Beiträge von Artoria Medeia

    Kleine Gaben durch besondere Boten


    Aus den dunklen Katakomben des Colosseums strömten die ersten Tiere. Elefanten? Löwen? Geparden? Nein, eine Unzahl von kleinen Wesen, Affen! Kreischend rannten sie, wahrlich wie vom Affen gestochen, in die Arena. Manche schwangen sich die Bäume hoch und andere erklommen gleich die Steinbalustrade. Schnell sprangen sie zwischen die Zuschauer. Einer der Affen landete mitten auf dem Schoß von einer jungen Frau und öffnete weit sein kleines Mäulchen.





    Um seinen Hals trug er einer dieser Missiliakugeln, die schon bei den Gladiatorenkämpfen. Als die ersten Besucher das sahen, brach ein Kampf um die Affen aus. Die Affen, erschrocken von der Gier der Römer, sprangen hastig davon und versuchten den vielen Händen zu entgehen. Doch einige schafften es nicht. Kreischend zappelten sie in den Händen und wurden ihrer Loskugel entrissen. Einige der Zuschauer schienen jedoch gewitzt vorzugehen. Denn sie versuchten die kleinen Tiere mit Brotkrumen oder Obstresten anzulocken.

    „Komm, komm! Hier hast Du was Feines! Hah, hab ich Dich!“


    Manch einer der Affen landete jedoch auch unter den vielen Füßen der Menschen. Andere entkamen wieder in die Arena und flüchtigten sich auf die falschen Urwaldbäume. In den Rängen bracht wieder ein Kampf um die wenig ergatterten Loskugeln aus. Denn in so manch einer die Kugeln steckten wieder die begehrten Preise, die es zu ergattern galt.


    Morituri vobis salutant


    Die Sonne brannte heiß auf die flavische Arena herunter. Die Sonnensegel wurden herunter gelassen, die Fanfarenspieler nahmen ihre Plätze ein. Der Sand strahlte gleißend in der Sonne, waren doch Knochensplitter unter den gelben Sand gestreut worden. Hügel und eine Ebene war durch aufgeschichteten Sand nachgebildet worden. Nachdem die Gladiatoren, die Katakomben betreten hatten, wurden auch die Tore für die Schaulustigen und die vielen tausend Zuschauer geöffnet. Schnell füllten sich die Ränge, das Colosseum schien zum Bersten gefüllt zu sein. Die Stimmen vermischten sich zu einem Meer von Worten, Brüllen, Jubeln und Lachen. Und die meisten Römer waren ausgelassen, denn heute galt es nur zu Feiern und zu Staunen. Große Wägen fuhren in die Arena und Brotleiber wurden in die Menge geworfen. Auf den Rängen waren wie oft die Händler mit ihren Bauchläden unterwegs oder die Weinverkäufer, die ihre Becher zu einem Spottpreis loswurden.


    "Wein, köstlicher Wein! Nur 1 Ass der Becher. Wein, köstlicher italischer Wein. Zeigt Euch als Patrioten, Römer, und kauft diesen guten italischen Tropfen!"


    "Nüsse, frische Nüsse! Oliven oder sonstige Leckereien. Unsere Oliven landen sogar auf dem kaiserlichen Tisch beim Conventus. Nüsse, Oliven!"


    "Faule Eier, faule Eier, sollten die Kämpfe langweilig werden. Werft sie einfach auf euren Nachbarn! Faule Eier...ganz umsonst. Im Dutzend auch nur ein Ass! Faule Eier!"



    Auch die Ehrenloge füllte sich. Eques, Patrizier, Senatoren und bekannte Persönlichkeiten hatten hier ihre Plätze, abgeschirmt vom Pöbel gefunden. In einer gesonderten cavea waren sogar die weißen Schleier der Vestalinnen zu erkennen, die besonders von Soldaten und Circuswächter vom Rest des Colosseums abgeschirmt wurden. Die Tore zu den Katakomben öffneten sich und in einer Zweierreihe traten die Gladiatoren auf den Platz. Zuerst jene, die Römisch und wie Legionäre gewandet waren! Dann die Barbaren, dunkelhäutige Numibier, Ägypter und Männer von den Wüstennomaden. Die Zuschauer jubelten laut auf als sie bis zur cavea traten und den dortigen Zuschauern den Gruß erwiesen. „Morituri vobis salutant!“ schallte der Ruf nach oben. Dann wandten sie sich wieder um und verschwanden wieder in den Gewölben. Der praeco kletterte mühsam und ächzend auf seine Bühne. Seine dicken Arme hoben sich und nach einigen Minuten, bis er endlich die meiste Aufmerksamkeit hatte, rief er laut durch das Colosseum.


    „Volk von Rom! Willkommen zum Finale der Gladiatorenspiele. Die Ludi Romani, ausgerichtet von den Aedilen, finden heute und hier ihren Abschluss. Doch seid nicht enttäuscht, denn heute werdet ihr eine große Schlacht erleben. HANNIBAL....“ Der Name donnerte wie ein Peitschenhieb durch das Amphitheater. “…die Geißel Roms hat sich zurückgezogen in das Ferne Karthago. Dort frönt er, wie alle Kartharger, seinen abartigen Sitten. Kinderfressend und den ganzen Tag Römer quälend, wartet er auf den Moment, wo er wieder zur Bedrohung unseres geliebten Roms werden kann. Doch Rom ist sich der Gefahr bewusst und sandte seinen besten Anführer, Scipio. Auf der Ebene von Zama sollten die letzten Truppen Karthagos und die römischen Legionäre zusammen treffen. Zu der letzten Schlacht um Karthago. Doch seht selber...“


    Die Gitter wurden hochgezogen. Dunkelhäutige Männer und Frauen, mit verschiedensten Lederrüstungen und Fellen, von Leoparden, Hyänen, Zebra oder Antilope, bekleidet, strömten in die Arena hinein. In ihren Händen trugen sie einfache Speere mit eisernen Spitzen, Schwerter und fellumwickelte Rundschilde. Und dann erzitterte wieder der Boden und ein lautes Trompeten schallte nach draußen. Elefanten, gerüstet und mit hohen Körben als Sattel, betraten den Sand. Eine Bulle streckte seinen Rüssel in die Luft und gab einen lauten Stoß von sich. Mit den Fanfaren wetteifernd, die die Ankunft der Dickhäuter ankündigten. Auf dem größten Bullen saß Gorgoneus, dunkelhäutig, mit Zebrafell und mit einer ledernen Rüstung bekleidet. Hoheitsvoll und mit einer goldenen Krone auf dem Haupt, knöchernen Schmuck um den Hals und den bloßen Oberarmen, führte er die drei anderen Elefanten durch das Amphitheater. Gelassen zur Menge schauend, hob er seine Hand und grüßte die johlende und buhende Menge. Seine Reihen nahmen Aufstellung. Die Elefanten stampften unruhig und ihre Rüssel griffen immer mal wieder aggressiv in die Richtung ihrer eigenen Leute...

