Beiträge von Flavius Prudentius Balbus

    "Vorsichtiger?"


    Ich blickte meinen Onkel an.


    "Ach was soll es. Wir müssen die Sache realistisch betrachten. Die Schmuggler verdienen ein Vermögen. Der Sold eines Angehörigen der Stadtwache ist dagegen ein Taschengeld. Wir beide verdienen nicht schlecht, aber die da unten... Es ist kein Geheimnis, dass viele von ihnen einen Nebenverdienst haben, wer kann es ihnen verdenken. Die einzige realistische Chance die wir haben ist, dass ihre Informationen unbrauchbarer und unzuverlässiger werden. Irgendwann wird keiner mehr etwas darauf geben, und wir bekommen mit der Zeit heraus, auf wen wir uns verlassen können, und auf wen nicht."


    Ich lehnte mich wieder zurück und machte eine lässige Handbewegung.


    "Weißt Du wie viele Schiffe jeden Tag an- und ablegen? Ich bräuchte eine ganze Legion, wenn ich alle durchsuchen wollte. Jedoch ist der Hafen nicht alles. Hinzu kommen die Strassen, die Lagerhäuser, der Markt, die Tavernen, die Tore und Stadtmauern, und die Schnellstraße..."

    Ich schmunzelte.


    "Ach der Hafen. Das machen wir erst morgen. Ich habe es allerdings in Umlauf gegeben, dass es heute sein würde. Das spricht sich bei aller Geheimniskrämerei immer sofort rum, ergo werden die Schmuggler heute alles von ihren Schiffen schaffen, weil sie uns erwarten. Statt dessen schlagen wir erst morgen zu, wenn sich die Anspannung wieder abbaut. Und die, die heute schon absegeln, was solls, wir können eh nicht alle Schiffe untersuchen. Und zu viele Berichte schreiben ist auch nicht das Wahre..."


    Ich blickte ihn an und versuchte abzuschätzen wie er reagierte.

    Ich lächelte ebenfalls. Sie war nicht nur clever und schön, sondern hatte auch Witz.


    "Das freut mich zu hören. Ich hätte den Centurio von vorhin ungern verhaften lassen... Obwohl, wenn ich es so bedenke, er hatte etwas... wenn ich nur wüsste was es war, das geradezu danach schrie verhaftet zu werden."


    Ich lachte und atmete dann tief durch. Mit ihr Scherze zu reissen war gerade so, als ob Tertia anwesend war.


    "Ich bin jedenfalls von Deinem Pflichtbewusstsein überzeugt, diese Kostprobe Deines Könnens wird alle Feinde Roms in Angst und Schrecken versetzen..."

    "Ja, passt schon."


    Ich musste ebenfalls lachen. Dann lehnte ich mich zurück.


    "Als Centurio Statorum machst Du sozusagen die Drecksarbeit. Du hast das Kommando über die Stadtwachen und alle Truppen, die ich von der Legion, den Hilfstruppen, oder der Flotte anfordere. Du arbeitest in Uniform, aber auch in Zivil. Du erledigst alle Polizeiaufgaben, die tagtäglich anfallen, bis auf eine Ausnahme. Die Bewachung des Legatus Augusti liegt voll und ganz im Bereich der Legion. Und da bin ich auch ganz froh darüber. Wir haben mit den normalen Aufgaben schon genung zu tun.


    Warst Du schon auf der Wache?"

    Ich nickte mit dem Kopf. Sie schien recht clever.


    "Fabia Marciana? In der Tat, ich habe schon von ihr gehört. Doch ich fürchte diese Variante fällt leider aus."


    Ich blickte sie an und musterte ihr Gesicht. Sie hatte doch eine gewisse Ähnlichkeit mit Tertia, zumindest die Augen waren ebenso temperamentvoll. Das Gesicht dagegen war ein ganz anderes.


