Beiträge von Spurius Purgitius Macer

    Das erste Thema auf der heutigen Liste war langweilig genug, dass Macer nur kurz aufblickte, während der Consul sprach, unmerklich nickte und sich dann wieder einer mittelgroßen Wachstafel auf seinen Knien widmete, die offenbar Berichte von seinem Landgut enthielt. Lange konnte ihn diese Beschäftigung jedoch auch nicht fesseln und zweifellos wäre er sehr erfreut gewesen, wenn er schon über die Technik seiner Nachfahren in weiter Zukunft verfügen würde, die ebenfalls mit genauso geformten und genauso großen Tafeln in Sitzungen saßen, auf diesen aber Nachrichten lesen, Bilder betrachten und Spiele spielen konnten.

    "Was genau meint er mit komplett?" fragte Macer leise seinen Sitznachbarn. Er hatte Senator Germanicus Avarus so verstanden, dass es ihm um das ganze Gesetz ging, während der Consul nur von einem kompletten Passus sprach und damit wohl maximal einen Paragraphen meinte. Macers Sitznachbar war sich aber auch unsicher, so dass Macer erwartungsvoll in Richtung der letzten Sprecher blickte, ob einer von diesen die Unklarheit aufklären wollte, bevor Macer dafür extra wieder laut das Wort ergriff.

    Bezüglich des Vorschlags des Consuls hatte sich Macer so schnell keine Meinung bilden können, aber zu den Regelungen der Prügelstrafe im Exercitus konnte er als ehemaliger Kommandeur der Academia Militaris zügig etwas beitragen, was er nach einer entsprechenden Wortmeldung dann auch tat. "Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass die Prügelstrafe im Exercitus Romanus lediglich per Usus, nicht jedoch per Gesetz geregelt ist. Der Codex Militaris regelt allerdings im Gegensatz zum Codex Iuridicalis überhaupt keine konkreten Strafmaße für Pflichtverletzungen, so dass dies keine vergleichbare Lücke darstellt. Vielmehr würde ich daraus schließen, dass im Exercitus die Strafen grundsätzlich per Usus geregelt sind, außerhalb dessen jedoch nur die Strafen gemäß Gesetz gelten. Dementsprechend sollte eine Aufnahme der Prügelstrafe in den Codex tatsächlich notwendig sein, um sie legal einsetzen zu können", stimmte Macer als Schlussfolgerung der Ansicht des Consuls zu.

    Macer war einen Augenblick lang verwirrt, was man seinem Gesicht in diesem Augenblick wohl auch ansehen konnte. "Moment, ja, sicher, der Codex Universalis gibt vor, dass für jede Provinz eine Lex Provincialis erstellt wird beziehungsweise dass sie eben durch den Erlass einer solchen Lex eingerichtet wird", stimmte er zu. "Aber wieso ergbit sich daraus die Notwendigkeit, eine allgemeine Verfassung zu erstellen?", hakte er nach, denn seines Erachtens legte die derzeitige gesetzliche Forderung eben sogar fest, dass es keine Blaupause gab, sondern jede Provinz ihre eigenen Statuten bekommen sollte.


    "Und wie kommst du darauf, dass es keine Provinzgesetze gibt? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es eben das Provinzgesetzt von Aegyptus ist, das dir und mir die Einreise in eben jene Provinz verbietet", gab er dann schmunzelnd das erstbeste Beispiel, das ihm einfiel. "Und damit wären wir gleich von bei den Unterschieden: Ich war zwar aus besagtem Grund noch nie in Aegyptus, aber ich bin mir sicher, dass die Ordnung dort mit jener in Germania nicht so viel gemein hat, dass es nicht zumindest zahlreicher lokaler Präzisierungen bedürfte, sollte man dies in ein gemeinsames Gesetz fassen wollen. Für altgediente Provinzen wie Hispania oder Sicilia dürfte das analog gelten, während die östlichen Provinzen wohl schon von den verwendeten Begriffen und Namen für Ämter her so stark in griechischer Tradition stehen, dass alles andere als die Verwendung dieser Begriffe im Gesetz wohl kaum Akzeptanz erfahren würde", zählte er dann wunschgemäß ein paar grundsätzliche Unterschiede auf, die ihm in den Sinn kamen.