    Der letzte Gladiatorenkampf der Ludi Romani



    Die Giganten treffen ein


    Schon in der Frühe war eine kleine Sklavenkolonne über die Strassen vor dem Platz des Colosseums geeilt und hatten diesen sorgfältig hergerichtet. Hölzerne Absperrungen wurden errichtet für den Einzug der Gladiatoren am Mittag. Viele Römer und Römerinnen hatten sich dort versammelt und warteten auf das Vorspektakel. Denn heute war der letzte Tag der Gladiatorenkämpfe. Heute würden die Römer die finale Schlacht sehen dürfen, die schon Tage zuvor angekündigt wurde. Der Straßenzug auf das Colosseum war mit Herbstblumen ausgestreut worden. Gespannt warteten die vielen Spektakelsüchtigen und diejenigen, die heute frei hatten, auf den Einzug. Der Boden erzitterte kaum spürbar, die Holzabsperrungen wackelten leicht und dann waren sie zu sehen. Große und graue Dickhäuter, Elefanten, die sich dem Colosseum näherten. Mit jedem Schritt erzitterte der Boden wieder. Tierdompteure führten die Elefanten durch die Menschenmenge. Immer wieder trompetete einer der Elefanten erschrocken auf als die Menge laut jubelte. Ihre massiven Körper waren mit ledernen Schuppenpanzern umhüllt und sie trugen sogar eine Art Helm mit Straußenfedern.



    Fasziniert begafften die Römer die Elefanten als sie schwerfällig und träge an ihnen vorbei liefen. Einige der Zuschauer kreischten begeistert auf. Der vorderste Elefantenbulle scheute vor dem Kreischen und sein Rüssel griff nach der Holzabsperrung. Erschrockene Schreie breiteten sich aus als der Elefant mit dem Holzstück nach den Menschen schlug. Der Tierdompteur versetzte wuchtig mit seiner Peitsche einige Schläge auf den Bauch des Tieres und riss an der Kette. Der Elefant ließ seine „Waffe“ fallen und gab einen seltsam anmutenden Schmerzenslaut von sich. Der Zug setzte sich wieder in Bewegung und nur einige leicht verletzte Römer blieben zurück. Hinter den Elefanten folgten die Gladiatoren in einem langen Zug und als Sklaven waren sie allesamt mit Ketten verbunden, die laut rasselten. Ein Wagen mit Gorgoneus und einigen anderen Gladiatoren des Ludus Magnus polterte hinter her.


    Eine junge Frau lief neben dem Zug der Gladiatoren her. Immer wieder spähte sie zwischen die Reihen als sie einen der Gladiatoren wohl erkannte. Sie schlug sich die Hände vor den Mund und stürzte in einem wenig bewachten Moment durch die Absperrung und an zwei Luduswächter vorbei. Sie schlang ihre Arme um den Oberkörper des Mannes, einen älteren Mann. Dieser sah betroffen auf die junge Frau herunter. Doch ehe er reagieren konnte, packten die Wächter die Frau. „Vater!“ rief die Frau verzweifelt und schluchzte. Der Vater der Frau streckte die Hand nach ihr aus, doch die Ketten hielten ihn zurück. Die Frau wurde hinter die Barrikaden geworfen, wo sie schluchzend zusammen brach. Die Gladiatoren wurden weiter gedrängt und sie verschwanden im Nebeneingang zu den Katakomben. Ihnen folgte ein Tross von thessalischen Rössern, die laut klappernd ebenfalls im Maul des Colosseums verschwanden.

    „Das ist ein dummes Spiel, kleiner Mann! Außerdem muss ich eigentlich noch arbeiten!“ Olympia, die junge Haussklavin stand mit verschränkten Armen vor Pumilus, dem Ianitor der Casa Artoria. Der beugte sich gerade über ein Dreieck, was er auf den Boden gezeichnet hatte. Das Dreieck war in gleichgroße Felder geteilt und mit römischen Ziffern, von I bis X, gekennzeichnet. Ein paar Steine klimperten in den kleinen Fäusten von Pumilus. „Komm schon, blonde Nymphe. Arbeiten darfst Du den ganzen Tag. Aber wenn die Domina mit der seltsamen Krähe beschäftigt ist, können wir ungestört faulenzen.“ Mit einer Hand reichte er Olympia einige bunte Steine. Er spähte nach oben und bekam einen anzüglichen Ausdruck im Gesicht. „Oder wir ziehen uns in die Sklavenunterkunft zu und wir verbringen den Nachmittag mit kleinen schweißtreibenden Übungen auf Deinem Bett. Na, ich hab Dir meinen stilus noch nicht gezeigt!“ Olympias Nasenflügel bebte und sie griff schnaubend nach den Steinen in Pumilus Hand. „Ja, ja, aber nur eine Runde, verstanden?“


    Gerade als sie sich dem Spiel im Atrium widmen wollten, klopfte es so mysteriös an der Tür. Olympia seufzte erleichtert auf, Pumilus fuhr ärgerlich herum. Schließlich war das Spiel ein ausgeklügelter Plan von ihm, die blonde Mitsklavin rumzukriegen und doch noch den heißen Moment in der Sklavenunterkunft zu erleben. Fluchend stapfte er auf die Tür zu. Der, der dort draußen stand, musste schon eine gute Begründung für diese Störung liefern können. Entsprechend finster zog Pumilus an dem Seil, was an der Türklinke befestigt war und zog die Tür auf. „Ja, was willst Du? Kannst Du nicht am Nachbarhaus klopfen?“ herrschte der Zwerg zu dem Mann nach oben. In seiner Faust knirschten die Steine aneinander als ob Knochen gerieben wurden. „Wir haben keine Spenden übrig. Geh zum posticus der Villa Tiberia. Die haben immer was übrig.“

