• Der Neuankömmling musste nicht lange warten, da trat auch schon Livianus in das Atrium. Bereits als er ihm die paar Schritte entgegenkam, musterte er den jungen Mann von oben bis unten. Leider hatte sich der Sklave den Namen des Mannes nicht bis zum Officium des Consulars gemerkt, sodass er zwar nun wusste, ein vermeintliches Familienmitglied vor sich stehen zu haben, jedoch nicht, wo er dieses im Stammbaum einzuordnen hatte. Eine gewisse Ähnlichkeit war in der Tat zu sehen, doch er entschied sich dennoch vorerst für eine recht neutrale, wenn euch freundliche Begrüßung bis er selbst die Identität des Gastes festgestellt hatte. Die Familie war groß und über das ganze Reich verstreut. Viele Familienmitglieder hatte er seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, manche davon noch nie.


    "Salve! Ich bin Decimus Livianus und du bist?"

  • Ewig brauchte Flavus nicht zu warten, ehe die Schritte einer sich nähernden Person auf dem Boden widerhallten. Der Consular war ein gestandener Mann mit markantem Gesicht, das von dunkelbraunem Haar umrahmt wurde. Allein sein Auftreten strahlte eine gewisse Autorität aus, auch wenn der junge Decimer sich das in diesem Moment auch einfach nur einbilden konnte. Der Name von Livianus gehörte mit einiger Sicherheit zu denen, die man in dieser Gens lieber kennen sollte. Begegnet war er ihm jedoch zuvor noch nie, zumindest soweit er sich erinnern konnte. Der letzte Besuch in Rom, oder gar in Italia lag schließlich schon viele Jahre zurück.


    „Salve, Consular! Es ist mir eine Ehre und Freude. Mein Name ist Gaius Decimus Flavus, Sohn des Titus Decimus Pinus.“


    Kurz überlegte er, ob dieser Name bei Livianus überhaupt etwas klingeln ließ. Sein Vater hatte bis zu seinem Ableben nicht viel Bemerkenswertes erreicht, so dass der Name des Pinus eher blass und für die Familie unbedeutend blieb. Ein Umstand, den Flavus nun selbst ändern wollte. Sein Großvater - Praetorianus - hatte es immerhin zum Ritter geschafft. Schon eher die Liga, die er für sich selbst als Ziel gesteckt hatte.


    „Ich komme aus Hispania, um dich nach Obdach in der Casa unserer Familie zu bitten. Ich habe beschlossen, meinen weiteren Lebensweg von nun an in Rom zu bestreiten.“


    Flavus hielt es für besser direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Langes drum herumreden half ihnen schließlich beiden nicht. Dabei versuchte er so ruhig und abgeklärt wie möglich zu wirken, während er einen Kampf gegen seine innere Aufregung führte.

  • Tatsächlich musste Livianus kurz darüber nachdenken, zu welchen Zweig der Familie der junge Mann gehörte, als er den Namen seines Vaters sagte. Doch da er einer der wenigen war, welcher die Familiengeschichte und den großen Stammbaum der Decimer noch halbwegs im Gedächtnis behalten konnte, klingelte es letzten Endes doch kurze Zeit später bei ihm.


    "Pinus, der Sohn meines Vetters Praetorianus! Natürlich! Ich erinnere mich. Dein Vater ist vor einigen Jahren gestorben und du bist bei deiner Mutter aufgewachsen. Nun mein Lieber! Dann Willkommen in Rom und in der Casa Decima Mercator. Selbstverständlich kannst du hier wohnen. Platz ist genug und ich werde die Sklaven sofort veranlassen, für dich ein Zimmer vorzubereiten. Aber bitte erzähle. Was führt dich nach Rom und wie geht es deiner Mutter? Ich hoffe gut?"


    Er deutete einem Sklaven, dass man Getränke herbeischaffen sollte und steuerte auf eine der Sitzgelegenheiten zu, die im Atrium augestellt waren.

  • Flavus hatte zwar gehofft, dass er mit Freundlichkeit empfangen würde, grundsätzlich erwartet hatte er es jedoch nicht. Dass Livianus‘ Worte dann sogar recht herzlich rüberkamen, trug zu einer freudigen Überraschung bei, die sich in Form eines Lächelns auf dem Gesicht des Jungen abzeichnete.


