Beiträge von Flavius Prudentius Balbus

    Sie fragte mich direkt. Ich blickte sie nur an und nahm wieder einen Schluck. Ich musste aufpassen, dass ich mir an diesem Tag keinen Rausch antrinken würde.


    "Was passiert ist? Vieles und nichst. Du weißt, dass er nie da war. Du weißt wie herrisch er sein kann. Er hat Mutter und uns in Rom zurückgelassen als er nach Alexandria ging..."


    Ich leerte den Becher uns stellte ihn weg. Weit weg.


    "Was soll ich sagen. Ich versteh ihn nicht, er versteht mich nicht, vielleicht bin ich nicht einmal sein Sohn. Behandelt er mich wie seinen Ältesten? Ich habe das Gefühl, dass ich nur geduldet bin. Ich denke er duldet mich. Aber ob er je stolz auf mich war? Ich bin Regionarius. Davor war ich Tribun. Ich habe aus meinem Leben etwas gemacht. Sieht er es? Nein, er hat nur Augen für seine Pläne. Und diesen Plänen ordnet er alles unter. Selbst Dich hat er gewinnbringend verheiratet..."

    "Ach Colonia Claudia Ara Agrippinensium..."


    ich erinnerte mich. Stammsitz klang allerdings übertrieben, denn mit Germanien hatte der Stamm unserer Familie rein gar nichts zu tun. Wenn überhaupt kamen wir aus Griechenland, zogen von dort nach Italien und schließlich nach Tarraco in Hispania. Aber Germanien? Es war mir schleierhaft, was mein Vater dort oben wollte. Doch wie auch immer, er hatte unseren Familienbesitz hier verkauft und war abgereist. Meinen Segen dazu hatte er nicht erhalten, aber was kümmerte es ihn, er brauchte ihn sowieso nicht. Er hatte ihn noch nie gebraucht, er hatte immer getan, was er wollte. Ohne Rücksicht auf Verluste.


    Mir kam die Galle hoch und ich spülte sie mit etwas Wein hinunter.


    "Ich werde da sein. Auf jeden Fall."

    "2700..." wollte ich sagen, blickte dann aber zu dem Mann, welcher das letzte Angebot gemacht hatte. Verrückte Zeiten, verrückte Preise. Manche hatten es anscheinend nötig. Wie auch immer, ich zuckte mit der Schulter, warf dem Händler ein Zeichen zu, dass wir uns nachher in der Taverne treffen würden und zog dann weiter. Der Preis war ordentlich in die Höhe getrieben worden und die Steuerbehörde würde davon profitieren.

    "1200 Sesterzen!" rief ich.


    Und erhöhte noch einmal, als ein anderer Bieter zuckte...


    "1500 Sesterzen!"


    Ich ging sicher zu hoch, aber ich brauchte dringend jemanden für meinen Haushalt. Und einen barbarischen Kerl, welcher mir im Schlaf die Kehle durchschlitzte, wollte ich mir nicht in die Stube holen.

    Müde betrat ich meine Wohnung, schleuderte den Mantel auf den nächsten Stuhl und warf mich auf die nächste Kliene. Irgendwie war mir zur Zeit fast alles zu viel. Die Mordserie - und in der Tat konnte man von einer solchen sprechen - raubte mir jeden Nerv. Irgendein Irrer geisterte durch Tarraco, tötete Menschen und ließ diese ohne Gesicht zurück. Mir schauderte. Ich brauchte jetzt einen Wein. Und einen Fick. Ich wollte nur noch schlafen. All den Schlaf nachholen, den ich die letzten Tage nicht gehabt hatte. Bei den Ahnen, irgendwie war alles leer. Alles trostlos. Vor allem in solchen Momenten wie jetzt.


    Ich blickte an die Decke und dachte nach, wie der Wein am leichtesten hier her käme, ohne dass ich mich dazu erheben müsste. Die Haushälterin indess war für heute schon fertig und würde erst morgen wieder kommen. Und der Wein würde nicht von alleine erscheinen. Ich müsste aufstehen. Doch erst nachher...


    Ich schlief ein.

    Ich blickte dem Griechen noch hinterher und wandte mich dann an den Centurio, welcher gerade aus dem Lagerhaus trat. Ich gab ihm Anweisung den Toten unversehrt zur Stadtwache zu bringen und neben dem anderen Toten aufzubahren. Desweiteren sollten alle "Zeugen" befragt werden. Mehr gab es nicht zu tun. Ich sah noch einmal zu dem Gebäude und machte mich dann auf den Weg. Ich wollte nur noch nach Hause, ich wollte nur noch schlafen und am liebsten alles vergessen. Verdammter Beruf, verdammtes Leben...


    Ich ging.

    Ich erhob mich langsam von den Knien und wischte mir den Mund ab. Nachdenklich blickte ich ihn an. Ich hatte keine Idee. Wir jagten im Grunde ein Phantom.


    "Ich weiß nicht..."


    sprach ich und zuckte mit der Schulter.