    Medeias Augenbrauen wanderten nach oben. Auch diese Antwort wurde notiert. Schweigend besah sich Medeia eine Schriftrolle und sah dann wieder auf. "Werter Pompeius, Deine Worte stimmen in keinster Weise mit den Auszügen von der societas überein. Hier sind weder Ausgaben für Marmortafeln oder Aufwendungen für das Domus zu finden, ob Mosaike oder Wandmalereien. Aber auch sonstige Veranstaltungen werden vom finanziellen Rahmen her kaum erwähnt. Dafür liegen hohe Geldsummen im Domus in Verwahrung. Doch das Geld wird für keine der Zwecke des societas gebraucht oder genutzt. Das macht uns in der Tat ein wenig mißtrauisch." Medeia sah Trimalchio ernst an und ließ die Schriftrolle auf ihren Schoß heruntersinken. "Es gibt einige Schlüsse, die uns das erlauben und die die Vermutung aufwerfen, dass das Geld lediglich dort gebunkert wird. Dem Kaiser Steuern zu enthalten ist jedoch kein feiner Zug der societas. Findest Du nicht auch?"

    Sim-Off:

    Oh, hab der Sklavin schon vorgegriffen *hüstel* Und sorry, wenn es etwas gedauert hat...


    Wieder konnte Medeia ihrem Kollegen nur zustimmen. Da alles notwendige zur Anforderung der Cohortes Urbanae gesagt wurde, nickte sie nur knapp und trank noch einen Schluck des Tees. Der Teedampf wärmte sanft ihre Wangen. Bei der weiteren Nachfrage des Praefectus Urbi sah Medeia auf. Nachdenklich schien sie die Frage und die Antwort dazu in ihrem Geist durchzugehen. Ihren eigenen Scriba konnte sie wohl schlecht nennen. Zwar machte er jeden Tag immer früher Schluß und kam jeden Morgen immer später zum Dienst, war wohl kaum für den Praefectus von Belang. So schüttelte sie andeutungsweise den Kopf. "Eigentlich ist mir bis jetzt noch nichts negatives aufgefallen. Bis jetzt hatte ich auch nur mit der Verwaltung in der Basilica am Forum Romanum zu tun. Und diese waren doch stets fleißig und aufmerksam. Ich hatte zwar vor in nächster Zeit den Procurator Aquarum aufzusuchen, aber etwas schlechtes über ihn ist mir bis heute auch nicht zu Ohren gedrungen." Sie lächelte leicht und hielt den warmen Becher Kräutersud weiter in ihren Händen. "Gibt es denn Anlass zur Sorge, dass dort etwas nicht im rechten Lot ist?"

    Mit einem leichten Nicken nahm Medeia die Antwort des Magisters und Volkstribuns hin. Sie musterte ihn noch einmal, dann erwiderte sie auch Vitamalacus Worte mit Zeichen der Zustimmung. "Ja, tu das! Ich werde mal durch den Rest des Hauses gehen!" Sie winkte ihrem Leibwächter zu und wandte sich ab. Neugierig sich das Innendekor betrachtend, schritt sie durch die Halle. Das Sonnenlicht streifte sie spielerisch ehe sie in einem der Nebengänge verschwand. Einfach der Nase nach ging sie durch die Flure und besah sich dabei weiter das Innere aufmerksam. Vor jeder Inschrift und jeder Steintafel blieb sie stehen und musterte die Spenderzeichen darauf. Alles wurde sorgfältig notiert. Ihr Weg führte sie direkt, die Götter wollten es wohl so, zum Hausaltar.


    Ehrfürchtig, so schien es zumindest, blieb sie am Eingang stehen und betrachtete den Altar eine Weile. Nur langsam ging sie auf die Blumen zu und dann näher an den Marmor. Auch dort beugte sie sich nach vorne, betrachtete die Inschrift und notierte sich das Ganze. Suchend sah sie sich in dem Raum und und ging dabei prüfend die Wände entlang. Erst danach wandte sie sich wieder um und verließ den Hausaltar, wo sie prompt mit einem Soldaten zusammen stieß. Freundlich lächelte sie ihm zu und machte sich noch schnell eine Notiz.


    Eine falsche Prophezeiung wird offenbart?


    Akt Drei, Erste Szene


    Eine Tibia trillert auf, Trommeln schlagen, Gesänge von Frauen erheben sich, wie Lachen und Weinen in einem. Die Fackeln fangen wieder an zu brennen und das Licht auf die Bühne zu werfen. Nackte dunkelhäutige Frauen tanzen um einen Altar herum. Vor dem Altar kniet in demutsvoller Haltung die Königin der Stadt und Ehefrau von Ödipus. Beschwörend hebt sie die Hände. Die dunkelhäutigen Frauen tanzen ekstatisch um sie herum und fallen bei Iokaste erstem Wort synchron zusammen.


    Iokaste:
    „Oh lykischer Apoll, erweise Dich unserer Stadt als gnädig. Mit den Gaben erflehe ich, schaff Du uns frei von der Befleckung. Denn uns macht es allen Angst, von Schreck verrückt zu sehen ihn, unseres Schiffes Steuermann, Ödipus.“


    Aus der Dunkelheit springt ein älterer Mann herbei. Er trägt eine einfache Tunika und einen Wanderstab in seiner Hand- ein Bote. Schnell eilt er tanzend auf die Bühne und an den vielen Frauenleibern vorbei auf Iokaste zu.


    Bote:
    „Oh ich suche den Ödipus. Sprich, Frau, wo ist sein Haus.“


    Als Iokaste aufsteht und sich dem Mann zuwendet, klimpern leise einige Instrumente im Hintergrund. Erhaben und von unten mit dem Licht angestrahlt sieht sie von der Erhebung des Altars auf den Boten herunter.


    Iokaste:
    „So hast Du seine Frau und Königin dieses Landes gefunden. Sprich, was wünscht Du von Ödipus?“


    Bote:
    „Von Korinth komme ich. Ödipus zu verkünden, dass zum Herrscher ihn die Bewohner dort machen wollen. Denn sein Vater ist verstorben, am Alter, und das Land ohne Anführer!“


    Iokaste sieht zum Publikum und hebt voll des Erstaunens die Hand. Eine Tuba stößt einen langen etwas klagenden Ton aus.


