"Nachdem wir beim letzten Mal die grundsätzlichen Aufgaben und Anforderungen eines Standlagers erörtert haben, wollen wir uns nun mit der Umsetzung und Erfüllung dieser Vorgaben beschäftigen.
Beginnen wir mit dem grundsätzlichen Platzbedarf: allein für die Unterbringung der Soldaten in ausreichend großen Barracken können wir pro Centurie mit einem Platzbedarf von etwa 50 x 250 Fuß rechnen, was also eine Fläche von etwa 750000 Quadratfuß für eine volle Legion ausmacht. Für die Unterbringung des Stabes, der Werkstätten, der Materiallager, sonstiger Gebäude und den Ställen für die Tiere muss zusätzlich der doppelte Bedarf angerechnet werden. Noch einmal den selben Bedarf oder etwas mehr sind für die breiten Lagerstraßen und die Befestigungsanlagen inklusive der vorgelagerten Gräben nötig. Insgesamt erreicht ein komplettes Legionslager (ohne dort untergebrachte Hilftruppen oder Garde-Einheiten) damit einen Platzbedarf von etwa 3300000 Quadratfuß.
Dieser Bedarf sollte durch eine ebene Fläche gedeckt werden, auf der das Lager mit einem rechteckigen Grundriss errichtet werden kann. Dabei sollte der Unterschied zwischen Lang- und Schmalseite nicht zu groß sein, weil das Lager sonst zu langgezogen ist und dann Hornsignale aus einer Lagerseite an der anderen Seite möglicherweise nicht mehr wahrgenommen werden.
Jede der vier Seiten bekommt ein Haupttor, die sich jeweils gegenüber liegen und durch die beiden breiten Lagerhauptstraßen verbunden werden. Der Schnittpunkt der Straßen liegt auf dem Locus Groma, dem Punkt, an dem die Groma als Gerät zur Landvermessung als erstes aufgestellt wird, um die Hauptachsen einzumessen.
Am Kreuzungspunkt liegen unter anderem die Principia und das Praetorium, mit denen wir uns demnächst noch genauer befassen werden. Nach diesen beiden Gebäuden wird die Hauptstraße auf der Längsachse Via Praetoria und die auf der Querachse Via Principalis genannt. Für beide Straßen ist eine Breite von 125 Fuß angemessen.
Auf der Innenseite der Lagerumwehrung verläuft die mindestens 100 Fuß breite Via Sagularis, auch Intervallum genannt.
Diese drei genannten Straßen bilden das Grundgerüst des Lagers, in das die Gebäude eingesetzt werden sowie nach Bedarf weitere schmalere Straßen und letztendlich die Lagergassen zwischen den Barracken eingezogen werden.
Entlang der Via Principalis sind die Wohnhäuser der Tribunen anzuordnen; um Principia und Praetorium gruppieren sich Lazarett, Werkstätten und Lagerhäuser. Die Mannschaftskasernen bilden den äußeren Ring der Gebäude und schirmen so die wichtigen Gebäude im Zentrum nach außen ab. Die Kasernen und Stallungen der Reiterei sind dabei natürlich an der Via Praetoria oder am Intervallum anzuordnen.
Um hygienische Verhältnisse zu gewährleisten, werden die Straßen mit einem in der Mitte verlaufenden Abwasserkanal versehen und die Latrinen entweder am äußeren Ende der Barracken oder im Lagerwall untergebracht und möglichst direkt nach außen entwässert.
Schon bei der Auswahl des Lagerpaltzes ist daher auf eine geeignete Wasserzufuhr durch einen kleinen Fluss zu achten. Gegebenefalls ist die Zuleitung über ein Aquädukt aus einiger Entfernung nötig.
Der Platz sollte zudem so gelegen sein, dass eine schnelle Anbindung an eine Fernstraße möglich ist; je nach Situation auch an einen nahen Fluß- oder Seehafen. So werden schneller Truppentransport und die zügige Versorgung mit Nahrung und Material gewährleistet. In der Nähe von Flüssen ist natürlich darauf zu achten, dass der Untergrund fest ist und nicht im Überschwemmungsgebiet von möglichem Flußhochwasser liegt!
Auf weitere Detail der Anordnung der Gebäude werden wir mit Sicherheit in den folgenden Vorlesungen noch einmal zu sprechen kommen."