• Caius wartete, aber Seiana sagte einfach nichts mehr zur Freundschaft. Das machte ihn ein ganz klein bisschen hibbelig. Sein rechtes Bein begann zu wippen, hoch und runter, hoch und runter, ganz schnell, immer wieder. Er machte sich selber nervös damit. Sollte er jetzt drauf bestehen oder nicht?
    »Also, hör mal...« begann er ohne zu überlegen und sah dabei Seianas Sandale an.
    »Denkst du wirklich, wir könnten nicht befreundet sein?« Jetzt sah er sie an und fragte sich, ob er damit vielleicht in ein Wespennest gestochen hatte oder nicht. Er wusste ja, wie Seiana darauf reagierte, wenn man sie drängelte. Obwohl das bei der anderen Sache nicht wirklich von Erfolg gekrönt gewesen war. Caius seufzte tief.


    »Ich weiß das, weil...« Dea Dia, wusste Seiana von der Schwangerschaft? Caius bekam hochrote Ohren.
    »Äh, weil er Axilla behandelt hat und wir nicht den Eindruck hatten, dass er dabei besonders toll war. Wenn du mich fragst, solltest du den rausschmeißen.« Dass Seiana sich direkt bei Crios erkundigen könnte, daran dachte Caius gar nicht. Und auch nicht daran, dass der ihr erzählen könnte, wie er von Caius eine reinbekommen hatte. Caius sah Seiana stumm an und versuchte, den Tonfall zu verstehen, den sie anschlug, als es wieder um die Taverne ging.
    »Wieso kann ich dir nichts schenken? Ich mein, ich hab sie dir ja schon geschenkt! Was soll denn das jetzt auf einmal? Da kräht doch kein Hahn nach«, beharrte er auf seiner Meinung und schüttelte den Kopf.
    »Die behältst du. Und dein Geld will ich nicht. Ich lasse meine Geschenke nicht bezahlen, wär ja noch schöner...« grummelte Caius vor sich hin.


    »Wenn du unbedingt willst...«, antwortete er widerstrebend auf Seianas Worte zu seinen Eltern hin. Er würde das nicht machen. Einen Teil der Kosten tragen... Seiana tickte einfach nicht richtig gerade.

  • Er wollte das Thema einfach nicht ruhen lassen. Seiana schloss die Augen und wünschte sich, ihr Kopfweh würde besser werden, aber gerade schien es eher noch zuzunehmen, ein dumpfes Pochen, das ihr das Denken schwer machte. Und dass Caius nun auch noch angefangen hatte, mit dem Bein zu wippen, machte es ihr noch unmöglicher, sich zu konzentrieren. „Kannst du damit aufhören?“ fuhr sie ihn mit einer Kopfbewegung zu seinem Bein hin entnervt und fügte dann noch hinzu: „Bitte.“ Und dann schwieg sie erst mal. Es gefiel ihr nicht, nicht zu wissen was sie sagen sollte. Aber sie wusste es einfach nicht. Sie wusste nicht, warum er unbedingt mit ihr befreundet sein wollte. Und was sie betraf… Sie wusste, dass sie ihn mochte. Gemocht hatte. Natürlich, immerhin hatte sie ihn heiraten wollen! Aber eine Freundschaft war etwas völlig anderes, und Freunde… Seiana wusste nicht, was Freunde taten. Sie hatte nicht wirklich Freunde. Sie hatte Bekannte, gute Bekannte, Verwandte… und zum Bekanntenkreis zählte Caius auch weiterhin, das ohne Frage, daran konnte sie ohnehin nichts ändern. Aber befreundet sein? Nach allem, was passiert war, was er getan hatte? Verletzter Stolz regte sich erneut in ihr. Er hatte sie abgeschoben. Hatte eine andere ihr vorgezogen. Wäre diese andere wenigstens tatsächlich besser als sie gewesen, Seiana hätte es noch irgendwie verstehen können. Eine Patrizierin. Oder die Tochter eines Senators. Die noch dazu repräsentativer war als sie, und die keinen Bruder hatte, der sich mit Caius prügelte. Aber er hatte ihr Axilla vorgezogen, deren Familie ihre glanzvollen Zeiten schon längst hinter sich gelassen hatte, und die auch selbst weit weniger zu bieten als Seiana. Und das begriff sie einfach nicht. „Was ich denke, ja?“ Sie erwartete nicht wirklich eine Antwort, das zeigte allein schon der bittere Tonfall, der sich nun hineinschlich. „Du betrügst mich, lässt mich sitzen, heiratest eine andere und willst trotzdem, dass ich dir die Stange halte?“ Sie wünschte sich, er hätte nicht nachgebohrt, wünschte sich, er hätte das Thema einfach auf sich beruhen lassen. Am besten wäre natürlich gewesen, sie wäre in der Lage, einfach nur Ja zu sagen. Ja, natürlich können wir befreundet sein. Und dabei ein Lächeln aufzusetzen, das so überzeugend wie falsch war. Aber dazu fühlte sie sich im Moment einfach nicht imstande. Caius hätte warten müssen, bevor er sie damit überfiel, hätte einfach noch warten müssen…