    Iokaste:
    „So ist er nicht gestorben, wie das Orakel des Apoll es sprach? Nicht durch die Hand meines Gemahls Ödipus, der seinen eigenen Vater ermorden sollte nach dem Spruch? Die Jahre rafften den alten Polybos dahin?“


    Sie wendet sich an eines der nackten Mädchen.


    Iokaste:
    „O Mädchen, schnell und hol Ödipus. Sage geschwind deinem Herrn, von der Kunde um seinen Vater!“


    Das Mädchen erhebt sich und schreitet betont langsam von der Bühne. Im nächsten Moment taucht schon Ödipus auf. Seine Krone funkelt im Fackellicht und er tanzt beschwingt auf Iokaste zu. Dort angekommen erhebt er seinen rechten Arm und sieht über das Publikum hinweg.


    Iokaste:
    „Hör diesen Mann! Er zeugt mit seinen Worten, dass der Spruch des Orakels nicht wahr sein konnte und wahr ist. Denn dein Vater ist tot. Polybos ist nicht mehr und keines unnatürlichen Todes ist er gestorben. Nein, das Alter brachte ihn zum Styx und darüber hinaus. Siehst Du, dass Pythos Seherherd falsch gesprochen hat und die Weisung der krächzenden Vögel nichts bedeuten?“


    Ödipus hebt überrascht die Arme und tanzt auf der Bühne dramatisch auf und ab. Er greift sich ans Herz.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Und doch fürchte ich mich immer noch. Denn meine Mutter ist immer noch am Leben und der Spruch kann sich noch erfüllen. Das Schicksal meines Frevels könnte durch mich geschehen!


    Der Bote tritt an Ödipus heran.


    Bote:
    „Was fürchtetst Du? Einen Spruch? Ist er geheim oder sagbar?“


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Ja, sicher, sagbar ist er. Einst hat Loxias gesagt vermischen müsste ich mich mit der eigenen Mutter. Und des Vaters Blut sollte ich durch meine eigene Hand vergießen. Darum entfloh ich Korinth, meiner Heimat, und blieb aus Furcht, meinen Eltern zu schaden und den Spruch des Orakels zu erfüllen, fern von ihr. Des Vaters Mörder wollte ich nicht sein!


    Bote:
    „Das brauchst Du nicht zu fürchten. Denn dort wird es Dir nicht möglich sein, dieses Greul zu begehen. Nicht, weil Pylobos tot ist, sondern weil sie beide, Pylobos und sein Weib, nicht mit Dir verwandt sind!“


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Nicht verwandt? Was sagst Du da? Woher willst Du das wissen, so sprich!“


    Bote:
    „Durch meine Hand erhielt Pylobos Dich als Du noch ein Säugling warst. Denn kinderlos wie er war, nahm er Dich wie eigen Fleisch und Blut auf. Ich fand Dich einst in einer waldigen Schlucht des Kithairon. Herden führte ich dort entlang und war der Retter von Dir als Du ein Kind noch warst. Ein Mann aus den Landen des Laios gab Dich mir, verschnürt und mit durchbohrten Fersen. Deine Füße bezeugen auch heute noch diese Wahrheit!“


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Unmöglich, das kann nicht sein. Doch sprich, wer war jener Mann aus Laios, der den Knaben Dir übergab. Ist er hier? Kann er als Zeuge dienen?“


    Bote:
    „So wirst nur Du es herausfinden. Ich gehe nun, mein Werk ist vollführt!“


    Der Bote geht ab. Ödipus sieht zum Publikum und deutet dabei auf die Frauen am Boden.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Wer ist jener Mann, der mich dem Hirten da gab?“


    Die Frauen erheben sich leicht und kriechen auf Ödipus zu. Ihre Augen sind auf ihn gewandt. Wie aus einem Mund antworten sie ihm.


    Der Chor der Frauen:
    „Es ist kein anderer als der, den Du zuvor zu sehen wünschtest. Der Zeuge, den Dir diese da..."
    [Sie zeigen auf Iokaste.] "...nannte."


    Iokaste wirft sich theatralisch vor die Füße von Ödipus und hebt beschwörend die Hände.


    Iokaste:
    „Lass ab, Ödipus. Forsche nicht weiter. Oh Unglückseliger! Dass niemals Du erkenntest, wer Du bist! Es ist zu Deinem eigenem Besten!“


    Ödipus hebt die Hand und schüttelt energisch den Kopf. Er tanzt einige Schritte zurück, zeigt seine Handflächen gen Himmel und verharrt.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Nein, ich muss nach der Wahrheit suchen. Selbst wenn Dein Frauenstolz erfüllt sein mag, mit der Scham einen Hirten vielleicht geheiratet zu haben, so muss ich es wissen. Wissen, ob der Spruch noch wahr sein kann. Geht und holt den Hirten, Bürger der Stadt, so geht!“


    Iokaste steht auf und hebt anklagend die rechte Hand. Damit deutet sie auf Ödipus.


    Iokaste:
    „Iu, Iu, Unseliger! Kein einziges Wort werde ich mehr sprechen!“


    Sie wendet sich um und rennt von der Bühne. Ödipus verharrt vor dem Publikum, wie erstarrt. Die Frauen kriechen über die Bühne und erheben sich. Ihre dunklen Leiber glänzen ölig und verstörender Frauengesang breitet sich im Hintergrund aus, eine Flöte spielt einen klagenden und etwas disharmonischen Ton.


    Der Chor der Frauen:
    „Oh weh! Die Wahrheit spricht so deutlich. Der Fluch wird immer klarer. Doch warum erkennst Du es nicht, Ödipus. Welche Beweise brauchst Du noch, was Dein Vergehen offenbart?“


    Ein lauter gellender Klagelaut und die Bühne wird dunkel.



    Auch die letzte Tierfhatz hat ihren Anfang...


    Der Morgen graute, die Sonne ging auf und warf ihre Strahlen auf die nassen Ränge der flavischen Theaters, dem Colosseum. Doch ehe die ersten Zuschauer für die letzte Tierhatz der Ludi Romani eintrafen, sollten noch einige Stunden vergehen. Unzählige Sklaven liefen durch die Ränge und räumten den Müll weg und fegten die nassen Tribünen trocken. Erst zur Mittagsstunde als die Sonne schon warm auf die Arena herunter strahlte, wurden die Tore geöffnet. Die Tribünen füllten sich mit den ersten Zuschauern. Fliegende Händler wuselten durch die Reihen, verkauften gesüßte Früchte, verteilten Wein oder versuchten Sitzkissen los zu werden.


