Beiträge von Spurius Purgitius Macer

    Macer hörte den weiteren Fragen zu und konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. "Wo willst du denn noch Erfahrung sammeln?" fragte er und machte mit dem Tonfall seiner Frage klar, dass er keine weiteren Möglichkeiten sah. "Ein senatorisches Tribunat ist ja nun einmal ein Posten, auf dem man lernen soll und bei dem wenig Vorerfahrung erwartet werden kann. Mehr, als du schon gemacht hast, wird kaum jemand vorzuweisen haben, wenn er nicht gerade einen Kommandeur zum Vater hat." Letzteres war zweifellos nicht unüblich, traf aber auch kaum im überwiegenden Fall der Fälle zu. Immerhin gab es deutlich mehr Tribunate als Kommandos. Zu den freien Plätzen konnte Macer nicht viel sagen, da diese Verwaltung der Kanzlei oblag.

    Während woanders noch gezittert wurde, wurde bei den Roten schon gefeiert. Noch war das Rennen nicht vorbei, aber die Siegesgewissheit bei den Anhängern der Russata stieg mit jeder weiteren Wagenlänge, die gefahren wurde. Und da sich die Fahrer hinter den beiden führenden auch eher mit sich selbst und ihren unmittelbaren Kontrahenten im Mittelfeld beschäftigten, sah es auch nicht danach aus, als würde die Spitze noch ernsthaft in Bedrängnis kommen. Grund genug für die Anhänger der Roten, einen alten Klassiker aus der Liedgutkiste zu holen, der immer dann angesagt war, wenn es ihre Helden besonders zu feiern galt. Und der natürlich völlig unabhängig davon gesungen wurde, ob man noch auf seinem Platz saß oder ohenhin schon seit Beginn des Rennens stand.


    "Steht auf, wenn ihr Rote seid! Steht auf, wenn ihr Rote seid, ..."


    Zum Engagement in einem Kultverein nickte Macer leise zustimmend. Das konnte nie schaden, sich auf diese Weise zu präsentieren, Kontakte zu knüpfen und Rom zu dienen. Bei der Frage nach dem Tribunat machte er dagegen eine eher achselzuckende Geste. "Ich habe den Eindruck, dass es bei mnachen jungen Leuten Mode ist, die übliche Reihenfolge umzulehren. Vielleicht ist es der Drang nach Abenteuer, den das Militär verspricht oder die Chance, bei so einem Posten weit weg von zu Hause zu sein und damit an Eigenständigkeit zu gewinnen. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, was zu diesen Entscheidungen führt. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass eine solche Änderung des Ablaufs jemals einem Kandidaten entscheidend von Nutzen gewesen wäre." Das hieß natürlich nicht, dass es geschadet hätte, aber nach den Vor- oder Nachteilen war ja ohnehin nicht gefragt worden.

    Macer konnte sich eine deutlich sichtbare Geste des Missfallens nicht verkneifen, als Bagoas seine durchaus überraschende Führung so schnell durch einen einfachen Fahrfehler verlor und im Mittelfeld des Rennens verschwand. Was auch immer er da versucht hatte, es war augenscheinlich gründlich schief gegangen. Hatte Macer sich eben noch auf einen möglicherweise überraschenden und aufschlussreichen Rennverlauf gefreut, sah es jetzt schon viel mehr nach den zu erwartenden Platzierungen aus, was das Rennen eher langweiliger machte. Aber vielleicht lauerte hinter der nächsten Wende ja schon der nächste Fahrfehler, der alles wieder durcheinander würfelte.

    Macer vermerkte sich auf seiner geistigen Notiztafel zu diesem Gespräch, dass er in der Empfehlung auf jeden Fall die Bescheidenheit des Mannes betonen konnte. Wo andere junge Männer zu Beginn ihrer Karriere gleich höchste Pläne hatten, was sie alles erreichen wollten, träumte dieser hier einfach nur von einem Posten in der Kanzlei. Der Kaiser brauchte solche bescheidenen Männer, dessen war sich Macer sicher. "Das ist zweifellos eine sehr zutreffende Einschätzung", stimmte Macer ihm dann auch zu. Seine Fragen waren damit beantwortet und er wollte das Gespräch nicht unnötig in die Länge ziehen. "Ich denke, ich werde in den nächsten Tagen ein Schreiben aufsetzen und dieses an den Palatin überbringen lassen", stellte er abschließend fest und wartete dann ab, ob der junge Mann noch etwas ergänzen wollte.

