Zwei große und schwarze Augen starrten sie an. Unbeweglich schienen diese auf Medeia zu ruhen. Das Sonnenlicht schillerte bunt und fluoreszierend auf den vielen Fassetten des Tieres, was sich auf der hölzernen Fensterbank nieder gelassen hatte und sich schon seit einigen Minuten nicht bewegte. Ebenso Medeia nicht, die eine Schreibfeder- von einem Raben- in ihren Fingern hielt und auf vor einem leeren Vellum saß, was sie mit einer Botschaft für ihren Ehegatten zu füllen gedachte. Doch im Moment betrachtete sie aufmerksam den Körper des Insektes, der graziös und lang gestreckt sich vor ihr präsentierte. Die grün braune Oberfläche schien makellos, die langen Glieder elegant in einer anmutigen Geste präsentiert- es war eine Gottesanbeterin, die sich ihr Zimmer als Rastplatz ausgesucht hatte. Medeia betrachtete das Tier einige Minuten weiter, doch es rührte sich nicht und so verlor auch Medeia irgendwann das Interesse und widmete sich wieder dem Brief. Ein leises Summen verriet ihr, dass das Tier wieder weiter geflogen war und das erleichterte Aufseufzen von Olympia in ihrem Rücken ebenso. „Das war bestimmt giftig, Domina. Wie alles in diesem Land, die Skorpione, die Schlangen, die Käfer, die Insekten, einfach alles. Domina...?“ Medeia, versunken in dem Schreiben, sah nur einen Augenblick lang auf und schüttelte den Kopf. „Nicht jetzt. Geh nach draußen und sieh nach, ob Pumilus wieder Unfug treibt.“ Olympia nickte seufzend, erhob sich und trat in die brütende Mittagshitze hinaus.
Medeia starrte auf das Stück unbeschriebenen Leder von einem jungen Schaf und seufzte schwer. Eine seltsame Melancholie hatte sie schon seit Tagen erfasst, neben einem akuten Bedürfnis nach Datteln, die auch jetzt neben ihr standen. Immerhin hatte die Launen sie wieder verlassen, die sie so auf dem Schiff geplagt hatte. Bis jetzt war ihr erster Besuch beim Museion noch sehr unbefriedigend gewesen. Einige Worte hatte sie mit dem Bibliothekar gewechselt, der sie kalt und abweisend behandelt hatte. Doch die versprochene Führung durch das Museion stand erst in einigen Tagen an. Und in die Stadt zu gehen hatte sie auch keine Muse. Genauso wenig einen Brief zu schreiben. Doch pflichtbewusst sah sie weiter auf das leere Blatt vor sich.