    Doch unter dem Colosseum eilten genauso hektisch und betriebsam die vielen Helfer der Spiele hin und her. Ein Elefant trompeteten aufgeregt durch die Katakomben des Colosseums, wilde Tiere grollten, die zu Tode verurteilten Gefangenen und einige Kriegsgefangene wimmerten oder starrten apathisch vor sich hin. Gerüstete Männer marschierten den Gang entlang, um für ihren Auftritt bereit zu sein. Mehrere Männer rannten einem der Tiere hinterher, der seinem Käfig entflohen war. Sein Kreischen hallte laut durch den Gang und es dauerte eine Weile bis das kleine Wesen eingefangen wurde und wieder zurück gebracht wurde. Doch dann wurden die ersten Gefangenen heraus gezerrt. Denn die Zuschauerränge hatten sich weiter gefüllt.


    Der praeco trat auf sein Podest. Sein goldweißes Gewand strahlte hell im Sonnenlicht. Fanfaren brachte die Menge dazu etwas leiser werden. So konnte der praeco, der Verkünder, seine Stimme gewichtig erheben.


    „Römer! Willkommen zu der letzten Tierhatz der Ludi Romani. Heute entführen wir Euch in den wilden Dschungel des fernen Indiens. Ein sagenumwogenes Land, dort wo Harpyien und die Zyklopen hausen, die Edelsteinen auf den Boden liegen und in den Flüssen verstreut sind, der Urwald der Menschenfresser und Ungeheuer. Und hierher hat sich eine römische Jagdgesellschaft verirrt. Auf der Suche nach Kostbarkeiten, die jedes Tier um den Hals trägt. Doch die Gefahren des Urwaldes sind zahlreich. Seht selber!“


    Urwald- grüne exotische Pflanzen erhoben sich auf dem goldgelben Sand der Arena. Grüne Sandstreifen auf dem Boden bildeten schlangenartige Muster auf dem Boden. Malachitsplitter vermittelten den Eindruck, dass viele kleine Smaragdsteine zwischen dem goldenen Sand verteilt waren. Die Mitte der Arena war jedoch frei von Zierde und nur mit dem Sandmustern versehen. Fanfarenstöße und die Eisentore wurden hoch gezogen....

    Einige Sklaven scheuchten die Tauben von der rostra vor der curia auf dem forum romanum. Der dickleibige praeco stieg auf die Rednerbühne. Seine tabula in der Hand wartete er einen Moment, legte eine seiner grünen Togafalten zurecht. Dann dröhnte seine Stimme über das Forum. Kunstvoll hob er seine rechte Hand dabei, um den Worten einen energischen und bedeutungsvollen Klang zu verleihen.


    „Bürger Roms! Hört, hört! Das Finale der Ludi Romani wird baldig seinen Anfang finden.


    Eine große Schlacht wird nachgespielt, der Sieg über die Barbaren wieder gefeiert werden. Die Gladiatoren werden uns dort in das ferne Afrika führen.


    Auch eine letzte Tierhatz wird es geben. Der indische Urwald, sagenumwogenes Land des Alexanders, wird die schrecklichen Monster in das Colosseum tragen.


    Und all die Anhänger der Wagenrennen sollen endlich erfahren, wer der Sieger sein wird, der den goldenen Lorbeerkranz erhalten wird. Ruhm und Ehre wird dieser factio und dem auriga gewiss sein.


    Und zu guter Letzt werden wir die Götter ehren. Auf dass der Segen über die Stadt kommen mag, selbst wenn die Ludi ihr Ende gefunden haben.


    Höret, Höret, Bürger Roms! Das Finale der Ludi Romani wird morgen stattfinden. Kommt und staunt. Feiert und lasst eure Sorgen zu Hause.“


    Er ließ seine tabula sinken und sah zu einem Sklaven. „Und gib mir nun die anderen Ankündigungen. Die Brotpreise können wir jetzt am Besten hinter den Ludi verstecken...“

    Die Tür zu dem Domus de Papyri stand schon offen. Treppen führten einige Stufen hinab und in einen großen Raum. Ähnlich wie in einem Atrium war eine Lücke im Dach zu finden und ein Impluvium, eine Bodenbecken in der Mitte. Weder gefährliche Germanen, noch wilde Tiere lauerten hier. Warmes Sonnelicht flutete in dem Raum hinein und strahlte auf die hohen Regale an den Wänden. Kleine Regalfächer waren gefüllt mit gewachsten Rollen, in denen die Papyri aufbewahrt wurden. Der gesamt Raum roch nach dem Wachs und nach dem Pflanzenmaterial, aus dem Papyrus hergestellt war. Einige Lesepulte standen in der Mitte, mitten unter dem Sonnenlicht. Medeia folgte Plautius in den Laden hinein. Ihr Kleid raschelte leise als sie die Stufen hinunter trat und dann am Eingang stehen blieb. „Du hast Dir viel zum Lesen vorgenommen. Es ist jedoch sehr fraglich, ob Du alles hier bekommen wirst...“ Sie strich sich eine der gelösten Haarlocken zurück und sah sich in dem Laden um.


    Ein junger Mann, dunkelhaarig und mit einer dunkelgrünen Tunika bekleidet, trat auf Medeia und Plautius zu. Er sah von Einem zum Anderen und wandte sich dann direkt an Plautius. „Salve, werter Herr! Wie kann ich Dir zu Diensten sein? Suchst Du bestimmte Schriften oder nur Papyrus?“ Ein älterer Mann mit weißen Bart und weißen kurzen Haaren trat von hinten hinein, besah sich die beiden Käufer und ging dann zu einem Regal. Mit einer hölzernen Leiter bewaffnet, erreichte er einen der oberen Öffnungen und zog vorsichtig eines der Papyri hervor. Mühsam kletterte er wieder herunter und trat auf einen Pult zu. Medeia lächelte leicht und wartete, dass Plautius seine Wünsche dem Mann vortrug.

