„Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit sind eng miteinander verknüpft und wird es immer sein, solange wir als Sterbliche auf der Welt wandeln. Doch wenn uns auch durch Pandora alles Übel auf die Welt gebracht wurde, so bleibt doch das Fünkchen Hoffnung zurück. Die Hoffung eines Kranken liegt bei dem Wissen der Medici. Studiert gut, und euch soll es beschieden sein, die ehrwürdige Kunst des Heilens anzuwenden, die uns die Götter übermittelt haben.
Heute werden wir uns zuerst mit der vier Säfte Lehre, der Pneumalehre, Prognose und Krankheitstherapien beschäftigen.
Wie ich schon erzählt habe, ist Empedokles die Grundlage für die heute übliche Vier Säfte Lehre. Empedokles vertrat die Ansicht, dass der Kosmos auf vier Elementen aufgebaut ist, Feuer, Luft, Erde und Wasser. Die führte zu der Ausbildung des Vierer Schemas.
Verschiedenste philosophische Strömungen fügten der Elementelehre noch verschiedene andere Aspekte hinzu, aber immer vier in der Zahl. Wichtig für die Vier Säfte Lehre sind die Eigenschaften Warm, Trocken, Kalt, Feucht.
So zeichneten die Elemente jeweils zwei dieser Eigenschaften aus:
~Feuer- Warm und Trocken~
~Wasser- Kalt und Feucht~
~Erde- Kalt und Trocken~
~Luft- Warm und Feucht~
In der Medizin wurden der Elementelehre die vier wichtigen Körpersäfte hinzugefügt. Die Säfte wurden den Elementen zugeordnet, da ihre Eigenschaften mit ihnen übereinstimmten.
~Feuer- gelbe Galle~
~Wasser- Schleim~
~Erde- Schwarze Galle~
~Luft- Blut~
Darausfolgend können wir den vier Säften auch verschiedene Eigenschaften zuordnen:
~Gelbe Galle- Warm und Trocken~
~Schleim- Kalt und Feucht~
~Schwarze Galle - Kalt und Trocken~
~Blut- Warm und Feucht~
Die vier Säfte werden in den vier Wichtigen Organen des Körpers zugeordnet- dem Gehirn, der Leber, der Milz und dem Herzen.
Grundlage für die vier Säfte sind die Speisen, die wir zu uns nehmen. Diese werden in den Körper und dem Darm aufgenommen und dort durch Pepsis (Dauung), beziehungsweise durch Coctio (Kochung) in seine verwertbaren und die nicht verwertbaren Bestandteile aufgetrennt.
Die Milz- Die nicht verwertbaren Teile werden der Milz zugeführt. Die Milz bildet die schwarze Galle aus diesem Teil.
Die Leber- Der verwertbare Nahrungsbrei wird dann vom Darm aus der Leber zugeführt. Aus dem Nahrungsbrei entsteht in der Leber schließlich das Blut und als Überschuss die gelbe Galle.
Das Herz- Das Blut wird nun von der Leber ins Herz transportiert. Das Herz ist in zwei Kammern aufgeteilt. Die linke und die rechte Kammer. In der linken Kammer herrscht ein ständiges Feuer, das ständig durch das zugeführte Pneuma angeheizt wird. Im Herzen wird es über das Feuer in der linken Herzkammer erhitzt. Dabei tritt die Hitze über die Herzporen zwischen den beiden Kammern über. Somit erhält das Blut dort seine entgültige Form und wird von dort in die Peripherie des Körpers gebracht, wo es dann versickert. Das Blut muss ständig von der Leber nachproduziert werden.
Das Gehirn- Dieses Organ bildet den kalten und feuchten Schleim.
Die Pepsis wird dabei in drei Stadien aufgeteilt, die sogenannte Digestionslehre:
Die erste Digestion- Dies vollzieht sich im Magen. Dort wird der Nahrungsbrei, chylus, in minderwertige Teile und die reinen Teile getrennt. Die minderwertigen Teile werden in Milz als schwarze Galle aufgearbeitet und dann über Magen und Darm zur Ausscheidung gebracht.
Die zweite Digestion- Der Ort hierfür ist die Leber. Dort wird aus dem reinen chylus das Blut, gelbe und schwarze Galle gebildet. Der Rest wird über den Harn ausgeschieden.