    Das nächste Thema war nicht unbedingt einfacher, aber doch insofern besser, als dass es Seiana etwas gab, worauf sie anstelle dieser leidigen Freundschaftsfrage konzentrieren konnte. Und das funktionierte wenigstens für Augenblicke sehr gut, weil die Informationen, die Caius ihr gab, sie doch etwas kalt erwischten. „Er… Moment. Axilla wurde in meiner Taberna behandelt?“ Und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die Seekrankheit, die einfach nicht hatte verschwinden wollen… Und sie hatte ihr auch noch angeboten, sich in ihrer Taberna Rat zu holen. Dass Axilla allerdings derart frech, derart unverfroren sein würde, sich in ihrer Taberna, von ihren Angestellten behandeln zu lassen, weil sie von ihrem Verlobten schwanger war, das hätte auch Seiana nicht gedacht. Ihr Kopf dröhnte, während plötzlich Wut in ihr zu pulsieren begann. „Sie lässt sich von meinem Verlobten schwängern und geht dann in meine Taberna?“ Sie starrte Caius an, und ohne es zu merken, ballten sich ihre Hände zu Fäusten, so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Es dauerte Augenblicke, bis sie sich wieder so weit unter Kontrolle hatte, dass sie ihrer Stimme traute. Als sie dann das Wort ergriff, war ihr Tonfall kühl, um nicht zu sagen eisig. „Nun, ich bedaure, dass ihr nicht den Eindruck hattet, gut behandelt worden zu sein. Aber ich fürchte, es ist mein Eindruck, der maßgebend ist.“ Auf die Diskussion, was die Taberna an sich anging und mögliche nachträgliche Zahlungen ihrerseits an Caius ließ sie sich nicht weiter ein. Sie würde nicht mit ihm darüber streiten. Wenn er nicht nachgeben wollte, würde sie ihm einfach in den nächsten Tagen einen Beutel mit Sesterzen vorbeischicken, die den ungefähren Wert der Taberna darstellten zum Zeitpunkt, als sie sie übernommen hatte. Sie wollte ihm einfach nichts schuldig sein – aber dass er das nicht begriff, zeigten seine Worte deutlich. Und sie meinte ihn zu gut zu kennen, um zu hoffen, dass sie ihn umstimmen oder auch nur dazu bringen könnte, sie zu verstehen – und nachzugeben. Was seine Eltern anging allerdings fühlte sie sich bemüßigt, ihren Wunsch noch einmal zu bekräftigen. „Ja, das will ich. Es gehört sich einfach.“

  • Als Caius fragend aufsah, wollte er schon fragen, womit er aufhören sollte. Aber dann sah er Seianas Blick und guckte mal nach, was sie meinte. Und als er sein zitterndes Bein sah, verzog er kurz das Gesicht und hörte dann auf. Zumal sie ja bitte sagte. Auf Caius' Frage antwortete sie nicht. Caius fiel das sehr wohl auf. Aber er hatte gar keine Chance, da nachzufragen, weil Seiana gleich herumkeifte. Caius klappte den Mund auf, um zu widersprechen, dann klappte er ihn wieder zu. Klar. Sicher, für sie klang das so. Für ihn nicht wirklich. Caius runzelte die Stirn. Er hatte das extremst dringende Bedürfnis, sich zu verteidigen. Außerdem machten die Worte Axilla auch irgendwie schlecht.
    »Naja«, bemerkte er deswegen in einem anderssehenden Tonfall und wackelte mit dem Kopf zu seinen Worten.
    »Weißt du, es stellen sich eben nicht alle s... Ich mein...« Mitten im Satz bekam er große Augen und starrte Seiana an.
    »Ääääh...wasicheigentlichsagenwollte...*hust*... Das mit ihr und mir, das war...eigentlich nur Zufall!« War's ja auch! Caius bekam rote Ohren. Er fand das mistig, denn das verriet ihn. Seiana wusste das.
    »Und ich hätte es dir auch gesagt. Außerdem waren wir ja noch gar nicht verheiratet!« Was nicht hieß, dass ihn das von bestimmten Dingen während der Ehe abgehalten hätte, aber das sagte er nicht (ihm war sein Leben nämlich lieb).


