Gallia Narbonensis

Aus Theoria Romana
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Lage und Geografie

Gallia Narbonensis war eine römische Provinz im heutigen Südfrankreich, die sich entlang der Mittelmeerküste zwischen Alpes montes (Alpen) und Pyrenaei montes (Pyrenäen), landeinwärts bis zum Oberlauf der Garunna (Garonne), den Cebenna montes (Cevennen) und das Tal des Rhodanus (Rhône) hinauf bis zum Lacus Lemanus (Genfersee) erstreckte. Die Bezeichnung als Provinz führte dazu, dass ein Teil der Landschaft noch heute Provence genannt wird.

Vorrömische Geschichte

Die nordwestliche Mittelmeerküste wurde von ligurischen Stämmen besiedelt, bevor um 600 v. Chr. griechische Siedler aus Phokaia auf einer Halbinsel im Stammesgebiet der Salyer die Stadt Massilia (heute Marseille) gründeten. Die Stadt entwickelte sich rasch zu einem bedeutenden Handelszentrum und innerhalb weniger Generationen entstanden weitere griechische Siedlungen und Handelsposten entlang der nordwestlichen Mittelmeerküste.

Da die Siedlungen über kein nennenswertes Hinterland verfügten und ihr wirtschaftliche Erfolg daher vom Seehandel abhing, gingen sie bald enge Bündnisse mit Rom ein, das ein Gegengewicht zur Seemacht Karthago bildete und bei Überfällen keltischer oder ligurischer Stämme von der Landseite Waffenhilfe leistete. Spätestens seit dem zweiten Punischen Krieg waren die Bündnisse auch in Roms direkten Interesse, um einen Landweg von Italia nach Hispania zu sichern. 154 v. Chr. führte dies beispielsweise zu einem massiven Eingreifen römischer Truppen gegen die Oyxbier und Dekieten, die die Küstenstraße zwischen Nikaia (heute Nizza) und Massilia unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Trotzdem wurde das Land nicht römisch besetzt, sondern wieder unter die Kontrolle Massilias gestellt.

135 v. Chr. waren es dann die Salyer in unmittelbarer Nachbarschaft Massilias, die die Stadt bedrohten. Eine erste Expedition unter Marcus Fulvius Flaccus brachte noch nicht den gewünschten erfolg, so dass 124 v. Chr. der consul Caius Sextius Calvinus entsandt wurde. Er nutzte den Auftrag, um neben den Salyern auch die Vokontier zu besiegen große Teile des Landes zu erobern, und kehrte 123 v. Chr. mit einem Triumphzug nach Rom zurück. Unter anderem hatte er Entremont, den Hauptort der Salyer, erobert und am Fuße der zerstörten Bergfestung die Stadt Aquae Sextiae Saluviorum (heute Aix-en-Provence) gegründet. In den folgenden zwei Jahren wurden unter Gnaeus Domitius Ahenobarbus und Quintus Fabius Maximus die Allobroger am Oberlauf des Rhodanus sowie die benachbarten Arverner geschlagen. Als Ergebnis wurde die Provinz Gallia ulterior, das "entferntere Gallien" (das später nur noch Gallia hieß) im Gegensatz zu Gallia citerior, dem "näheren Gallia" in Norditalien (auch Gallia cisalpina genannt) eingerichtet.

Römische Geschichte

Hauptstadt wurde zunächst Aquae Sextiae, in der Quintus Fabius Maximus von 120 bis 117 v. Chr. als proconsul im Range eines ehemaligen praetors residierte, während Gnaeus Domitius Ahenobarbus das Gebiet westlich des Rhodanus in Richtung Hispania unterwarf. 118 v. Chr. gegründete er Narbo Martius (heute Narbonne) im Südwesten der Provinz und begann mit dem Bau der via Domitia, die vom Rhodanus nach Narbo Martius führte und dort Anschluss an die via Augusta nach Hispania bot.

Zwischen 109 und 102 v. Chr. litt die Provinz erheblich unter dem Durchzug der Kimbern und Teutonen, denen sich weitere Stämme anschlossen und die mehrere römische Heere vernichtend schlugen. Erst 102 v. Chr. konnten sie von Caius Marius vernichtend geschlagen werden. Es schlossen sich weitere lokale Aufstände an, die erst ab 58 v. Chr. durch die Statthalterschaft von Gaius Iulius Caesar endsgültig beruhigt werden konnten. Zwar stellte sich Massilia 49 v. Chr. auf die Seite von Caesars Gegner Gnaeus Pompeius Magnus, der selber auch einmal Statthalter der Provinz gewesen war, wurde aber von Caesar besiegt.

Unter Augustus wurde die Provinz 27 v. Chr. in Gallia Narbonensis umbenannt. Zu weiteren politischen oder kriegerschen Einschnitten kam es dann erst im 3. Jh. n. Chr., als germanische Verbände in der Provinz einfielen. Durch die Verwaltungsreform des Diokletian wurde Gallia Narbonensis in Narbonensis prima umbenannt und um seinen östlichen Teil verkleinert, der nach seiner neuen Hauptstadt Vienna (heute Vienne) den Namen Viennensis (statt Narbonensis secunda) bekam. Beide wurden der dioecesis Viennensis zugeteilt.

Im Jahr 418 n. Chr. gründeten die Westgoten im Westen der Provinz das Reich von Tolosa (heute Toulouse), während der Norden und Osten an die Burgunder und Ostgoten fiel.

Wirtschaftliche und strategische Bedeutung

Nicht nur aufgrund der frühen Besiedlung durch griechische Kolonisten hatte die Provinz früh eine bedeutende wirtschaftlicher und strategische Rollen inne, denn die Herrschaft über die Provinz hatte für die Römer eine Reihe von Vorteilen: Sie garantierte die Kontrolle des Landwegs auf die Iberische Halbinsel, bildete einen Puffer gegen die Angriffe gallischer Stämme und ermöglichte die Kontrolle über den Handel im Tal der Rhône. Seit spätaugusteischer Zeit verfügt die Provinz über ein sehr gut ausgebauters Straßennetz und zahlreiche Seehäfen, zu denen neben Massilia und Narbo Martius auch Arelas (heute Arles) und das von Caesar gegründete Forum Iulii (heute Frejus) gehörten.

Handelsgüter waren ausschließlich landwirtschaftliche Produkte, insbesondere Wein, Öl, Obst, Käse, Fisch und zeitweise auch Weizen. Besondere Bedeutung und Berühmtheit erlangte jedoch die Produktion von terra sigilata, die um Christi Geburt von Italia her eingeführt wurde. Schon unter Tiberius hatten jedoch Produzenten aus Gallia Narbonnensis den gallisch-germanischen Markt völlig unter ihre Kontrolle gebracht.

Literatur:
Lexikon
Tilmann Bechert, Die Provinzen des römischen Reiches, Mainz, 1999