Die dritte Digestion- das Blut in der Körperperipherie wird aufgebraucht und die Abfallbestandteile gelangen über den Schweiß aus dem Körper.
Grob zusammengefasst kann man dem Viererschema jetzt auch die Organe hinzufügen.
~Das Herz- Blut- Warm und Feucht- Luft~
~Die Leber- Gelbe Galle- Warm und Trocken- Feuer~
~Das Gehirn- Schleim- Kalt und Feucht- Wasser~
~Die Milz- Schwarze Galle - Kalt und Trocken- Erde~
Als letztes kann man dem Schema noch vier verschiedene Temperamente hinzufügen. Jeder der vier Säfte und ein Überwiegen dieses Saftes führen zu bestimmten Charaktereigenschaften.
Bei dem Choleriker ist die gelbe Galle im Überschuss vorhanden. Der Choleriker ist aufbrausend, jähzornig und heftig in seinem Wesen.
Der Melancholiker zeigt ein trauriges Wesen, eine getrübte Gemütsverfassung, Verstimmung bis hin zum Wahn. Bei ihm ist die schwarze Galle dominant.
Der Sanguiniker, der oft überreizt, sehr erregt, aber auch heiter ist, hat zuviel des Blutsaftes in sich.
Der Phlegmatiker wird in seinem Verhalten und seinem Wesen langsamer, zögerlicher und wird oft als oberflächlich eingeschätzt. Ihm ist zuviel Schleim inne.
Somit hätten wir das Schema im Großen und Ganzen zusammen:
~Das Herz- Blut- Warm und Feucht- Feuer- der Sanguiniker~
~Die Leber- Gelbe Galle- Warm und Trocken- der Choleriker~
~Das Gehirn- Schleim- Kalt und Feucht- der Phlegmatiker~
~Die Milz- Schwarze Galle - Kalt und Trocken- der Melancholiker~
Das Pneuma ist der Vitalstoff Luft, was unseren Körper durchzieht und sich vom Lebenspneuma bis zum Seelenpneuma zeigt. Als Lebenspneuma, das im Herzen seinen Sitz hat, als psychisches Pneuma des Gehirns und als physisches Pneuma der Leber. Das Blut dagegen dient hauptsächlich dem Nahrungstransport. Das ursprüngliche Pneuma wird dabei bei jedem Atemzug aufgenommen. Über die Lunge gelangt es dann in die linke Herzkammer. Dort schürt es das Feuer, welches das Blut im Herzen erhitzt. Dort wird der Grundstoff des Pneumas in das rauchige Pneuma zootikon (spiritus vitalis- Lebenspneuma genannt) umgewandelt. Ein Teil davon gelangt über die Lunge wieder nach außen.
Das Pneuma zootikon liefert jedoch auch den Grundstoff des Pneuma psychikon (spiritus animalis- Seelenpneuma), dass im Gehirn zu dem Seelenpneuma umgearbeitet wird. Dieses Pneuma hat seinen Sitz dabei in den Höhlen des Gehirns, den Ventrikeln.
~Krankheit, Prognose und Therapie~
Da wir nun die Grundlagen des richtigen Körperaufbaus kennen, können wir uns der Krankheit zuwenden. Der Zustand des Patienten, zu dem wir gerufen werden.
~Harmonie und Disharmonie~
Schon die Philosophen vor Sokrates sahen in der Gesundheit die Harmonie des Körpers und das Gleichgewicht der Strömungen. Auch in der Viersäftelehre ist dies Grund und Quell der Gesundheit und der Krankheit. Sind die vier Säfte in einem Gleichgewicht, einem Zustand der Harmonie, der sogenannten Synkrasie oder auch Eukrasie, so ist der Körper und der Mensch gesund. Überwiegt jedoch einer der Säfte, so liegt ein Ungleichgewicht im Körper vor, eine schlichte Mischung, die Diskrasie.
Diesem Ungleichgewicht heißt es mit dem ärztlichen Wirken entgegenzusetzen und wieder die Harmonie der Säfte zu erwirken. Zu dem Mitteln, wie das Gelingen kann, komme ich bei der Therapie dazu.
~Die vier Elemente des ärztlichen Handelns~
Wie ich schon bei Hippokrates geschildert habe, gibt es vier wichtige Elemente, die unser Handeln bei einem Patienten bestimmen sollte.
