Beiträge von Flavius Prudentius Balbus

    Wieder nickte ich mit dem Kopf.


    "Gut, ich werde sehen was ich tun kann. Wenn er noch in Hispania ist, werde ich ihn finden. Sollte er jedoch die Provinz verlassen, endet meine Zuständigkeit. Ihr solltet dann einen Sklavenjäger auf ihn ansetzen..."


    Ich räusperte mich.


    "Soll man auf seine Ergreifung eine Belohnung aussetzen?
    Es würde die Sache erheblich beschleunigen..."

    Es wurde noch eine lange Nacht. Quintus, der Mann aus Tingis und Betreiber dieses Bordells spendierte einen Wein nach dem anderen und gab sich zu meiner großen Überraschung äusserst redselig. Woran es lag, konnte ich schwer einschätzen. Vielleicht versuchte er mich einzulullen, vielleicht hatte er aber schon lange niemanden gesprochen und war einsam. Ich stellte fest, dass wir - was letzteres betraf - viele Gemeinsamkeiten hatten.


    Er erzählte von seiner Heimat, seiner Familie, davon, dass sein Vater früh verstorben war und seine Mutter ihn gerade so durchbringen konnte indem sie einen älteren Händler heiratete. Dieser Mann - er nannte ihn "den Magischen" - verstand es aus allem was er anfasste Gold zu machen. Er war geschickt im Kauf von Sklaven und noch geschickter im Umgang mit Frauen. Er war es gewesen, welcher den damals noch jungen Quintus in die Geschäfte einführte, er war es gewesen, der Quintus mit den Frauen vertraut machte.


    Was er noch alles erzählt entzog sich meiner Erinnerung, jedenfalls irgendwann endete Quintus dann in Tarraco, erwarb sich dort eine Lizenz zum Betrieb der entsprechenden Gewerbe und mietete sich in dieser Insula ein. Die Geschäfte liefen relativ gut, bis zu dem Tag, an welchem die Legio IX Hispana nach Germanien abgezogen wurde.


    "Weißt Du, Flavius..." - wir waren inzwischen per Du und nannten uns beim Praenomen - "... dass die Legio nicht mehr hier ist, ist ein Jammer. Jawohl, ein Jammer! Wir haben gute Geschäfte gemacht und die Mädels, die Mädels hatten wirklich ihren Spaß. Aber seither..."


    Er nahm einen Schluck und starrte ins Leere


    "...seither läuft nichts mehr rund. Ich musste schon einige Mädchen rausschmeißen, die Preise sind am Arsch und die Miete ist kaum mehr zu bezahlen. Ich bin ruiniert. Ich kann mich eigentlich gleich aufhängen..."

    "Slave Quintus!"


    rief ich ihm zu, als er auf mich zukam und den Diener spielte. Alle Gäste des Etablisments wurden zuvorkommend behandelt, ganz gleich welcher Herkunft man war und - solange man Bezahlen konnte. Befand man sich darüberhinaus in einer einflussreichen Position, konnte man gewiss sein, dass die Behandlung noch zuvorkommender sein würde.


    Er begrüsste mich wie ein arabischer Derwisch mit Verneigungen, Segenswünschen und triefend-schleimigen Sprüchen, grinste wie ein Mann, welcher selbst jeden Moment zum Schuss kommen würde und fragte, was ich zu so später Stunde in seinem Betrieb noch wolle. Die letzte Razzia sei ja erst gestern gewesen und nach Vereinbarung würde erst in zwei Wochen wieder eine anstehen.


    Ich winkte ab, hatte ich an einem solchen Gespräch nach diesem anstrengenden Tag keine Lust.


    "Ich bin nicht deswegen gekommen, Quintus..."


    sprach ich und blickte ihn an.


    "Ich war in der Gegend, ein langer Tag, erfolgloser Einsatz, wie so oft, Du kennst das ja, ich dachte ich spanne noch ein wenig aus, trinke noch einen guten Wein... Die Tavernen haben schon zu... Sperrstunde... Dein "illegaler" Laden hier ist der einzige bei dem man um diese Zeit noch etwas bekommen kann, ohne dass man Angst haben muss nicht mehr lebend herauszukommen. Also was ist? Krieg ich was?"


    Ich blickte ihn an, und die Betonung des Wörtchens "illegal" ließ ihn schmunzeln.


