Beiträge von Marcus Prudentius Balbus

    Ein alter Mann, gestützt von einem Krükstock und in Begleitung der durchaus leckeren Sklavin seines Sohnes, stand ebenfalls in der Menge, freundlicherweise ganz vorne, was doch so ein Krükstock alles bewirken konnte, und liess die Atmosphäre auf sich einwirken.
    Er war schon Jahrzehnte nicht mehr unter so vielen Menschen auf einmal gewesen, schon gar nicht römischen.
    Nachdem er sich die letzten Tage von dem Schock der Nachrichten seines Sohnes erholt hatte, genoss er es nun in vollen Zügen.

    "Ich danke Dir, mein Sohn!"


    Er sah sich kurz um und das Zimmer entsprach nicht so seinem Geschmack, aber hauptsache ausruhen.


    "Wenn ich geruht habe, dann erzählt ich Dir mehr. Doch jetzt sei so gut, entschuldige mich ein wenig. Der Geist ist willig, doch der Körper ist mittlerweile schwach."


    Und schon saß er auf dem Bett, entledigte sich der Schuhe, legte den Krükstock zur Seite, legte sich hin und schlief mit auf dem Bauch gefalteten Händen ein.

    Schwer auf den Stock gestützt, folgte er seinem Sohn. Müde und deprimiert schüttelte er dabei seinen Kopf. So viele Jahre.
    Mercurius, Mercurius, hättest Du ihr nicht noch ein paar schenken können? Wie lange hab ich mich danach gesehnt sie wieder zu sehen. Wie oft habe ich versucht dieser verdammten Kälte da oben zu entfliehen, um mit ihr wieder vereint zu sein.
    Ach Ihr Götter, dachte er bitter, Ihr seid auch nicht mehr das, was ihr mal ward!
    Dann betrat er das Zimmer und verabschiedete sich fürs Erste von seinem Sohn.


    "Wenn ich geruht habe, ja..."

    "Sicher, eine Weile,"


    sagte er müde.


    "Die alten Knochen sind nicht mehr das, was sie mal waren. Fühlen sich morsch und alt. Viel zu alt."


    Der Schwung, der noch bis vor Kurzem in der Stimme und dem Auftreten des Mannes gewesen war, war wie weggeblasen. Er schien nun eher seinem Alter entsprechend.


    "Ja, lang war sie... beginnend mit den Frühjahrsstürmen... vor, vor, ja, im letzten Jahr, glaube ich."


    Er sah seinen Sohn nicht an, starrte nur auf den Becher in seiner Hand.


    "So viel Zeit vertan. Sie hätten mich ersaufen lassen sollen."


    Eine Weile saß er noch trübsinnig vor sich hinstarrend da, ehe er sich an seinen Sohn wandte.


    "Sei so gut, zeig mir mein Bett, ich möchte etwas ausruhen."

    Ein sehr ärgerliches Schnauben kam über seine Lippen.


    "Stell Dir vor....."



    Er trank wieder aus dem Becher.


    "Jahr um Jahr hab ich da die meiste Zeit Schnee gehabt,"


    er schnaubte.


    "Schnee und das mir! Und dann haben die das vielleicht dunkel da,"


    grummelte er.


    "Konnte man die Hand vor Augen nicht sehen. Aber diese Lichter am Himmel dann manchmal, gespenstisch."


    Er trank wieder.


    "Und dann dieses Gesöff da... na gut, hab mich dran gewöhnt gehabt. Und die Sprache,"


    er schüttelte sich.


    "Wiederlich! Barbarisch! Und was die meinten, was man mit den Resten des Schiffes machen könnte und mit den wneigen ÜBerlebenden."


    Ein weiteres Schnauben, nun nicht mehr ganz so schwungvoll.


    "Ich weiss nicht mal mehr, wie lange ich da hab zubringen müssen,"


    kam es nun jedoch müde und traurig.


    "Acht Jahre ist sie schon fort..."

    Ein weiterer tiefer Seufzer entwich seinen alten Lungen und tiefe Trauer war in sein Gesicht geschrieben.