    »Ja, wurde sie. Und dieser Kurpfuscher, den du da beschäftigst, den würd ich zuerst mal auf die Straße setzen. Wenn's mein Laden wär.« Kurz überlegte er, ob er nur deswegen auf Seianas Rückgabeangebot eingehen sollte, aber das fand er dann doch irgendwie albern. Als die Erkenntnis Seiana eroberte, verdrehte Caius die Augen.
    »Mann, Seiana. Ist halt passiert!« Caius zuckte mit den Schultern. Das war doch alles nur halb so schlimm wie sie das darstellte. Frauen!

  • Seiana hätte am liebsten aufgeschrieen, als sie sein Naja hörte. Naja. Und das in diesem Tonfall. Es gab kein Naja in diesem Fall, nicht in ihren Augen. Und dann sprach er weiter. Er beendete den Satz nicht. Aber Seiana wusste dennoch, was er sagen sollte. Es war oft genug Thema gewesen zwischen ihnen, nicht weil sie es immer wieder auf den Tisch gebracht hätte, sondern er. Und sein Standpunkt, seine Meinung, war deutlich geworden in den verschiedenen Diskussionen. Sie wusste, was er sagen wollte. Sie hatte auch schon vorher gewusst, dass er so dachte. Aber dass er es ihr gegenüber tatsächlich so aussprechen, so formulieren würde, hätte sie nicht gedacht, nicht erwartet, und es traf sie zutiefst, dass er es tat. Sie hatte immer geglaubt, er hätte Verständnis für ihre Haltung. Jedenfalls hatte er das immer behauptet. Dass er ihr jetzt so in den Rücken fiel, ihr einen derartigen Tiefschlag verpasste, das… traf sie mehr als die Tatsache an sich, dass er sie betrogen hatte. Dafür hatte sie ja noch bis zu einem gewissen Grad Verständnis. Sie hätte sich gewünscht, es wäre keine Römerin gewesen, sondern eine Lupa oder Sklavin, und natürlich hätte sie sich vor allem anderen gewünscht, es wäre bei einer simplen Affäre geblieben, bei der Caius sich einfach holte, was er augenscheinlich brauchte und von ihr – noch! – nicht bekam, aber sie hätte Verständnis dafür gehabt, haben können, eben weil sie sich weigerte, ihm das zu geben. Und sie waren nun einmal lange verlobt gewesen. Aber sie hatte geglaubt, er umgekehrt hätte für sie dasselbe Verständnis, und vor allem hatte sie geglaubt, Caius würde deswegen nicht die Verlobung über den Haufen schmeißen, nur er weil er eine andere Römerin getroffen hatte, die die Beine für ihn breit machte. Dass er ihr das nun auch noch vorhielt…


    Sie wurde bleich, bleicher noch als ohnehin schon, als das Eis mit einem Knirschen und Knarren sich noch ein weiteres Stück empor türmte und die Landschaft in ihrem Inneren noch zerklüfteter werden ließ. Zerklüftet und unwegsam von nah. Eisig, glatt und schimmern von fern. „Zufall“, wiederholte sie leise. „Dann war es sicher auch Zufall, dass du mehrmals den Vorzug ihrer vor der Hochzeit gespreizten Beine genossen hast.“ Seiana war wirklich verletzt durch die halb ausgesprochene Bemerkung von gerade. Und wieder war da der Teil in ihr erwacht, der sich fragte, ob es nicht vielleicht doch ihre Schuld war… der unsichere Teil in ihr, der sie für so wenig wert hielt, der ihr beständig zu sagen schien, dass sie anders sein müsste, anders… anders. „Was für ein Glück, dass wir noch nicht verheiratet waren, nicht wahr? Eine Verlobung aufzulösen ist so viel einfacher als eine Scheidung einzureichen.“ Irgendwo meldete sich in ihr der Impuls, etwas an die Wand zu werfen, aber Seiana musste sich nicht einmal Mühe geben, sich zu beherrschen. Das Eis in ihr tat diese Arbeit für sie. „Es ist aber nicht dein Laden. Wenn du das ändern möchtest, bitte. Wenn nicht, ist es nicht deine Angelegenheit.“ Sie neigte sich ein wenig nach vorn, als sie das sagte, bereute das aber, als Caius’ nächste Worte kamen. „Ja. Es ist passiert. Dennoch würde ich es vorziehen, wenn sie sich in Zukunft eine andere Taberna sucht.“

