• "Bitte setz dich doch." sagte Mattiacus und wies auf die Korbsesselgruppe in der Ecke des Atriums, welches er gerne nutzte, um Gäste zu empfangen.


    "Leider ist es mir nicht gelungen, die Richter davon zu überzeugen, Livianus vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freizusprechen. Das Verfahren hängt oder hing mit deiner Adoption von Promotus zusammen. Der Prätor, der die Adoption aufhob und gleichzeitig Vorsitzender des Strafverfahrens war, wollte sich meiner Einschätzung nach nicht die Blöße geben, einen Fehler einzugestehen. Denn hätte er Livianus freigesprochen, hätte er gleichzeitig damit zugeben müssen, dass sein Widerruf falsch war. Das wollte er wohl nicht. Und gegen verletzte Eitelkeiten ist kein Kraut gewachsen." Mittlerweile war auch sein Wein da, von dem er einen Schluck trank.


    "Nun ist Livianus schuldig gesprochen und ich weiß ehrlich gesagt im Moment überhaupt nicht, wie dieses Urteil wieder rückgängig gemacht werden kann. Der Princeps macht sich rar und sein Vertreter ist uns Decimern überhaupt nicht wohlgesonnen, so dass wir den Weg vergessen können. Die Strafe ist für Livianus lächerlich gering, jedoch ist seine politische Autorität nachhaltig beschädigt.
    Dass dadurch auch dein persönliches Schicksal berührt ist, tut mir schrecklich leid. Auch deinem Sohn gegenüber finde ich das Urteil nicht gerecht. Aber leider lässt sich hier vorerst nichts machen, fürchte ich."

  • Gerne nahm Valerian in einem der bequemen Korbsessel Platz. Und hörte sich den Bericht des erfahrenen Juristen dann genau an. Er selbst hatte nicht viel Ahnung von Gesetzeskunde. Er kannte sich zwar in den militärischen Gesetzen aus, aber alles andere war ihm ein Buch mit sieben Siegeln. Vor der Adoption hätte er sich vielleicht genauer erkundigen müssen. Aber andererseits hatte er sich eben auf die Gesetzeskenntnis des Praetors verlassen. Der auch noch so freundlich gewesen war, die Sache zu übernehmen, obwohl er nicht zuständig gewesen war. Valerian seufzte. Eine elend verfahrene Sache.


    "Und es ist gar nichts möglich, die Sache doch noch in die gewünschten Bahnen zu lenken? Promotus hat ein gutes Jahr lang die harte Ausbildung bei der Legion auf sich genommen, er wollte Rom dienen. Ist es nicht so, daß der Kaiser selbst an jeden das Bürgerrecht verleihen kann? Auch an einen Freigelassenen?" Aber er schüttelte schon selbst den Kopf. Der Weg zum Kaiser führte allein über Salinator. Und der würde nichts durchlassen, was von Valerian kam. "Wenn nur Balbus in Rom wäre", sagte er leise und mehr zu sich selbst.

  • Seiana kam ebenfalls ins Atrium, nachdem ihr Bescheid gesagt worden war, ein wenig später, da sie mitten darin gewesen war, einige Unterlagen für ihre Betriebe zu überprüfen, was sie zunächst noch beendet hatte. Dann jedoch machte auch sie sich auf den Weg, und als sie das Atrium betrat, bekam sie gerade noch mit, dass es offenbar um den Prozess gegen Livianus ging. Sie kommentierte allerdings nichts weiter, sondern lächelte die beiden Männer nur an und grüßte zunächst den Gast. „Salve, Quintilius. Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen. Mattiacus“, auch ihm schenkte sie ein Nicken und ein Lächeln, während sie auf die beiden zuging und dann stehen blieb, in ihrer Nähe, aber nicht so nah, dass es aufdringlich gewirkt hätte. „Man sagte mir, du würdest auch mich sprechen wollen? Ich hoffe ich störe euch nicht – ich kann gerne später noch einmal wieder kommen, wenn ihr euer Gespräch beendet habt.“

  • Mattiacus erhob sich aus dem Sessel, um Seiana zu begrüßen. Gleichzeitig winkte er den Diener mit dem Wein heran.


    "Du störst natürlich überhaupt nicht, im Gegenteil. Deine Gegenwart ist immer erwünscht." sagte er. "Möchtest du auch etwas trinken?"

