Beiträge von Spurius Purgitius Macer

    Auf dem Forum war es voll und laut wie immer, auch wenn die meisten Leute diesmal eher aus anderen Gründen unterwegs waren und über andere Themen sprachen als sonst. Wenn man belagert wird, spricht man eben nicht über Wetten auf Gladiatoren, die neusten Liebesgeschichten von Senator Gaius oder die neusten exotischen Angebote auf dem Sklavenmarkt, sondern über ausbleibende Nachrichten von Verwandten und Freunden jenseits der Stadtmauer, erste ausverkaufte Händler und Gerüchte über weitere Schlachten. Aber wie immer auf dem Forum auch darüber in laut und durcheinander.


    Dementsprechend dauerte es eine Weile, bis Macer mitbekam, dass irgendwo jemand nach dem Kommandeur rief und dann noch eine weitere Weile, bis ihm klar war, dass er damit gemeint war. Sein suchender Blick glitt über die Menge, wer ihn da wohl so gerufen hatte, bis er schließlich glaubte, eine Person ausgemacht zu haben. "Lasst den Mann mal durch", wieß er seine Klienten an, die es mit dem Schutz für ihren Patron offenbar ein wenig übertrieben. Macer hatte zwar spontan keine Ahnung, wer der Mann überhaupt war, aber wenn er ihn sprechen wollte, war das hier durchaus genau dafür gedacht.

    Macer war sich nicht sicher, ob ihm sein Gedächtnis einen der üblichen Streiche spielte, oder ob er tatsächlich einmal in einer Wahlkampfrede davon gesprochen hatte, dass jeder an seinem Platz das jeweils beste leisten sollte, wenn alle gemeinsam Rom voran bringen wollten. Jedenfalls war ihm dieser Gedanke schon häufiger eine Leitlinie gewesen und auch jetzt hielt er sich daran. So wie die Soldaten in diesen Tagen auf die Mauern gehörten und die einfachen Bürger in ihre Häuser, so selbstverständlich war es für ihn als Senator, dass er sich auf das Forum begab. Sein Begleitschutz aus Klienten fiel zwar etwas größer und kampferprobter aus als sonst, aber ansonsten deutete nichts darauf hin, dass Macer Angst haben könnte. Dabei war er sich nicht einmal sicher, was genau er von hier aus ausrichten konnte. Er hatte nur die vage Ahnung, dass es von hier aus geschehen musste, wenn überhaupt etwas möglich war. Sollte der Senat tagen wollen, war er von hier aus in wenigen Schritte da. Sollte ihn jemand ansprechen wollen, so war er hier ansprechbar. Und sollte jemand wissen wollen, auf welcher Seite er stand, so stand er zumindest auf der Seite derjenigen, die sichtbar waren und sich nicht im Verborgenen aufhielten, sei es aus Angst, aus Scham oder aufgrund finsterer Pläne. Und außerdem hoffte er, dass er hier ziemlich schnell mitbekommen konnte, was sich draußen tat.

    Macer blickte etwas skeptisch, als der Bote ihn recht theatralisch zum Handeln aufforderte. Was auch immer der Tribun als Antrieb hatte, hatte er ganz offenbar gute Redner als seine Boten ausgesucht. Macer war sich allerdings sicher, dass der Senat im Falle einer eigenen Initiative, diese sicher nicht unter Führung eines Tribuns ergreifen würde, sondern dass sich andere Männer an die Spitze eines solchen Unterfangens stellen würden. Nicht unbedingt der Consul oder andere amtierende Magistrate, die bekanntlich allesamt zu den Günstlingen des Kaisers gehörten, aber andere konnte er sich dort durchaus vorstellen. Somit ergab sich für ihn auch keine direngende Notwendigkeit, Kontakt mit dem Tribun aufzunehmen, zumal dies ja auch mit einem geweissen Risiko verbunden war. "Danke, aber das wird nicht nötig sein. Du wirst ihm auch nicht mehr ausrichten, als dass du deinen Auftrag ausgeführt hast und mir die Botschaft überbracht hast. Er wird verstehen, dass ein Consular, ehemaliger Statthalter und amtierender Kommandeur der Academia Militaris genügend Wege kennt, mit ihm Kontakt aufzunehmen, wenn er Bedarf dazu hat", beantwortete er daher das Angebot.

