Beiträge von Flavius Prudentius Balbus

    Ich musste lachen.


    "Wie auch immer, wichtig ist in solche Fällen, alles daran zu setzen, dass man als Ordnungshüter nicht erkannt wird. Lieber schaut man mal bei einem kleineren Verbrechen zu, und erhält sich das Vertrauen derer, die man wirklich beschatten will. Man kann nicht wegen jedem kleinen Dieb seine Tarnung auffliegen lassen. Geht es allerdings um Leben und Tod, wird die Sache schwierig..."


    Ich hielt an und blickte über die Parklandschaft. Der Wind rauschte sanft durch die Bäume und die Vögel zwitscherten ihre Melodien.

    Sie wusste mit den Schalentieren elegant umzugehen.


    "Ein geordnetes Leben?"


    Ich biss genußvoll in das zarte Krebsfleisch und fuhr dann nach ein paar Bissen fort:


    "Könnte man so sagen. Man ist definitiv nicht auf Feldzügen, muss nicht in der Kaserne schlafen, auch wenn man als Tribun ja in der Kaserne praktisch eine eigene Casa mit Atrium zu Verfügung stehen hat und sich dort schon eine Familie leisten könnte.


    Als Regionarius bin ich jedoch nicht nur für die Sicherheit von Tarraco zuständig. Mein Zuständigkeitsbereich bezieht sich auf die ganze Region und umfasst alle möglichen Tätigkeiten, von der Büroarbeit, über die Arbeit auf der Strasse, im Hafen, in den Tavernen, in den Palästen und Villen, in Uniform oder Zivil, je nachdem was gerade anfällt, und wo unter Umständen ermittelt werden muss..."


    Ich malte alles in allen Einzelheiten aus.


    "Erst gestern war ich im Hafenviertel unterwegs und ermittelte gegen einen kleineren Schmugglerring. Bisher erfolglos, aber das wird schon noch. Und von dem einen speziellen Fall, habe ich Dir ja in Deinem Büro erzählt..."


    Ich räusperte mich und spülte mit ein bisschen Wein nach.


    "Schmeckt Dir der Wein? Wir können auch einen nehmen, der nicht ganz so stark ist..."

    Ich war etwas überrascht, dass sie meinte, jemand könne es als peinlich empfinden, mit ihr verwandt zu sein. Jedoch wollte ich nicht zu intime Fragen stellen, so dass ich dieses Thema überging und einfach auf ihre Frage einging.


    "Ich denke, ich habe dem Militär endgültig den Rücken gekehrt. Die Aufgaben als Tribun waren sicher interessant, doch als Regionarius bin ich mein eigener Chef. Nichts gegen Deinen Bruder, ich schätze ihn sehr, doch das Aufgabenprofil bei meinem jetzigen Posten ist ein ganz anderes."


    Ich nahm einen Schluck Wein und sah ihr zu, wie sie eine Muschel ausschlürfte...

    Die Meeresfrüchte schmeckten vorzüglich. Vorsichtig schlürfte ich eine Muschel aus, als sie mich auf ihren Bruder ansprach. Ich schluckte den Bissen langsam hinunter...


    "Wie Meridius als Legionär ist? Keine Ahnung. Ich kenne ihn nur als Legaten. Früher bei der Legio I Traiana Pia Fidelis in Italia, muss er jedenfalls ein pflichtbewusster und beinahe besessener Soldat gewesen sein, anders kann man seinen kometenhaften Aufstieg kaum erklären..."


    Ich blickte sie an.


    "Es macht Dir doch nichts aus, wenn ich so offen rede, oder? Ich finde es amüsant, dass Dein Bruder seine militärische Karriere in Rom angefangen hat, beinahe zeitgleich, während Du bei dieser Tante warst..."


    Ich lachte erheitert.


    "Rom ist groß, und doch so klein, beides in einem, wie man es nimmt."