  • Als Decima Seiana das Atrium betrat, erhob auch Valerian sich höflich, um sie zu begrüßen. "Salve, Decima Seiana. Ich bin ebenfalls erfreut, Dich kennenzulernen. Dein Verwandter, mein Legat Decimus Livianus übermittelt auch Dir seine herzlichsten Grüße und ich soll Dir dies hier übergeben, mit der Bitte, es zu unterzeichnen, damit ich es ihm wieder mitbringen kann." Er zog die Wachstafel hervor, die er sehr sorgfältig aufbewahrt hatte während der Reise.



    ~ CONVENTIO ~


    Mit diesem Schreiben wechselt das Landgut des Marcus Decimus Livianus bei Ostia zum Preis von 5000 Sesterzen per heutigen Datum in den Besitz der Decima Seiana über. Das Geschäft wird gültig durch Unterschrift beider Parteien auf diesem Dokument, welches sich in dem Besitz des Verkäufers befindet und einer Zweitanfertigung, welche im Besitz des Käufers verbleiben wird.


    ANTE DIEM VI KAL DEC DCCCLX A.U.C.
    (26.11.2010/107 n.Chr.)


    gezeichnet
    MARCUS DECIMUS LIVIANUS


    gezeichnet





    "Außerdem... bat er mich, euch nach den aktuellen Ereignissen hier in Rom zu fragen. Was in Germanien ankommt, ist nicht nur deutlich veraltet, sondern auch zumeist unvollständig und stark verkürzt." Ganz abgesehen davon, daß er selbst auch großes Interesse daran hatte, seinen Informationsstand zu aktualisieren. Zu schade, daß er auf die Erkenntnisse der Praetorianer keinen Zugriff mehr hatte.

  • Seiana warf Mattiacus ein kurzes, aber ehrliches Lächeln zu. „Danke, ja“, antwortete sie und akzeptierte gleich darauf einen Becher mit verdünntem Wein von dem Sklaven, der herankam. Anschließend, nachdem sie sich alle gesetzt hatten, wandte sie sich dem Quintilius zu. Kurz fragte sie sich, inwiefern er mit Quintilius Sermo verwandt sein mochte, aber die Gedanken darüber wurden beiseite gewischt, als der Mann vor ihr das Wort ergriff und ihr gleich darauf eine Wachstafel überreichte. Ihr Blick flog kurz über das, was dort geschrieben stand, und als sie tatsächlich erfasst hatte, konnte sie nicht verhindern, dass ihre Miene für einen Augenblick Überraschung verriet. „Das…“ Sie verstummte. Alles, was sie dazu sagen könnte, war nicht für die beiden Männer hier gedacht, die mit diesem Geschenk nichts zu tun hatten. Sie sah auf und lächelte. „Ich danke dir, Quintilius, dass du mir diese Botschaft überbracht hast. Ich werde sie gleich unterzeichnen.“ Sie bedeutete einem Sklaven, ihr einen Stylus zu bringen, bevor sie sich ein wenig zurücklehnte. Ein kurzer Blick ging zu Mattiacus. „Über die Verhandlung habt ihr ja bereits gesprochen. Davon abgesehen… Die Wahlen haben stattgefunden, Purgitius Macer ist nun einer der beiden Consuln. Ein gewisser Marius…“ Sie forschte kurz in ihrem Gedächtnis. „… Marius Turbo hat Acilius Attianus als Prätorianerpräfekt abgelöst. Und der Kaiser weilt nach wie vor in Misenum.“ Was nichts anderes hieß als: in Rom zog der Vescularier die Strippen.

  • Zitat

    Original von Gaius Caecilius Metellus
    [...]
    "….Jedoch….. Wie erwähnt bin ich erst seit kurzem in Rom und kenne noch nicht wirklich viele Leute. Um ehrlich zu sein bist du meine erste nähere Bekanntschaft" sein Lächeln wurde etwas breiter "wenn man das so nennen kann. Und nachdem du, wie ich gerade feststellen musste, derzeit die einzige Vertreterin deiner Gens hier in Rom bist, wäre es mir eine Freude wenn ich dich zum Essen in die Casa Caecilia einladen dürfte." Ja! Gaius hatte gerade noch die Kurve gekriegt. Das war doch ein wunderbarer Einfall. Die Einladung zum Essen zwecks familiärem Austausch und Kennenlernen. Nun musste sie nur noch annehmen. Der junge Caecilier hoffte, dass diese Einladung zum Essen eine ungezwungenere Atmosphäre bot als sein heutiger unangekündigter Besuch, der irgendwie einen offizielleren Charakter hatte und nicht gerade passend schien, um Kindheitserinnerungen und Familiengeschichten auszutauschen. Erwartungsvoll sah er Seiana an. Bitte sag Ja!