  • »Ja«, entgegnete Caius treudoof und konkretisierte sich dann.
    »Zumindest meistens.« War ja auch so gewesen. Die ersten Male waren echt Zufall gewesen. Und dann hatten sie weitergemacht, weil es einfach gut gewesen war und sie sich prima verstanden. Caius zuckte mit den Schultern, dann runzelte er die Stirn, und schließlich verdrehte er die Augen.
    »Oh Mann, du machst aber auch ein Theater daraus. Wir waren nicht verheiratet, das ist halt so, ja und? Natürlich wusste ich, dass du das nicht toll findest, aber wir - waren - eben - nicht - verheiratet!« Caius schüttelte den Kopf. Und Seiana bestätigte, dass es gut war, dass sie nicht verheiratet gewesen waren.
    »Seiana, echt. Mit der Einstellung findest du doch keinen, der so lange warten will! Wir waren eine halbe Ewigkeit verlobt, und da war nie mehr als ein Kuss hier und einer da. Das ist doch vollkommen egal ob man dann zu einer lupa geht oder zu jemand anderem.« Vor allem, da es bei Caius ja nicht mal wirklich nur darum gegangen war. Er und Axilla waren ja auch vorher schon eng befreundet gewesen. Caius stöhnte entnervt, seufzte dann tief.
    »Na, egal. Ich wollte dich nicht zum Streiten besuchen«, sagte er zu ihr.


    »Und wenn du unbedingt willst, dass Geschenke zurückgegeben werden müssen, dann bitte. Soll mich dein Hanswurst eben kostenlos behandeln, wenn ich ein Problem hab«, schlug er ihr vor. Hingehen würde er zu diesem Futzi eh nie.

  • Und dann kam wieder ein paar Kommentare, bei denen es Seiana zunehmend schwerer fiel, sich zu beherrschen. Sie wollte sich beherrschen, sie hatte diesen Anspruch an sich, sie wollte sich vor ihm nicht gehen lassen, aber je länger Caius sprach, desto schwerer fiel ihr das. Meistens war es als Zufall gewesen. Davon abgesehen, dass sie sich nicht so ganz sicher war ob sie das tatsächlich glaubte, bei ihm nicht und bei Axilla erst recht nicht – sie war sich nicht so sicher, ob ihr das wirklich so viel besser gefiel. Zufall also. Was sagte das über sie aus, und über die Beziehung, die Caius und sie hatten, wenn so etwas zufällig passierte? Aber sie wollte nicht darüber nachdenken, und es war Caius, der ihr dabei half, weil er weiter sprach. Und Seiana lief es bei seinen Worten heiß und kalt den Rücken hinunter, während der Druck in ihrem Kopf zunahm und immer stärker zu pochen schien. Ein Pulsieren, das sich irgendwo im Schläfenbereich konzentrierte. Und dann wich auch noch das letzte bisschen Blut aus ihren Wangen. Mit dieser Einstellung findest du doch keinen. Sie stand auf, mit einem so heftigen Ruck, dass ihr Stuhl kippte und krachend hintenüber zu Boden fiel. „Dann sollte ich vielleicht zu den Göttern beten, dass ich noch Chancen bei den Vestalinnen hab, oder?“ zischte sie. Was um alles in der Welt hatte er denn? Warum gab es denn diese Traditionen, warum wurde das denn von Frauen erwartet? Sie bildete sich das doch nicht nur ein! Und es war auch nicht ihre Schuld, dass ihre Verlobungszeit so lange gedauert hatte, denn er hatte ja so lange in Ägypten bleiben wollen! „Und es ist nicht egal. Bei einer lupa, oder einer Sklavin, befriedigst du deine Bedürfnisse. Du kommst nicht auf die Idee, auf einmal sie heiraten zu wollen statt mich!“