Primus: Die Beobachtung
Secundus: Einbeziehen mündlicher und schriftlicher Überlieferungen
Tertius: Die Prognose
Quartus: Die Therapie
~Primus- die Beobachtung~
„Folgendes waren die Grundlagen unseres Urteils bei Erkrankungen; wir berücksichtigen: Die gemeinsame Natur aller Menschen und die eigentümliche Konstitution jedes Einzelnen, die Krankheit, den Kranken, die Verordnungen, den Arzt, der vorordnet- denn daraus schließen wir auf günstigeren oder schwierigeren Fortgang-, die Einflüsse des Klimas in ihrer Gesundheit, Ausdrucksweise, Verhalten, Schweigen...Verschlimmerungen, Abgänge, Harn, Auswurf, Erbrechen; Schweiß, Frösteln, Kälte, Husten, Niesen, Schlucken. Auf diesen Symptomen muss man erschließen, was durch sie folgt.“ (Epidemien, Hippokrates)
~Die Krankengeschichte:
Die Krankengeschichte des Patienten sollte erfragt werden. An welchen Krankheiten litt er schon einmal? Gibt es Beschwerden, die immer wieder auftraten? Seit wann hat er die Beschwerden? In welcher Form äußern sie sich?
~Die klimatischen Bedingungen:
Auch darf der Medicus die äußeren Umstände des Patienten nicht vergessen. Wie ist das Klima an seinem Wohnort? Lebt er auf dem Land oder in der Stadt? Lebt er in einer Insula oder in einer Villa? Lebt er an einem Sumpf oder am Meer?
~Die äußeren Umstände:
Auch in welchen Lebensumständen sich der Kranke befindet. Welcher Arbeit geht er nach? Fragen über seine Familienverhältnisse sind auch nicht verkehrt und nach den Belastungen, die er täglich ausgesetzt ist.
~Die Beobachtung des Patienten:
Als letztes ist natürlich eine genaue Untersuchung des Patienten von Nöten. Welche Symptome äußert er? Wie ist seine Hautfarbe? Blass, Rot oder zeigt sie Veränderungen in ihrer Struktur?
Es gibt drei Techniken dabei:
1. Die Inspektion: Das Auge erkennt die Zeichen der Krankheit
2. Die Palpation: Was das Auge nicht erkennt, ertastet die Hand
3. Die Auskultation: Der Patient wird leicht geschüttelt, um die Säfte hörbar zu machen.
Somit sind Augen, Hände und Ohren die wichtigen Instrumente der Beobachtung.
Weiter wichtig ist in diesem Zusammenhang:
1. Der Puls-
Wie zeigt er sich? Schnell, langsam, unregelmäßig?
2. Der Urin-
~Welche Konsistenz hat der Urin?
Klar und gelb, wie es sein sollte? Oder dunkel? Oder voller fester Elemente?
~ Welchen Geruch hat er?
Übermäßig bitter? Oder eher viel zu süß?
Gerade beim Urin gibt es einen Test, den ich noch gerne an dieser Stelle erwähnen will. Es gibt eine Krankheit, die sich oftmals in übermäßigem Schwitzen, großem Durst und schließlich der Bewusstlosigkeit des Patienten äußert. Unbehandelt führt diese zum Tod.
Um herauszufinden, ob der Patient an dieser Krankheit leidet, nimmt man etwas von seinem Urin. Schließlich stellt man diesen zu Bienen. Fangen die Bienen an, diesen Urin zu trinken, kann man sicher sein, dass es sich um die Krankheit handelt, da der Urin übermäßig süß, wie bei Honig ist (Diabetes Mellitus).
~Secundus- Beurteilung~
Einbeziehen mündlicher und schriftlicher Überlieferungen und Erfahrungen der bisherigen empirischen Medizin. Kam die Krankheit in der Form schon einmal vor? Welche Erfahrung hatte die Medizin mit dieser?
Greift auf Eure Erfahrungen zurück und auf die Erfahrungen älterer Mediziner. Oftmals kann dort noch die Lösung für die Prognose des Patienten und die Möglichkeit der Therapie gefunden werden.
Dieser Prozess ist jedoch oftmals schon mit der Prognose in Zusammenhang zu bringen, denn der Schritt vom eigenen Wissen über die Krankheit und dem Verlauf der Krankheit ist nur ein sehr kleiner.