    Macer verfolgte die weiteren Argumente mit nachdenklicher Miene, bevor er sich dann auch wieder zu Wort meldete. "Wenn ich die zuletzt vorgetragenen Argumente miteinander vergleiche, komme ich zu der Einschätzung, dass die von Consul Duccius betonte regulative Wirkung des Passus kein allzu großes Ausmaß haben kann, falls die von Senator Flavius vorgetragene Definition des betroffenen Personenkreises zutreffend ist", stellte er seine Gedanken zur Diskussion. "Das permanent im Staatskult angestellte Kultpersonal dürfte jedenfalls keine derartig große Marktmacht haben, dass es eine nennenswerte Auswirkung auf die Konkurrenzsituation hat, wenn diesem Konzessionen verweigert werden. Vielmehr stellt sich mir die Frage, wieso ausgerechnet diese Personengruppe ausgeschlossen sein sollte", holte er dann noch etwas weiter aus, denn diese Frage hatte sich ihm im Laufe der Debatte schon länger aufgedrängt. "Das Gesetz nennt das Kultpersonal und die Mitglieder des Exercitus als diejenigen, die ausgeschlossen werden sollen. Aber wenn es darum ging, den Markt zu regulieren, warum dann gerade genau diese? Wieso sollte ein Tempeldiener keinen Betrieb eröffnen dürfen, ein Aquarius jedoch schon? Warum soll es einem Hauptmann der Vigiles von Rom verboten sein, einen Betrieb zu führen, während ein Hauptmann der städtischen Vigiles von Brundisium oder Athenae dies sehr wohl darf, da er nicht Teil des Exercitus Romanus ist? Könnte man nicht ebenso wie den Cultures Deorum die kaiserliche Kanzlei pauschal ausschließen?", fragte er bewusst provokant in die Runde und ließ die Frage einen Augenblick lang wirken.


    "So wie es mir gerade erscheint, ist die Regelung insbesondere im Licht der von Consul Duccius angesprochenen Regulierung des Marktes recht willkürlich. Sollten wir wirklich nur die Zahl der Betriebe insgesamt reduzieren wollen, erschiene mir eine Änderung der Zahl von Konzessionen pro Person ebenfalls wesentlich einfacher, klarer und gerechter. Der hier diskutierte Passus könnte dann ebenfalls vereinfacht werden. Wollen wir jedoch tatsächlich bestimmte Gruppen vom Markt ausschließen, bedarf es in meinen Augen einer bessern Begründung", fasste er dann seine erwachenden Zweifel an der jetzigen Regelung zusammen. Dabei nahm er in Gedanken das Exercitus Romanus von diesem Zweifel aus, zumal er das entsprechende Betriebsverbot wohl eher als Teil des Codex Militaris betrachtete und nicht als Frage des Marktrechtes.

    Da er im Redebeitrag von Senator Aurelius Lupus ohnehin merhfach genannt worden war, sah sich Macer auch dazu berufen, diesen im Plenum zu kommentieren. "Ich halte einen solchen Sonderetat für unnötig", gab er seine Meinung kund. "Immerhin müsste dieser auch irgendwie gespeist werden und ich glaube, wir haben wichtigere Dinge zu finanzieren, als den Aufkauf von Erbmasse, für die der Erbe keinen Abnehmer findet. Denn bedenkt folgendes: Sollte der Aufkauf von Erbmasse für die Gemeinden ein lukratives Geschäft sein, benötigen sie dafür kein Geld aus Rom, sondern das Geschäft trägt sich selbst. Sollte der Aufkauf jedoch ein Verlustgeschäft sein, dann ist es ein Verlust, den wir in Kauf nehmen würden, um den Erben einen Gefallen zu tun. Falls wir letzteres wirklich wollen, können wir auch gleich den freien Verkauf auf dem Markt gestatten, denn damit tun wir ihnen auch einen Gefallen, der für Rom noch dazu kostengünstiger ist", führte er dann die beiden Argumente aus, die in seinen Augen am klarsten gegen ein finanzielles Engagement Roms in dieser Angelegenheit sprachen.


    Dass man bestehende Möglichkeiten kommunizieren sollte, erschien ihm freilich eine sinnvolle Idee zu sein, die Senatoren, Statthalter, Kanzleibeamte und verschiedendste Verwaltungsposten in den Provinzen gleichermaßen betraf, und gegen die er daher im Sinne einer schweigenden Zustimmung keine Gegenrede erhob.

