Beiträge von Caius Claudius Cunctator

    Es war, als ob der optio Gedanken lesen konnte.


    Ein Soldat, ein Lied ... das war echte Motivation!


    "Bin ich des Lebens nicht mehr froh,
    schau` ich zu meinem optio".


    Und mit einem Mal machte Cunctator das Laufen selbst bei Regen wieder Spaß.


    "Der optio, der führt uns an,
    und wir folgen: Mann für Mann!"

    Gemächlich trabte Cunctator dahin. Die galea saß einwandfrei und seine privaten ausgetretenen caligae, die er für den Geländelauf angezogen hatte, garantierten ihm blasenfreie Füße.


    Das vom optio vorgegebene Tempo verlockte gerade dazu, auch seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Cunctators Gedanken waren bei seinem Pferd, das er in einer caupona in Mantua untergestellt hatte und nach dem er nach Dienstschluß sehen wollte. Zudem war dieser Tage das Entgelt für die Unterstellung fällig.


    Das Laufen machte Cunctator nichts aus. Seine Gedanken konzentrierten sich auf den Feierabend. Vielleicht sollte er noch einmal mit dem tribunus wegen einer Unterstellung seines Pferdes in den Stallungen der legio reden.


    Cunctator war so mit seinen Gedanken beschäftigt, daß er die ersten Regentropfen nicht wahrnahm. Als es aber mehr zu regnen begann, kamen ihm schlagartig ganz andere Gedanken in den Sinn: Aus der Traum vom Feierabend! Aus der Traum vom Besuch bei seinem Pferd! Nach Dienstschluß war Reinigung und Pflege der Ausrüstung angesagt!


    Mit einem Mal fiel ihm das Laufen schwer ...

    Geländelauf! Innerlich strahlte Cunctator. Wie oft hatte ihm doch sein Onkel zuhause erlaubt, an den Geländeläufen seiner legionarii teilzunehmen. Noch immer klangen seine Worte in den Ohren: Wer gut reiten will, muß noch besser laufen können!


    Cunctator gab seinem Vordermann zwei Längen vor und nahm dann den Laufschritt auf. Sein Atmen paßte er dem Tempo an gemäß der Devise: Durchhalten ist wichtig!

    Cunctator hatte die Nacht im Halbschlaf verbracht. Unruhig hatte er sich auf seinem Lager von der einen Seite auf die andere geworfen. Die unerfreulichen Ereignisse zuhause, die der Vergangenheit angehörten und die er immer wieder zu verdrängen glaubte --- in seinen Träumen holten sie ihn ein.


    Was war das? Träumte er noch? Doch das Klopfen an der Tür und die folgenden Befehle waren rauhe Wirklichkeit!


    Er sprang von seinem Lager, legte die Rüstung an und setzte seinen Helm auf und raus aus der Stube.


    Vor dem optio nahm er Haltung an.

    Als erstes hatte Cunctator auf der Rüstkammer sein scutum empfangen. Und ausgerechnet an diesen dachte er bei der Präsentation seiner Ausrüstungsgegenstände nicht!


    Im Handumdrehen zog er das scutum unter seinem Lager hervor. Er hatte es so ausgerichtet, daß es jederzeit griffbereit war und er es problemlos aufnehmen konnte.


    Hier, optio, mein scutum.

    Cunctator hatte es geahnt und irgendwie sogar erwartet. Und er ließ nicht lange auf sich warten: der Stubenappell durch den centurio.


    Nur zu gut, daß der optio einen Vorappell ansetzte, denn keiner legte Wert darauf unangenehm aufzufallen und damit seinen Sonderurlaub aufs Spiel zu setzen.


    Nur zu gut, daß Cunctator seine Ausrüstung nach der Formalausbildung auf Schäden hin kontrolliert, gereinigt und sorgfältig poliert hatte.


    So breitete er sämtliche Utensilien in der Reihenfolge, wie er sie auf der Rüstkammer empfangen hatte, sorgfältig auf seinem Lager aus: lorica, galea, tunica, caligae, palium, Halstuch, Feldflasche, Topf, cingulum, sarcina, gladius und die 2 pila.