    "Sicher." antwortete er nur, führte mich an die Theke, bestellte zwei Becher des besten Weines und fügte hinzu, dass sie auf Kosten des Hauses gehen würden. Heute sei ich sein Gast.


    Ich dankte und kippte den ersten Becher nach unten.

    In dieser Nacht war ich wieder in der Gegend unterwegs gewesen. Wir hatten die Insula eines Unterweltbosses von Tarraco beobachtet - erfolglos mal wieder - und befanden uns auf dem Rückweg nach Hause. Meinen Centurio hatte ich bereits an der Weggabelung weiter oben verabschiedet, so dass ich alleine war, als es mich in diese Gasse zog.


    Ich wusste nicht mehr warum und wozu, doch plötzlich stand ich vor dem Gebäude und blickte die Fasade hinauf. Die Fenster waren erleuchtet und zwei betrunkene Männer trollten sich gerade davon. Ich warf ihnen einen kontollierenden Blick nach und als sie um die Strassenecke verschwunden waren, wusste ich was ich hier wollte...


    Etwas Abseits gelegen in einer Seitenstrasse befand sich das Lupanar Dolce Vita. Tagsüber eine normale Insula, Nachts die erste Adresse unter den Bordellen der Stadt. Wenn es in Tarraco ein besonderes Mädchen sein sollte, dann würde man es hier finden. Der Betreiber, ein zugereister Händler aus Tingis garantierte die beste Ware und absolute Verschwiegenheit. Dienstlich hatte ich in diesem Viertel schon öfters zu tun gehabt und er stand auch auf meiner Liste der Betriebe, welche ich in regelmäßigen Abständen hochgehen ließ. Verstrickungen in Verbrechen ließen sich jedoch niemals nachweisen und so viele Informanten ich auch auf ihn ansetzte, er war sauber und blieb es auch. Er schien sein Geld wirklich nur mit den Mädchen zu machen...

    Ich blickte ihr hinterher. Wie sie aus dem Zimmer trat und verschwand. Hatte ich alles falsch gemacht? Hätte ich offener und direkter sein sollen? Ich wusste es nicht. Und es war auch egal. Sie war schön. Sie war begehrenswert. Aber nur eine Frau. Frauen gab es viele und was nützte es mir ihr ewig nachzulaufen, wenn es Dutzend andere gab, die willig waren? Ich zuckt mit der Schulter, siegelte zwei Schreiben und verließ dann ebenfalls mein Officium. Ich hatte noch in der Stadt einige Dinge zu erledigen...

    Ich nickte mit dem Kopf und beließ es dabei. Auch wenn ich sie mochte und gar heimlich bewunderte, war mir dennoch bewusst, dass ich bei ihr keine Chance haben würde. Die Decima Frauen waren was das betraf irgendwie verflucht. Tertia und Lucilla... beide schienen mir unerreichbar. Und was bei Tertia noch Verliebheit gewesen war, hatte sich bei Lucilla als Begehren erwiesen, ein Begehren indess, dem ich nicht nachgeben durfte.


    "Nunja, man wird sehen was die Zukunft bringt. Falls Du irgendetwas von mir brauchst, melde Dich."


    Ich lächelte und erhob mich.

    Also war an den Gerüchten doch etwas dran. Ich lehnte mich etwas zurück und musterte ihre Gesichtszüge und ihre Bewegungen. Ihre Lippen hatten die Angewohnheit immer in ein Lächeln übergehen zu wollen, wenn sie einen Satz beendete. Ob sie es wusste?


    "Nun, nicht nur Tarraco wird Dich schmerzlich vermissen, wenn Du gehen solltest. Rom ist sicher ein Magnet, dem man nicht viel entgegen setzen kann. Nur vergiss Deine Heimat nicht, wenn Du fort bist."


    Ich sah sie mit einem wehmütigen Lächeln an.


    "Wir hatten nicht viele Gelegenheiten uns näher kennen zu lernen, schade eigentlich. Es hätte sicher interessant und auch amüsant werden können..."

    "Gut möglich. Aber wir haben keine Anhaltspunkte. Keine Kleidungsstücke, keine Ringe, keine Schuhe. Ich kann schlecht zu allen Familien gehen, welche jemanden vermissen, oder auch nicht vermissen und diese zu einer Gegenüberstellung bitten, weil es schlichtweg nichts zu erkennen gibt."