    Macer hatte die sich entwickelnde Debatte etwas verwundert verfolgt, denn immerhin hatte der Consul eine Beratung über die Lex Mercatus aufgerufen und nicht über die Bedeutung des Kultes im römischen Staatswesen. Auch wenn Macer einige der Argumente sehr stichhaltig fand, andere dagegen eher abseitig, konnte er insgesamt wenig finden, was aus seiner Sicht eine Aussage enthielt, die aus Sicht einer Marktordnung zwingend war.


    Umso heftiger fiel daher sein zustimmendes Nicken auf, als Senator Aurelius Lupus die gänzliche Streichung des zur Diskussion stehenden Passus vorschlug. Immerhin entsprach das auch dem, was er in seiner ersten eigenen Wortmeldung schon angegeben hatte. Aus genau diesem Grund verzichtete er auch auf eine zweite Wortmeldung und teilte nur seinen Sitznachbarn mit, dass dieser Vorschlag seine Zustimmung finden würde.

    "Ich bin mir nicht sicher, ob dies nicht ein viel zu weitreichender Eingriff in die privaten Belange der Bürger ist", meldete sich Macer auf diesen Vorschlag hin zu Wort. "Immerhin ist nicht einmal gesagt, dass jeder Erbe die Waren verkaufen möchte, die er erbt. Vielleicht erbt er ja Waren, die er selber verbrauchen kann oder ohnehin anbieten darf. Da wäre es meines Erachtens Unrecht, zwangsweise den Verkauf dieser Waren an die Wohnsitzgemeinden einfordern, nur um dann einfacher Geld verteilen zu können statt Waren", führte er dann aus. Der Aufwand für den Zwangsverkauf in Verbindung mit dem Eingriff in die Privatangelegenheit wog für ihn den Nutzen in keiner Weise auf.


    "Sollte der Verkauf jedoch nur eine optionale Möglichkeit sein, sollten wir nicht vergessen, dass die Möglichkeit zum Verkauf an die Gemeinde auch jetzt schon besteht, nur eben ohne Verpflichtung und ohne dass die Waren dazu auf dem Markt angeboten werden", ergänzte er dann noch. "Ob die Gemeinden dies praktizieren, ist derzeit ihrem eigenen Ermessen überlassen. Ich bezweifle, dass wir mehr einfordern können, denn immerhin müssen die Gemeinden auch genug Geld zur Verfügung haben, um überhaupt etwas aufkaufen zu können."

    Es war einige Tage her, dass Kaiser Cornelius Palma die Schließung der Academia Militaris verfügt hatte. Macer war darüber keineswegs überrascht gewesen, hatte er doch genau darüber selber mit dem Kaiser gesprochen und ihn überhaupt erst auf den Gedanken gebracht. Trotzdem konnte er ein wenig Wehmut nicht verhehlen, als er zum letzten Mal in seinem Officium in der Academia stand, die Soldaten beim Zusammenpacken der letzten Dokumente beaufsichtigte und persönliche Dinge zum Abtransport durch einen seiner Sklaven zusammenlegte. Lange hatte er der Academia gedient, viele Prüfungen in diesem Raum abgenommen, manche spannende Gespräche geführt.


    Nun sollte die Ausbildung der Offiziere also einen anderen Weg nehmen und Macer sah diesem optimistisch entgegen, denn auch darüber hatte er mit dem Kaiser gesprochen. Und für das Gebäude würde sich sicher auch bald eine neue Verwendung finden, sei es für Händler, Handwerker, als Sportstätte oder sonstiges. Macer nahm sich vor, ab und zu hier vorbeizuschauen um zu sehen, was sich entwickeln würde, während er nun zum vorerst letzten Mal sein Officium verließ und durch die Gänge zum Ausgang strebte.

    Nachdem Senator Germanicus Avarus gesprochen hatte, meldete sich Macer zu Wort, um ebenfalls seinen Beitrag zu dieser Debatte zu leisten. "Ich kann meinem Vorredner soweit zustimmen, als ich bei Vestalinnen im Speziellen auch keine Notwendigkeit sehe, dass sie einen Betrieb führen. Immerhin stehen sie unter der Patria Potestas des Kaisers und bewohnen ein Haus am Forum Romanum, so dass es für sie zweifellos keinen wirtschaftlichen Grund gibt, ein Gewerbe führen zu wollen", begann er seine Ausführungen.