    „Ich danke dir.“, sagte er aus tiefstem Herzen während sie auf eine Bank zusteuerten und sich setzten. Er war ein wenig erleichtert, dass seinem Vorhaben keine Steine in den Weg gelegt wurden.


    „Meiner Mutter geht es hervorragend. Sie ist zwar etwas bekümmert, da ich nun so weit entfernt bin, aber sie ist gut versorgt.“


    Der Sklave brachte die bestellten Getränke, woraufhin er sich erneut einen großen Schluck Wasser gönnte, bevor er fortfuhr.


    „In erster Linie musste ich mal etwas anderes sehen als die iberische Halbinsel. Mit Neunzehn bin ich nun in dem Alter, in dem ich mir ernsthaft Gedanken um meine Zukunft machen sollte. Und die habe ich einfach nicht in Hispania gesehen. Wenn es Möglichkeiten für mich geben sollte, dann doch in der größten Stadt der Welt.“


    Wie um seine Worte zu verdeutlichen zog er mit einer Hand einen kleinen Kreis durch die Luft.


    „Ich hoffe eines Tages im selben Atemzug mit Decimern wie Praetorianus genannt zu werden, auch wenn dieses Ziel natürlich noch sehr weit entfernt liegt.“

  • Auch wenn er seinen Vetter Praetorianus noch in sehr guter Erinnerung hatte und er es mit seiner Erhebung in den Ritterstand zweifellos weit gebracht hatte, so wäre ihm dieser Name wohl nicht als erstes durch den Kopf geschossen, wenn er an die lange Liste der großen Männer dachte, welche diese Familie schon hervorgebracht hatte. Doch zweifellos war der Großvater für einen jungen Mann ein viel glorreicheres Vorbild, als alle entfernteren Verwandten, welche Lorbeeren sie sich auch immer im Laufe ihres Lebens verdient hatten. Der Decimer konnte sich daher ein schmunzeln nicht verkneifen.


    "In der Tat ein hohes Ziel, dass du dir gesteckt hast. Aber zumindest hast du ein Ziel. Und das ist aus meiner Sicht das wichtigste. Hast du dir denn auch schon darüber hinaus Gedanken gemacht, welchen Weg du einschlagen möchtest, nun wo du hier in Rom bist. Eine Karriere beim Militär wie dein Großvater oder eher die Politik? Oder vielleicht eine Stelle in der Verwaltung? Ich nehme an man hat dir eine gute und fundierte Ausbildung zuteil werden lassen?"

  • „So ist es. Meine Mutter hat sichergestellt, dass ich alles kann, was ich können muss und das weiß, was ich wissen muss“, fasste Flavus die teils übertriebene Führsorge seiner Mutter zusammen, die auch in späteren Jahren dafür sorgte, dass der Tod seines Vaters ihm nicht zum Nachteil geriet und der männliche Part an Erziehung und Bildung übernommen wurde. Über den Start seiner Laufbahn hatte er sich hingegen bisher kaum Gedanken gemacht. Es stand fest, dass er eines Tages selbst den Ordo Equester verliehen bekommen wollte, um durch Namen und Stellung seine Vorfahren zu ehren. Wie er dieses Ziel erreichen sollte, stand dagegen noch offen und hing sicherlich auch mit den Möglichkeiten zusammen, die sich ihm offenbaren würden.


    Er nahm einen weiteren Schluck Wasser, um die Zeit, in der er nachdachte, ein wenig zu überbrücken.


    „Die Verwaltung könnte mir gefallen. Früher oder später wird sich mein Blick sicher Richtung Militär richten. Ich habe mir, wenn ich ehrlich bin, bisher kaum Gedanken dazu gemacht, wie ich die Ritterwürde erlange und wollte mich dazu beraten lassen, sobald ich in Rom bin.“


    Kurz ließ er den Blick auf seinen Onkel entfernten Grades ruhen.


    „Könntest du mir etwas empfehlen?“

  • Gut, dass Varenus weiterhin in der Nähe war, um das Gespräch aus der Ferne zu beobachten. Jedoch den jungen Mann konnte er weiterhin nicht zu ordnen, nicht dass sein Gedächtnis verkümmerte, nein, sondern weil er Flavus zum letzten Mal vor vielen Jahren in Genua gesehen hatte, als noch Varenus keine grauen Haare hatte und Flavus nicht älter als 8 Jahre war.


