Am frühen Abend kam Leben in das Lager und Amulius wurde Zeuge, wie die in die Kampfhandlungen verwickelten Soldaten wieder in das Lager einzogen. Einige der Soldaten mussten von anderen gestützt werden, andere konnten trotz ihrer Verletzungen noch eigenständig das Lager betreten. Alle jedoch strahlten eine große Erschöpfung aus. Die Barbaren mussten ihnen einiges abgetrotzt haben, doch wirkte die Ala II Numidia nicht, als wäre sie gerade einer Niederlage entronnen. Der Formation stand ein Mann vor, der eine charismatische Austrahlung besaß und hoch erhobenen Hauptes der Via Praetoria folgte. Nach der Hälfte des Weges stoppten die Soldaten und der ihnen vorausgehende Mann machte einige Befehle, woraufhin alle Soldaten auseinander stoben und wohl versuchen würden, ihrer Erschöpfung Herr zu werden.
In diesem Moment wandte sich auch Amulius wieder ab und kehrte zu Lucius zurück, der noch immer auf der Bank verweilte, auf dem beide gesessen hatten. Da es bereits dunkelte und der verwundete Lucius so vernünftig war, seine Verletzung möglichst bald auszukurieren, fasste dieser den Entschluss, sich zu seinem Lager zu begeben. Da auch Amulius eine gewisse Müdigkeit verspürte und sich von der Reise mit dem Karren von Mogontiacum zum Lager der Ala II Numidia erschöpft fühlte, folgte er dem Miles in das Gebäude, wo dieser seine Schlafstätte bezogen hatte. Glücklicherweise waren noch drei weitere Schlafstätten unbelegt, sodass auch Amulius einen Platz fand, um eine Mütze Schlaf zu nehmen. So entkleidete er sich ordnungsgemäßig, verstaute seine Ausrüstung, wie es üblich war und legte sich auf das Lager.
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Am nachfolgenden Morgen wurde Amulius durch einige sehr laut vorgetragene Worte geweckt. Lucius, dem der junge Mann vor sich gewahr wurde, grinste diesem nur entgegen und erwähnte nur ein Wort: Appell. Als Amulius dieses Wort und seine Bedeutung realisierte, erhob er sich von seinem Lager und begann, noch ein wenig schlaftrunken, seine Kleidung und Ausrüstung wieder anzulegen. Glücklicherweile verhaspelte er sich nicht, sodass es einige Minuten später losgehen konnte.
Auch andere Soldaten folgten dem Aufruf zum Appell, sodass Amulius beobachten konnte, wie etliche Dutzend Soldaten zum großen Sammel- und Exerierplatz gingen, um sich dort in mehreren Linien und Blocks einzureihen. Der junge Mann versuchte, die Soldaten, die vor und neben ihm standen, in ihrer Haltung nachzuahmen, doch allzu gut klappte dies nicht. Amulius besaß mitnichten die Erfahrung des militärischen Drills, sodass seine Versuche, dies zu übertünchen, einiger Maßen unbeholfen aussahen.
Vor den Soldaten aufgebaut, stand wieder der Mann, den Amulius bereits gestern zu Gesicht bekommen hatte. Jetzt dämmerte es dem Peregrinus so langsam, dass dieser Mann wohl eine Art Offizier sein musste. Just in diesem Moment beugte sich Lucius zu Amulius und flüsterte diesem zu:
"Das da vorne ist Decurio Flavus Valerius Severus. Er ist einer der Kommandanten dieser Soldaten, ein hohes Tier. War 'mal ein Peregrinus, hat den Sprung aber geschafft und hat das Bürgerrecht erhalten. Ein sehr durchsätzungsfähiger Mann."
Amulius war erfreut über die Kurzfassung von Severus' Geschichte. Der Peregrinus fühlte sich darin bestärkt, dass es jemand wie er doch noch zu etwas bringen konnte. Eine kleine Welle der Euphorie durchdrang den Körper des jungen Mannes und ließ ein leichtes Lächeln auf die Gesichtszüge zaubern.