• Die gute Laune verfliegt innerhalb eines Wimpernschlages. Wieder kommt Lucilla die Szene in Tarraco in den Sinn.


    "Warum fragst du, wenn du es nicht hören willst, Meridius? Es sollte dir doch klar sein, dass ich meine Zeit mit ihm verbringe." Nachdem ihr Bruder schon wieder in so einer seltsamen Laune ist, bereut Lucilla, dass sie Avarus am Vortag noch zum Essen eingeladen hat. Doch nun ist es zu spät, noch etwas daran zu ändern und sie hofft nur, dass nicht wieder alles eskaliert.


    "Ich habe ihn übrigens zum Essen eingeladen, so wie ich es dir vorgeschlagen habe. Damit ihr euch endlich kennen lernen könnt, so wie du es möchtest. Er müsste jeden Moment eintreffen" Sie seufzt. "Allerdings wird es mit dem Essen noch etwas dauern, ich habe die Köchin angewiesen Stockfisch mit schwarzen Oliven auf säuerlichem Lauch zu bereiten, aber sie scheint ihre Probleme damit zu haben. Ich hoffe nur, sie lässt die übrigen Sachen darüber nicht kalt werden."

  • Meridius blickte zu seiner Schwester.


    "Ich hab richtig gehört? Avarus kommt hierher?
    Heute? Unmittelbar nachher?"


    Er sah zu Maior.


    "Ich hätte nicht gedacht, dass er es noch wagt."

  • Lucilla kneift die Augen zusammen und blickt zwischen ihren Brüdern hin und her. Irgendetwas geht in diesem Raum vor, doch sie ist sich nicht sicher, was es ist. Ob Meridius von Tarraco erzählt hat?


    "Dass er was wagt? Was soll das, Meridius? Hast du mir nicht gesagt, dass du Wert darauf legst, mit ihm zu sprechen? Warum könnt ihr nicht endlich von eurem hohen Ross herunter kommen? Alle beide! Wieso kannst du nicht mein Bruder sein und er mein Mann?" Sie blickt Meridius verzweifelt an.

  • Meridius blickte seine Schwester an.


    "Bis gestern legte ich darauf Wert, mit ihm zu sprechen. Das ist vollkommen richtig. Ich hätte mich dazu überwunden und ihn in der Casa Decima willkommen geheißen.


    Doch ich gehe davon aus, dass er Dir sicher nicht erzählte, dass er gestern im Senat in Anwesenheit des Imperators, die Loyalität Deines Bruders, Deines Cousins Livianus, Deines Cousins Magnus, und unserer Familie in Frage stellte und die Diskussion beginnen wollte, in wieweit unsere Familie eine Gefahr für das Imperium und das Leben des Imperators bedeutet.


    Er äusserte wiederholt BERECHTIGTE ZWEIFEL und sah sich in BERECHTIGTER SORGE. Direkter kann man die Ehre einer Familie wohl kaum angreifen."


    Er blickte Lucilla an.


    "Ich jedenfalls werde ein Verbindung mit einem Mann, der die Ehre unserer Familie im Senat beschmutzt, nicht dulden und nicht unterstützen. Erst hat er sich die Nota Censoria erarbeitet, mit seinen schamlosen Aussagen über die Götter, und jetzt arbeitet er im Senat gegen die ganze Familie.


    Ich weiß nicht, was diesen Mann umtreibt, Lucilla, aber er wird dieses Haus nicht mehr betreten. Er wird überhaupt kein Haus der Decima mehr betreten.


    Nicht nur dass er meine Loyalität gegenüber dem Kaiser anzweifelt - und die Götter wissen, wieviele Wunden ich mir gehohlt habe, die Götter wissen, dass unser Vater in Germanien gefallen ist, ebenso wie Proximus, sie wissen dass Praetorianus in Uttarae sein Leben ließ - er beleidigt auch noch die ganze Familie.


    Ich kann verstehen, wenn er vielleicht schlecht über MICH redet, aber dass er Livianus, Magnus und die anderen mit hineinzieht, geht zu weit. Deine Cousins sollen Verräter sein? Ich bitte Dich! Wir haben alle an der Front gekämpft!