    Seiana lächelte weiter, ganz in der Annahme, dass der Besuch sich damit erledigt haben würde. Es gab wohl kaum noch etwas, womit sie ihm helfen konnte – sie könnte höchstens an Livianus ein Empfehlungsschreiben aufsetzen, aber warum sollte sie ihm das einfach so anbieten? Sie kannte ihn im Grunde nicht, und er machte keine Anstalten, sie zu fragen. Hätte er es, hätte sie ihm weitere Frage gestellt, über seine Ausbildung, seinen bisherigen Werdegang, seine Pläne und Ziele für die nähere und die weitere Zukunft, hätte ihn gefragt ob er bereits ein Konzept hatte, wie er seine Karriere voranzutreiben gedachte, und wenn die Antworten sie zufrieden gestellt hätten, hätte sie sich durchaus ernsthaft Gedanken darüber gemacht, ihrem Onkel zu schreiben und ihm den jungen Caecilier zu empfehlen. Sicherlich würde Livianus nicht allzu viel machen für einen Mann, den er überhaupt nicht kannte, aber es lag immerhin im Bereich des Möglichen, dass er Seiana genug vertraute, um den Caecilier wenigstens hier und da ein wenig zu unterstützen, so weit es auf die Entfernung möglich war. Und sei es nur durch die ein oder andere Empfehlung an einen seiner hier anwesenden Mitsenatoren. Allerdings: das war nichts, was sie ihm einfach so anbieten würde.


    Sie ging also davon aus, dass der Caecilier sich nun verabschieden würde, aber im Gegenteil sprach er weiter – und was nun kam, überraschte sie ein wenig. Er lud sie zum Essen sein? Seiana beherrschte die Überraschung, die sie spürte, und musterte ihn. „Nun…“ Sie machte eine Pause, überlegte kurz. Seine Begründung klang plausibel genug. Und es konnte nicht schaden, mit den Caeciliern wieder ein wenig mehr Kontakt aufzunehmen, die Bindungen zur Decima ein wenig zu stärken. Auch wenn die Gens derzeit nicht wirklich herausragende Persönlichkeiten in ihren Reihen hatte, mochte das nicht immer so bleiben. Und mittlerweile wurde es ohnehin zur Gewohnheit, dass sie Einladungen zum Essen annahm. „Warum nicht? Ich nehme deine Einladung gerne an.“ Sie lächelte leicht. „An welchen Termin hattest du gedacht?“

  • Zitat

    Original von Decima Seiana
    Seiana warf Mattiacus ein kurzes, aber ehrliches Lächeln zu. „Danke, ja“, antwortete sie und akzeptierte gleich darauf einen Becher mit verdünntem Wein von dem Sklaven, der herankam. Anschließend, nachdem sie sich alle gesetzt hatten, wandte sie sich dem Quintilius zu. Kurz fragte sie sich, inwiefern er mit Quintilius Sermo verwandt sein mochte, aber die Gedanken darüber wurden beiseite gewischt, als der Mann vor ihr das Wort ergriff und ihr gleich darauf eine Wachstafel überreichte. Ihr Blick flog kurz über das, was dort geschrieben stand, und als sie tatsächlich erfasst hatte, konnte sie nicht verhindern, dass ihre Miene für einen Augenblick Überraschung verriet. „Das…“ Sie verstummte. Alles, was sie dazu sagen könnte, war nicht für die beiden Männer hier gedacht, die mit diesem Geschenk nichts zu tun hatten. Sie sah auf und lächelte. „Ich danke dir, Quintilius, dass du mir diese Botschaft überbracht hast. Ich werde sie gleich unterzeichnen.“ Sie bedeutete einem Sklaven, ihr einen Stylus zu bringen, bevor sie sich ein wenig zurücklehnte. Ein kurzer Blick ging zu Mattiacus. „Über die Verhandlung habt ihr ja bereits gesprochen. Davon abgesehen… Die Wahlen haben stattgefunden, Purgitius Macer ist nun einer der beiden Consuln. Ein gewisser Marius…“ Sie forschte kurz in ihrem Gedächtnis. „… Marius Turbo hat Acilius Attianus als Prätorianerpräfekt abgelöst. Und der Kaiser weilt nach wie vor in Misenum.“ Was nichts anderes hieß als: in Rom zog der Vescularier die Strippen.



