Beiträge von Flavius Prudentius Balbus

    Sie sah mich an, erst etwas zaghaft, dann mutiger. Sie lächelte und ich tat es ebenfalls.


    "Meine Familie kommt ursprünglich aus Griechenland. Wir Prudentier waren Athener. Nicht umsonst tragen wir die Eule in unserem Familienemblem. Die Athener waren ein starkes und auch ein weises Volk. Als ihre Polis von den übermächtigen Persern bedroht wurde, verteidigten sich Adel und Volk gemeinsam, Schulter an Schulter in der Phalanx der Hopliten dienend. Sie standen zusammen, fielen zusammen, ohne Unterschiede. Und sie siegten gemeinsam. Zuerst in Marathon, dann in Salamis. Da sie jedoch nicht nur stark waren, sondern auch weise, erkannten sie, dass - wenn beide ohne unterschied Seite an Seite für die Polis kämpften und starben - auch beide Seite an Seite über das Schicksal aller Leben entschieden. Daraus resultierte, dass Beide an der Regierung beteiligt wurden..."

    Ich lachte. Sie hatte ein interessantes Thema gefunden. Ich blickte sie an und musste schmunzeln.


    "Wenn ich Patrizier wäre und mit meinem Hintern auf Ländereien ohne Ende säße, würde ich sie begrüssen. Aber ich bin Plebejer und ich zahle meine Steuern, wie man es von mir erwartet. Ich war lange bei den Truppen, als Tribun. So lange es in der Kohorte keinen Unterschied macht, aus welchem Stand man kommt, so lange Mars keinen Unterschied macht, wen er zu sich nimmt, so lange sollten auch beide Stände ihre Steuern zahlen. So einfach ist das.


    Wie siehst Du es?"

    Sie hatte nicht ganz unrecht. Es gab aber auch andere.


    "Wenn es so wäre, hätte ich keine Arbeit, Helena. In der Tat jedoch weiß ich nicht, wo ich anfangen und wo aufhören soll. Aber genug davon, ich möchte nicht mit meinen Geschichten von der Arbeit langweilen... Im Grunde bin ich froh, dass ich der Arbeit auch hin und wieder entfliehen kann... In solchen Momenten wie diesen, zum Beispiel."


    Ich blickte nachdenklich über den Park.

    Sie lachte und erleichtert stimmte ich mit ein. Ich hatte sie also falsch eingeschätzt, oder instinktiv doch richtig. Als sie zum Thema "Recht" kam, musste ich erneut grinsen.


    "Ach ja, grundsätzlich gilt das überlieferte Recht der Väter. So lange man einen von denen heranziehen kann, ist man immer auf der sicheren Seite. Ansonsten regelt Rom was allegmein Gültigkeit hat. In den Provinzen kommen dann halt noch die lokalen Rechte hinzu. Ein langweiliges Thema, auch wenn ich jeden Tag damit konfrontiert werde. Der einzige Vorteil: Die wenigsten Menschen in Hispania sind römische Bürger. Man kann also ruhig ein wenig härter durchgreifen..."

    Ich hatte vergessen gehabt, dass sie die Pontifex von Hispania war.


    "Ja, komplexe Themen, komplexe Götter. Es ist nicht einfach auf dem Pantheon durchzusehen. Ich bin sicher kein sehr religiöser Mensch, ich achte die Ahnen und auch die Götter, doch viel verstehen tu ich davon nicht. Es ist alles so pompös, alles so verworren. Es gibt beinahe für alles einen speziellen Gott, oder einen Schutzgeist. Sicher auch für diese Parkbank..."


    Ich zwinkerte ihr zu, fand dann aber, dass ich wohl doch etwas zu blasphemisch geworden war. Ich räusperte mich.

    Zitat

    Original von Helena Matinia
    "Bei meinem Onkel in Athenae! Bis er verstarb, dann kehrte ich für eine kurze Zeit wieder nach Rom zurück, ehe es mich, zugegeben größtenteils durch den Dienst an den Göttern, nach Mogontiacum zog. Von da aus führte mich mein Weg dann nach Tarraco und hier fühlte ich mich bislang am Wohlsten..."


