Wie üblich plauderte Macer auch heute wieder erst ein wenig mit den Anwesenden, bevor er ans Pult trat und mit dem Vortrag begann:
"Meine Herren, während wir uns in den letzten Vorlesungen hauptsächlich mit der Versorgung und der logistischen organisation in stehenden Lagern befasst haben, wollen wir heute - wie von Ihnen in einigen Fragen schon gefordert - mit den Besonderheiten der Marschlogistik befassen.
Auf die allgemeinen Gegebenheiten eines Marsches möchte ich hier nicht weiter eingehen. Sollten sie dazu Fragen haben, sind Ihnen die Hörer meiner Vorlesung über Truppen auf dem Marsch sicher gerne behilflich. Wir werden hier also nur die Transport- und Nachschublogistik genauer betrachten.
Wir hatten ja schon festgestellt, dass wir auf Tragtiere bis zu 100 kg, auf Gespannen bis zu 400 kg und auf Flusschiffen bis zu 20 Tonnen Nutzlast transportieren können. Das muss natürlich auch beim Marsch berücksichtigt werden. Optimal ist es, wenn sich die Truppe entlang von Flüssen bewegen kann, denn das garantiert eine optimale Versorgung. Sofern genug Schiffe bereit stehen, ist die Reichweite damit theoretisch unbeschränkt. Sobald der Transport aber über Land erfolgen muss, haben wir es mit engen Grenzen zu tun. Aufgrund der Transportkapazitäten ist der Operationsradius in diesem Fall auf eine Entfernung von vier bis fünf Tagesmärschen vom letzten Nachschublager begrenzt! Wie kommen wir auf diesen Wert? Nun, rechnen wir einmal wieder mit unserer Beispiellegion: selbst, wenn wir diese etwas knapper als üblich versorgen, kommen wir auf einen Tagesbedarf von 5 Tonnen Getreide. Das sind nach obiger Rechnung etwa 12 Wagenladungen. Allerdings kann der Platz nicht voll ausgenutzt werden, denn für die Zugtiere selber sowie die Trossknechte, die diese führen, muss ja ggf. Nahrung mitgeführt werden. Bei einer Strecke von fünf Tagesmärschen dürfen wir dabei durchaus mit einem Kapazitätsverlust von 100 kg rechnen, wir büßen also 25% unserer Nutzlast ein. Dementsprechend mehr Gespanne müssen fahren, also 15 Gespanne - pro Tag. Macht also 150 Gespanne, die insgesamt im Einsatz sind, um eine Legion zu verorgen. Mit zunehmender Entfernung brauchen wir zum einen mehr Gespanne, weil wir mehr Nutzlast verlieren und zum anderen länger warten, bis sie wieder zurück sind. Das Verhältnis wird schnell so schlecht, dass eine konstante Versorgung der Truppe nicht gewährleistet werden kann.
Ihnen ist wahrscheinlich aufgefallen, dass ich wieder einmal nur von Getreide gesprochen habe. Obst und Gemüse sind weit weniger nahrhaft, daher wird man auf sie als erstes verzichten. Sollte sich die Gelegenehit ergeben, werden sich die Soldaten schon selbständig mit frischem Obst aus dem Wald versorgen. Fleisch dagegen kann man in Form lebender Tiere einfach im Tross mit treiben, das braucht man also nicht mit Wagen hinterher zu liefern. Ein ernsthaftes Problem kann Wasser werden, wenn keine Flüsse oder ergiebigen Bäche zur Verfügung stehen. Sollte die Truppe tatsächlich ausschließlich über Nachschub mit Wasser versorgt werden können, müssten Sie auf der oben beschrieben Distanz mit 30 zusätzlichen Gespannen pro Tag rechen! Realistisch betrachtet, ist eine Truppe damit nur in der Lage, in einer Entfernung von maximal drei Tagesmärschen von einer ergiebigen Wasserquelle zu operieren.
Was kann man aber tun, um die Versorgung auf dem Marsch zu verbessern? Es gibt drei typische Lösungen:
1. Man legt vorab Versorgungsdepots an, aus denen dann der Nachschub herangebracht wird. Das klappt natürlich nur in einigermaßen befriedeten Gebieten und setzt voraus, dass man diese Depots effizient nachfüllen kann.
2. Man plant Feldzüge jahreszeitlich so, dass man sich von der Natur vor Ort zumindest zum Teil ernähren kann. Das klappt nur dort, wo Nahrung auf natürliche Weise oder durch Anbau heranwächst. Im übrigen sollte man sich nie darauf verlassen, denn selbst ein flüchtender Gegner kann immer noch Felder niederbrennen!
3. Man stützt sich auf die örtliche Versorgung durch Verbündete oder Eroberte. Dies ist eine sehr komfortable Lösung, wenn man sicherstellen kann, dass die erwarteten Vorräte auch am erwarteten Ort angetroffen werden.
Werfen wir noch einen Blick auf die Versorgung mit anderen Dingen außer der Nahrung. Zum einen wäre da Reparaturmaterial für Waffen. Von jedem Soldaten kann man erwarten, dass er Kleinteile für die Reparatur seiner privaten Ausrüstung mit sich führt, aber die Feldschmiede einer größeren Einheit braucht auch einen zentralen Nachschub. Insbesondere dann, wenn mit mehreren Schlachten zu rechnen ist, muss sie in der Lage sein, in der Zwischenzeit zerstörte Rüstungen durch neue zu ersetzen. Das bedeutet, es muss insbesondere Metall auch auf dem Marsch nachgeführt werden. Aber auch hier kann man gut aus dem Land leben, durch das man zieht: vergessen Sie nie, nach einer erfolgreichen Schlacht alles verwertbare Metall vom Schlachtfeld einsammeln zu lassen!
Ein anderer Punkt ist die Munition. Von Wurflanzen über Pfeile und Bolzen bis hin zu Steinkugeln muss für alles im Laufe eines längeren Feldzuges für Nachschub gesorgt werden. Geworfene Pila lassen sich nach der Schlacht wieder einsammeln und geradebiegen, ggf. muss ein neuer Holzschaft angesetzt werden. Pfeile und Bolzen sind ebenfalls mit wenig Materialaufwand schnell ersetzt. Bei längeren Belagerungen ist aber der Nachschub an Steinmunition ein ernstzunehmender Punkt. In der Nähe muss ein Steinvorkommen gefunden werden, in dem die benötigten Kugeln hergestellt werden können. Typischerweise werden Sie weit mehr Soldaten für die Herstellung der Steine und deren Transport benötigen, als für die Bedienung der Geschütze!
Das war's für heute. Beim nächsten Mal werde ich die Vorlesung mit einem Blick auf die Rolle ziviler Händler abschließen und die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammenfassen. Falls Sie Fragen haben, können wir diese dann auch noch ausführlich diskutieren. Danach steht Ihnen dann nur noch die Prüfung bevor."