    "Allerdings machen die Vestalinnen genauso zweifellos wohl nur einen äußerst geringen Anteil unter denjenigen Personen aus, die von dem vom Consul vorgetragenen Passus betroffen sind", fuhr er dann fort. "Der Cultus Deorum besteht schließlich aus vielen Personen aus allen Gesellschaftsschichten - und nicht wenige von ihnen besaßen schon ein Gewerbe, bevor sie sich für den Dienst an den Göttern entschieden. Nicht wenige von ihnen führen den Dienst an den Göttern auch aus Idealismus aus, so dass sie gar nicht die Absicht haben, durch die damit verbundene Aufwandsentschädigung ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern dafür eben auch einen Betrieb führen möchten. Von daher kann ich der Idee etwas abgewinnen, den genannten Passus dahingehen zu ändern, dass der Cultus Deorum nicht grundsätzlich von der Gewerbstätigkeit ausgeschlossen ist."

    Der Türhüter nickte verstehend und verschwand kurz im Inneren der Casa, um den Sekretär seines Herrn zu fragen, wann ein Termin frei wäre. "Ansonsten kann dein Herr meinen Herrn in vier Tagen nach der Salutatio aufsuchen", erklärte er bei seiner Rückkehr.

    "Die allgemeine politische Lage?" wiederholte der Türhüter. "Nun, sofern dein Herr keinen besonderen Wert darauf legt, dieses Gespräch unter vier Augen zu führen, kann ich ihm empfehlen, Senator Purgitius Macer am frühen Nachmittag in den Thermen aufzusuchen. Er führt dort gerne derartige Gespräche." Der Türhüter hielt es für angemessen, den Besucher über diese Gewohnheiten seines Herrn zu informieren, was die Terminfindung möglicherweise erheblich vereinfachen würde.

    "Oh, bestimmt hat es in diese Richtung wenig Rechtstradition, wenn überhaupt", stimmte Macer gleich dem ersten Punkt lebhaft zu. "Ich zähle mich nun wirklich nicht zu den Historikern, aber ich würde doch annehmen, dass es zur Zeit der Errichtung der ersten Provinzen noch nicht einmal die Idee gab, ihnen eine gemeinsame Verfassung zu geben. Umgekehrt muss ich dann allerdings auch zugeben, dass ich bisher wenig davon gespürt habe, dass es eine Notwendigkeit dazu gibt, eine solche gemeinsame Verfassung über den Codex zu regeln, eben wo doch jede Provinz ihre eigenen Statuten hat", schränkte Macer dann ein, ohne dass er seine Gedanken dazu genauer in Worte fassen zu können. Aber da ihm hier ja ohnehin nur eine Idee vorgestellt werden sollte, brauchte er das ja auch gar nicht und machte sich vielmehr die innerliche Notiz, sich beizeiten näher mit diesem Thema zu befassen, um dann später auf eine mögliche Senatsdebatte vorbereitet zu sein. "Wie manifestiert sich diese Notwendigkeit?" fragte er daher einfach nach.

    "Senator?" Bei dieser Anrede schüttelte der Türhüter grinsend den Kopf. Sein Gegenüber schien wirklich etwas verwirrt zu sein. "In welcher Angelegenheit wünscht Iulius Proximus meinen Herrn denn zu sprechen?" fragte er dann.

    Genaugenommen konnte Macer die Postenverteilung diesmal recht egal sein, da er keine eigenen Favoriten im Rennen hatte, aber gerade deshalb sah er sich berufen, sich zu den eben gemachten Vorschlägen zu äußern. "Wenn ich mich richtig erinnere, hatte Iulius Dives sich insbesondere für das Amt des Quaestor Urbanus beworben. Solange es keine triftigen Gründe gibt, ihm dieses Amt zu verwehren, und solange weder der designierte Consul noch der Kaiser seine Dienste ausdrücklich wünschen, spreche ich mich dafür aus, seinem Wunsch zu entsprechen", schlug er den pragmatischen Weg vor, der ihms elber der naheliegendste erschien. In jedem Fall war er für ihn der bequemste, denn so musste er nicht entscheiden, welchem Senator er eher für seine Vorschläge folgen sollte.

    Einen Moment betrachtete der Türsklave den Besucher genauer um zu ergründen, ob er ihn vielleicht kannte. Dann kam er zu dem Schluss, dass er ihn nicht kannte. "Und wer ist dein Herr?", fragte er daher folgerichtig zurück, bevor er eine Antwort gab.