    Ich sah ihn an und deutete dann auf eine Bank. Wir waren so in unser Gespräch vertieft gewesen, dass ich nicht einmal bemerkt hatte, wie wir den Park betreten hatten.


    "Wollen wir uns ein wenig setzen? Ich muss zugeben, meine Beine beginnen vom vielen Stehen und vorallem Laufen schon ein wenig weh."


    Ich nickte mit dem Kopf.


    "Nur zu. Dafür sind Bänke doch da."


    Ich trat schnell hinzu um ihr meinen Arm zu reichen, sollte sie ihn benötigen...


    "Du bist also viel herumgekommen..."

    Ich hörte interessiert zu. Dass sie in Rom geboren war hatte ich nicht gewusst. Ich nickte also bei ihrer Erzählung und blickte sie an. Sie hatte eine besondere Eigenart ihre Mundwinkel anzuziehen, wenn sie redete.


    "Wo bist Du aufgewachsen, wenn ich fragen darf?"

    Sie hatte eine schönes Lachen. Sie lachte nur so selten. Ich blieb stehen.


    "Ja, Rom ist eine Geschichte für sich. Ich komme ursprünglich aus Rom und dort gibt es Viertel, wo sich ungelogen nicht einmal die Praetorianer alleine hinwagen. Unter einer Centuriae marschieren die dort nicht rein. Ich kann mich noch an eine Schlägerei erinnern, keine Ahnung in welcher Taverne das losging, aber es gab Dutzende Tote. Und wenn nach den Spielen erst die Strassenschlachten losgehen... Da hat man es hier in Tarraco beschaulicher. Auch wenn ich gestehen muss, dass es auch hier schwere Verbrechen gibt."


    Ich dachte an die Mordserie, hatte jedoch nicht vor, ihr davon zu erzählen.

    Ich musste lachen.


    "Taschendiebstahl ist ein ernstes Problem. Ich gestehe, dass ich es schon fast aufgegeben habe jeden dieser Burschen zu fangen. Einige von ihnen dulde ich und sie wissen sich zu revangieren. Anders komme ich nicht an die Informationen, die ich brauche um an die Großen ranzukommen."


    Ich blickte seitlich zu ihr hinüber. Ich wusste nicht, ob sie sich für das Thema wirklich interessiert, oder ob sie das Interesse nur vorspielte. Sie war einsam, das sah man ihr an, und einsame Menschen taten viel um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.


    "Es sind nicht nur schöne, veträumt schlendernde Frauen, die bestohlen werden. Du brauchst Dich also nicht zu schämen. Erst neulich hätte es mich beinahe selbst erwischt."

    Wir schlenderten gemütlichen in Richtung des Stadtpark. Ich betrachtete sie etwas genauer und gestand ihr zu, dass sie schön aussah, auch wenn sie nicht mehr jugendlich war. Sie war eine reife Frau.


    "Oh, es passiert jeden Tag eine Unmenge. Tarraco ist eine große Stadt und ich bin genau genommen nicht alleine für Tarraco zuständig. Alle Städte der Regio Tarraconensis fallen in meinen Zuständigkeitsbereich. Wenn ich nicht überall Informanten und Spitzel sitzen hätte, wäre dies ein Ding der Unmöglichkeit..."


    Ich blieb kurz stehen.


    "Und in der Tat, Tarraco alleine würde schon ausreichen. Wir haben einen großen Hafen, einen großen Markt. Tarraco ist Verwaltungssitz. Es ist immer etwas los."

    Zuviel Rummel? Sie kannte wohl die Märkte nicht. Es gab durchaus Passagen die ruhiger waren, und es war unglaublich wieviel Platz man haben konnte, wenn man in Begleitung des Regionarius unterwegs war. Ich ließ mir jedoch nichts anmerken.


    "Nun, Dein Wunsch ist Befehl. Ich schlage den Stadtpark vor. Im Hafen dürften zur Zeit doch zuviele Schiffe anlegen und Dockarbeiter nehmen auf niemanden Rücksicht..."


    Ich wies ihr mit einer Handbewegung elegant den Weg.