    "Was würde ich dafür geben sie noch einmal im Arm halten zu können,"


    murmelte er leise.


    "Die Götter wollten es uns wohl nicht mehr vergönnen,"


    murmelte er weiter.


    "Hätten die Nordmänner mich doch ersaufen lassen. Aber nein, man kann ja nie wissen, wozu so eine alte Schrulle gut ist. Den Arsch hab ich mir Jahr um Jahr abgefroren und hier ist meine Familie wie die Fliegen weggestorben."


    Er brummelte mürrisch und seine Hand führte den leeren Becher noch einmal an die Lippen, sah dann griesgrämig hinein.


    "Das Leben ist sowas von ungerecht,"


    zischte er ärgerlich.


    "Hast Du noch Wein?"

    Er seufzte tief und fühlte die Last des Alters nun sehr stark auf seinen Schultern. Er griff nach dem Becher und trank ihn in einem Zug leer.


    "Ja, hätte ich das gewusst, hätte ich mit Mercurius einen Handel abgemacht."


    Na ob der sich aber auf einen alten Kauz wie mich eingelassen hätte, dachte er zynisch.


    "Wann starb sie?"

    "So so... so hab ich sogar meine Söhne teilweise überlebt... bedauerlich."


    Er sah der Sklavin wieder hinterher.


    "Und fünf Enkel, ja das ist nicht schlecht. Und dann von den Anderen auch. Reich gesegnet. Aber noch keine Urenkel, obwohl alle in dem Alter sein könnten."


    Er schüttelte ärgerlich den Kopf.


    "Ich dachte, ich hätte Euch da mehr mitgegeben!
    Und was ist mit Deiner Frau und vor Allem, was ist mit MEINER Frau!"

    Marcus setzte sich und betrachtete die durchaus nicht zu verachtende Frau.


    "Thusnelda... eine Sklavin? Ich muss schon sagen, Deinen Geschmack hast Du eindeutig von mir geerbt."


    Er nippte am Wein und nahm dann einen richtig großen Schluck.


    "Ja, doch, eindeutig von mir,"


    grinste er breit.


    "Und nun erzähl!"

    "Jetzt weint der Bursche auch noch,"


    sagte Marcus ebenfalls nicht wenig gerührt.


    "Als wenn er nicht langsam ein erwachsener Junge wäre."


    So feste es seine alten Knochen noch zuliessen, umarmte er seinen Ältesten und hielt ihn eine Weile fest.


    "So, jetzt aber genug mit den Sentimentalitäten! Ich habe Hunger! Sowohl mein Magen als auch mein Kopf wollen Nahrung. Komm, lass uns Essen, Trinken und Du erzählst mir, was die Familie so macht! Hab ich mittlerweile Enkel? Urenkel? Ist was Gescheites zustande gekommen? Was machen meine Söhne?"

    "Ich gestehe, die Nachricht meines Todes war entschieden übertrieben. Auch wenn ich es manchmal auch zu glauben bereit war."


    Er schritt langsam weiter.


    "Willst Du mich nicht umarmen? Auch wenn ich nicht mehr so groß bin wie damals...."

    Der nicht unbedingt kleine, aber stark nach vorne gebeugte Mann sah zu dem ziemlich faltigen Bediensteten auf und sprach mit zwar vom Alter heiserer, aber doch recht authoritärer Stimme:


    "Sag ihm einfach, wichtiger Besuch erwarte ihn und er möge dringend ins Atrium kommen! Und nun husch! Sonst mach ich Dir hiermit Beine!"


    Worauf er wieder den Krügstock schwang.

    Zitat

    Original von Flavius Prudentius Balbus
    @ Opa
    Was mich stört?


    Die Vorstellung, dass ich eines Tages auch so aussehe.


    Och :D Dann wünsche ich Dir, dass Du nach Deiner Mutter oder Deiner seeligen Großmutter kommst ;)


    Und nun, was soll ich sagen? Solange im Kopf was drinsteckt, ist es doch fast egal, wie er aussieht, Enkelchen ;)