    Varenus stand versteckt so weit entfernt, dass die beiden ihn eigentlich nicht wahrnehmen hätten können. Außer sie konnten durch Wände blicken oder seinem Atem hören.


    Gerade deswegen, weil er abseits stand, konnte er nicht jedes Wort wie 'Praetorianus' verstehen, bruchteilhaft eben. Vielleicht hatte er aus mit Absicht überhört, denn ein gutes Verhältnis zu seinem verstorbenen Vater bestand eher nicht. Doch eines hörte er ganz deutlich. 'Militär' Sofort trat Varenus hervor und unterbrach die beiden, bevor Livanus Flavus antworten konnte.


    "Nicht das Militär!" Warf er ein, ohne überhaupt zu wissen, was die beiden genau besprochen hatten. Erst dann... "Salvete, ihr beide." ...begrüßte er sie.

  • Livianus wollte gerade auf die Frage des jungen Verwandten antworten, als eine ihm wohlbekannte Stimme aus dem Hintergrund erklang und sich strikt gegen das Militär als mögliche Option aussprach. Als der Decimer das Gesicht dazu erblickte, lächelte er sanftmütig. Eine solch klare pazifistische Haltung konnte nur einer in der Familie einnehmen.


    "Salve Titus! Komm zu uns!"


    Er winkte das weitere Familienmitglied freundlich herbei. Da auch Varenus schon lange in Rom lebte, war sich Livianus nicht sicher, ob er seinen Neffen erkannte. Er entschied sich daher, die beiden einander vorzustellen.


    "Gaius, das ist dein Onkel, Titus Decimus Varenus."


    Dann wandte er sich an den Älteren der beiden Männer. Livianus vermutete, dass dieser, ebenso wie er selbst, den jungen Mann überhaupt noch nie kennengelernt hatte. Daher hatte diese Familienzusammenführung jetzt auch Vorrang und mögliche Karriereplanungen mussten vorerst warten.


    "Dein Neffe, Sohn deines Bruders Pinus."

  • Bevor der Consular jedoch auf Flavus‘ Frage antworten konnte, unterbrach sie eine Stimme von der Seite. Sogleich sah sich der junge Decimer nach der Quelle um und erblickte einen Mann, dessen reife Züge ihm wage bekannt vorkamen, ohne gleich zu wissen woher. Glücklicherweise folgte die Aufklärung auf dem Fuße, als Livianus die Vorstellung der beiden übernahm.


    „Salve Onkel!“


    Er lächelte vergnügt und freute sich tatsächlich, einen so nahen Verwandten zu treffen. Die letzte Begegnung der beiden lag Jahre zurück. Flavus konnte sich kaum noch daran erinnern. Er hatte ihn auch nicht in Rom erwartet, da er davon ausgegangen war, er lebte immer noch in Genua.


    „Es ist schön dich zu sehen. Das letzte Mal muss über zehn Jahre zurückliegen. Sag, wie geht es dir?“


    Offenbar hielt er das Militär als schlechte Karriereoption für Flavus. Es stand jedoch die Frage im Raum, ob seine Ablehnung dem Kriegshandwerk im Allgemeinen galt, oder ob er nur seinen Neffen nicht in einer Legion sehen wollte. Oder hielt er Flavus gar für unfähig ein Schwert zu führen?


    „Du scheinst nicht viel vom Militär zu halten? Wo würdest du meine Laufbahn dann eher sehen?“


    So kam Varenus in die Verlegenheit einen Karrieretipp abzugeben, bevor Livianus es konnte.

  • Er kam und nickte Livianus zu. Auch wenn er eine Abneigung gegen das Militär hegte und sein Verwandter dies in persona zu hundert Prozent verkörperte. So war der Respekt zwischen den beiden größer als die stark auseinander gehende Lebensphilosophie.