    Sie hatte also keine festen Vorstellungen und war aus dem Haus gegangen, bevor ihr die Decke auf den Kopf fiel. Ich kannte solche Tage zu Genüge und wusste, was es galt. Ich selbst - an ihrer Stelle - hätte wohl die Gesellschaft gemieden, sie jedoch entschied sich für den anderen Weg.


    "Nun, als Regionarius kenne ich die Stadt hier inn- und auswendig. Es gibt keine Gasse, es gibt kein Haus, das mir verborgen bliebe."


    Ich blickte sie an.


    "Wie wäre ein Spaziergang auf die Märkte?"

    Sie suchte also einen Zuhörer. Da ich gerade nichts zu tun hatte und die Arbeit im Officium sowieso warten würde, entschloss ich mich, der Dame etwas Gesellschaft zu leisten. Sie war nett, gut anzuschauen und hilflos, im Ganzen also das, was ich - ohne es zu wissen - gesucht hatte. Ich lächelte.


    "Es wäre mir ein Ehre, Helena."


    Ich neigte mein Haupt.


    "In welche Richtung darf ich Dich geleiten?"

    Also war sie nun mit dem Proconsul verwandt. Ich nickte mit dem Kopf um Mitgefühl auszudrücken, auch wenn ich nicht wusste, wofür ich dieses Mitgefühl ausdrücken sollte oder konnte. War ihr Gemahl gestorben? Gar gefallen? Ich erinnerte mich dunkel an einen Praefecten bei der Legio IX Hispana, der dort nach meiner Tribunenzeit angefangen hatte.


    "Kann ich Dir irgendwie helfen?
    Dich nach Hause begleiten?
    Eine Sänfte rufen lassen?"

    Etwas später traf ich am Ort des Geschehens ein. Ein paar Stadtwachen hatten bereits den Tatort abgesperrt und befragten Anwohner und Vorbeikommende nach dem Vorfall. Auch ich trat hinzu, holte mir schnelle ein paar Informationen bei einem der Männer und trat dann auf den Mann zu, vor dessen Haus die blutige Tat stattgefunden hatte.


    "Salve, Du wohnst hier?"


    Ich zeigte auf die Türe hinter ihm.

    Von meiner Wohung in der Insula Magna kommend, erreichten wir gegen Mittag das "Dolce Vita". Ich trat an die große gitterne Türe, öffnete und trat ein. Der Vermieter nickte mit dem Kopf und grüsste kurz. Wir nahmen das Treppenhaus bis zum zweiten Stock und Paulina ging mir voran. Ihren Hintern immer unmittelbar vor meinem Gesicht auf und abwiegend... ich musste grinsen.


    Quintus war nicht anwesend. Also erzählte ich ihr von dem älteren Mann, der hier auf die Mädchen aufpasste. Wir betraten das Atrium mit den Sitzgelegenheiten und Klienen um kleinere Tischen, an denen zu Geschäftszeiten die Lupa lagen und auf ihre Kunden warteten.


    Dann führte ich sie den Gang entlang zu den vielen kleinen Cubicula. Auf jeder Seite waren ein halbes Dutzend Räume eingerichtet. Jeweils ein Bett, ein Korbstuhl, Lampen, Kissen, diverse Utensilien, Teracotta, Statuen, für jeden Geschmack etwas.


    Es gab Zimmer mit Fresken, Landschaftsmalereien, Stadt- und Bordellszenen, Götter die Frauen bestiegen, Zwerge, wieder Frauen, riesige Phalli, zottige Verse und Sprüche. Je nachdem was der Kund wünschte, konnten die Damen die Zimmer aufsuchen.


    In einem weiteren Gang befanden sich dann kleinere Bäder und Aufenthaltsräume. Zuletzt zeigte ich die Räume, in welche sich die Lupa nach der Arbeit zurückzogen.

    Wir traten beide nach draussen und ich zog die Türe hinter uns ins Schloss. Sie hatte ebenfalls einen Mantel übergworfen und sah recht gespannt aus. Sie schien viel Energie zu haben, und wieso sie sich diesen Beruf ausgesucht hatte schien mir nicht ganz klar zu sein. Doch ich verdrängte die Frage, lächelte ihr zu. Gemeinsam stiegen wir das Treppenhaus hinunter, traten vor das Haus und marschierten die Strasse in Richtung "Dolce Vita" davon.