    Lieber später als nie, so handelte wohl Medeia nach dem Sprichwort. Zwar hatte die Verhandlung schon angefangen, aber sie betrat den Saal und ging leise, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zu einen der wenig freien Zuschauerplätze, wo sie sich hinsetzte. Bemüht nicht zu rascheln holte sie eine kleine Tabula aus Wachs hervor und einen schmalen Griffel, um die Verhandlung mit eigenen Notizen verfolgen zu können. Interessiert sah sie nach vorne und hörte dem letzten Hin und Her der Ankläger und ihrem Amtsvorgänger zu. Kurz sah sie sich im Saal um, wer denn noch unter den Zuschauern und Beobachtern saß. Doch dann fesselte wieder die Verhandlung ihre Aufmerksamkeit.

    Überrascht hob Medeia ihre Augenbrauen und notierte das wieder. Sie nahm eines der Papyri hervor und musterte es. Dabei runzelte sich ihre Stirn für einen Moment ehe sie wieder ihren Blick dem Volkstribun zuwandte. „Pompeius Severus ist nicht Mitglied in der societas? Wie kommt es dann, dass er Befugnis für Eure Finanzen hat? Es gibt hier Aufzeichnungen, die solche Vermutungen und Schlussfolgerungen hervorrufen. Wie kannst Du mir das erklären?“ Medeia sah ihn fragend an. „Und vielleicht auch, wie mit den Spenden verfahren wird, die bei Euch ankommen?“

    Es war ein Hin und Her, was Medeia mal verblüfft blinzeln ließ oder auch schmunzeln. Sie hatte ihre Arme um Plautius Schultern geschlungen und kraulte ihn sanft am Nacken während er sprach. Aufmerksam sah sie ihn an, beugte sich auch immer wieder gerne zu den besagten Kussansätzen nach vorne. Mit ihrem Oberkörper lehnte sich Medeia gegen Plautius und sah ihn von ganz nahe unverwandt an. „Hmm...bist Du Dir sicher?“ murmelte sie leise als Antwort auf die ersten Sätze. Ihre Hand fuhr Plautius vom Nacken hoch durch seine Haare, ganz leicht und sachte. „Das wird schwer zu verkraften sein...!“ erwiderte sie leise auf Plautius erste Zurückweisung. Sie lächelte sanft und wollte ihn Küssen, doch es sollte wohl nicht sein. So schwebte ihr Gesicht wieder einige Zoll nur von Plautius entfernt. Die Vorhänge der Sänften raschelten leicht. Draußen wurde es immer mal wieder laut durch Passanten oder als sie eine belebtere Straßenecke passierten. „Macht Platz! Macht Platz für den Aedilis Plebis!“ rief mal einer der Sänftenträger vorne als der Tumult draußen lauter wurde. Medeia kümmerte sich jedoch nicht um das, was draußen vor sich ging.


    Ihre Hand war weiter auf Wanderschaft gegangen, fuhr Plautius über die Schläfe und die Wange. Sanft am Kinn entlang und dann an der Halslinie. Ihre Finger tasteten unter die verschieden gelegten Falten der Toga und dort hindurch. Ihre Hand blieb auf der Tunika über seiner Brust liegen, während ihr anderer Arm noch um seine Schulter geschlungen war. So verharrte sie schließlich als Plautius das Gedicht vortrug. Schweigend sah sie ihn an. Ihre grünen Augen zeigten mehr Lächeln als ihre Lippen, die sich leicht geöffnet hatten und nun Plautius näherten. Langsam küsste Medeia ihn, wieder auskostend und genießerisch. „Du bist ein wirklich vielseitiger Mann, Camillus. Wer ist jener Dichter dieser Verse?“ Ihr Körper schmiegte sich an ihn enger und lasziv. „Hmm...bist Du Dir wirklich sicher?“ Ihre Augen funkelten und man merkte ihr durchaus an, dass sie bestimmte Tatsachen unter der Toga bemerkte. In dem Moment wurde die Sänfte mit einem sanften Ruck abgestellt. Medeia fuhr mit ihren Lippen noch mal über Plautius Kinn entlang, dann löste sie sich von ihm. Sie rutschte von seinem Schoß und zupfte sich ihr Gewand wieder zurecht. „Mir scheint, wir sind da!“


    Ein Schatten fiel von außen auf die Seite der Sänfte. „Domina, wir sind angekommen!“ verkündete einer der keltischen Sklaven mit einem rauen Akzent. Medeia rutschte dort hin und schlug die blauen Stoffe zur Seite. Geschmeidig und vorher kontrollierend auf den Weg sehend, verließ sie die Sänfte und richtete sich neben ihr auf. Ihre bestickte Palla zog sie über ihre bloßen Schultern und ihrem Ausschnitt. Lächelnd wartete sie bis auch Plautius die Sänfte verlassen hatte und deutete auf ein Haus. Direkt dahinter war ein Aquädukt gebaut und der Schtten der hohen Säulen des Aquäduktes fielen auf das rote Dach des Geschäftes. Ein marmornes Schild war angebracht mit der sorgfältigen Beschriftung: „Domus de Papyri“ Vor dem Eingang des rot- gelb getünchten Hauses waren links und rechts zwei marmorne Säulen auf denen oben zwei steinerne Kauze, Athenas Wappen, thronten und auf die Wissbegierigen herunter schauten. „Gibt es etwas bestimmtes, was Du suchst, Camillus?“ fragte sie während sie noch vor dem Eingang dieses Geschäftes standen.



    Zweiter Vorlauf
    Runde VII


    „Oh, das wird aber spannend.


    „Oh ja, die drei Factiones liefern sich einen spannenden und brutalen Kampf da!“


    Immer wieder die Peitschen schwingend rasten die drei Wägen eng gedrängt die erste Gerade entlang. Alle versuchten noch vor der ersten Kurve nahe an die spina zu gelangen. Dicht an dicht versuchte jeder der drei aurigae die Anderen abzuschütteln, wobei sie sich gefährlich nahe näherten. Sie rauschten um die erste Kurve und nahmen die letzte Gerade. Die Hufen der Pferde holten weit aus, mal war Felix vorne, dann Patroklos oder Phillipus Thrax. Aus den Zuschauerrängen hagelte das faule Obst herunter und von manchen Rängen fiel auch der ein oder andere Zuschauer herunter. Patroklos und Phillipus Thrax kämpften erbittert. Felix fiel etwas zurück, da er von hinten bedrängt wurde. Die letzte meta des Rennens kam, die Ziellinie war nun ganz nahe...doch wechseln wir erst mal nach hinten.