    Als Varenus vernahm, dass Livianus "dein Onkel" erwähnte, so dämmerte es ihm. Dass sein Neffe vor ihm stand. Den er seit vielen, vielen und nochmals vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Das letzte Mal war es in Genua selbst gewesen. In der Stadt, in der Varenus mit Familie bis zum Bürgerkriegsausbruch lebten. Eine Zeit die ihm nicht entsinnen war, eine Zeit nach der er sich manchmal sehnte, weil sie einfacher, ausgeglichener und vor allem unbeschwert. "Danke, Marcus."


    So widmete er sich direkt an seinem Neffen. "Oh,.... ja, gut und ich hoffe dir auch. Was treibt dich denn hier her? Ich hoffe nichts Schlimmes?" Er betrachtete Gaius näher und nahm die Ähnlichkeit Pinus wahr wie aber auch Gaius Mutter. "Militär, Militär... " Sagte er abwertend. "Die wirklichen Fäden, mein Neffe, die werden im Palatium gestrickt. Dort hättest du die besten Chancen. Alle im Imperium, aber auch alle sind vom Palatium abhängig, ja, auch das besagte Militär." Kurze Pause. "Ach, Gaius... komm her und lass dich umarmen, vom alten Griesgram wie mich."

  • Es war verständlicherweise schwierig für Flavus sich eine unabhängige Meinung zu Livianus und Varenus zu bilden. Bisher hatte kannte er sie fast ausschließlich nur durch Hörensagen. Die eigenen Erinnerungen an seinen Onkel lagen zu weit zurück, als dass er sie als Grundlage heranziehen konnte. In gewisser Weise besaßen beide einen Vertrauens- und damit auch Sympathievorschuss, da ihre familiären Bande sie zusammenhielten. Positiv wirkten zudem der Umstand, dass der Consular ihn sofort und ohne Umschweife als Bewohner der Casa akzeptierte, sehr nett und zuvorkommend war und Livianus‘ herzliche Umarmung, die dem jüngsten Decimer in der Runde ein leicht verlegenes Lächeln entlockte.


    „Nein, nichts schlimmes. Ganz und gar nicht.“, erwiderte er auf die Frage nach dem Grund seines Besuchs in Rom. „Ich bin hier um meiner beruflichen Laufbahn eine Richtung zuzuweisen.“, fasste er kurz und knapp zusammen. Eben jene Richtung sah der silberhaarige Decimer offenbar keinesfalls beim Militär. Den abwertenden Tonfall hatte Flavus dabei nicht überhört. „Der Kaiserhof, sagst du?“


    Für einige Sekunden legte er die Stirn in Falten. „Ja, sicher eine interessante Alternative.“
    Es war gut einmal beide Seiten zu hören zu bekommen, denn er ging davon aus, dass der Consular diese Sache ein wenig anders sehen würde.


    „Was meinst du, Livianus?“

  • Der Decimer überlegte kurz, ehe er eine Antwort gab. Seine Überlegungen bezogen sich dabei jedoch mehr auf die Worte, mit denen er seine Meinung möglichst neutral zum Ausdruck bringen sollte, als vielmehr, was er von diesem Vorschlag hielt.


    "Nun…. die Administratio?.... Es ist gewiss eine sehr ehrenvolle Aufgabe im Palast zu arbeiten und natürlich mitunter auch aufregend, wenn man in späterer Folge sogar persönlich das eine oder andere Mal mit dem Kaiser zu tun hat…..


    Allerdings hat man sehr schnell die Decke seiner Möglichkeiten erreicht und es ist nicht wirklich einfach über das Amt eines Primicerius hinaus zu kommen. Es gibt sehr viele Schreiber und dementsprechend auch sehr viele Vorsteher, die am Kaiserhof tätig sind. Alle Ämter darüber hinaus werden von Eques besetzt. Wenn man diesen Posten also einmal erreicht hat und dennoch weiterkommen will, so bleibt einem wohl nur, sich um den Ritterstand zu bemühen. Es ist jedoch sehr schwer aus der Masse der Palastmitarbeiter herauszustechen und sich dafür anzubieten und keines der Einstiegsämter in den Ritterstand ist am Kaiserhof angesiedelt. Ohne einen Patron, der sich für einen Verwendet und über dementsprechende Kontakte verfügt, ist da wohl nicht viel zu machen."