    Ich blickte sie an. Ich hatte in den letzten Tagen tatsächlich vergessen, wie gut sie aussah.


    "Nunja, es bleibt mir nichts anderes übrig als abzuwarten. Vielleicht macht der Kerl ja mal einen Fehler..."


    Es sprach mehr Wunschdenken, als Wahrscheinlichkeit aus meinen Worten.


    "Und wie geht es Dir so?"


    Ich wollte das Thema wechseln und ausserdem interessierte es mich wirklich.

    Ich dachte nach. Vielleicht hatte sie Recht. Aber wenn sie Recht hatte, dann hätten wir es mit einem neuen Kult zu tun, denn diese Fälle waren für mich neu.


    "Meinst Du? Mir sind im ganzen Imperium keine Fälle bekannt geworden, wo Kulte die Gesichter von Menschen opferten. Ich denke eher wir haben es mit einem Verrückten zu tun. Oder mit organisiertem Verbrechen, das irgendein Ziel verfolgen will."


    Wie sie sich so nach vorne lehnte und mir näher kam... Ich musste mich zusammenreißen...

    Es schien ihr Spaß zu machen, mich aufzuziehen. Dabei hatte sie keine Ahnung. Wie konnte sie auch...


    "Ich kann Dich das nächste mal rufen lassen, wenn wir einen neuen Toten finden. Oder aber Du besuchst die Stadtwache. Wir haben gerade zwei Leichen auf einem Tisch. Ein griechischer Arzt versucht gerade herauszufinden, wer die Toten waren. Vielleicht willst Du ihm ja helfen?"


    Meine Stimme war etwas spöttischer als ich gewollt hatte.


    "Entschuldige, ich habe es nicht so gemeint. Ich bin überarbeitet und komme in dem Fall nicht vorran. Wie sollte ich auch. Die Morde bekommt keiner mit und alles was wir finden sind Tote ohne Gesicht. Was willst Du mit einem Toten ohne Gesicht anfangen? Du weißt nicht wer er war, wo er herkommt und wo Du anfangen sollst."

    Lucilla war in Fahrt und ihre Augen funkelten. Ich ließ ihr den Spaß und das Vergnügen und unterbrach sie nicht, zuckte nur hier und da ein wenig um nicht ganz wie eine Statue dazustehen und nahm dann Platz. Genau genommen hatte ich ihre Gegenwart vermisst. Wenn ich an unser erstes Treffen zurückdachte. Das Essen in der Taverne. Ich blickte sie an und lächelte.


    "Warum sollte ich nichts sagen dürfen? Es gab ein paar Morde, mit einigen Toten, nichts ungewöhnliches. Einzig die Art, wie die Toten umgebracht, beziehungsweise aufgefunden wurden ist etwas ungewöhnlich. Doch da ich die Menschen hier in Tarraco nicht unnötig in Angst und Schrecken versetzen möchte - und das würde unzweifelhaft eintreten, denn wir wissen wie abergläubisch die breite Masse des Volkes ist - belasse ich es bei dem Kommentar, dass es nicht mehr Morde als bisher gibt. Wir wissen nichts über den Täter und nichts über die Opfer. Sie sind unbedeutend. Du siehst also, es ist nichts. Oder willst Du einen Artikel konstruieren, der das Volk verunsichert? Oder dem Täter eine Plattform gibt? Dass er gar seine Taten wiederholt?"

    "Liebe?"


    ich blickte sie an.


    "... ich finde das ist ein arg strapaziertes Wort. Was ist es? Ein Gefühl? Gefühle vergehen. Gefühle sind trügerisch. Eine Romanze? Leidenschaft? Was ist es? Du kennst Agrippa kaum. Woher auch. Er ist Proconsul und will Dich. Vielleicht weil er eine weitere Verbindung eingehen will, vielleicht weil er nicht gerne alleine ist. Und Vater sieht in erster Linie die gute Partie. Du magst ihn vielleicht, Du fühlst Dich vielleicht geschmeichelt, vielleicht auch hingezogen... Wenn Du das Liebe nennen willst, meine Güte...."


    Ich wusste nicht mehr was ich redete.


    "Du liebst Agrippa und Vater liebt uns. Wenn das die selbe Liebe ist, dann will ich in meinem Leben nie verliebt sein. Und entschuldige, Du sitzt auf meinem Schoß. Wenn jemand hereinkommt haben wir einen Skandal..."