Lucius Artorius Avitus
Legionarius der Legio IX Hispania
Colonia Claudia Ara Agrippinensium
Germania
Lieber Lucius,
mit tiefen Bedauern und traurigem Herzen habe ich Deine Nachricht gelesen, dass Du den Weg nach Germania gewählt hast. Zwar verstehe ich Dein Streben nach Ruhm und Ehre in der Legion, die doch wahrhaftigere Soldaten hervorbringt als die Stadtwache, aber trotzdem empfinde ich Deine Abwesenheit als Verlust. Erst kürzlich schien unsere Familie wieder enger zusammen zu rücken. Die Gefahren, die Germania für einen römischen Soldaten bietet, lässt mich um Dich bangen. Ich bin mir jedoch sicher, dass Du Deinen Weg dort finden und ein sehr guter und treuer Legionär für unseren geliebten Kaiser sein wirst.
Hier in Rom lebt und pulsiert es immer noch. Zwar nicht in unserer Casa, dafür an jeder Strassenecke. Die Spiele haben ein Ende gefunden, an denen ich sowieso als Zuschauer nicht teilgenommen habe. Die Eingeweide von ansehnlichen Männern auf den Boden des Arenasandes zu sehen hat mir noch nie Vergnügen bereitet. Dafür haben Dein Cousin, Tiberius, und ich an den Festivitäten zu Ehren der Venus teilgenommen. Es war wirklich ein ehrhebende Zeremonie und mit einem angenehmen Bankett verbunden. Auch die Kaiserin beehrte dieses Bankett mit ihrer Anwesenheit. Das Fest war der Auftakt zu der Reise nach Zypern, die die Venuspriesterinnen organisiert hatten. Angeblich wollen sie dort nach der Muschel suchen, aus der Venus, oder ich nenne sie lieber Aphrodite, dem Meer entstiegen ist. Ich bezweifel jedoch, dass sie diese finden werden. Es sei denn sie plündern dort den ältesten hellenistischen Tempel der Aphrodite. Ehrlich gesagt würde ich ihnen das auch zu trauen. Aber vielleicht begleitet Tiberius auch die Expedition und dann werde ich es ihm ans Herz legen, den Tempel unversehrt zu belassen.
Ansonsten hat sich bis auf die Wahl hier nicht viel Neues ereignet. Auch die Wahl war nicht sonderlich spektakulär. Waren doch keine Gegenkandidaten für die Ämter vorhanden und auch der Consul wurde dieses Jahr nicht besetzt. Und da regt sich doch tatsächlich dieser Patrizierschnösel von Aurelier auf, dass angeblich Frauen den Männern die Positionen rauben. Dabei sind alle Männer, die sich zur Wahl gestellt haben, gewählt worden. Sogar dieser inkompetente Pseudomoralist, der nur fadenscheinige Traditionen aufrecht erhalten will. Aber verzeih, eigentlich wollte ich mich nicht über Politik auslassen. Mein griechisches Blut in meinen Adern läßt mir jedoch manchmal keine andere Wahl.
Aber sag, Lucius, wie geht es Dir? Dir ist vielleicht nicht bewußt, dass mein Patron Dein Kommandant ist. Würde es Dir genehm sein, sollte ich ein paar Worte über Dich an ihn richten? Mein lieber Lucius, ich hoffe, Dein Legionärsleben erfüllt Dich mit Zufriedenheit und der Erfüllung, die Du wohl hier in Rom nicht finden konntest. Ich hoffe, bald von Dir zu hören.
Mögen die Götter und unsere Ahnen über Dich wachen, mein lieber Lucius!
Deine Tante
Medeia