    Ich blickte sie an und deutete ihr Nicken dahingehend, dass sie nichts dagegen hatte, wenn ich offen weiterredete. Ach ihr Kopfnicken, bei ihr sah einfach jede Bewegung göttlich aus. Und schon wurde ich wieder eloquent...


    "Als Legatus und Kommandeur - und nur so kenne ich Meridius - ist er anspruchsvoll. Bei ihm macht man im Allgemeinen keine schnelle Karriere. Doch ist er gerecht, und auch großzügig. Wenn man sich anstrengt, dann fördert er einen. Und er hat Geduld. Ich denke, die Legio IX konnte keinen besseren Befehlshaber finden..."

    Ich ging mit meinem Centurio Statorum durch den Stadtpark. Die Ansprache an die Stadtwachen hatten wir bereits hinter uns gebracht, so dass ich beschlossen hatte, ihn ersteinmal mit der Stadt vertraut zu machen.


    "Du wirst viele Einsätze haben in denen Du inkognito unterwegs sein wirst. Wichtig dabei ist, dass man nicht erkennt, dass Du für die Stadtwachen arbeitest. Versuche also nicht militärisch auszusehen. Sollte Dir das nicht gelingen, dann gib Dich als Veteran aus. Es gibt hier in Tarraco hunderte von Veteranen, die hier angesiedelt wurden, wie fast in jeder anderen Stadt. Den Veteranen zu spielen, ist oft die beste Tarnung die es gibt..."

    Ich hörte mir ihre Geschichte interessiert an. Sie konnte eigentlich gut erzählen und hatte mich schnell in ihren Bann gezogen...


    "Zunächst einmal hatte ich mein Glück in Rom gesucht und dort nicht gefunden. Als ich merkte, dass es so nicht weiter gehen konnte, plante ich eine Reise durch das ganze Imperium. Das nächstbeste Schiff das Ostia verließ ging nach Tarraco, und hier bin ich jetzt..."


    Ich lächelte sie an und zuckte mit der Schulter, als ob alles ein großer Zufall gewesen wäre, was es in der Tat ja auch gewesen war.


    "Zu der damaligen Zeit hatte gerade Dein Bruder die Legio IX Hispana übernommen und er suchte Männer, Männer die bereit waren, mit ihm zusammen in der Legion zu dienen. Ich dachte mir, so schlecht könnte es ja nicht sein..."


    Ich blickte sie an und versuchte abzuschätzen, ob sie sich für Soldatengeschichten interessieren würde, oder nicht. Ich vermutete jedoch, dass sie aus einer Soldatenfamilie kommend, sicher schon genug solcher Geschichten gehört hatte.


    "Doch genug von mir. Ich bin jetzt Regionarius..."


    Der Sklave trat an den Tisch und servierte die Meeresfrüchte ...

    Ich musste schmunzeln. Meeresfrüchte waren die Spezialität des Hauses.


    Ich winkte den Sklaven herbei und gab die Bestellung auf. Zweimal Meeresfrüchte nach Art des Hauses und dazu den besten Wein. Ich betonte "den besten" und steckte dem Sklaven schon im vornherein eine Münze zu. Dann wandte ich mich wieder an meine reizende Begleiterin.


    "Aber nun musst Du etwas aus Rom erzählen. Oder aus Deinem Leben. Ich weiß so gut wie nichts von Dir. Und das bei meinem Posten..."


    Ich lächelte eine wenig und blickte ihr in die Augen. Sie hatte wunderschöne Augen...

    Sie hatte sich also für die Kliene entschieden. Ganz anders als ihre Schwester, welche immer im Korbstuhl zu sitzen pflegte. Vielleicht würde ja dies ein Omen dafür sein, dass diese Decima nicht Vestalin werden würde...


    "Alexandria? Oh nein. Mein Vater war schon dort, aber ich selbst... nein. Ich weiß auch gar nicht, was ich in dem Wüstensand wollte. Sicher, die Pyramiden sind einen Besuch wert, und natürlich die Bibliothek. Aber deswegen nach Alexandria?"