    Der diensthabende Schreiber hatte eigentlich keine allzu große Lust, über das Thema zu sprechen, denn schließlich war er nichts anderes als ein einfacher Soldat, der hierher für Schreibarbeiten abgestellt worden war, solange man sich genau das noch leisten konnte und nicht jeder Mann auf der Mauer gebraucht wurde. Und er würde den Platz hier in der Academia jederzeit gegenüber irgendeiner Kampfhandlung bevorzugen.


    "Wir bereiten uns auf eine Belagerung vor und Krieg ist wohl immer gefährlich", antwortete er daher recht kurz angebunden.

    "Wird schon werden", bekräftigte Macer mit einem aufmunternden Nicken und blickte dann den Tiberier an. "In der Tat, Salve, Tiberius Lepidus", begrüßte er auch ihn. "Ihr kennt euch also? Dann ist Rom vielleicht doch kleiner als man denkt. Bei welcher Gelegenheit habt ihr euch kennengerlernt?" erkundigte er sich erst einmal. Die Wahrscheinlichkeit, dass er die Antwort über das Ende des Gesprächs hinaus behalten würde lag zwar nahe Null, aber ein bisschen Interesse am gesellschaftlichen Leben seiner Klienten hatte noch nie geschadet.

    Die Worte des Boten musste Macer erst einmal im Kopf wiederholen, um sich ganz sicher zu sein, dass er sie richtig verarbeitet hatte. Was hier so leicht daher gesagt war, schien nämlich plötzlich eine ganz entscheidende Sache zu sein. De facto hatten die Cohortes Urbanae gerade eine Befehlsverweigerung gegenüber dem Kaiser angekündigt. Aber auch wenn er dies durchaus positiv fand, blieb er erst einmal zurückhaltend. Zum einen wusste er nämlich nicht, was dahinter steckte und zum anderen konnte er als einzelner Senator ohne Amt ohnehin nichts machen. "Gehe ich Recht in der Annahme, dass der Consul bereits informiert ist und dementsprechend auch eine Senatssitzung einberufen wird, um überhaupt Beschlüsse herbeiführen zu können?", erkundigte er sich daher.

    Macer war gerade im Wohnbereich des Hauses mit seiner kleinen Tochter beschäftigt gewesen, die inzwischen beim Krabbeln schon ziemlich flink auf den Beinen und Händen war, unterbrach seine Beschäftigung aber rasch, als ihm eine Nachricht der Cohortes Urbanae angekündigt wurde. Rasch ordnete er seine Kleidung, die beim Spielen etwas in Unordnung geraten war und trat in das Atrium, in dem der Bote schon wartete.


    "Salve", grüßte er jenen. "Du wolltest mich dringend sprechen?" erkundigte sich nach dem Anliegen.

    Mitteilungen der Cohortes Urbanae hatten in diesen Zeiten wohl ohnehin eine hohe Priorität, so dass der Türhüter den Mann einließ und ins Atrium führte. "Warte hier. Ich benachrichtige den Senator", erklärte er dann und verschwand im Wohnbereich des Hauses. Wenig später kam er zurück und kurz darauf erschien auch Macer.

    Zitat

    Original von Medicus Germanicus Avarus
    "Ein Blutvergießen, das es zu verhindern gilt. Ich frage mich nur, wie man das anstellen will. Immerhin scheint es hier mehr Zustimmung für diese Utopie des Widerstandes zu geben, als Gegenwehr."


    Nachdenklich schaute Macer eine Weile auf die Menschen, die sich zu den Meldestellen begaben. Allzu groß schien ihm der Ansturm nicht zu sein, aber vielleicht täuschte das ja auch. "Hattest du auf diesem Platz und unter diesen Umständen etwas anderes erwartet?", fragte er dann. "Widerstand gegen Salinator hier in Rom wird sich kaum unter seinen Augen auf dem Marsfeld organisieren. Große Gewalt von innen heraus wird das Blutvergießen jedenfalls nicht beenden."

    Der Türhüter öffnete wie immer und ließ sich auch durch die Vehemenz des Klopfens nicht aus der Ruhe bringen. "Salve. Wie kann ich dir weiterhelfen?", erkundigte er sich nach dem Anliegen.

    Der diensthabende Schreiber war diesmal ein anderer als der, der die Unterlagen ausgegeben hatte, aber trotzdem schien er nicht uninformiert zu sein. Mit einem dankenden Nicken nahm er sie entgegen, verglich das Abgabedatum mit der Frist auf seiner Liste und trug die Abgabe dann ein. "Es kann einige Tage dauern, bis der Kommandeur dazu kommt, die Abgaben zu beurteilen. Wir lassen deinem Herrn dann eine Nachricht mit dem Ergebnis zukommen", erklärte er dann das weitere Prozedere.