    "Nun, das hoffe ich doch sehr, deinen Namen bald auf der Kandidatenliste zu sehen", bestärkte Macer seinen scheidenden Tiro in seinem Vorhaben. "Man darf solche Dinge nicht überstürzen, aber genauso soll man sie nicht herauszögern, wenn ihre Zeit gekommen ist. Und die Zeit für eine Kandidatur ist zweifellos gekommen, wenn alle formalen und die üblichen informellen Voraussetzungen dafür geschaffen sind." Dass gerade die niedrigen Ämter so ausgelegt waren, dass man sie ohne allzu spezielles Vorwissen antreten konnte, brauchte Macer hier ja nun nicht noch einmal ausführen.

    Die Freude des Iuliers war mehr als offensichtlich und Macer erfreute sich seinerseits daran, den jungen Mann glücklich gemacht zu haben. Die Antwort auf die weitere Unterstützung klang zwar etwas ausweichend, aber Macer ging nicht weiter darauf ein, zumal das Gespräch dann gleich auf seine eigenen Karriere kam. "Nein, ich hatte den Ordo nicht durch meinen Vater erhalten", antwortete er. "Aber die Zeiten waren damals etwas anders als heute und so bin ich auch auf eher unüblichem Weg an den Ordo und den Sitz im Senat gekommen. Heute würde das so nicht mehr funktionieren", fasste er seinen Werdegang auf der abstrakten Ebene zusammen und hatte ebenfalls nicht vor, darauf heute noch weiter einzugehen, denn weder er noch Iulius Caesoninus würde daraus heute noch etwas für dioe Zukunft lernen können.

    "Nun, das eine schließt das andere ja nicht aus", bemerkte Macer, während er die überreichte Abschrift eher beiläufig betrachtete. "Du kannst ja abwechselnd militärische und verwaltungstechnische Ämter bekleiden. Mit einer juristischen Ausbildung solltest du dir letzteres auf jeden Fall nicht entgehen lassen, sonst hätte sich die Ausbildung ja nicht gelohnt", gab er dann seine Einschätzung zu einer sinnvollen Karriereplanung ab. "Aber einen ganz konkreten militärischen Posten oder ein ganz konkretes Amt hast du nicht, welches du langfristig anstrebst?", hakte er dann noch einmal nach.

    "Oh ja, selbstverständlich", antwortete Macer ohne zu zögern und in einem Tonfall aus dem deutlich wurde, dass ihn die offensichtlichen Zweifel seines Tiros in dieser Angelegenheit ein wenig irritierten. "Ich werde gerne ein entsprechendes Schreiben aufsetzen und die Kanzlei von deinen Qualitäten zu überzeugen versuchen." Das tat Macer nicht nur aus Nächstenliebe, sondern auch aus Eigeninteresse und das aus gleich zwei Gründen. Zum einen würde es ein schlechtes Licht auf ihn und seine Qualitäten als Lehrmeister werfen, wenn es seine Schützlinge mangels Unterstützung nicht in den Senat schafften. Zum anderen war jeder junge Mann, der seine Karriere auch zumindest ein kleines bisschen Macers Unterstützung zu verdanken hatte ein potenzieller Unterstützer mehr für künftige Vorhaben. In sofern war ein solches Empfehlungsschreiben nicht nur ein wichtiger Schritt für die Karriere des Iuliers, sondern auch eine kleine Investition in Macers eigenen Zukunft.


    "Ich nehme an, du hast auch schon weitere Unterstützung für dieses Vorhaben sammeln können?", erkundigte sich Macer, der von einer soliden Unterstützung aus dem Hause der Iulier ausging, die im Moment ja insgesamt sehr aktiv in Rom so sein schienen.

    Macer hörte zu und ncikte leicht. "Das sind gute Voraussetzungen. Andere haben mit weniger Startkapital etwas aus ihrem Leben gemacht", kommentiert er dann das Gehörte. Damit sprach er nicht nur ein Lob für die bisherige Laufbahn aus, sondern baute auch gleich ein wenig Druck auf, daraus dann auch wirklich etwas zu machen. "Und was sind deine Pläne?", hakte er dann nach, denn dieser Teil seiner Frage war bisher nicht beantwortet.