    WO WAR ER? Er lebte auf Kosten eines Sedulus, war nie bei den Truppen, ließ sich durch die Klienten und Freunde des Sedulus in seine Ämter wählen und reißt nun die Klappe auf! Und erdreitstet sich dann, mich im Senat als Bauern zu bezeichnen, der wieder in die Provinz zurück soll, aus der er kommt? Aus welchem Wald kam denn er gekrochen? Hat ihm Sedulus nicht alles ermöglicht? Was hat er selbst geleistet, ausser die Götter und Senatoren zu beleidigen?"


    Meridius hielt inne.


    "Diese Schlange kommt nicht in mein Haus.
    Und in dieses ebenfalls nicht."

  • Mit jedem Wort, das aus Meridius Mund kommt, weicht etwas mehr Farbe aus Lucillas Gesicht. Seine Worte brechen über sie herein, wie die Asche des Vesuv einst über Pompeji hereingeborchen ist. Und genauso hilflos, wie die dortigen Bewohner blickt sie ihn einfach nur an. Mit jedem Wort scheint sie ein Stück weiter in ihrem Sessel zu versinken, bis sie schließlich wie ein kleines Häufchen Elend darin sitzt.


    "Das ist nicht wahr..." flüstert sie tonlos, weiß jedoch im gleichen Augenblick, dass eben dies nicht wahr ist. Auch wenn es zwischen Meridius und Avarus Differenzen gibt, Meridius würde sie nie in solch einer Weise anlügen. Lucilla presst die Lippen aufeinander und fängt unmerklich an zu zittern. Von einem Augenblick auf den anderen, weiß sie nicht mehr ein noch aus, von einem Augenblick auf den anderen bricht das gesamte Bild ihrer Zukunft zusammen, welches sie in den letzten Wochen aufgebaut hat.


    "Aber ich bin doch auch eine Decima." Ein Träne kullert Lucillas Wange hinab und bleibt an ihrem Kinn hängen. Sie wischt sie mit einer unbedachten Handbewegung fort, doch da kullert schon die nächste Träne hinab. Ihr ist kalt und es kommt ihr vor, als würde ihr jemand die Kehle zudrücken. Wie konnte er das nur tun? "Ich werde die Verlobung lösen..." Sie hebt die Hände vors Gesicht, um ihr Schluchzen zu verbergen.

  • Als Meridius geendet hatte, blickte er zu Lucilla. Sie war in ein Häufchen Elend zusammengesackt. Unschlüssig lag er da. Wusste nicht was tun. Wollte sich abwenden, wollte den Raum verlassen, tat es aber nicht. Er blickte zu Maior, dann zu seiner Schwester, die Worte welche sie kleinlaut sprach überhörte er. Dann erhob er sich, streckte seine Hand aus, wollte sie berühren, trösten, in den Arme nehmen, denn was konnte sie schon dafür...


    Er zog die Hand wieder zurück.


    "Lucilla, Schwester..."


    Er räusperte sich.


    "Es tut mir leid."

  • Lucilla schüttelt ungläubig den Kopf und schluchzt weiter. Sie hatte geglaubt endlich den Mann gefunden zu haben, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen würde. Was kümmert sie schon die Nota Censoria, was kümmert sie der politische Zwist zwischen Germanica und Decima, wenn er sie nur liebt? Doch wie kann er sie lieben, wenn er sie gleichzeitig hasst für das, was sie ist, für das, was sie immer sein würde? Wie kann er gegen ihre Familie gehen, die Familie, von der sie doch auch ein Teil ist?


    Zwischen zwei Schluchzern wird ihr klar, dass ihre ganze Welt damit zusammen gestürzt ist. Avarus, Rom, ihre eigene Familie, Kinder, die Zukunft - mit einem mal tut sich ein gewaltiges Loch auf, in dem alles verschwindet. Und Lucilla wünscht sich, ebenfalls darin verschwinden zu können. Aus ihrem Schluchzen wird ein ersticktes Keuchen, als ihr bewusst wird, dass sie an Großtante Drussillas Worte über den Tod denkt. Bevor sie am Alter sterben würde, hatte ihr Drusilla gesagt, würde sie ein letztes Mal durch Rom ziehen, ein letztes Mal die süßen Trauben des Lebens genießen, in der Menge schwimmen und hinauf aufs Kapitol gehen. Sie würde den Göttern opfern und einmal in ihrem Leben frei von jeglichen Zwängen handeln. Natürlich war Großtante Drusilla schon immer ein wenig exzentrisch gewesen, doch im Grunde hatte sie Recht. Es wäre die einzige Entscheidung frei von jeglichen Zwängen.