    Denn Vir fortis Orci versuchte wirklich das allerletzte aus seinen Pferden heraus zu holen. Er löste sich von seinem Verfolger und holte immer mehr an Geschwindigkeit heraus. Schnell näherte er sich Felix von hinten. Der jedoch versuchte immer noch, nicht den Sieg aufzugeben und trieb seine Pferde genauso schonungslos an. Vir fortis Orci kam direkt neben Felix. Beide aurigae sahen sich mit mehr Wut als nur der üblichen Konkurrenz an. Felix zog wieder ein Stück nach vorne, doch in dem Moment flog einige Gemüse auf die Wagenlenker herunter. Aus einem Reflex heraus riss Felix die Zügel herum und den Wagen von den Rängen weg. Vir fortis Orci, der gerade die Kurve in Angriff nehmen wollte, wurde von ihm geschnitten. Die Pferde scheuten, die Wägen und die beiden aurigae verloren die Kontrolle über die Gespanne. Vir fortis Orci schlingerte auf die Ränge zu. In der Höhe ging die Prügelei immer noch weiter. Einige Anhänger stürzten hinunter als der Wagen auf sie zuschlitterte. Oben starrten die Römer gebannt auf das kleine Spektakel herunter als der Wagen gegen die Mauer donnert, Holz splitterte und die Pferde einen der heruntergefallenen Männer überrollte. Manche der Römer oben stöhnten halb vor Entsetzen doch mehr vor Begeisterung auf.


    Das Gespann der purpurea splitterte und die Wucht des Aufpralls schleuderte die Holzstücke über die gesamte Bahn. Vir fortis Orci wurde von den scheuenden Pferden mitgerissen. Die Lederbänder, die um seinen Torso gebunden waren, schleiften ihn mit als die Pferde, erschrocken und völlig panisch, die Männer auf dem Boden zertrampelten und dann den anderen Wägen hinter her donnerten. Mit großer Anstrengung versuchte der purpurea sein Messer zu ziehen um die Leinen durch zu schneiden. Hinter ihm näherte sich schon Fortunatus. Mühsam versuchte er den Trümmern auszuweichen, doch nur mit mäßigem Erfolg. Ein großes Holzstück geriet zwischen seinen Rädern, sein Wagen flog einen Meter in die Luft, knallte wieder herunter und ein Wagenrad zerbrach. Die Speichen wurden zerfetzt, das Rad rollte einige Meter ehe es auf den Sand fiel. Mit schleifender Achse rollte Fortunatus weiter. Ganz hinten dümpelte Kyrios Agoon hinter her.


    In dem Moment erreichten die beiden ersten die Zielgerade. Phillipus Thrax wurde nur um wenige Zoll geschlagen, Patroklos hatte im letzten Moment seinen Pferden noch mal Flügel verleihen können. Dicht dahinter folgte Felix, der das kleine Unglück hinten gut überstanden hatte. Auch Vir fortis Orci und Fortunatus erreichten noch die Ziellinie, wenn auch lädiert oder schleifend. Dort erst konnte sich der purpurea von den Leinen befreien, seine Pferde stürmten davon und er rollte sich schnell zur Seite, um nicht von den Nachkommenden überrollt zu werden. Der letzte Delphin wurde herumgedreht. Auf den Rängen der aurata bracht großer Jubel hervor, die russata buhten enttäuscht.



    Rundenstand: Patroklos- Phillipus Thrax - Felix - Vir fortis Orci - Fortunatus - Kyrios Agoon



    Patroklos drehte strahlend und winkend seine Ehrenrunde. In den Rängen gingen die Prügeleien weiter. Die purpurea schlugen sich mit den albata und die aurata mit den russata. Wenn es zu arg wurde, wurden die Gruppen harsch von Circuswächtern auseinander gedrängt. Auf der Bahn wurden die vielen Holzsplitter aufgesammelt und die Bruchstücke diverser Wägen weggeräumt.


    „Meine Frau bringt mich um!“


    „Wie viel hast Du denn verloren?“


    „Ganze zehn Sesterzen. Huh, komm lass uns verschwinden. Ich glaub, sie sucht mich da hinten!“


    Zwei Männer verschwinden zwischen den Bühnen. Von den vielen Anhängern kaum beachtet. Doch das zweite Vorrennen war vorbei.

    Die Fackeln flackerten in dem Abendwind und einige schwarzhäutige Frauen mit Trommeln in den Armen liefen auf die improvisierte Holzbühne. Sie knieten sich hinter die Trommeln und hoben ihre Hände. In einem Takt schlugen sie herunter. Eine schwarzhäutige Frau trat auf die Bühne. Nur ein Lendenschurz bekleidete ihren schlanken Körper. Ihr eingeölter Leib glänzte im Fackelschein. Die Trommeln schlugen laut und sie wiegte sich im Takt. Ihr Körper wandte sich wie eine Schlange, wild und äußerst schamlos. Die Gladiatoren grölten und pfiffen laut, mit wenig Sinn für ihren Tanz, dafür mit mehr für ihren nackten Körper. Ein Gladiator griff nach dem Bein der Tänzerin, die wich ihm jedoch geschickt aus. Mit einem leichten Fußtritt ihrerseits beförderte sie den bulligen Mann wieder zurück auf sein Kline. Einige Gladiatoren lachten grölend auf, der Zurückgewiesene schimpfte jedoch und griff gierig nach einem Weinbecher, dessen Inhalt er mit einem Zug leer trank.


    Verlegen sah Briseis zu Sergius Curio und wischte sich die letzten Tränen von der Wange. Sie schluckte leicht und schüttelte den Kopf. Kurz sah sie zurück und ihre Augen weiteten sich als sie Mactator mit Scintilla sah. Ihre Lippen pressten sich aufeinander und sie sah wieder zu Curio. Ein peinlich berührtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Es tut mir leid. Ich habe nicht auf den Weg geachtet!“ Sie strich sich eine ihrer schwarzen langen Haare zurück und blinzelte verwirrt. „Du bist doch kein Gladiator!“ stellte sie unnötigerweise fest. „Bist Du ein Gast hier?“ Neugierig sah sie Curio an und lächelte dann offener. „Ich bin Briseis, eine Amazone des Ludus Magnus.“ Keck lächelnd griff sie nach Curios Hand. „Komm mit. Ich muss morgen auch in der Arena kämpfen und mir wäre es ein wenig nach netter Gesellschaft. Von Dir!“ Sie schmunzelte und zog Curio mit zu einigen Klinen, die noch nicht besetzt waren. Geschmeidig ließ sie sich auf die Kline herunter und sah zu Curio. „Und wer bist Du?“ Dabei winkte sie und ein alexandrinischer Knabe kam heran geeilt und brachte Beiden gefüllte Weinbecher.