    Dann machte er dem optio Meldung:


    Optio. Legionarius Cunctator fertig zur Kontrolle der Ausrüstung.

    Cunctator sah sich die Skizzen des optios genau an. Geistig rekapitulierte er die Kommandos und verglich sie mit den einzelnen Figuren.


    Jetzt war ihm alles klar. Hätte doch der optio gleich nach den ersten Mißerfolgen mit derartigen Skizzen aufgewartet ... ja, hätte! Aller Wahrscheinlichkeit nach wären manche Mißverständnisse gar nicht erst aufgetreten.


    Cunctator nahm vor dem optio Haltung an.


    Optio Priscus. Hab` Dank für deine Mühen. Du wirst sehen, bei der nächsten Übung klappt alles. Wie sind deine nächsten Befehle?

    Mit einem mißbilligenden Blick sah der optio den legionarius an, der sich erdreistete, über seine Zeit verfügen zu wollen.


    Cunctator ließ sich davon nicht beirren. Jetzt wollte er es wissen!


    Bevor der optio etwas erwidern konnte - oder wollte - sprach ihn der legionarius an.


    Optio Priscus. Ich weiß, um was ich dich bitte, mag eines legionarius wahrscheinlich unwürdig sein. Doch das verkrafte ich. Wie du gesehen hast und was auch der tribunus richtig erkannt hat, muß bei mir die Formalausbildung nachgeschult werden. Und nach den kläglichen Leistungen in deiner Übung bleibt mir keine andere Wahl.


    Könntest du die Ausführung deiner letzten Kommandos in den Sand skizzieren? Ich habe mir deren Folge eingeprägt:


    01. aciem dirigite
    02. aequatis passibus, pergite
    03. ad sinistram pergite
    04. consistite
    05. ad sinistram pergite
    06. ad dextram pergite
    07. consistite
    08. retro
    09. pergite
    10. consistite


    Etwas verlegen sah Cunctator den optio an. Komme es wie es wolle!
    Die Drehungen und Wendungen konnten doch wirklich nicht so schwer sein!

    Cunctator hatte längst begriffen, daß die Übung keinen Vorzeige- geschweige denn überhaupt einen Wert besaß.


    Die Enttäuschung war dem optio zwar nicht anzusehen ... es bedurfte auch keiner Worte.


    Schuldbewußt wandte sich Cunctator an den optio.


    Optio Priscus. Wenn es dir nichts ausmachst, hättest du vielleicht noch ein wenig Zeit für mich?

    ... und nun kam das, gegen das sich Cunctator bis jetzt gewehrt hatte: das stetige Linksherum, Rechtsherum, Irgendwieherum wurde trotz intensiver Gegenwehr stumpfsinnig. Die Kommandos gingen zum einen Ohr hinein, zum anderen wieder hinaus. Man trottete hinter den anderen her --- es wird schon richtig sein!


    Es war eben das Ergebnis unerwünschter Fragen! ?(


    ... und es ging weiter: die legionarii marschierten und marschierten.


    Nach dem letzten consistite stand Cunctator in einer Linie.

    Der optio kommandierte und die legionarii marschierten und marschierten.


    Cunctator wußt bald nicht mehr, in welche Richtung er überhaupt marschierte.


    Er hörte ein Kommando und befolgte es. Ob richtig oder falsch! Was war richtig? Was war falsch?


    Endlich das letzte Kommando: Consistite!


    Bei Beginn stand Cunctator in einer Linie, nun stand er in einer Reihe.


    ... noch ließ sich der optio nichts anmerken, noch!

    Hatte Cunctator seinen optio doch richtig eingeschätzt!


    Er war kein Schleifer, der einfach darauf losdrillte. Er polterte nur mächtig wie Jupiter in Höchstform, aber er ließ auch hinterher die Sonne scheinen.


    Cunctator dachte nicht mehr an seine Fragen. Er war froh, daß die Sonne wieder schien! Jetzt kam es nur noch darauf an, sich so wenig Fehler wie möglich zu leisten. Und das würde sich schwierig gestalten, denn der optio übersah nichts.


