, der jetzt mit Schnee bedeckt war. Hinter dem Dorf konnte man den charakteristischen Wald Germaniens sehen - ideal um sich vor neugierigen Augen zu verstecken. Trotz der Bedrohung durch Banditen war es noch nicht mit einem Zaun umgeben, einzig die niedrigen Gatterzäune hinter den Häuschen ließen eine Art "Grenze" zur Außenwelt entstehen.


    Offensichtlich bot dieses Dorf Platz für an die 100 Personen, was es für germanische Verhältnisse schon relativ groß machte.

    | Marcomer


    Ausgenommen hatte man sie, die Bewohner des kleinen Dorfes. Nicht anders waren sie, die Legionäre. Räuber waren sie, habgierige Schweine, die nicht einmal besser waren als die anderen Räuber. Das Lager, so wie es jetzt war, würde den Winter erschweren, vielleicht würden nicht einmal alle überleben. Marcomer tobte und war wütend, einfach auf alles, sogar auf sich selbst, dass er eine solche Plünderung zu ließ. Nicht etwa, weil „sein“ Knecht versuchte, sich davonzumachen, sondern weil die Legionäre nicht anders waren, nahmen sie genauso aus wie die Räuber. Er dachte lange über etwas Bestimmtes nach, denn er wollte das so nicht stehen lassen, und sein Dorf verhungern lassen.
    Er wusste… wenn die Soldaten der Legio II so habgierig und nicht hilfreich sein würden, dann lag es doch in der Hand des Dorfes zu entscheiden. Zu entscheiden, welche Seite sie auswählen würden. Selbst plündern oder ausgeplündert werden, nehmen und überleben oder geben, bis man nichts mehr hat. Räuber oder Legion… für Marcomer war eigentlich alles glasklar: Er entschied sich für die Seite der Räuber, und er wusste schnell, dass er so viele auf seine Seite ziehen wollte, wie nur möglich war. Der Großteil des Dorfes war genauso erzürnt wie er. Dies war durch den Zorn auf die Legion kein schwieriges Unterfangen, nach der Aktion der Soldaten neulich. Dass die Soldaten diese Vorräte dringend brauchen, geriet schnell in Vergessenheit.


    Er betrat den Dorfplatz und ließ seine Knechte das ganze Dorf zusammenrufen, um sie für ein Räuberdasein zu begeistern. Mit lauten Schreiend lockte er die verzweifelnde Gemeinschaft zu sich und zog damit die volle Aufmerksamkeit der ganzen Leute auf sich, die sich hier einfanden. Sie hofften auf sinnvolle Lösung für ihr Nahrungsproblem. Mit Staunen merkte Marcomer, dass er schnell Gehör fand und feuchtete seine Kehle an. Nachdem er die richtigen Worte fand, sprach er zu den Leuten, die mittlerweile angekommen sind. Anfang war ein wenig unsicher, bis sich in seiner festen Stimme eine gewisse Entschlossenheit zeigte (natürlich sprach er in sauberem Germanisch).


    "Hört her, meine Freunde! Diese Legionäre haben uns alle ausgenommen, und einigen unmöglich gemacht, den Winter zu überstehen! Ihr wisst, wie hart der Winter hier bei uns ist und glaubt mir, nicht jeder hier wird überleben!"


    Schon wurde es in der Gemeinschaft lauter. Aufeinander fielen skeptische Blicke, verwirrte, Hoffnung suchende Stimmen erklangen wirr, so dass man niemanden verstehen konnte.


    "Schweigt!"


    schrie Marcomer, um seine Mitbewohner zu besänftigen. Kurz darauf wandte sich eine Frau ein, die ein Kind auf dem Arm trug. Auch sie verstand Vieles nicht.


    "Die Vorräte reichen nicht, um den Winter zu überstehen! Seht euch mein kleines Kind an, wie soll ich es ernähren?!"


    "Ja, und wie sollen wir uns selbst ernähren!?", riefen sogleich mehrere wütende Männer und gestikulierten mit den Armen in die Höhe.


    Marcomer blickte seine Leute zufrieden an, was letztendlich zu einer Ruhe durch Neugierde führte…


    "Ich und mein Knecht, wir werden uns den Räubern anschließen! Wenn ihr überleben wollt, so kommt mit mir! Ich werde dafür sorgen, dass sowohl Frau als auch Kind genügend zu essen bekommen! Und die Männer werden die Vorräte beschaffen! Seid nicht närrisch und folgt mir! Ich gehe JETZT zu den Banditen und schließe mich ihnen an! Ich weiß, wo ihr Lager ist!"


    Fast jeder Mann nickte einwilligend, manche rannten jetzt schon entschlossen zu ihren Häusern, schnappten sich eigens hergestellte Speere, Schwerter und Gepäck. Manche mussten mit Mistgabeln auskommen, aber sie waren besser als nichts. Marcomer trat triumphal hervor, zerrte seinen Knecht hinter sich her.


    "Folgt mir!"


    schrie er und stapfte durch das Tor der Dorfpalisade. Seine Aktion war vom Erfolg gekrönt, und ein jeder atmete erleichtert auf, da viel Geld und Vorräte für das kleine Dorf winkten. Der Winter schien vorerst gerettet…