Zitat
Original von Venusia Duccia Britannia
Wenn das Opfer doch nur bald anfing, dann würde sie es ja wissen...
Als hätte die beleibte Sacerdos es gehört, schnaufte sie in diesem Moment wie eine alta Dampflok, die erst vieeeele Jahre später erfunden werden sollte, in den Raum der Festlichkeiten. Sie hatte das Haar zu einem strengen Knoten zusammengefasst und bemühte sich, auf direktem Wege zu dem kleinen Altar zu gelangen, an dem sie das Opfer vollziehen würde. Allerdings erwies sich das als gar nicht so einfach, denn die Leute standen dicht an dicht und in kleinen Grüppchen, so dass sie den ein oder anderen kleineren Umweg in Kauf nehmen musste, um dorthin zu gelangen, wo sie hin wollte. Endlich hatte sie es aber doch geschafft, einen bösen Blick in die Richtung eines schmalgesichtigen Herren werfend, der doch einfach nicht beseite gegangen und ihr somit Platz gemacht hatte.
Papinia Gallina, so hieß die Gute, war die Schwester des Mannes, der in Colonia derzeit den Comes vertrat. Ha, irgendwann würde die Familie eben doch ganz Germanien unterwandern. Das hatte sie immer gesagt und so fing es nun an. Irgendwer musste den ganzen Ds schließlich Einhalt gebieten. Duccia, Decima... Wo man hinsah, tauchten diese Namen auf, nun auch hier auf der Hochzeit. Wer wusste schon, ob das nicht rein strategisch war und sich die Brautleute nur zusammen taten, um noch mehr Einfluss zu haben? Sie warf einen atxierenden Blick auf die Braut. Ihr Anblick war wirklich nett anzuschauen und die leichte Unruhe und Aufregung, die man erkennen konnte, stimmte sie sogleich etwas milder und sie hatte sogar ein beruhigendes Lächeln für Venusia übrig.
Die Kohlen waren schon entzündet worden und glimmten nurmehr. Der Zeitpunkt für das Opfer war gekommen. Papinia Gallina bedeckte ihren Kopf mit der Palla und wandre sich um, um die unblutigen Opfergaben darzubringen. Zuerst streute sie einige Kräuter über die Kohle, die zischend zerschrumpelten und einen aromatischen Duft freigaben. Dann nahm sie den ersten Kopferkuchen, wandte sich zu der Hochzeitsgesellschaft um und sagte mit unüberhörbarer, schnarrender Stimme:
"Mutter Iuno, ich bitte dich mit diesen Kuchen, diesem Paar wohlgesonnen und gnädig seist, ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass du dieses Paar segnest und ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft Deinen Schutz gewährst."
Sie legte den ersten Kuchen auf die Glut. Während er verbrannte, konnte man auf den kleinen Votiven auf dem Altar den Schein der Flammen erkennen, die den Kuchen zuerst schwärzten und dann nach und nach geirig verzehrten. Gallina nahm nun den zweiten Kuchen, wandte sich zu der Festgesellschaft um und sagte diesmal:
"Mutter Tellus, ich bitte dich mit diesem Kuchen, diesem Paar wohlgesonnen und gnädig seist, ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass du dieses Paar segnest und ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft deine nährende Kraft und Fruchtbarkeit gewährst."
Der Kuchen folgte seinem Vorgänger. Die Sacerdos wandte sich nun nach dem dritten der fünf Opferkuchen um, nahm ihn und hielt ihn gen Himmel.
"Mutter Ceres, ich bitte dich mit diesem Kuchen, diesem Paar wohlgesonnen und gnädig seist, ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass du dieses Paar segnest und ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft deine reifende Kraft und Wachstum gewährst."
Der Kuchen tat es den anderen gleich und wanderte auf den nun schon recht besetzten Foculus. Aber irgendwie fand sich doch immer ein Plätzlich für en Küchlein. Die Opfernde nahm nun den vierten Kuchen.
Pilumnus und Picumnus, ich bitte euch mit diesen Kuchen, dass ihr diesem Paar wohlgesonnen und gnädig seid, ihnen wie ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft, dass ihr dieses Paar segnet und ihnen und ihren Kindern, ihrem Haus und ihrer Sklavenschaft eure nährende und schützende Kraft gewährt."
Der Kuchen wanderte auf den Foculus und der fünfte und damit letzte Kuchen gleich hinterher.
Nun würde das Schwein geopfert werden. Papinia Gallina wandte sich um und machte eine kurze, wedelnde Bewegung mit der Hand, auf dass die Leute eine Gasse für das Tier machten. Just in diesem Moment erschien auch der Sklave mit dem Schwein, welches er an einer Kordel in den Raum führte. Es war gänzlich mit Kalk geweißt und trug leuchtend rote Bänder. Es machte einen sauberen, frischen und erquickten Eindruck. Die Sacerdos nickte gefällig und trat zur Seite, damit das Schwein in die richtige Position würde bringen können.
"Mutter Iuno, ich bitte dich, nimm dieses Opfer an und sei den Brautleuten wohlgesonnen", sprach Gallina nun. Dem Tier würde die Zierde abgenommen, während es da stand und sich dann befreit schüttelte mit mit dem Ringelschwänzchen zuckte. Etwas Kalk löste sich in einem staubigen Wölkchen auf und Gallina sah dies mit Missfallen. Doch jetzt konnte sie nichts mehr aufhalten. Das Schwein würde seinem Schicksal nicht mehr entgehen! Mit einem leicht schadenfrohen Lächeln zog sie das blitzblanke Opfermesser und strich dem Tier über den Rücken, dann drückte sie das Messer einem ihrer Popae in die Hand, der Schwester Rabiata nun demütig "Agone?" fragte. Gallina nickte und sagte mit der schnarrenden Stimme "Age!", woraufhin der Helfer dem Schwein das Messer in den Hals stieß. Sofort sürudelten wahre Blutsfontänen hervor und auf den Boden, und der letzte Quieker des Tieres ging im gurgelnden Laut des Blutes über, das nun von zwei fleißigen Helferlein in einer großen Opferschale aufgefangen wurde. Als die Schale schließlich gefüllt war, stellte man sie auf den provisorischen Altar und ließ das Tier vollends ausbluten. Blut lief die feinen Fugen des Bodens entlang, zuerst noch rasch, dann langsamer. Unterdessen herrschte Schweigen im Raum - dafür sorte Papinia Gallina schon! Einen prüfenden Blick später war das Schwein aufgeblutet und man konnte die Eingeweide herausschneiden. Wenig später beäugte die Sacerdos die Eingeweide des Schweines auf einer Patera mit kritischem Blick.
Die Frage war nun: Hatte Iuno das Opfer zu ihren Ehren angenommen?