    Ich blickte sie neugierig an. Sie war ganz anders als ihre Schwester.


    "Den Besitzer kenne ich nicht. Ich habe nur von ihm gehört. Er lebt, so sagt man sich, auch in Rom, vermutlich hat er Tarraco nie gesehen. Aber wer weiß das schon..."


    Ich warf einen Blick auf den Sklaven.


    "Wollen wir bestellen? Weißt Du schon, was Du möchtest?"

    Auch mir stiegen die Düfte in die Nase und ich blickte zu einem Tischchen hinüber, auf dem die köstlichsten Meeresfrüchte ausgebreitet waren. Ein Römer griff beherzt danach und ließ es sich schmecken.


    "Oh, Tarraco hat sich in den letzten Jahren auch stark verändert. Der Proconsul Decimus Lucidus, vormals ein Tiberier, hat der Stadt ein neues Bild gegeben und Wohlstand hierher gebracht. Der Handel hat sich seitdem beinahe verdoppelt, und die Geschäfte florieren. Der Besitzer dieser Gaststätte, eine römischer Gourmet, hat meines Wissens weitere Geschäfte dieser Art nur noch in Rom selbst und in Alexandria..."


    Ich wollte sie jedoch mit meinen Geschichten nicht langweilen und winkte nach einem Sklaven. Dieser führte uns zu unserem Tisch.


    "Ähm, verzeih dass ich frage, doch isst Du lieber aus dem Korbstuhl, oder möchtest Du eine Kliene? Sie bieten Dir hier beides an..."

    Es traf sich gut, dass ich ihren Geschmack offensichtlich getroffen hatte.


    "Wenn das so ist, dann habe ich ja die richtige Küche erraten..."


    Ich lächelte sie an und wies ihr mit einer Handbewegung den Weg.


    "Erst einmal hier entlang. Draussen übernehme dann ich die Führung, und im Nu sind wir dort. Aber was sage ich, Du wirst Dich in Tarraco ja ebenfalls auskennen..."


    Ich musste lachen, ob meiner Torheit. Wollte ich, der ich aus Rom kam, ihr, die sie aus Tarraco stammte, die Heimat erklären? Es war als wollte man Alexander das Siegen lehren...

    Sie hatte jede Menge Elan und stand im Nu an der Türe.


    "Das trifft sich gut. Sie haben heute 'Tag des Meeres', wie eigentlich fast jeden Tag..."


    ich lachte und setzte hinzu


    "Den Fisch jedenfalls kann man empfehlen, und die Meeresfrüchte erst sind vorzügich. Man fndet in ganz Tarraco keine bessere Qualität und ich habe bereits zwei Klinen reservieren lassen..."

    Gegen Mittag trat ich fröhlich pfeifend an das Buro der Decima Lucilla und klopfte zweimal kurz an. Ich öffnete die Türe leicht und steckte meinen Kopf durch den Spalt.


    "Salve Decima! Bist Du soweit?"


    Ich jedenfalls war es, mein Magen knurrte schon und ich wusste heute mittag würde es drüben in der Gaststätte auf dem Forum den besten Fisch geben...

    Sie sagte mir zu. Heute schien wirklich ein guter Tag zu werden.


    "Sehr schön! Dann werde ich Dich hier abholen, einverstanden?"


    Ich lächelte sie an und erhob mich dann. Es war mir schon fast peinlich, dass ich mich auf die Tischplatte gesetzt hatte. Das ganze wirkte zu penetrant, zu aufdringlich, römisch. ( ;) )


    An der Türe angekommen, drehte ich mich noch einmal um und warf einen Blick zurück bevor ich hinaustrat.


    "Es war mir eine Ehre und ein Vergnügen Dich kennengelernt zu haben. Der Briefverkehr in meinem Büro wird mit Sicherheit gewaltig anwachsen..."


    Ich lachte tief aus meinem Herzen heraus und trat heiter nach draussen.