    Mit einem Ruck wandte Seiana sich ab und entfernte sich ein paar Schritte von ihm. Ihr Kopf dröhnte, und sie verfluchte sich lautlos dafür, dass sie sich nicht beherrscht hatte. Aber als Caius sagte, er hatte sie nicht zum Streiten besuchen wollen, hatte sie schon wieder Mühe, ruhig zu bleiben, ihm nicht im übertragenen Sinn an die Gurgel zu gehen. Warum war er dann hier? Das war doch genauso wie sein Ansinnen, dass sie Freunde bleiben sollten! Was bildete er sich denn ein? Erwartete er ernsthaft, dass sie einfach zur Tagesordnung übergehen würde, als wäre nichts geschehen? Als hätte er sie nicht blamiert, als hätte er nicht dafür gesorgt mit seinem Verhalten, dass ihre Chancen, jetzt noch einen anständigen Ehemann zu finden, weiter gesunken waren, als hätte er sie nicht verletzt? Sie antwortete nicht. Sie traute sich selbst nicht. Wenn sie jetzt etwas gesagt hätte, hätte sie ihn vermutlich angebrüllt. Aber die Anspannung wuchs, und der ganze Tumult, der in ihr brodelte und durch die Eisschicht verdeckt wurde, der bereits gerade eben ein Schlupfloch gefunden hatte und wie ein Lavastoß empor geschossen war, kochte in ihr weiterhin, suchte nach einer Möglichkeit, auszubrechen, und fand gleich darauf eine weitere Chance. „Er wird dich nicht kostenlos behandeln. Du nimmst die Taberna, oder du nimmst das Geld, aber du kriegst keine kostenlose Behandlung“, knurrte sie. Wäre ja noch schöner. Ein Geschenk, das er weder zurückwollte noch umwandeln wollte in einen Verkauf – aber eine lebenslange kostenlose Behandlung, das könnte ihm so passen. Aber nicht mit ihr.

  • Caius erschreckte sich, als Seiana so plötzlich hoch schoss und dabei ihren Stuhl umwarf. Er hätte es eh nicht geschafft, aber in einem Reflex versuchte er trotzdem, nach der Lehne zu greifen. Als der Stuhl dann lag und Seiana ein paar Schritte gegangen war, zuckte Caius nur mit den Schultern und ließ den Stuhl liegen. So langsam ging ihm das echt auf die Nerven.
    »Dafür bist du zu alt!« motzte er brummelig zurück und trat damit wohl wieder in einen neuen Fettnapf.
    »Ach komm, wenn du mich wirklich hättest heiraten wollen... Ich mein, wer sagt denn, dass ich mic nicht unsterblich in eine lupa verliebt hätte? Hätte doch genauso sein können, na und? Dann würdest du jetzt sagen, dass es besser ne Freundin gewesen wär statt eine lupa, weil das gesellschaftlich daneben ist oder was auch immer. Ich bin halt nicht der Typ für sowas. Das weißt du auch. Wenn du sauer auf mich sein willst, gut, sei halt sauer. Aber du bist da nicht ganz unschuldig dran. Die Sandale musst du dir anziehen, Seiana!« Caius saß immer noch, hatte jetzt aber die Arme vor der Brust verschränkt. Er war jetzt wirklich grummelig. Und er hatte eine Eingebung, was die Taverne anging.
    »In Ordnung. Dann nehm ich das Geld. Was will ich auch mit einer Praxis voll mit Deppen? Ich schick Katander vorbei. Oder willst du mit deinem Sturkopf vielleicht lieber einen von deinen Sklaven schicken?« ätzte er nörgelig.