    Er sah kurz zu Varenus und versuchte einen möglichst aufmunternden, wenn auch nicht mitleidigen Blick aufzusetzen. Es war bestimmt nicht angenehm für den älteren Decimer es von seinem weitaus erfolgreichen und prominenten Verwandten so dezidiert zu hören, doch es entsprach der ungeschönten Wahrheit und Varenus war der beste Beweis dafür. Um die Wogen doch noch etwas zu glatt zu halten, versuchte er noch auf Varenus negative Sicht des Militärs einzugehen und seine Aussage zu relativieren.


    "Ich kann Varenus Einstellung zum Militär ja durchaus nachvollziehen. Allerdings sollte man nicht den gesamten Exercitus in einen Topf werfen. Ich sehe durchaus einen großen Unterschied darin, ob man in einer Legio am Rande des Imperiums dient, oder beispielsweise bei den Cohortes Urbanae für die Sicherheit der Hauptstadt sorgt. Die Möglichkeiten sich hier hochzudienen sind weitaus größer als im Palast und auch wenn die Grundausbildung für alle Miles gleich ist, sind die Wege, welche man danach einschlagen kann, wesentlich vielfältiger. Neben den einfachen Soldaten die auf Patrouille gehen, gibt es auch sehr viele Verwaltungsposten und Miles mit Sonderaufgaben, die über den einfachen Sicherheitsdienst hinausgehen.


    Aber ich möchte dir keine Flöhe ins Ohr setzen oder dich zu etwas überreden Flavus. Hier in Rom stehen dir sehr viele Möglichkeiten offen und du solltest dir Zeit lassen alle in Ruhe zu überdenken, bevor du eine Entscheidung triffst. Dies gleich nach deiner Ankunft zu besprechen halte ich ohnehin für verfrüht. Du hast hier alles was du brauchst und musst dir um nichts Sorgen machen. Gewöhne dich ein, erkunde die Stadt und informiere dich über deine Möglichkeiten. Danach können wir erneut über deine Karrierepläne sprechen. Soweit ich kann, werde ich dich natürlich unterstützen, ganz gleich welchen Weg du einschlagen möchtest."

  • Die Worte von Livianus waren typisch für einen Legionär. Was blieb ihm auch anderes übrig, würde er sich sonst selbst schaden.


    "Flavus, du möchtest doch bestimmt Frau und Kind? Und was wäre besser für deine Familie, als sicher im Palatium zu arbeiten und jeden Tag nach Hause zu kommen. Im Gegensatz als Tribun in irgendeiner Provinz zu verweilen. Vor allem Gefahr zu laufen, gar nimmer mehr Kind und Frau zu umarmen."


    Dann wandte er sich abermals zu Livanus.


    "Deine Worte in allen Ehren, doch du vergisst, dass die Cohortes Urbanae nicht aus meines Vaters Laufbahn bestehen. Eques werden hauptsächlich bei den Legionen gebraucht. Ich hoffe zu wissen, dass die Cohortes Urbanae gar keine ritterlichen Tribunen Platz gewähren. Und ich denke ebenso, dass Flavus, wenn schon denn schon, in die Fußstapfen seines Großvaters treten möchte. Ritter und nicht als einfacher Soldat."


    Da Livianus bestimmt zu viel Einfluss auf den Jungen genoss, weil er immerhin eines der höchsten Ämter bekleidete und Varenus hingegen nur ein Ämtchen. Musste Varenus zumindest versuchen....


    "Am Palatium stehen die Chance besser Eques und später Tribun zu werden. Als jahrelang in einer Einheit als normaler Soldat zu dienen. Zumal es viele Fälle gibt die meine These unterstützen. Ein oder zwei Jahre als Notarius, dann als Primicerius und anschließend die Erhebung zum Ritter. Die Abteilung des ab epistulis würde sich anbieten." Sollte Flavus am Palatium arbeiten, dann hätte Varenus noch genügend Zeit ihn in die richtige Laufbahn zu lenken.