    Valerian hatte nicht die geringste Ahnung davon, daß sein Cousin eine Ehe anbahnte zu Decima Seiana. Sie hatten noch keine Gelegenheit zu einem Gespräch gehabt. Sonst hätte er vielleicht bei seiner Vorstellung erwähnt, in welcher Weise sie verwandt waren. So aber ahnte er nicht, daß die Decima sich für seine Familienverhältnisse interessieren konnte. "Gern geschehen", nickte er also und lächelte. Eine Urkunde wie diese schickte man doch ohnehin ungern mit der normalen Post. Da hatte es sich für seinen Legaten doch gut getroffen, daß er nach Rom gereist war.


    Den kurzen Zusammenfassungen der Ereignisse folgte Valerian interessiert. Natürlich war ihm das alles viel zu allgemein, aber er konnte jetzt kaum anfangen, die beiden auszufragen. Nur beim Thema Praetorianer horchte er auf. "Davon habe ich schon gehört. Der Mann hat vor langer Zeit einmal bei den Praetorianern gedient, aber mehr weiß ich auch nicht über ihn." Daß Acilius Attianus einfach so abgelöst worden war, machte Valerian sehr nachdenklich. "Prudentius Balbus ist immer noch verschwunden. Wie damals Artorius Avitus. Und in beiden Fällen hieß es, sie seien in geheimem Auftrag unterwegs. Ich mache mir große Sorgen um ihn." Das war schon mehr, als er eigentlich sagen konnte. Balbus war sein Patron. Und er hatte ihn zum Geheimdienstchef machen wollen. Und da weihte er ihn nicht mal ansatzweise ein, wenn er einen zeitaufwendigen geheimen Auftrag übernahm? Valerian wurde mit jedem Tag unruhiger, der ohne Nachricht von Balbus verging.

  • Zitat

    Original von Lucius Quintilius Valerian
    "Prudentius Balbus ist immer noch verschwunden. Wie damals Artorius Avitus. Und in beiden Fällen hieß es, sie seien in geheimem Auftrag unterwegs. Ich mache mir große Sorgen um ihn." .


    Mattiacus nahm den Weinkrater und schenkte den beiden nach. "Seit der ganzen Sache mit Livianus habe ich sowieso den Eindruck, dass aufrechte Römer in Rom nichts mehr zu lachen haben. Irgendwie wird die Atmosphäre in der Stadt bedrohlicher. Ich hatte meinen Bruder schon oft darauf angesprochen, dass ich gerne wieder nach Germanien kommen würde. Ich kenne das Land aus meiner Zeit als Quästor und Tribunus. Irgendwie ist es mir ans Herz gewachsen. Und ausserdem weiß man, dass dort die Feinde jenseits des Limes leben und offen gegen einen auftreten." bemerkte Mattiacus süffisant.

  • Valerian legte den Kopf schief. Er konnte es verstehen, wenn jemand versuchte, aus diesem Moloch zu entkommen. "Germanien ist ruhig, fast gemütlich. Nachrichten aus Rom kommen nur langsam an und man hat das Gefühl, einige davon gehen unterwegs auch verloren. Ja, es ist durchaus schön dort. Man kann durchatmen. Aber... ich muß zugeben, daß ich Rom trotzdem unglaublich vermisse. Ich gehöre einfach hierher." Er seufzte. Eine Rückversetzung nach Rom schien geradezu unmöglich. "Dein Bruder würde sich gewiß außerordentlich darüber freuen, wenn Du nach Germanien reisen würdest."

  • "Davon bin ich überzeugt. Für viele ist das Land einfach nur dunkel und gräßlich, ich finde es aber äußerst interessant." Mattiacus nippte kurz an seinem Wein. "Aber wenn ich einen guten Falerner wie diesen trinke, der von der Sonne Italiens verwöhnt wurde, dann weiß ich auch, wo ich eigentlich hingehöre." Bei diesem Satz musste Mattiacus sogar selber lächeln.