  • Seiana fühlte sich, als ob sie eine Eisdusche bekommen hätte. Sie starrte Caius an. Dafür bist du zu alt. Das war kein Fettnapf, in den er da trat. Der Satz vorhin, dass sie so keinen bekommen würde, keinen Ehemann, den konnte sie noch in der Kategorie Fettnapf verbuchen, aber nicht das. Nicht das. Das war Absicht, und er hatte es gesagt, um ihr weh zu tun. Sie war zu alt, und das wusste sie. Sie war zu alt für die Vestalinnen, zu alt um jetzt noch in einen anderen Dienst als Priesterin einzusteigen und etwas Vernünftiges aus ihrem Leben zu machen, etwas, was gesellschaftlich angesehen und akzeptiert war, und sie mochte nicht im eigentlichen Sinn zu alt sein für eine Ehe, aber sie war weit über das Alter hinaus, in dem die erste Ehe hätte geschlossen werden sollen. Aber: als sie Caius kennen gelernt hatte, da war es noch im Rahmen gewesen. Nicht mehr das ideale Alter, aber im Rahmen, und sie hatte ja eine Erklärung gehabt, eine gute, sie hatte sich um ihre Mutter gekümmert während ihrer langen Krankheit bis zum Tod. Jetzt? Jetzt musste sie sagen, dass sie Zeit damit vertrödelt hatte mit einem Mann verlobt zu sein, der sich dann, als es ernst geworden wäre, für eine andere entschieden hatte. Eine Jüngere.


    Ihre Hände öffneten und schlossen sich, und zugleich schmerzte ihr Kopf, immer mehr. Caius’ Worte rieselten an ihr vorbei, irgendwie. In eine lupa verlieben. Jetzt sagte er ihr auch noch, dass er sich sogar in eine lupa verliebt hätte, weil sie, Seiana, offenbar so furchtbar war. Plötzlich wünschte sie sich Wein. Bei dem Gedanken an noch mehr wurde ihr beinahe übel, und dennoch wünschte sie sich das: noch mehr Wein. Genug, dass sie all das hier einfach darin ertränken konnte. Dass sie vergessen konnte. Dass sie nicht mehr Caius’ Stimme hörte, die in ihren Ohren, ihrem Kopf dröhnte, ihr all das vorhielt, was an ihr auszusetzen war, was sie falsch gemacht hatte, was sie erwarten würde… Sie ist anders. Du findest doch keinen. Du bist zu alt. Und schließlich, als Seiana es nicht mehr aushielt, entlud sich das ganze Chaos, der Schmerz und die Wut. Sie holte mit dem Arm aus und fegte die nächstgelegene Vase zu Boden, schmetterte sie vielmehr von ihrem Platz, so dass sie quer durch den Raum flog, bis sie schließlich auf dem Mosaik am Boden zerschellte. „RAUS HIER“, brüllte sie dann. „VERSCHWINDE! SCHICK KATANDER VORBEI, WENN DU WILLST, ABER VERSCHWINDE!“

  • Seiana sah aus wie ein Krebs im Kochtopf. Die machten auch dauernd die Scheren auf und zu. Allerdings packten die keine Vasen. Und die warfen auch keine Vasen auf den Boden, bis sie in tausend kleine Teile zersprangen. Caius starrte Seiana entsetzt an. Nicht weil sie eine Vase geworfen hatte. Sondern weil sie eine Vase geworfen hatte! Caius starrte. Und starrte. Und zuckte nicht mal mit der Wimper, als Seiana ihn anbrüllte, so fasziniert war er, dass sie sowas wie ungezügelte Wut empfinden konnte. Wau. Da war ja doch sowas wie Leidenschaft in ihr. Krass. Dann stand er auf.


    »Gut, geh ich eben. Ich nehm an, das mit der Freundschaft hat sich damit dann erstmal erledigt«, bemerkte er und deutete in aller Seelenruhe auf die Vase.
    »Verrätst du mir wenigstens noch, was genau eigentlich dein Problem ist?«