  • Flavus fühlte sich ein wenig von einer Seite zur anderen gerissen. Die Argumente beider Männer klangen schlüssig. Selbst wenn er wollte, hätte er keinen von ihnen vor den Kopf stoßen können, ohne sich auf irgendeine Art und Weise selbst ins Fleisch zu schneiden. Seine Augen huschten zwischen Livianus und Varenus hin und her in dem Versuch, dem Wortwechsel zu folgen und dabei Schlüsse für sich heraus zu ziehen. Dieses Vorhaben stellte sich jedoch als leichter gedacht als getan heraus, die Thematik war zu umfangreich und vielfältig, als sie in diesem Moment abschließend klären zu können. Zunächst hielt er die Worte des einen für das Richtige, ehe die des anderen seine Favorisierung wieder umkehrten. Ob nun Livianus oder Varenus mit seiner Meinung richtig lag - mit in einer Sache konnte Flavus schon nach wenigen Sekunden des Überlegens übereinstimmen. Jetzt war nicht die Sekunde, um eine solche Entscheidung zu treffen. Er war gerade erst in dieser Stadt angekommen, musste erst einmal mit den neuen Umständen und der unbekannten Umgebung ins Reine kommen. Seine unbedarfte Jugend würde ihm dabei helfen und schenkte Zeit, die er brauchen konnte, um herauszufinden was er eigentlich wollte.


    „Ich danke euch beiden für euren Rat. Es bedeutet mir wirklich viel, dass euch meine Zukunft nicht egal ist. Allerdings denke ich, dass du hast Recht hast.“


    Er nickte Livianus zu.


    „Ich sollte mir genügend Gedanken darüber gemacht und noch mehr Gespräche geführt haben, ehe ich eine Entscheidung treffe.“


    Der junge Decimer war seinen Verwandten wirklich dankbar, schließlich hatten sie nun dafür gesorgt, dass er Punkte hatte, bei denen er ansetzen konnte. Dem unklaren, verwaschenen Gemälde seiner Zukunft würde er so Konturen verpassen können.


    „Wenn ihr es erlaubt, werde ich sicher bald auf dieses Thema zurückkommen. Ich möchte eure Zeit jetzt allerdings nicht weiter unnötig strapazieren.“


    Ehrlich gesagt war er einfach nur müde. Die lange Reise hatte an ihm gezerrt, die Füße schmerzten und er konnte ein wenig Ruhe vertragen. Sowohl für den Körper, als auch die Seele.

  • "Jederzeit! Die Sklaven werden bestimmt auch schon dein Zimmer fertig haben. Du möchtest dich bestimmt ein wenig frisch machen und ausruhen nach deiner Reise. Mein Haus ist dein Haus und du kannst dich hier ganz wie zu Hause fühlen. Solltest du etwas brauchen, dann wende dich einfach an einen der Sklaven. Sie werden dir alles zeigen oder auch besorgen, wenn du etwas brauchst."


    Er sah zwischen den beiden Männern hin und her.


    "Wenn Varenus heute Abend zeit hat, dann würde ich vorschlagen, dass wir uns zu einem gemeinsamen Abendessen wiedertreffen. Wir haben uns schon lange keine Zeit mehr für ein Essen im Kreis der Familie genommen. Was haltet ihr davon?"

  • Tatsache. Ein paar Leute standen da noch. Der in der Mitte war wahrscheinlich der Decimus. Langsam ging ich auf die Gruppe zu. Ich sagte nichts. Blieb erstmal still. Ich wollte niemanden unterbrechen und keinem ins Wort fallen. Ein kleines Weilchen harrte ich in der Anonymität am Rande der Gruppe aus. Dann eine längere Redepause. Meine Chance.


    "S..salve."


    Unsicher und wenig originell. Aber naja. Da musste ich jetzt durch.


    "Ich bin Marcus Rufinus von den Artorii Rufi, ein junger Vetter deines früheren Klienten Lucius Artorius Castus. Er ist ja schon eine ganze Weile tot. Aber ich bin hier, um dich so wie einst er um dein Patronat zu bitten."


    Das Wichtigste war raus. Der eine Typ guckte mich etwas verärgert an. Der wollte bestimmt auch noch eine Bitte loswerden.


    "Tut mir Leid, wenn der Zeitpunkt jetzt gerade etwas ungünstig war."


    Ein entschuldigendes Lächeln. Vielleicht half es ja. Einen Versuch wars wert.

  • Sim-Off:

    Ich treib uns einfach mal fröhlich munter ein bisschen voran.. auch ohne dich. :P


    Stille. Unangenehme Stille. Ich fühlte mich genötigt, noch etwas zu sagen. Also erzählte ich nach der kleinen Pause noch ein bisschen weiter. Irgendwas.