~Tertius- Die Prognose~
Erstellen einer Prognose aufgrund der bisherigen Erfahrungen. Wie wird die Krankheit verlaufen? Was charakterisiert sie und wie wird die Krankheit sehr wahrscheinlich ausgehen?
Nicht am Namen der Krankheit, an der Ursache ist der Patient interessiert. Nein, er möchte wissen, wie lange er unter der Krankheit zu leiden hat.
Wird er wieder gesund? Wird die Krankheit tödlich verlaufen?
~Die Krisis~
Im Verlauf einer Krankheit wird es bei fast allen Patienten eine sogenannte Krisis geben. Die Krisis ist der Höhepunkt eines Krankheitsverlaufs. Dies war die entscheidende Phase der Krankheit. Hier entschied sich, ob der Patient mit Hilfe des Arztes oder der Vis Medicatrix Naturae (Die Heilkraft der Natur) die Krankheit überwinden konnte oder ob er sterben würde.
Bei bestimmten Krankheitsverläufen ist dies vom Beginn der Krankheit an vorbestimmt. So gelten der 4., 7., 11., 14., 20., 34., 40. und der 60. Tag als besonders kritisch in Hippokrates’ verfasstem Prognosticon.
~Quartus, die Therapie~
Erstellen einer genauen Therapie, entweder durch einen Ernährungs- und Lebensplan (Diätisch), durch Pflanzen (Medikamentös) oder mittels des Messers (Chirurgisch). Auf Letztes sollte jedoch nur zurückgegriffen werden, wenn die ersten beiden Lösungen versagen. Die therapeutischen Maßnahmen zielen darauf den Körper wieder in die Harmonielage der Säfte zurückzuführen. Durch Coctio versucht der Körper die Säfte wieder loszuwerden. Darus resultiert das typische Fieber und die Rötung. Gelingt es dem Körper nicht, die Säfte zu beseitigen, können diese sich als Geschwüre im ganzen Körper ausbreiten (Metastasen)
Die Therapie und ihre drei Möglichkeiten:
~Primus~ Das Beseitigen des überschussigen Saftes.
Die Wiederherstellung der Eukrasie kann dem Arzt durch evakuierende Maßnahmen gelingen. Der Saft wird dabei aus dem Körper abgeführt und der Körper kann sich danach wieder erholen.
Solche Maßnahmen sind:
~Schröpfen mittels der Schröpfköpfe
~Abführen und Erbrechen durch Einsatz von Brech- und Abführmittel
~ Harnablass durch Förderung der Harnentleerung
~Schwitzen
~Niesen
~Secundus~ Diaita (Diät) und Medikation
Ergänzen für die evakuierenden Maßnahmen dient auch die Diaiti. Das einfache und doch wirksame Konzept in der Diaiti Medikation zielt auf der contraria contrariis. Das Gegenteil der Disharmonie führt somit zu dem Gleichgewicht zurück, da beides sich gegenseitig ausschließt.
Die Diätetik war neben der Chirurgie die erste Wahl in der Therapie. Sie umfasste jedoch nicht nur einen Ernährungsplan zu erstellen, der auf die Diskrasie ausgerichtet war, sondern auf fast alle Bereiche des Lebens. Eine Ordnung des Lebens, die Ennomia, sollte wiederhergestellt werden. Diese „sex res nonaturales“ war auf Licht und Luft, Speise und Trank, Arbeit und Ruhe, Schlafen und Wachen, Ausscheidungen und Absonderungen und die Zustände des Gemütes bezogen.
Nur eine Betrachtung der „res naturales“, das heißt die Säfte, die Elemente und die Konstitution wäre für die Therapie ungenügend.
~Tertius~ Die Chirurgie
Manche Krankheiten sind durch die Diati und durch Pflanzenmittel nicht mehr zu heilen. Hier muss nun das Messer des Chirurgen zum Einsatz kommen. Ein solcher Eingriff ist jedoch immer mit großem Risiko verbunden und in einigen Fällen auch mit tödlichem Verlauf. Es gibt viele Operationen, die heutzutage getätigt werden. Am Auge, in den Eingeweiden bis hin zu Operationen am Schädel und dem Gehirn.