    Der scheinbar immer größer werdende Vorsprung der beiden roten Fahrer befeuerte die ohnehin schon gute Stimmung der Russata-Anhänger noch weiter. Macer blieb noch etwas skeptisch und wollte sich noch nicht zu vorzeitigen Triumphgesten verleiten lassen, freute sich aber gleichzeitig schon sehr, dass seine Russata ihren mitgereisten Anhängern heute eine gute Schau geboten hatte. Dass sich in die Anfeuerungen auf den Rängen auch ein bisschen Häme für den Gegner mischte, war bei dem deutlichen Zwischenstand nur allzu verständlich. Immerhin musste sich niemand direkt angegriffen fühlen, denn derzeit sahen alle Gegner etwas schwach aus, verglichen mit der Russata.


    "Ihr seid nur ein Ponyrennverein, Ponyrennverein, Ponyrennverein!"


    Nachdem man sich offenbar einig war, nicht mehr auf den Kaiser zu warten, wurde das Rennen zügig gestartet. Dass Bagoas an der Spitze fuhr, während Amasis in der Mitte des Feldes steckte, war für die Russata ein ungewohntes Bild. Allerdings war das hier ja auch ein Trainingsrennen und auch, wenn andere Factiones mit dabei waren, musste man dort ja nicht unbedingt so fahren, wie bei einem echten Rennen. Hier konnte man stattdessen ausprobieren, die eigenen Fähigkeiten und die der Gegner studieren und vor allem musste man nicht das letzte Risiko gehen, um unbedingt einen Erfolg zu erzielen. Macer wusste nicht genau, was sich die Fahrer der Russata für heute als Ziele festgelegt hatten, aber er war gespannt darauf, wie sie sich im Rennverlauf verhalten würden. Der Stand nach der ersten Runde sah auf jeden Fall interessant aus.

    Die Bitte um eine abschließende Bewertung kam nicht unerwartet, so dass Macer darauf zumindest ein wenig vorbereitet war. Er hatte kein Urteil vorformuliert, welches er nun nur noch abzulesen brauchte, aber er hatte zumindest ein paar Stichpunkte im Kopf.


    "Nun, beginnen wir mit deinen Stärken. Du bist, was das sprachliche anbelangt, sdehr redegewandt und kommunizierst gerne. Das ist gut und wichtig für einen angehenden Politiker. Solltest du eines Tages tatsächlich in den Senat einziehen, dann wirst du sicher keiner von diesen schweigenden Hinterbänklern sein, sondern zu vielen Themen deinen Beitrag leisten. Darauf darf Rom sich schon jetzt freuen. Außerdem bist du fleissig und scheust die Arbeit nicht grundsätzlich. Am Umfang dessen, was du zur Lösung der von mir gestellten Aufgaben vorgelegt hast, gab es nie etwas auszusetzen", begann Macer mit dem, was sein scheidender Tiro zweifellos positiv von anderen abhob. "Beide Eigenschaften, den Fleiss und die Beredsamkeit, kannst du weiter schulen, um dich so zu einem brilianten Redner und Kenner der Materie zu entwickeln. Du hast stets fleissig, aber zuweilen oberflächlich gearbeitet und deiner Rede mangelte es nicht an Sprache, aber stellenweise an Struktur und Logik. Ich bin jedoch überzeugt, dass du beides verbessern kannst und so zu einem Politiker werden kannst, der nicht nur durch die äußere Form, sondern auch durch Struktur und Inhalt seiner Äußerungen zu überzeugen vermag", fasste Macer anschließend die wichtigsten Entwicklungschancen zusammen, die er zu erkennen glaubte. "Wenn du mich nun fragst, welche Schritte dir als nächstes weiterhelfen, so rate ich dir, dein Profil zu schärfen. Wofür steht Iulius Caesoninus? Welches sind die Themen, bei denen man an dir nicht vorbei kommt? Welches sind die Gebiete, auf denen du etwas vorzuweisen hast? Erstelle dir ein Bild dessen, wie du als Politiker sein möchtest und arbeite dann zielgerichtet an den Eigenschaften, Erfahrungen und Ergebnissen, die dir zu diesem Bild noch fehlen", schlug er ihm dann abschließend als nächste Schritte vor. Fast zweitausend Jahre später würde man eine solche Zusammenfassung als eine Form der sogenannten SOPA-Analyse (Strengths, Opportunities, Positive Actions) kennen, aber Macer wusste davon natürlich nichts, sondern hatte sich die Punkte einfach so zurecht gelegt.