    "Du fragst dich sicherlich, wieso ich gerade jetzt hier zu dir komme. Gestern Abend bin ich angekommen hier in Rom. Denn nicht nur mein Vetter Castus ist tot. Auch viele andere meiner Verwandten haben ihr Leben gelassen.. vor dem Bürgerkrieg.. im Bürgerkrieg.. und danach. So kam es, dass mich vor etwa einem Monat die Nachricht erreichte, dass ich geerbt hätte.. die Domus Artoria hier auf dem Esquilin. Zuerst habe ich mich natürlich gefreut."


    Ich hielt kurz inne. Denn die Wortwahl stank. Außerdem wollte mich der Decimus ja vielleicht unterbrechen? Ja? Nein? Nein. Ich redete also nervös weiter.


    "Ich meine, gefreut erst, nachdem ich den Tod meiner Verwandten betrauert hatte. Aber dann wurde mir klar, dass ich mich entscheiden musste. Denn zwei Wohnsitze kann ich momentan unmöglich finanzieren. Also habe ich mich für den Familienstammsitz in Rom entschieden und ziehe jetzt hierher. Dabei weiß ich nichtmal, nachdem ich die Domus Artoria jetzt gesehen habe, ob ich mir die Unterhaltung allein auch nur dieses Hauses überhaupt dauerhaft leisten kann. Und deshalb suche ich jetzt einen Patron."


    Hm. Ja. Wollte mich jetzt vielleicht jemand von meinem Qualen erlösen und in meinen Monolog einsteigen? Ja? Nein? Nein. Meine Hände wurden feucht. Mein Mund trocken.


    "Und wegen meinem Vetter Castus kamst du mir dabei als mögliche Option in den Sinn, Consular Decimus. Und ich hoffe, dass du mich genauso in dein Klientel aufnimmst, wie du meinen Vetter damals großzügig in dein Klientel aufgenommen hast. Und ich dachte, dass du mir vielleicht eine Arbeitsstelle vermitteln kannst. Damit ich mir das Leben in der Domus Artoria auch auf Dauer finanzieren kann. Und vielleicht.. also meine Mutter Asconia Clepsina hat vor ihrer Hochzeit mit meinem Vater als Stationaria beim Cursus Publicus gearbeitet."


    Oh man. Konnte mich bitte jemand stoppen? Meine Eltern wollte ich hier eigentlich nicht erwähnen. Er war erst ein Ausreißer. Dann ein Tagelöhner. Dann ein Ehemann und Vater. Dann tot. Sie war deshalb selbst nicht die edelste Partie gewesen. Hatte beim Cursus Publicus gearbeitet. Dann war sie schwanger geworden, hatte geheiratet und mich bekommen. Alles nicht sehr glorreich. Aber das musste der Decimus ja nicht gleich alles wissen. Ich wollte ja sein Klient werden!


    "Jedenfalls.. ich dachte, was eine Frau kann.. was meine Mutter konnte.. das kann ich auch. Und als Stationarius könnte ich die Domus Artoria auch weiter in Familienbesitz halten. Sicher."


    Das musste als Ablenkung von meiner Familiengeschichte hoffentlich reichen. Hoffentlich reichte es auch dafür, dass mich der Consular nicht als Bettler wahrnahm. Ein paar Sesterzen von ihm würde ich jetzt nicht ablehnen. Natürlich nicht! Aber ich wollte mir auch selbst mein Brot verdienen können. (Denn auf diese staatlichen Brotspenden wollte ich nicht angewiesen sein! Soviel Ehre besaß ich dann doch noch in meinen Knochen.)


    "Und wenn du mich als deinen Klient annimmst und mir hilfst und mich unterstützt, dann kannst du dich auch auf meine Hilfe und Unterstützung immer verlassen. Natürlich. Egal, ob du jemanden brauchst, der dir garantiert Beifall spendet, oder wen, der einen wichtigen Botengang für dich unternimmt. Oder so. Wobei.. für das mit dem Boten.. da könnte ich als Stationarius bestimmt.. ÖH-HÖ! ÖH-HÖ!"