    Zitat

    Original von Medicus Germanicus Avarus
    Eher beiläufig denn ernst wandte er sich an Macer..."Was sollen wir nur tun, was können wir?" Neutralität zu bewahren war schwer geworden. Was wählte man: Pest oder Cholera?


    "Was wir tun sollen, hat uns unser Kaiser ja gerade sehr deutlich vorgeschlagen", antwortete Macer in einem recht neutralen Tonfall, den jeder nach seinem eigenen Geschmack als Zustimmung oder Ironie interpretieren konnte. "Was wir tun können, ist dagegen wirklich eine gute Frage. Sicher können wir uns bewaffnen und beim Eintreffen des Heeres ein blutiges Gemetzel anrichten, bei dem viele Römer sterben werden. Als Senator, dessen Aufgabe das Wohl Roms ist, stelle ich mir jedoch die Frage, ob wir genau dies nicht im Gegenteil auch verhindern können", beantwortete er dann auch den zweiten Teil der Frage.

    [Sim-Off] Solange du noch weißt, warum Victor zu Macer kommen wird, passt's ja. :D[/simoff]


    Der Bote nickte. "Morgen, das richte ich aus. Vielen Dank", bestätigte er die Antwort und verabschiedete sich dann, um umgehend nach Hause zurück zu kehren und seinen Herrn oder zumindest dessen Sekretär über den anstehenden Besuch zu unterrichten.

    Dem Anlass angemessen, hatte Macer noch einmal seine alten Militärstiefel herausgekramt und angezogen, auch wenn er sich inzwischen doch an den Calceus gewöhnt hatte. Abgesehen von diesem Schuhwerk zeugte aber keine weitere Äußerlichkeit von seiner militärischen Erfahrung und er stand wie alle anderen anwesenden Senatoren auch in eine Toga gehüllt in der Nähe der Tribüne. An seinem Gesichtsausdruck war aber deutlich abzulesen, dass er die Rede vor allem mit den Ohren eines Militärs hörte, der strategische Informationen zu erfassen versuchte und sich nicht wirklich vom eigentlich gekonnt konstruierten Pathos der Rede mitreißen ließ. Dementsprechend klatschte er zwischendurch nicht und am Ende nur, weil es alle taten, während er grübelnd die wahre Lage der Stadt einzuschätzen versuchte. "Der Vergleich mit Hannibal hinkt gewaltig", murmelte er in Richtung seines Nebenmannes.

    Der Menschenauflauf, den diese Bekanntmachung verursachte, war nicht zu übersehen und selbst wenn Macer gerade nicht in den Straßen Roms unterwegs gewesen wäre, hätte sie sich wahrscheinlich recht zügig zu ihm durchgesprochen. So aber verschaffte er sich einfach nur etwas Platz in der Menschentraube, um weiter nach vorne zu gelangen und die neuste Mitteilung des Imperators aus nächster Nähe mitzubekommen.


    Wenn nun schon eine Volksbewaffnung angekündigt wurde, war die Lage wohl noch ernster, als Macer bisher aus den verschiedenen Gerüchten angenommen hatte. Sollte er sich in seiner bisherigen Einschätzung etwas getäuscht haben, dass der Krieg nicht bis nach Rom kommen würde? Aber immerhin wurde nun auch ein öffentlicher Lagebericht angekündigt, auch wenn Macer nicht davon ausging, dass der völlig objektiv ausfallen würde. Aber trotzdem würde er schon alleine deshalb morgen auf's Marsfeld gehen, selbst wenn nicht die Anwesenheit des Senats angeordnet worden war.

    Der Schreiber dankte und sammelte die Stücke ein, hatte keine Mühe mit dem Nachzählen und verbuchte sorgfältig den Geldeingang in der Kassenliste. Anschließend begann er, weitere Dokumente zusammenzustellen und zu beschriften, die er schließlich dem Boten reichte. "So, dann sind hier die Prüfungsunterlagen für deinen Herrn. Die Abgabefrist beträgt wie für alle eine Woche, aber das sollte ja machbar sein. Ich wünsche deinem Herrn viel Erfolg", schloß er die Übergabe mit fast denselben Worten wie üblich.