    "Ich lass ihn in die Stadtkaserne schleppen und Du machst Dich bei ihm wieder an die selbe Arbeit. Nur wie Du sagtest, das mit den Büsten hat sich erledigt. Ich denke nicht, dass es uns was bringen wird."


    Ich atmete durch.


    "Und sonst... Wir machen unsere Arbeit und warten. Was soll ich sonst tun? Alle Leute in dem Viertel hier verhaften lassen? Eine Großfandung nach einem Unbekannten ausschreiben? Alle lokalen Verbrechersyndikate hochgehen lassen? Wir haben zwei Tote. Wir wissen nicht wer sie sind, und wer dahinter steckt. Grosse Scheisse, aber so ist das Leben..."

    Ich war gerade auf dem Markt unterwegs, sprach hier und dort mit einem Händler, als ich zu einer Sklavenauktion hinzutrat. Eigentlich hatte ich kein Interesse an einem Sklaven und wollte auch schon weitergehen, als ich sie sah. Interssiert und auch ein wenig in meinem Alltagstrott abgelenkt blieb ich also stehen und folgte der Auktion aus reiner Neugier. Genau genommen konnte ich schon eine Sklavin gebrauchen, die sich um meinen Haushalt kümmerte. Ich hatte so viel um die Ohren, dass die meisten Arbeiten zu Hause liegen blieben. Ich beschloss daher mitzubieten.


    "300 Sesterzen!"


    rief ich und nickte dem Händler zu. Erstaunlich wie niedrig der Preis war, offensichtlich musste die Sklavin einige Mängel haben.

    Ich nickte mit dem Kopf, erschien es mir doch nicht logisch, dass die Frau des Proconsuls ihrer Arbeit in Germanien auch weiterhin nachgehen würde.


    "Du willst weiterhin arbeiten? Als Gemahlin des Proconsuls hast Du das doch gar nicht nötig. Ist Deine Arbeit nicht an der Seite Deines Mannes? Dass Du ihn unterstützt? Empfänge veranstaltest? Seinen Haushalt koordinierst? Du wirst sehen, dass der Palast genug Arbeit abwirft..."

    Die ganze Familie auf einem Haufen. Ob ich so viel Hohn würde ertragen können? Nunja, Mutter... und Vater... Wieviele Jahre war er in Alexandria gewesen und hatte Kind und Kegel in Rom zurückgelassen? Schnee von gestern schalt ich mich und erinnerte mich im Gegenzug, dass auch Mutter ihre Liebhaber gehabt hatte. Um Valerias willen. Nun denn, um Valerias willen.


    "Wann soll die Hochzeit sein?"


    Ich hatte vermutlich sowieso die Feierlichkeiten abzusichern und war dienstlich anwesend.


    "Sie ist doch in Tarraco, oder?"

    Ich stellte den Becher ab. Blickte etwas ungläubig. Nahm ihn dann doch wieder auf und leerte ihn. So viel Wein am Morgen war nicht gesund, doch was war überhaupt gesund?


    "Der Proconsul?"


    fragte ich etwas ungläubig, wusste jedoch, dass sie mit mir nicht scherzte.


    "Seit wann ..., ich meine, kennt ihr euch? Woher kennt ihr euch? Hat er..., natürlich hat er...."


    Ich schenkte mir nochmals ein. Nachdenklich betrachtete ich sie.


    "Und was denkst Du? Beziehungsweise, Du kommst extra den ganzen Weg aus Germanien hierher um es mir persönlich zu sagen? Wie soll die Bitte aussehen?"


    Ich hatte eine dumpfe Ahnung, war mir jedoch nicht sicher.

    War schon so viel Zeit vergangen? War aus meiner kleinen Schwester tatsächlich schon eine Frau geworden? Hatte ich mich nicht verhört? Sie würde heiraten. Ich musste unweigerlich an meine Jahre denken, an die unzähligen Frauen, die ich in Rom verschlungen hatte, die billigen Nutten, die Wirtstöchter, dann an Tertia und Lucilla, welche beide zu gut für mich gewesen waren. Und immer noch war ich alleine.


    Ich trat an den Tisch und schenkte ihr etwas verdünnten Wein ein. Ein weiteres Glas - randvoll, undverdünnt - stellte ich an meinen Platz, ebenso wie die Karaffe. Dann setzte ich mich.


    "So. Wie heißt er? Aus welcher Gens kommt er? Was macht er?
    Und vor allem, behandelt er Dich gut?"


    Ich nahm einen Schluck aus dem Becher.
    Und einen zweiten.

    Sie hatte also irgendeinen Anschlag auf mich vor. Lächelnd nickte ich mit dem Kopf und trat an die Türe.


    "Sicher doch."


    Ich öffnete und forderte sie mit einer Handbewegung auf einzutreten.


    "Ich hoffe nur, dass es nicht gegen die Gesetze verstösst..."


    fügte ich mit einem Grinsen hinzu. Ich war froh, meine kleine Schwester wieder einmal sehen zu können, auch wenn ich nie einen großen Bezug zu meiner Familie gehabt hatte...