  • Interessiert hörte Seiana zu, als der Quintilius von dem neuen Prätorianerpräfekten sprach, allerdings schien er nicht wesentlich mehr zu wissen, als ohnehin allgemein zugänglich war. Die Tatsache, dass er allerdings das Verschwinden des Prudentiers mit dem Artorier damals verglich, ließ sie aufhorchen, ebenso wie Mattiacus’ Einschätzung der Lage in Rom. Allerdings hielt sie sich bei dem folgenden Gespräch eher zurück, zog es vor zuzuhören und wahrzunehmen. Man konnte leichter Stimmungen ausmachen und das, was zwischen den Zeilen mitschwang, wenn man selbst leiser auftrat und nicht versuchte, die Diskussion zu beeinflussen oder gar zu bestimmen.


    In der Zwischenzeit hatte ihr ein Sklave einen Stylus gebracht, und mit diesem zeichnete sie die Wachstafel ab, bevor sie sie an den Quintilius zurückreichte.



    ~ CONVENTIO ~


    Mit diesem Schreiben wechselt das Landgut des Marcus Decimus Livianus bei Ostia zum Preis von 5000 Sesterzen per heutigen Datum in den Besitz der Decima Seiana über. Das Geschäft wird gültig durch Unterschrift beider Parteien auf diesem Dokument, welches sich in dem Besitz des Verkäufers befindet und einer Zweitanfertigung, welche im Besitz des Käufers verbleiben wird.


    ANTE DIEM VI KAL DEC DCCCLX A.U.C.
    (26.11.2010/107 n.Chr.)


    gezeichnet
    MARCUS DECIMUS LIVIANUS


    gezeichnet


    [Blockierte Grafik: http://img442.imageshack.us/img442/8797/seianaunterschriftkj1.png]



    Sie setzte ihr vages Lächeln auf, als sie sich anschließend doch wieder in das Gespräch integrierte. „Ich muss gestehen, für meinen Geschmack wäre Germania wohl zu kalt. Aber selbst wenn nicht, Rom zu verlassen…“ Sie machte eine kleine Pause, sowohl weil sie den Anschein geben wollte, dass sie überlegte, als auch weil sie tatsächlich überlegte – was sie sagen sollte, und wie. Das Gespräch ging durchaus in eine eindeutige Richtung. Allerdings wusste sie nicht, inwieweit sie dem Quintilius vertrauen konnte, auch wenn für ihn sprach, dass Livianus es augenscheinlich tat. „… käme für mich nicht in Frage.“ Hier schlug das Herz des Imperiums. Und Seiana hatte mehr denn je das Gefühl, dass Rom an einem Scheideweg stand. Es war ein Bild, das sich aus vielen kleinen Teilchen ergab, die meisten davon Meldungen, die bei der Acta auf die ein oder andere Art eintrudelten, einige aber auch, die sie mitbekam in Gesprächen wie diesem hier. Dennoch lenkte sie das Gespräch, wenigstens zunächst, vorsichtig in eine leicht andere Richtung. Sie wollte wissen, was die beiden Männer dachten, aber die Holzhammermethode brachte wenig – und es gab genug interessante Themen, die angesprochen werden konnten, ohne dass zu spüren war, woher der Wind wehte – oder dass Seiana gedachte, das Gespräch wegzusteuern von Germanien und Rom und wo es sich besser leben ließ, und zurück auf das Thema davor. Am besten schien sich das für sie bewerkstelligen zu lassen mit einem Vorfall, der ebenso verstörend war wie der Dunstkreis um den Praefectus Urbi – der jedoch mit diesem nichts zu tun hatte. „Auch wenn die Situation für viele nicht einfach ist, und vieles nicht vorwärts zu gehen scheint. Man nehme nur den Skandal von Nemi – die pax deorum ist gestört worden, darin waren sich alle einig, bis hin zu dem Pöbel auf den Straßen. Aber noch hört man nichts von Konsequenzen, nichts davon, wie die Götter wieder besänftigt werden können.“

  • Zitat

    Original von Decima Seiana



    „Auch wenn die Situation für viele nicht einfach ist, und vieles nicht vorwärts zu gehen scheint. Man nehme nur den Skandal von Nemi – die pax deorum ist gestört worden, darin waren sich alle einig, bis hin zu dem Pöbel auf den Straßen. Aber noch hört man nichts von Konsequenzen, nichts davon, wie die Götter wieder besänftigt werden können.“



    "Das ist auch typisch für die Situation. Seitdem der Princeps sich nicht mehr sehen lässt, vernachlässigen einige Amtsleute ihre Pflichten und machen es sich schön gemütlich. So erscheint mir das jedenfalls. Denn eigentlich müssten ja jetzt die Priester hektisch hin- und herlaufen und sämtliche Hühner, Ziegen und Ochsen Roms zusammensuchen, um wieder pax deorum herzustellen. Aber bisher ist mir da nichts aufgefallen." sagte Mattiacus. "Noch jemand Wein?"