    Mist. Verschluckt vor lauter Palavern. Das Husten tat weh. Mein Hals war ja immernoch etwas trocken. Ziemlich trocken sogar, eigentlich. Mir stieg die Röte ins Gesicht. Oje, war das peinlich. Am liebsten hätte ich wütend aufgestampft. Aber meine Blase schmerzte ja auch immernoch. Wie blöde.

  • Ein sehr redseliger junger Mann tauchte noch gegen Ende der heutigen Salutatio auf. Während andere Klienten sich in ihrer meist überschwänglichen Verabschiedung gestört fühlten, kam Livianus diese Abwechslung gerade recht. Er nickte seinen noch verbliebenen Klienten entschuldigend zu und widmete sich ganz dem jungen Mann, der sich ihm als Artorius vorgestellt hatte und auch mit seinem Anliegen nicht lange hinter dem Berg hielt.


    "Nun Artorius! Das mit den Verlusten in eurer Familie tut mir sehr Leid. Ich war deiner Familie über Jahre hindurch eng verbunden und erinnere mich noch sehr gerne an meine treuen Klienten aus euren Reihen. Der Bürgerkrieg hat leider viele Kontakte abreißen lassen. Es freut mich daher, dass nach so langer Zeit wieder einmal ein Artorier den Weg in die Casa Decima gefunden hat.


    Es soll gewiss nicht zu deinem Nachteil sein, dass du mich aufgesucht hast. Ich stehe zu meinen Klienten und zu den treuen Banden, die unsere Familien verbinden. Ich bin also natürlich gerne bereits dich als meinen Klienten anzunehmen und dir die gewünschte Unterstützung zukommen zu lassen.


    Wie es der Zufall auch will, ist eine meiner Klienten die amtierende Postpräfektin von Italia, Sergia Fausta. Ich werde mit ihr bezüglich deines Ansuchens als Stationarius zu arbeiten Rücksprache halten, wenn es wirklich dein ausdrücklicher Wunsch ist, einen solchen Posten zu bekleiden."

  • Erlöst. Ein Glück! Und noch ein Glück, dass mich der Consular trotz dieses Auftritts hier als seinen Klienten annahm.


    "Danke!"


    Mit einem erleichterten Lächeln warf ich dieses Wort ein, nachdem er mir zusagte, dass er mich unterstützen würde. Er hatte sogar eine Klientin im Postwesen. Irgendeine Sergia. Der Name sagte mir jetzt nichts. Aber solange der Senator auch ihr Patron war und solange sie mir zur gewünschten Anstellung verhalf, solange war mir das auch eigentlich erstmal egal, wie sie hieß. Ich nickte.


    "Ja, es ist wirklich mein ausdrücklicher Wunsch, Stationarius zu werden."


    So bekräftigte ich mein Ansinnen. Erstaunlich, wie gut das bisher hier lief. Wenn ich nicht aufpasste, dann wurde ich noch irgendwann mal ein erfolgreicher Mann. Ich grinste kurz in mich hinein. Erfolgreich. Ich. Das war doch eher unwahrscheinlich.


    "Achso. Stationarius in Rom wäre mein bevorzugter Posten."


    Nicht dass mich die Postpräfektin von Italia an den Rand der Alpen oder die Südspitze des Stiefels schickte. Dann könnte ich zwar Geld verdienen. Aber wer sollte sich dann um die Domus Artoria hier in Rom kümmern? Deshalb wäre Rom schon optimal. Erwartungsvoll schaute ich meinen neuen Patron an. Ich wusste wieder nicht, was ich noch sagen sollte. Diesmal schwieg ich nun einfach.

  • "Also gut. Dann werde ich schauen, was ich diesbezüglich für dich tun kann und dir dann Bescheid geben. Ich nehme an ein Vorsprechen bei der Präfektin wird sich ohne weiteres ermöglichen lassen. Alles weitere liegt dann in deinen Händen."


    Damit stellte Livianus gleich von Anfang an klar, dass er seine Kontakte dazu nutzen würde, dem Artorier in eine gute Ausgangslage für sein Anliegen zu bringen, aber noch nicht dazu bereit war, für den neuen Klienten alle Register zu ziehen, um ihn den gewünschten Posten auch zu garantieren. Doch eine solche Unterstützung war in den meisten Fällen dennoch Goldes wert.


    "Kann ich sonst noch etwas für dich tun?"

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