    Macer hörte geduldig zu und lächelte leicht. "Ja, ich denke, man kann uns als Freunde bezeichnen?", bestätigte er dann das vermutete Verhältnis zu Consular Vinicius Hungaricus. "Es ist wirklich schade, dass er nun schon so lange fern von Rom verweilt. Stehst du in Kontakt mit ihm?", erkundigte er sich, auch wenn diese Frage wohl eher rhetorischer Art war.


    Macer wartete die Antwort auch nicht wirklich ab, sondern ging dann gleich auf das Anliegen seines Gastes ein. '"Nun, dann erzähle mir ein wenig mehr über dich, damit ich mir ein Bild von dir, deinen bisherigen Leistungen und deinen Zielen machen kann. Ich muss dich ein wenig kennen, wenn ich die glaubwürdig unterstützen soll", forderte Macer ihn dann auf.

    Es dauerte eine geraume Zeit, bis Macer mit mehreren Begleitern nach Hause kam. Einige von diesen Möännern schienen seine Sklaven oder Angestellten zu sein, die sich gleich nach dem Eintreffen in verschiedene Richtungen im Haus verteilten. Andere waren offenbar Freunde oder Klienten, die sich teilweise gleich wieder verabschiedeten und das Haus wieder verließen, während andere sich ebenfalls im Atrium sammelten. In diesem Durcheinander entging Macer allerdings nicht, dass dort auch noch jemand anderes auf ihn zu warten schien. Von seinem Sekretär ließ er sich unterrichten, wer der Gast ist und ließ ihn dann zu sich bringen.


    "Salve, Furius", begrüßte er ihn am Rande des Atriums, während im Hintergrund die lesen Gespräche der anderen Männer zu hören waren. "Was führt dich zu mir?"

    Amasis schien jetzt wirklich aufzudrehen und keinen Zweifel zulassen zu wollen, dass er dieses Rennen gewinnen wollte. Hatte Macer sich eben noch Sorgen gemacht, warum Amasis so weit zurück fiel, begann er sich jetzt darum zu sorgen, ob er nicht zu viel Kraft verbrauchte und am Ende im Schlussspurt noch eingefangen wurde. Noch immer konnte Macer auf der Bahn nicht viel erkennen, so dass er nicht abschätzen konnte, wie groß die Abstände tatsächlich waren. Außerdem konnte er noch keinem Fahrer ins Gesicht sehen und so erkennen, ob dieser verbissen kämpfte oder noch halbwegs entspannt wirkte. Und auch die Bewegungen der Pferde konnte er noch nicht studieren um daraus Rückschlüsse auf den zu erwartenden Verlauf für den Rest des Rennens zu schließen. Alles was er hatte war eine immer näher kommende Staubwolke, die Mitteilungen des Ausrufers und die mechanische Anzeige. Und natürlich der Lärm der Anhänger, aus dem er eine freudige Grundstimmung der Russata heraushören konnte.

    "Salve", grüßte Macer seinen politischen Lehrling wie bei so vielen Treffen zuvor. Die Lehrzeit ging zu Ende und Macer konnte zweifellos feststellen, dass sich sein Tiro schlechter hätte schlagen können. "Dein Tirocinium geht heute zu Ende, nicht wahr?" leitete er dann auch gleich das heutige Gespräch mit dem wichtigsten Thema ein, welches möglicherweise auch ihr einziges an diesem Tag bleiben würde. "Was haben wir heute noch zu besprechen, um die Zeit erfolgreich und nutzbringend für dich abzuschließen?", überließ er seinem Tiro dann die Gestaltung des Gesprächs, denn Macer hatte sich nichts vorgenommen, was er am letzten Tag noch unbedingt als Weisheit unter's Volk bringen musste.

    "Salve!", grüßte Macer den hinzukommenden claudischen Senatskollegen, begleitet von einem freundlichen Nicken in seine Richtung. Seine Ausführungen zum Kaiser verfolgte er aufmerksam und konnte nur zustimmend nicken. "Ich glaube auch, es wäre eine ziemliche Seltenheit wenn nicht sogar ein Novum, wenn der Kaiser ein Trainingsrennen besuchen würde", äußerte er sich dann im Gang zu den Plätzen. Sein Gedächtnis mochte ihn täuschen, aber er konnte sich nicht erinnern, den aktuellen oder auch einen früheren Kaiser bei einem derartigen Anlass angetroffen zu haben.