    Zu Befehl, optio, keine Fragen!

    Cuntator lagen noch einige Fragen auf den Lippen. Die Androhung des gestrichenen Feierabends, die er durch seine unüberlegten Einwände heraufbeschworen hatte, hielten ihn jedoch davon ab. Es lag ihm fern, seinen Kameraden die Stunden nach dem Dienst zu vergraulen.


    Cunctator nahm wieder Grundstellung ein.


    Jawohl, optio, es ist alles klar. Für mein Unwissen bestrafe mich nach deinem Gutdünken, aber nimm` nicht meinen Kameraden den Feierabend!


    In Erwartung seiner Bestrafung verharrte Cunctator in Grundstellung.

    So war es also gekommen wie es kommen mußte!


    Cunctator bekam nun das bestätigt, was er von vorneherein wußte: es konnte nicht, sondern es mußte schiefgehen. Schiefer ging es wirklich nicht!


    Warum nur hatte der optio diese Übungen nicht vorab erklärt und dann erst die Ausführung befohlen und nicht umgekehrt? Was hatte er vor? Wollte er die legionarii auflaufen lassen?


    Cunctator schob diesen Gedanken schnell beiseite. Er kannte den optio zwar noch nicht lange, aber zu so einem Verhalten hielt er ihn nicht für fähig.


    Ein wenig schuldbewußt nahm Cunctator Grundstellung ein und wandte sich an den optio.


    Optio. Könntest du deine Erläuterungen nochmals skizzieren. So wäre es für uns einfacher und wir könnten mit dir anstehende Fragen vor Ort klären.

    ... und wir marschierten weiter, mal in Linie, mal in Möchte-gern-Linie, mal in einer Linie mit Biegungen, bei den Reihen das gleiche Spiel, kurzum, sämtliche Linien und Reihen mit ihren mehr oder weniger gewollten Variationen waren angesagt.


    Optio. In Linie marschierten wir im Gleichschritt an.


    1 ... 2 ... 3


    Wir marschierten nach rechts >>> Reihe


    1 ... 2


    anschließend nach links >>> Linie


    1 ... 2 ... 3 ... 4


    Wir hielten an und machten eine Kehrtwendung >>> Linie


    1 ... 2


    und hielten abermals an.
    Dann ging es nach rechts >>> Reihe


    1 ... 2 ... 3 ... 4


    und wieder nach links >>> Linie


    1 ... 2 ... 3


    bis wir wiederum anhielten


    ... und auf weitere Befehle warteten!

    ... und wir marschierten und marschierten! Der optio kannte keine Gnade. Wir bemühten uns so gut es ging. Alles war nicht immer , aber dafür immer öfter, korrekt.


    Optio. Nachdem wir die Linie ausgerichtet hatten, ging es nach rechts weiter.
    1 ... 2 ... 3


    Dann nochmals nach rechts.


    1 ... 2


    Wir hielten an. Die Linie wurde ausgerichtet und weiter nach rechts.


    1 ... 2 ... 3 ... 4


    Und wieder nach links.


    1 ... 2 ... 3 ... 4


    Ein weiterer Halt und wieder nach links.


    1 ... 2


    Nochmals nach rechts und dann der ersehnte Halt.


    Marschieren will gelernt sein; Wendungen und Schwenkungen müssen geübt werden. Irgendwann und irgendwo hatte Cunctator diesen Ausspruch - oder war es innerhalb eines Reglements - gehört. Nur wo, das fiel ihm beim besten Willen nicht ein.

    ... und wieder marschierten wir los, dieses Mal zur Abwechslung nebeneinander. Ein jeder versuchte die Richtung zum Nebenmann beizubehalten.


    Optio! Wir marschierten alle nebeneinander im Gleichschritt los bis wir dann anhielten. Dann ging es nach rechts ... drei ... vier ... dann nach links ... drei ... vier ... bis wir wiederum anhielten. Anschließend ging es nach rechts ... drei ... vier ... Wir hielten an und machten eine Kehrtwendung ... drei ... vier ... Endlich hielten wir zum 4. Mal an.