Das Sonnenlicht umschmeichelte die Büsten all jener, die in den letzten Jahrhunderten in diesem Arbeitsraum gesessen, gewirkt und das Museion mit geformt hatten. Markante Nasen, hohlwangige Antlitze, mal ein fliehendes Kinn oder buschige Augenbrauen starrten Medeia entgegen. Dennoch hatten die Bildhauer der verschiedenen Zeiten es geschafft, den Büsten einen würdevollen Ausdruck zu verleihen, den man von einem Bibliothekar auch erwartete, als Priester des Musentempel und Leiter der größten Schule der bekannten Welt. Weit weniger würdevoll erschien Medeia jedoch der weißhaarige Gelehrte, der sich brüsker Manier benahm. Medeia musterte schnell den älteren Mann und straffte noch ein wenig mehr ihre Gestalt. „Es ist mir auch eine außerordentliche Freude, Dich kennen zu lernen, Tychios von Chalkis*“
Ihr Gesicht zierte ihr übliches glattes Lächeln, was keinen Funken von Ehrlichkeit aufwies. Lautlos schritt sie auf den Schreibtisch zu und winkte den jungen Mann zur Seite, der bemüht war mit dem Ärmel seines Gewandes den Wein weg zu wischen. Ohne aufgefordert zu sein, nahm Medeia Platz und lächelte weiterhin. „Die Schola ist interessiert zu erfahren, wie der Zustand des Museions ist. Die Qualität der Lehre, die Befähigung der Gelehrten, die zur Zeit hier tätig sind, die Anzahl der Schüler und ähnliche Dinge. Immerhin...“ Medeia Lächeln wurde einen Hauch hämischer, doch das war nur ein kurzes Aufblitzen. „...hat Rom die Oberhoheit über Ägypten und die Schola steht diesbezüglich in der Verantwortung, was das Museion angeht. Würdest Du bitte den jungen Mann hinaus schicken? Ich denke, wir haben einiges zu besprechen.“
*Medeia hatte natürlich ihre Hausaufgaben gemacht und vorher in Erfahrung gebracht, wer der Bibliothekar des Museions derzeit war.