    "Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn Du in Zukunft alles Verdächtige kopieren und mir zukommen lassen würdest. Wer weiß, vielleicht findet sich ja doch noch etwas. Wer einmal zu einer Verschwörung neigt, tut es vielleicht auch ein zweites mal..."

    Ich trat etwas näher und setzte mich auf die Tischplatte.


    "Ich ermittle in dem Attentatsfall auf den vorherigen Proconsul von Hispania, der - die Vorsehungen der Götter sind manchmal unergründlich - dein Adoptivbruder ist. Jupiter sei gedankt, dass er noch lebt. Jedoch, der Attentäter selbst kam bei dem Anschlag ums Leben und konnte folglich nicht mehr reden."


    Ich war eloquent - warum wusste ich selbst nicht - und fuhr gleich fort.


    "Es gibt jedoch Grund zu der Annahme, dass es zu dem Anschlag auf jeden Fall Hintermänner gab, Hintermänner, die aus höheren Kreisen kommen, Patrizier vielleicht, Honoratoren unter Umständen, vielleicht sogar ehemalige oder aktive Senatoren, Geschäftsleute, egal, Menschen die jedenfalls Profit hätten daraus schlagen können, wenn das Attentat gelingt."


    Ich blickte sie an.


    "Mir fehlen jedoch die Zeugen. Doch - vielleicht spricht ja das Papier, und das Papier muss durch dieses Büro, wenn Du verstehst, was ich meine..."

    Der Barbier vollendete gerade die Rasur und behandelte meine Haut mit einem wunderbar duftenden Öl, als ich einen Priester an einen Stand treten sah. Ich nickte dankbar mit dem Kopf, bezahlte die offenstehende Rechnung und gab darüberhinaus ein Trinkgeld, und erhob mich. Zu dem Priester tretend räusperte ich mich.


    "Salve, Popa. Ein schöner Tag, zum Einkaufen, nicht wahr?"


    Dass er ein Priester war konnte man unschwer an der Kleidung erkennen.

    Ich schlendete weiter und sah mir auch noch die anderen Stände an. Jetzt nachdem die Truppen des Sertorius bei Septimanca eine vernichtende Niederlage erlitten hatten, kam der Handel auch auf den Straßen wieder ins Rollen. Der Frühling und das ausgesprochen gute Wetter taten ihr übriges. Die Geschäfte in Tarraco florierten und überall waren die Händler guter Dinge.


    Bei einem Straßenbarbier angekommen setzte ich mich. Die Geschäfte der Decima schienen auch wieder anzulaufen, Decimus Mattiacus hatte einen zweiten Sklaven angeschaft und den Betrieb ausgebaut. Ich verlangte eine Rasur und lehnte mich entspannt zurück. Das parfümierte Öl tat meiner Haut gut und die Geschichten, die man zu hören bekam, waren nicht selten wichtige Informationen.


    Wer wo mit wem etwas angefangen haben soll... Tochter des Senators mit dem Sohn des Sklavenhändlers... Ein blutiger Streit im Hause der Brusci... Ein entflohener Sklave beim Gewürzhändler... Eine einflussreiche Römerin, welche in den Bordellen ein und ausginge... Es klang mehr und mehr gerade so, als befände man sich in Rom und nicht in der Provinz...

    Es war früh am Morgen als ich mit acht Mann der Stadtwache in zivil auf dem Markt eintraf. Wir verstreuten und unauffällig unter die Marktarbeiter und in dem Kommen und Gehen von Trägern, Packern, Viehtreibern, Händlern, Dienern, Mägden und Sklaven fielen wir nicht weiter auf. Ich sah mich ein wenig um, unter den ersten Kunden waren die Bediensteten der reichen Herrenhäuser von Tarraco.


    Der Markstand am Ende des Forums fiel mir gleich auf. Gestern hatte er dort noch nicht gestanden und das Gesicht des Verkäufers war mir neu. Er schien ein Mann aus Nordafrika zu sein, ich trat näher um mir das Ganze etwas genauer anzusehen, vor allem die Waren interessierten mich.


