Apollonius hatte die Wachstafel vor sich liegen und machte sich zu den wichtigen Informationen kleine Notizen auf der Tafel. Den vorgelesenen Text schrieb er sorgfältig und aufmerksam mit, sowohl auf Latein als auch auf Griechisch, was ihm ja sehr viel vertrauter war.
Er überflog seine Notizen, nachdem Avarus die Frage gestellt hatte. Arabisch? Verwundert sah er auf diesen Hinweis, der ihm irgendwie schleieherhaft war. Sicherlich hatte er schon von diesem Nomadenvolk gehört, die östlich der Ägypter lebten, doch dass diese irgendeine bedeutende wissenschaftliche oder gar schriftliche Leistung gebracht hatten, war Apolllonius bis dahin neu. So machte er ein kleines Fragezeichen daneben. Dann widmete er sich dem Text und studierte ihn eingehend. Dabei wunderte er sich schon kurz, warum der lateinische Text noch einen einleitenden Passus hatte, die andere Fassung nicht. Er tat es dann aber auch als unwichtig ab.
Der Text kam ihm durchaus bekannt vor. Dann fiel es ihm ein. Ein Kollege, ein gewisser Demokleios war daran früher schier verzweifelt und man sagte ihm nach, dass er nachdem er das Rätsel in Angriff genommen hatte, danach nicht mehr ganz normal war. Apollonius grübelte nach, was dieser alte Mann damals für wirres Zeug gesprochen hatte. Platon...Aristoteles, die beiden Namen kamen ihm in den Sinn.
So sah der Medicus auf und hob an, nachdem die Anderen sich noch nicht zu Wort gemeldet hatten. "Ein großes Rätsel, welches schon viele Gelehrte zu lösen suchen, stellt Ihr uns da, Consul!" Apollonius lächelte leicht. "Heißt es nicht, dass es der Schlüssel zum Stein der Weisen ist?"
Dabei tippte Apollonius mit dem Griffel auf die Worte. "Ein Rätsel, welches wahrscheinlich nur durch die Kraft des Geistes gelöst werden kann und der Liebe zur Weisheit. Vielleicht sollte in dieser Hinsicht auf die Lehren des Platons und Aristoteles zurückgegriffen werden."
"Verum sine mendacio, certum et verissimum- Wahr ist es ohne Lüge, unzweifelhaft und wahrhaftig. Geht man sowohl nach Platon als auch nach Aristoteles gibt es das Überirdische und Unmaterielle. In diesem Zustand oder dem Wahrhaftigen ist die Form wahr, unzweifelhaft und nicht verfälschbar. Das Materielle dagegen ist nur eine Form oder der Stoff, was geändert werden kann, wie auch das Wort verdreht und verlogen sein kann." Apollonius überflog den nächsten Satz.
"Das mit dem Unten und Oben folgt dem ähnlichen Prinzip, wenn ich auch gehört habe, dass es auch verschiedene Deutungen für diesen Passus gibt. Oben ist die Idee, unten die Ausführung. Die Idee ist der Ursprung allen Seins, das Unten und somit Materielle nur die Ausführung, ein Abbild, wie Platon es uns mit dem Bildnis der Höhle zu erklären versucht." Er sah kurz auf und fragte sich, ob wohl jeder etwas mit diesem Gleichnis anfangen konnte. Nun, wenn sie es nicht verstanden, konnten sie ja immer noch fragen.
"Könnte jedoch auch das Prinzip des Mikro- und Makrokosmos gemeint sein? Verschiedenste Philosophen, wie Empedokles, lehrten uns schon, dass die kleinste Form nur ein Abbild des Großen und Ganzen darstellt, da wir alle aus den selben Urstoffen gemacht sind. Oder die Seinslehre des Aristoteles? Ist oben die Form und unten der Stoff?" Apollonius versank wieder in den Aufzeichnungen.
"Der Gedanke des Einen ist schon eine Lehre, die Aristoteles aufgegriffen hat. Alles geht auf den Einen, der alles bewegt, zurück. Eine göttliche Entität, ein universelles Prinzip? Oder ist damit die Arche, der Urstoff, gemeint?"
Apollonius wollte schon ansetzen weiter zu sprechen, doch dann fiel ihm ein, dass vielleicht noch die Anderen etwas zu dem Text sagen wollten. So lehnte er sich zurück. "Das vorerst zum ersten Teil...!"