Als hätte er sie bei irgend etwas ertappt, schreckt Lucilla von dem Schriftstück hoch, lächelt aber dann breit, als sie Meridius erkennt. Gerade noch hat sie Faustus etwas zum Soldatenleben schreiben wollen und darüber nachgedacht, dass die Decima-Männer ein endloser Hades-Kreis sind. Ständig wollen die jungen Männer die alten Hasen beeindrucken und womit ginge das wohl besser, als der Legion beizutreten. Ein Triumphator in der Familie steckt die Erwartungen dann natürlich gleich nochmal so hoch, aber wo käme Rom denn hin, wenn ständig ein Decimus durch die Stadt marschieren würde?
Die Absicht, ein beiläufiges Gespräch mit Lucilla anzufangen, kann natürlich nur schief gehen. Denn beiläufige Gespräche gibt es mit Lucilla als Gesprächspartner nicht. Ganz oder gar nicht, gerade beim Reden ist das ihre Devise und wenn sie erstmal dabei ist, dann hört sie so schnell auch nicht wieder auf. (:D)
"Ah, Meridius, ja, schau nur, ich habe einen Brief von Faustus bekommen. Und er hat mir einen Schal geschickt. Ist der nicht wunderschön?" Sie hebt das bunte, wirklich sehr bunte, um nicht zu sagen zu bunte, Stück Stoff in die Höhe und wedelt begeistert damit herum. Für Lucilla ist es natürlich absolut nicht zu bunt, denn wahrscheinlich gibt es so bunt gar nicht, dass es für Lucilla zu bunt wäre. "Was meinst du nur, wie mich die Damen darum beneiden werden. Der neueste Schrei wird das, das garantiere ich dir. Spätestens im Winter wird sich halb Rom die Finger nach diesen Stoffen lecken. Ich sage dir, wenn eine Frau in Rom noch einen Betrieb unterhalten dürfte, dann würde ich anfangen mit Stoffen aus Parthia zu handeln. Lange wird es ja nicht mehr dauern, bis das Land eine römische Provinz ist und Faustus könnte mir sicher schon in der ein oder anderen Handelsniederlassung einen Fuß in die Tür setzen." Sie seufzt theatralisch. "Aber eine Frau in Rom, die sich nicht mit einem Niemand abgeben will darf ja noch nicht einmal ihren Marmor anbieten! Was sagst du eigentlich dazu? Hast du auch für dieses verquerte Gesetz abgestimmt? Sind das vielleicht Alternativen, vor die man da gestellt wird? Entweder ich werde eine alte, jungfräuliche Vettel, deren ganzer Spaß im Stein liegt, oder ich werde eine angesehene Ehefrau, deren Spaß im ehelichen Schattendasein versinkt!"
Wie üblich tritt Lucilla damit natürlich voll ins Fettnäpfchen hinein, immerhin steht Meridius auf der anderen Seite genau so einer Ehe. Wobei ihr tatsächlich schleierhaft ist, mit was sich Severa die Zeit vertreibt, denn bei den schicken Soirees der Damen aus dem Ordo Equester und Ordo Senatorius hat sie sie noch nie gesehen.
Mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der Lucilla auf den Mercatus nach einem erfolgreichen Kauf den Schuhstand und die (gefühlte) Notwendigkeit eines neuen Paars Schuhe hinter sich lässt und zielstrebig ohne Umwege weiter zu den Schmuckständen eilt, wechselt sie das Gesprächsthema und kommt wieder auf ihren Neffen zurück. "Wusstest du eigentlich, dass Faustus zur Legion gegangen ist? Und Livianus wusste nicht einmal davon! Das ist wirklich mal wieder typisch Decima, und wer darf sich am Ende wieder Sorgen machen? Ich bin nur froh, dass sie dich wenigstens zuhause gelassen haben. Nein, wirklich, ich würde liebend gerne darauf verzichten, die Mode des Winters zu bestimmen, wenn sie dafür alle zuhause wären." Wer Lucilla kennt, der weiß, wie schwer ihr so etwas fällt. Etwas wehmütig schaut sie auf die bunt schillernden Farben des Schals von Faustus. Wenn es Livianus und ihm nur gut geht. "Zumindest haben sie noch keine Parther gesehen. Naja, wer weiß, so ein Brief braucht ja auch seine Zeit bis er hier ist. Es kann genauso gut sein, dass..." Sie bricht ab und blickt zu Boden. Ihre Stimme ist kaum noch ein Nuscheln und der Ärger darin kann nur schwer die Sorge überdecken. "Ich hasse das ... und es wird mit keinem Krieg besser."