    "Was verkaufst Du?"


    fragte ich ihn als ich seinen Stand erreichte und als Kunde ausgab.


    "Stoffe und Tücher"


    antwortete er mit einem afrikanischen Akzent.


    Wie ich im Laufe des Gesprächs feststellte, gab er sich als Alexandriner aus, der teure Stoffe aus Ägypten verkaufen würde, die Qualität seiner Ware überzeugte mich jedoch nicht. Was ich vor mir auf dem Boden ausgebreitet liegen sah, waren eher durchschnittliche Stoffe, wie sie auf den Trajansmärkten höchstens unter Ramsch verkauft worden wären. Irgendetwas stimmte hier nicht.


    Ich beschloss also den Stand von einem Agenten bewachen zu lassen. Sollte sich etwas Verdächtiges ergeben, würden wir zuschlagen und alles auseinandernehmen.

    "Nein, er war nicht in der Legion. Er war Optio bei der Flotte und zuständig für die militärische Ausbildung der Soldaten..."


    Ich nahm einen tiefen Schluck und ließ den Tropfen genüßlich auf meinem Gaumen tanzen.


    "Nunja, wie auch immer, machen wir mal das Beste daraus. Ich denke er wird seine Sache schon gut machen, wir Prudentier sind zwar nicht die hellsten, aber man kann mit uns rechnen."


    Ich lachte und leerte meinen Becher. Dann stellte ich ihn wieder auf den Tisch, winkte den Wirt her und bezahlte großzügig, so dass er sich demutsvoll bedankte und mir den besten Tag aller Tage wünschte.


    "Mach es mal gut, Bruder! Ich hab noch einiges zu erledigen. Man sieht sich!"


    Ich erhob mich, nickte ihm noch einmal zu und verließ die Taverne.

    Ich musste grinsen.


    "Unser werter Onkel. Er wurde zum Centurio Statorum ernannt. Zunächst war ich natürlich sauer, man hätte mich immerhin fragen können, dann jedoch dachte ich mir, dass ich mir einen Scherz erlauben könnte. Ich gab mich nicht zu erkennen und ließ ihn im Unklaren, selbst dann noch, als er das Büro wieder verließ."

    "Oh nein..."


    ich beugte mich gleichfalls flüsternd nach vorne und warf einen Seitenblick auf die Dame hinter ihrem Schreibtisch.


    "Decima Lucilla, die Schwester des Maximus Decimus Meridius. Eine unvergleichliche Schönheit, wie ihre Schwester..."


    Ich lächelte etwas und fuhr dann lauter fort:


    "Der Legatus Augusti Pro Praetore ist in Rom und ich habe keine Ahnung, wann sie wieder kommt. Ich hoffe jedoch, dass es bald sein wird. Oder weiß man bei der Post vielleicht was neues?"


    Ich wandte mich an die Dame hinter dem Schreibtisch.

    "Da magst Du Recht haben."


    Ich bestellte noch zwei weitere Kannen Wein und lehnte mich dann zurück. Es war lange her, seitdem ich das letzte mal mit meinem Bruder einen trinken gegangen war.


    "Weißt Du wer heute in meinem Büro war?"

    Ich nickte mit dem Kopf.


    "Nunja, Hauptsache Du bist gesund und lebst."


    Wieder nahm ich einen Schluck.


    "Komischerweise habe ich während meiner Zeit bei der Legion alle Einsätze verpasst. Ich war entweder auf Übungsmärschen, oder aber mit anderen Aufgaben betraut. Was soll es, ich bin nicht so scharf darauf eine Hand, oder einen Fuss zu verlieren. Ich meine, ein Krüppel, welche Aussichten hat er noch? Und was willst Du mit einer Frau anfangen, wenn Du sie nichtmal mehr anfassen kannst?"


    Ich lachte und leerte den Becher vollends. Dann blickte ich zu meinem Bruder.


    "Soll ich noch zwei Kannen bestellen?"