  • "Die Kälte ist in der Tat genau das, was mich an Germanien am meisten stört. Auch wenn ich aus Erfahrung weiß, daß nur das erste Jahr wirklich schlimm ist, danach gewöhnt man sich an das Klima. Eine strahlendweiße Schneelandschaft hat auch ihre Reize. Und die Sommer können durchaus heiß werden." Man mußte eben versuchen, das Positive zu sehen, wenn man seine Lage nicht ändern konnte.


    Seiana unterschrieb die Wachstafel und Valerian verstaute sie sogleich sorgfältig, nachdem er sie entgegen genommen hatte. "Über diesen Skandal habe ich in der Acta gelesen. Wird denn nicht vielleicht noch nach den Schuldigen gesucht? Es muß doch Ermittlungen geben. Ach, es ist ein Elend, daß ich die Praetorianer verlassen mußte." Dann wüßte er besser Bescheid als jeder der hier anwesenden, daran zweifelte er nicht im Geringsten. "Ja, gerne. Vielen Dank." Noch ein kleiner Schluck, das konnte nicht schaden.

  • Seiana ließ sich von dem Sklaven eine weitere, leere Tafel reichen, auf der sie einen kurzen Brief schrieb, während die Unterhaltung fortgeführt wurde. „Ja, ich danke dir“, lächelte sie Mattiacus zu auf sein Angebot hin. Seine Worte gaben ihr zu denken. Pflichtvernachlässigung war ein Begriff, der sich mittlerweile aufdrängte angesichts der Verzögerungen bei der Aufklärung und der Reaktion auf den Skandal von Nemi, und Seiana hatte auch darüber nachgedacht, woran das wohl liegen mochte. Dennoch war sie sich unschlüssig darüber, ob es wirklich an der Abwesenheit des Kaisers lag. Die Angelegenheit um Nemi wäre eigentlich ein gefundenes Fressen für den Vescularier, um die Stimmung auf den Straßen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Aus ihrer Sicht könnte er damit nur punkten, wenn er die Sache vorantrieb. Und eigentlich müsste ihm auch persönlich daran gelegen sein, war es doch kein Geheimnis, dass er Patriziern gegenüber abgeneigt war – und augenscheinlich war eine Patrizierin in den Skandal involviert.


    „Ja, die Ermittlungen laufen noch, das ist jedenfalls das, was zuletzt zu hören war. Dennoch hätte es in der Zwischenzeit irgendeine öffentliche Reaktion geben müssen, um die Götter wenigstens vorübergehend zu besänftigen, bis der Schuldige präsentiert und seiner Verantwortung zugeführt werden kann.“ Sie legte den Stylus beiseite und reichte dem Quintilius die Tafel, „Das ist eine Botschaft für meinen Onkel. Ich möchte dich bitten, sie ihm zu übergeben, wenn du nach Germanien zurückkehrst.“


    Lieber Onkel,


    lass mich dir meinen herzlichsten Dank aussprechen für dein Geschenk. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel es mir bedeutet, dass meine Unabhängigkeit nun umso mehr gesichert ist, und ich danke dir dafür, dass du dies möglich machst.


    Mögen die Götter dich stets behüten,


    [Blockierte Grafik: http://img77.imageshack.us/img77/1586/seianaunterschrift2aj2.png]


    Seiana lächelte und fuhr, nun wieder an beide Männer gewandt, fort: „Mich wundert offen gestanden, dass es bisher nicht wirklich eine offizielle Reaktion gab. Es scheint mindestens eine patrizische Familie involviert, zwei, wenn man den Ehemann bedenkt. Es sind viele Tote zu beklagen, und der Pöbel war sehr aufgebracht. Es will mir nicht ganz einleuchten, dass niemand... nun, sagen wir: diese Sache für sich nutzt. Wer es nun angeht, die pax deorum wiederherzustellen, kann beim Volk nur gewinnen, glaube ich.“ Sie trank einen Schluck Wein. „Du warst bei den Prätorianern, sagst du?“ Das erklärte seinen Kommentar von zuvor über Prudentius Balbus, der von Tonfall und Formulierung her ein wenig zu vertraulich gewirkt hatte, um über einen völlig Fremden zu sein. „Warum musstest du sie verlassen?“