    Der Schreiber war ganz froh, dass sich der Duumvir und sein Bote oder zumindest einer von beiden schon ein paar Gedanken gemacht hatte, die noch dazu nicht ganz falsch waren. "Genau so ist es. Es ist eine Gebühr von 500 Sesterzen notwendig, um den Kurs belegen zu können. Und die rechtzeitige Abgabe der Prüfungsunterlagen ist das Risiko deines Herrn." Immerhin war es bis Ostia nicht so weit, dass es völlig utopisch war, es innerhalb der Zeit zu schaffen.


    Sim-Off:

    An die Staatskasse II, bitte

    Es kam nicht allzu oft vor, dass sich ein Duumvir einer anderen Stadt durch einen Boten anmelden ließ. Dementsprechend kratzte er sich erst einmal nachdenklich am Kopf. "Salve. Das ist ein etwas unübliches Verfahren. Wie genau hat sich dein Herr das denn vorgestellt? Sollst du ihm die Prüfungsunterlagen mitbringen und später wieder hier abgeben?" fragte er dann.

    Nach vier Tagen, die zumindest nach Macers Einschätzung quälend langsam verlaufen waren, war das Leiden vorbei und die kleine Albina war ihren ersten Schnupfen ihres Lebens los. Als wenn sie selber wüsste, welche Sorge damit von den Schultern aller Beteiligten gefallen war, lag sie zufrieden lächelnd in den Armen der Amme, als Macer am Morgen das Kinderzimmer betrat. Der wiederum ließ sich erst von der Amme berichten, wie ruhig seine Tochter die Nacht tatsächlich vebracht hatte und eilte dann zum Hausaltar, um diversen Göttern und den Hausgeistern für die Genesung zu danken. Deutlich weniger angespannt als in den letzten Tagen machte er sich dann auf den Weg, die Salutatio seiner Klienten durchzuführen, wo er es sich nicht verkneifen konnte, bei jeder passenden Gelegenheit zu erwähnen, dass Albina wieder gesund war.

    Bisher waren es meist gute oder zumindest keine Besorgnis erregenden Nachrichten gewesen, die die Amme Macer am Morgen oder auf sonstige Nachfrage mitteilen konnte. Die kleine Albina wuchs und nahm zu, wie es sich für ein Baby gehörte. Aber heute war die Amme doch sichtbar sorgenvoller, als Macer den morgentlichen Besuch im Kinderzimmer abstattete und das hatte einen einfachen Grund: Die kleine Albina hatte Schnupfen! An sich war das nicht weiter überraschend oder ungewöhnlich, hatte doch jeder Bewohner der Casa Purgitia und wahrscheinlich auch jeder Bewohner Roms, Italias und des römischen Reiches schon einmal einen Schnupfen gehabt und außerdem musste ein Kind eben auch einmal seinen ersten Schnupfen bekommen. Für die Amme war es auch überhaupt nichts Neues, ein Kind mit Schnupfen betreuen zu müssen. Nur für zwei Personen in der Casa Purgitia war es also wirklich neu und daher aufregend: Für die kleine Albina und ihren Papa Macer. Bei Albina äußerte sich die Aufregung vor allem darin, dass sie das Gesicht verzog, soweit es die noch nicht voll ausgebildeten Gesichtsmuskeln zuließen, vor sich hin queitschte, schnaubte, brummte, schnorchelte und brabbelte, außerdem mehr als sonst zappelte und weniger schlief. Bei Macer äußerte sich die Aufregung vor allem darin, dass er sich mal wieder seiner eigenen Ahnungslosigkeit bewusst wurde, da er keinen blassen Schimmer hatte, was jetzt zu tun wäre. Einerseits wollte er sich jetzt natürlich besonders gerne und liebevoll um seine Tochter kümmern, aber andererseits war ihm klar, dass die Amme wohl erstens mehr Ahnung hatte und zweitens Recht damit hatte, dass die kleine Albina jetzt vor allem Ruhe brauchte. Dummerweise passte Ruhe überhaupt nicht zu Macers Bedürfnis, sich jede Stunde nach dem Gesundheitszustand zu erkundigen. Erst am Nachmittag stellte sich bei ihm so langsam die Erkenntnis ein, dass so ein Schnupfen wohl auch bei Babies nicht innerhalb von ein paar Stunden kuriert war, sondern auch bei ihnen ein paar Tage anhalten konnte.