    Lucilla wischt sich die Tränen vom Gesicht und steht zitternd auf. Ihr Blick ist auf den Boden gesenkt, sie könnte keinem ihrer Bürder in die Augen schauen. "Entschuldigt mich, bitte." Ihre Stimme ist kaum zu hören, und sie wendet sich ohne ein weiteres Wort ab.



    /edit: zwei Anläufe für die Entfernung eines Umbruchs...

  • Meridius blickte sie erschrocken an.


    "Lucilla..."


    Er sah zu Maior, dann wieder zu Lucilla. Sie wandte sich ab.


    "Lucilla. Du weißt dass es mir leid tut.
    Ich wollte nie, dass es so weit kommen würde..."


    Er ging auf sie zu. Streckte seinen Arm aus und zog ihn diesmal nicht zurück.

  • Lucilla hällt inne und schnieft. "Als wäre es nicht das, was du wolltest. Was ihr alle wolltet..." Nur wieso müssen sie alle Recht behalten? Wie konnte sie nur so naiv sein? Wie konnte sie sich so sehr in einem Menschen täuschen? Sie weiß es nicht, sie weiß überhaupt nichts mehr. In ihrem Kopf breitet sich eine gewaltige Dunkelheit aus, die jegliches Nachdenken unterbindet.


    "Ich werde Rom verlassen..." Ihre Stimme versagt, noch bevor sie weiß, wie es weitergehen soll. Doch Rom würde ihr unmöglich sein. Alles würde sie nur an Avarus erinnern. Die Arbeit, das Amphitheater, die Märkte, jede Sänfte, jeder Liktor. Alles würde ihr unerträglich sein, alles würde ihr Herz nur wieder und wieder zerbrechen lassen.

  • Meridius erreichte sie und umarmte sie, wie er sie in der Kindheit schon hundertemale umarmt hatte. Nur, dass sie in der Zwischenzeit eine erwachsene Frau geworden war. Eine intelligente und schöne Frau, welche vor der Zukunft keine Angst haben musste.


    "Ach Schwester..."


    Er zog sie an sich. Was sollte er ihr sagen?

  • Tarraco wäre unmöglich. Dort war Avarus zum ersten Mal in ihr Leben getreten, in ihr Officium und in ihr Herz. Germania fällt ebenso weg. Wie könnte sie in Germania leben ohne an ihn denken zu müssen? Wieso hat er das nur getan? Sie wäre mit ihm bis hinter den Limes gezogen, wenn es hätte sein müssen, wieso kann er da nicht einfach ihre Familie ignorieren. Lucilla weiß, dass es nie leicht wäre, eine Decima zu heiraten, doch wieso hätten sie nicht einfach heiraten und alle Familien vergessen können? Germanica, Decima, einfach vergessen, und nur Medicus und Lucilla sein.


    Vergessen, dies ist es, was Lucilla sich am meisten wünscht. Ihre Familie vergessen, Avarus vergessen, die Liebe vergessen, die in ihrem Herzen nicht weiß, wo sie hin soll. Rom vergessen, Tarraco vergessen, Germania vergessen, ihr Leben vergessen, im Vergessen versinken, bis selbst das Vergessen vergessen ist.


    Sie drückt Meridius von sich und schüttelt traurig den Kopf. Auf einmal fühlt sie sich unendlich müde. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als sich irgendwo zu verkriechen, eine Decke über den Kopf zu ziehen und so lange auszuharren, bis sie alles vergessen hat.


    "Lasst euch nicht vom Essen abhalten. Ich habe keinen Hunger mehr." Sie dreht sich weg und verlässt das Triclinium.

  • Meridius wollte ihr nachlaufen, sah aber ein, dass es keinen Sinn machen würde. Er kannte seine Schwester zu gut. Wenn sie allein sein wollte, musste man sie alleine lassen. Mit einem schalem Geschmack auf der Zunge, noch immer von der Szene überwältigt, drehte er sich wieder zu Maior und sah diesen nur sprachlos an.