    Ich lachte.


    "Nun, das alles war auch vor meiner Zeit. Mein Vorgänger konnte schon nichts mehr aus ihm rausquetschen, und wir werden ihn sicher auch nicht mehr zum Reden bringen..."


    :D


    Dann erhob ich mich.


    "So, aber jetzt wird ein bisschen was geschafft. Ich schlage vor, Du besuchst ersteinmal die Wache und machst Dich mit Deinen Männern vertraut. Wir haben pro Schicht zweimal achzig Mann. Mehr ist leider nicht drin..."

    "In Rom?"


    Interessiert blickte ich sie an.


    "Ich selbst komme auch aus Rom. Verbrachte dort meine Kindheit und meine Jugend, ehe ich dann beschloss - irgendwann - etwas vernünftiges aus meinem Leben zu machen. In Rom selbst ist das ja eher ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man zwischen den Märkten und Arenen aufwächst, und nicht gerade eine Tante oder Großtante hat, die auf einen aufpasst..."


    Ich lächelte als ich das Wort "Großtante" aussprach.


    "Es freut mich jedenfalls, dass Du den Weg nach Tarraco gefunden hast. Es wäre zu schade gewesen, wenn dieses Juwel weiterhin versteckt geblieben wäre..."


    Ich hoffte, dass ihr das Kompliment nicht unangenehm sein würde...


    "Hast Du heute Mittag schon etwas vor? Dein Schreibtisch stöhnt nicht gerade auf vor Arbeit und neben dem Forum gibt es eine vorzügliche Gaststätte..."

    "Ach das Attentat..."


    Ich dachte kurz nach, wieviel davon mein neuer Centurio wissen musste.


    "Ich selbst weiß auch nicht mehr, als dass es eben ein Attentat gab, der vorherige Proconsul an der Wange verletzt und der Attentäter von dem Tribunen Praetorianus getötet wurde. Wer dahinter steht, ein großes Fragezeichen. Jedoch ist sicher, dass der Attentäter geschickt wurde, und er führte ein Zeichen mit sich, das Zeichen der Patrizier, was immer das bedeuten soll, wenn es etwas bedeutet."


    Ich hielt kurz inne und versuchte nichts durcheinander zu bringen.


    "Der neue Legatus Augusti Pro Preatore jedenfalls hat mich gleich am ersten Tag angewiesen, diesen Fall aufzuklären und die Hintermänner zu finden."


    Ich lachte.


    "Ich denke, das wird eine Weile dauern."

    "Resignation? Mitnichten!"


    Ich lachte.


    "Unsere Arbeit wird immer vergleichbar sein mit der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Ich habe einen Fall, das Attentat auf den vorherigen Proconsul, da ist die Nadel so klein wie eine Nussschale im Ozean, und der Heuhaufen so groß wie das Römische Imperium. Der Attentäter tot, und als Indiz nichts weiter als ein Fetzen Papier..."


    Ich neigte mich nach vorne.


    "Was ich damit sagen will, wenn Du hierher gekommen bist, um Wunder zu bewirken, dann bist Du falsch. Gib Dein Bestes, und hoffe auf Dein Glück, dann wird die Arbeit gelingen. Aber erwarte nicht das Unmögliche. Und drück hin und wieder auch ein Auge zu. Die kleinen Fische müssen hin und wieder "entwischen", damit sie Dir sagen können, wo sich die großen "Haie" befinden..."

    Sie lachte, und die Art wie sie lachte, gefiel mir. Sie gefiel mir überhaupt, stellte ich fest.


    "Nun, in diesem Fall muss ich mich bei Deinem Bruder bedanken, dass er meinen Hilfeschrei erhört hat und mir diesen Posten angeboten hat."


    Ich lächelte und sah sie freundlich an.


    "Du bist eine Decima. Wo hatte Dich Dein Bruder bisher versteckt? Und wer hat Dich rausgelassen?"


    ( ;) )