  • Nachdenklich legte Valerian seine Hand ans Kinn. "Merkwürdig. Wenn doch Patrizier in die Sache verwickelt waren, warum versuchen dann nicht die Kollegien, in denen doch größtenteils Patrizier sitzen, die Sache in den Griff zu bekommen? Sie müßten doch größtes Interesse daran haben?" Ob es wohl jemanden gab, der blockierte? Aber warum sollte jemand so etwas tun? Lag es nicht im Interesse aller, den Zorn der Götter zu besänftigen?


    Die Wachstafel verstaute Valerian ebenso sorgfältig wie die andere zuvor. "Ich mußte die Praetorianer verlassen, weil ich den mächtigsten Mann Roms beleidigte. Das war zugegebenermaßen mehr als dumm. Ich versuche, einen Gesprächstermin mit ihm zu bekommen, um mich zu entschuldigen, aber ich befürchte, daß man mich gar nicht vorlassen wird."

  • „Ja, das sehe ich genauso wie du. Eigentlich müssten sie jedes Interesse an einer schnellen Reaktion haben.“ Vielleicht war auch das der Grund, warum sich auch der Vescularier zurückhielt. Das Zögern würde kaum ihm angelastet werden, sondern den Kollegien. „Ich hoffe jedenfalls, dass sich hier bald etwas tut.“


    Seiana nippte an ihrem Weingemisch und zog dann andeutungsweise eine Augenbraue hoch. Der Quintilius hatte den Praefectus Urbi beleidigt? „Tatsächlich?“ Für einen Moment klang sie ehrlich überrascht, bevor ihre Selbstbeherrschung wieder die Kontrolle übernehmen. Aus ihren nächsten Worten klang – bewusst – vorsichtige Neugier. „Darf ich fragen, wie du ihn beleidigt hast?“

  • "Das hoffe ich auch. Was soll das für ein Leben werden, wenn die Götter nicht besänftigt werden?" Gerade als Soldat hatte Valerian durchaus ein Interesse daran, die Gunst der Götter auf seiner Seite zu wissen. Und konnte selbst nur wenig tun, diese wieder herzustellen. Zumindest wenn es über seine eigene Person hinausging.


    Ein wenig verlegen räusperte sich Valerian. "Aber nicht, daß die Geschichte nächste Woche in der Acta steht..." Er lächelte ein wenig schief und zuckte mit den Schultern. "Ich bin mit Germanica Calvena verheiratet. Und als wir heirateten, taten wir dies zusammen mit dem Senator Germanicus Sedulus und Iunia Serrana. Eine Doppelhochzeit eben. So kamen Calvena und ich zu einer wahrhaft großartigen Hochzeitsfeier. Bei der eben auch der Praefectus Urbi als Gast des Senators anwesend war. Der Mann ist kein Kostverächter, was man ihm ja auch ansieht. Nur eben leider auch in Bezug auf Frauen. Während gerade den Göttern ein Opfer dargebracht wurde, hat dieser Mann meiner jungen, schönen Frau gegenüber eine recht anzügliche Äußerung gemacht. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, war ich gerade an dem Tag nicht schlagfertig genug, um darauf, wie es richtig gewesen wäre, mit einem Scherz zu antworten. Ich wurde recht... unfreundlich."

  • Mattiacus nippte ebenfalls an seinem Wein.


    "Ich glaube, ich war auch bei dieser Hochzeit zugegen. Jetzt wo du es sagst, kann ich mich auch daran erinnern." Mattiacus war sich zwar nicht ganz sicher, aber es klingelte in seinem Hinterkopf, als Valerian die Beleidigung und die Hochzeit bemerkte.

  • "Eigentlich kann kaum jemand etwas mitbekommen haben, immerhin war das Opfer für Serrana und Germanicus Sedulus noch gar nicht abgeschlossen. Trotzdem war es natürlich dumm von mir, einen Mann wie Salinator einfach so anzugehen. Egal, was ich über ihn denke, er ist ein Mann mit viel Macht. Tja, und die läßt er mich jetzt spüren." Valerian lächelte leicht verlegen. "Dabei hatte ich mich sogar zurückgehalten. Einem anderen hätte ich einen Kinnhaken verpaßt."






Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!