  • Nachdem Lucilla das Triclinium betrat, hatte ich sie begrüßt und mir dann schweigend die Szene betrachtet, die sich vor meinen Augen abgespielt hatte.
    Obwohl schon etwas von den Verleumdungen des Consuls an meine Ohren gedrungen war, war ich erschüttert zu hören, was Meridius zu sagen hatte.
    Für Lucillas Reaktion hatte ich vollstes Verständnis, sie hatte Pläne für die Zukunft mit ihm gehabt und nun brach das alles in einem Mal inneinander zusammen. Ich sah ihr hinterher, wie sie das Triclinium verließ und wandte mich wieder zu Meridius, der mich schweigend ansah.
    Schließlich brach ich dieses, wenn auch eher nüchtern:



    Was gedenkst du zu tun Meridius? Können wir das einfach so auf uns sitzen lassen?

  • "Was soll ich tun, Bruder?"


    Meridius blickte Maior an.


    "Meine Schwester ist am Boden zerstört. Ich werde wegen Avarus keinen Finger krümmen. Er interessiert mich nicht. Ich trete mein Kommando in Germanien an und basta. Soll sich mit ihm herumschlagen wer will."


    Er schüttelte den Kopf.


    "Es wäre gut, wenn Du in Zukunft ein wenig Acht auf die Familie geben könntest. Ich traue ihm alles zu."

  • Natürlich werde ich das.
    Trotzdem begrüße ich es direkt nicht, wenn ihr alles weggeht. Und wenn Lucilla es ernst meint, als sie sagte sie wolle weg von Rom, werden Mattiacus und ich sehr einsam hier sein.


    Ich nahm einen Schluck aus meinem Becher.

  • Meridius zuckte mit der Schulter.


    "Ich weiß nicht wie es weitergeht.
    Wir können nur abwarten, bis Lucilla sich gefangen hat."


    Meridius überlegte, ob es noch Sinn machte zu speisen.


    "Was würdest Du an meiner Stelle tun?"

  • Darius war, nachdem die Herrin ohne Begleitung verschwunden war, ins Triclinium geeilt. Ein Sklave hatte ihm gesagt, dass dort die Herrn speisten. Vor der Tür blieb er noch einmal stehen. Sollte er es dem Herrn wirklich sagen? Schließlich klopfte er sachte an und öffnete danach langsam die Tür. Etwas verlegen sagte er: "Herr, die junge Herrin Lucilla verließ soeben ohne Begleitung das Haus." Er biss sich nervös auf die Unterlippe. "Ich wusste nicht, bei der Dunkelheit da draußen ..." Immer noch nervös wartete er eine Antwort ab. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Herr garnicht anwesend war, sondern nur der Pater Gentis.

  • Meridius blickte zu dem Sklaven.


    "Sie ist was? Aus dem Haus? Hat sie eine Nachricht hinterlassen? Hat sie etwas gesagt? In welche Richtung?"


    Wenn sie nichts gesagt hatte, war es unmöglich herauszubekommen, wohin sie wollte. Meridius dachte nach. Tante Drusilla? Sicher nicht. Tertia? Wäre möglich, aber nicht um diese Zeit. Avarus? Unwahrscheinlich, nach dem zerstörten Eindruck, den sie gegeben hatte. Wo konnte sie hingegangen sein?


    "Schick nach Ambrosius. Vielleicht weiß er was."


    Besorgt sah er zu Maior.

  • "Nein, keine Nachricht, Herr. Ich sah nur, dass aus dem Vestibulum heraustrat und nach rechts ging, Herr."
    Darius schwieg und schaute den Herrn an, der anscheinend nachdachte, wohin Lucilla hätte gegangen sein könne oder wieso oder worüber auch immer. Schließlich war er kein Gedankenleser. Oder schließlich war niemand ein Gedankenleser.
    "Sofort, Herr."
    Dann drehte er sich um und verließ das Triclinum. Er fragte nicht irgendjemand versuchte ihr zu folgen. Es war schließlich noch keine Minute her.

  • Dann fasste er einen Entschluss.


    "Ich werde sie suchen gehen. Mobilisiere Du die Sklaven.
    Sie sollen sie ebenfalls suchen..."


    Mit diesen Worten eilte er auf sein Zimmer um sich entsprechend zu kleiden und einen Mantel für die Nacht überzuwerfen.

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