    An anderer Stelle lehnte sich Medeia wieder zurück. Sie sah dem jungen Germanen nur kurz hinter her und legte die spitze Haarnadel neben sich ab. Sie griff nach einem Weinbecher und trank ruhig, als ob gerade nichts passiert wäre, einen Schluck. Ihr nachdenklicher Blick ruhte auf Aquilius, ein mildes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Steht es einer Griechin zu, über Rom zu urteilen? Vielleicht nicht. Doch teile ich Deine Meinung auch diesbezüglich nicht.“ Ihre Hand deutete über die Menschen hinweg, damit jedoch ganz Rom meinend. „Sicherlich ist die Stadt mit zwei Seiten einer strahlenden Münze ausgestattet. Doch was ist es sonst, was Rom zu dieser lebenden und pulsierenden Stadt mit all diesen wunderbaren Ideen macht? Sind es nicht die Menschen, die einer Stadt erst das verleiht, was sie darstellt? Gerade Athen ist doch ein gutes Beispiel dafür. Meine Landsleute sind seit römischer Herrschaft nur noch ein Schatten ihres früheren Seins. Die Ideen kommen nicht mehr von ihnen. Somit dümpelt meine Heimat auch nur noch in einem tristen Schattenleben vor sich hin. Was findet sich noch dort bis auf leere Bauten, eine verlassene Agora oder eine leere Pnyx? Traurige Denkmäler alter Zeiten. Traurig, weil keine Menschen sie mehr füllen!“ Sich nicht den Appetit von dem vorherigen Zwischenfall verderben lassend, griff sie wieder zu dem Flamingofleisch. „Aber was ist mit Dir, Aquilius. Was treibt Dich nach Rom, wenn Du diese Stadt doch so sehr verachtest?“


    Rutger schenkte Medeia mit keinem Wort mehr Beachtung. Dafür fand Rutger von vielerlei anderer Seite Beachtung. Einer der dickhäutigen Riesen, ein recht junger Elefant, wandte sich langsam zu Rutger um. Seine Ketten rasselten bei der Bewegung. Sein Rüssel griff neugierig in Richtung von Rutger und er tastete ihm über die Haare und dann die Schulter. Tierischer Atem blies Rutger ins Gesicht. Der Elefant näherte sich ihm noch ein Stück und richtete seine großen Ohren ein wenig auf. Pumilus, der fragend zu Plautius hoch gespäht hatte und den Wein schlürfte, drehte sich bei den Geräuschen verdattert um. „He, wer ist denn da?“ rief der kleine Mann in die Dunkelheit. Er nickte Plautius zu. „Herr, ich glaube, da will uns jemand belauschen. He, Du! Zeig Dich! Wir haben Dich schon längst gehört!“ Er trat einen Schritt weiter in den Stall hinein und hob drohend seinen Weinbecher, der etwas von seiner roten Flüssigkeit bei der Bewegung verlor.

    Mit wachsender Verwirrung hörte Olympia dem Gast ihrer Herrin zu. Zumindest schien sie ihn für einen Gast zu halten. Unsicher sah sie mal in Richtung ihrer Domina. Doch diese schien in ein Gespräch verwickelt zu sein. Verblüfft vernahm Olympia die Komplimente von Rutger. Lachend schüttelte sie den Kopf und deutete andeutungsweise auf die schön hergerichteten Römerinnen. „Nein, ich bin doch nur eine Sklavin. Die Damen, die sind wirklich schön. Und so edel. Schau, ich hab ganz grobe Hände!“ Sie streckte ihre Hände Rutger entgegen. „Und ganz rau. Solche Hände hätte eine Römerin nicht. Denn sie sind wirklich vornehm!“ Sie neigte ihren Kopf zur Seite, ihre blonden Flechten fielen locker um ihre Schultern herum. „Rutgerr Thi..Thidriks..son?“ Sie lächelte verlegen, weil sie den Namen nicht wirklich fehlerfrei aussprechen konnte. „Mein Name ist Olympia.“ Ihr Lächeln verschwand schlagartig als Rutger sie plötzlich um die Taille ergriff. Sie sah auf seine Hand herunter und dann zu Rutger. Etwas pikiert hob sie ihr Kinn ein wenig und sah Rutger direkt an. „Gehen alle Germanen so direkt ans Werk?“ fragte sie ihn leise.


    Viele fleißige Hände, unsichtbare Diener ließen immer wieder die leeren Platten von den Tischen verschwinden. Nachdem der Tanz zu Ende war, fiel der Vorhang herunter. Auch die griechischen Gäste, oder gerade sie, applaudierten und zeigten so ihr Wohlwollen gegenüber dem schönen Tanz. Der Lyraspieler am Anfang trat in die Mitte und setzte sich neben die Bühne. Seine Finger glitten über die Seiten seines Instrumentes hinweg. Ruhige, aber doch muntere Musik ertönte und untermalte so die Gespräche, die wieder von neuem begannen. Und dann wurde schon der nächste Gang aufgetragen. Große Platten mit Fischen wurden heran getragen. Knurrhahne, Scholle, Seezunge, Aale, Seeteufel, alle waren sorgfältig mit ihren Köpfen auf den Platten drapiert. Sie schwammen in verschiedenfarbigen Soßen, die dem weichen Fischfleisch ihre Würze verliehen. Garniert wurden die Fischgerichte mit Blüten, Kräutern, Knoblauch und geviertelten Zitronenstücken. Mehrere Sklaven trugen eine besonders großes Fischplatte herein. Gebratener Delphin lag auf der Platte, wurde auf einen Tisch in der Mitte gestellt und dort von einem drahtigen Sklaven zerteilt und die kleinen Portionen zu den Klinengruppen gebracht. Auch hierzu wurde wieder Brot gereicht.