  • Caius reagierte nicht. Er starrte sie nur an. Und einem Teil von ihr begann zu dämmern, wie sie sich gerade aufführte. Aber dieser Teil, der beherrschte, war bei weitem nicht stark genug, um das hispanische Temperament zu zügeln, das auch in ihr schlummerte und vor allem durch jahrelange Erziehung nach und nach gedämmt worden war. Eingezäunt. Eingesperrt. Und obwohl sie es sich nicht eingestand, sie wartete auf eine Reaktion von ihm, eine, die ihrem Ausbruch würdig war – wartete auf eine Reaktion wie die, die von Faustus gekommen wäre in so einer Situation, der zurückgebrüllt und türenkrachend das Haus verlassen hätte wohl. Aber Caius tat nichts dergleichen. Im Gegenteil. Diesmal war es er, der – bewundernswert – ruhig blieb. Was Seiana auf der einen Seite sich nur noch schlechter fühlen ließ, weil sie es nicht fertig brachte, und auf der anderen Seite zugleich dafür sorgte, dass sie es nicht schaffte, sich zu beruhigen. „Das mit der Freundschaft kannst du doch eh nicht ernst gemeint haben! Wie stellst du dir das vor? Ich soll dann trotzdem noch für dich da sein und dich unterstützen? Oder war das eher aus Mitleid gemeint, die arme Seiana, ist nicht geeignet, kriegt keinen ab, ist eh zu alt dafür, wenigstens das soll sie haben?!?“ Am liebsten hätte sie noch eine Vase zu Boden geschleudert, aber es war nur die eine in Reichweite gewesen, und quer durch den Raum zu einer anderen zu laufen, so weit war sie dann doch nicht. „Mein… mein Problem? Du fragst… du… die Frage ist nicht dein Ernst!“ Aber genau das schien der Fall zu sein. Seiana starrte Caius an. „Mein PROBLEM ist diese ganze verdammte Situation! Die Lage, in die du mich bringst! Du bist doch nicht der einzige, der Jahre gewartet hat, ich hab auch gewartet, auf dich, auf die Hochzeit, und im Gegensatz zu dir ist es bei mir nicht egal, wann ich mich endlich bequeme mir einen Ehepartner zu suchen! Im Gegensatz zu euch Männern wird bei uns auf eine ellenlange Liste an Dingen geachtet, und das Alter ist nur eins davon! Aber nein, ich denk ja die Sache wär klar, also macht mir das nichts aus, dass ich älter werde und älter und immer weiter wegkomme von dem Alter, in dem es normal ist für eine Frau, das erste Mal zu heiraten, und was ist dann? Du lässt mich sitzen. Für eine Jüngere! Weil die sich offenbar einen Dreck um Ehre und Anstand und Traditionen schert! Weil sie anders ist! Ich wollte dich heiraten, ich hab mich darauf eingestellt, ich wollte mit dir mein Leben verbringen, mit dir, weil ich dich mochte, weil ich mir vorstellen konnte, das funktioniert mit uns! So ein Versprechen gibt man nicht leichtfertig, das war mir ernst, und jetzt steh ich da und muss zusehen, wie ich aus meinem Leben was machen kann, damit auf mich oder meine Familie kein schlechtes Licht fällt, weil ich in meinem Alter noch unverheiratet bin und nicht mal die Aussicht auf einen Ehemann hab!“

  • »Wohl hab ich das ernst gemeint, wieso denn auch nicht!« blökte Caius zurück und stand jetzt doch auf. Das war ihm zu blöd, im Sitzen zu streiten. Aber er blieb nicht an Ort und Stelle stehen, sondern lehnte sich mit verschränkten Armen an die nächst gelegene Wand (genau unter ein aufgemaltes Stillleben mit Früchten übrigens).


    »So ein Quatsch, das hab ich gar nicht.... würdest du mir vielleicht...red ich mit einer...halloooooo? Hörstdumirjetztendlichmalzuoderwas?!« versuchte Caius zu Seiana durchzudringen, aber die redete ihn einfach nieder. Nur seine letzten drei Silben, ziemlich laut gerufen, standen dann alleine im Raum, als Seiana endlich fertig war.
    »Also, erstens hab ich nicht gesagt dass du zu alt zum Heiraten bist, sondern für die Vestalinnen! Und zweitens hat es dich sonst nie so sehr gestört wie jetzt grade, dass ich eben nicht der supertolle Senatorensohn mit langer Ahnenreihe und Schnöselverhalten bin, der verstaubte Überlieferungen feiert und sich eisern an irgendwelche total dämlichen Regeln hält! Warum stört dich das jetzt auf einmal so sehr? Und wieso hackst du eigentlich als auf Axilla rum? Die kann doch am allerwenigsten dafür! Ich mein, ich hab dich doch nicht umsonst gefragt, ob das klar geht, wenn wir das mit der Verlobung so machen, oder nicht? Du hast doch JA gesagt, oder hab ich mich da verhört? Ist doch total egal wie alt sie ist oder wie alt du bist, raffst du das denn nicht? Das ist mir echt sowas von egal, total scheißegal halt!« Caius gestikulierte inzwischen recht wild herum.
    »Geht's dir echt nur darum, dass deine Familie gut dasteht? Was ist denn mit dir selber? Bist du wegen dir sauer oder wegen deiner Familie? Hörst du dich eigentlich reden? Wann hast du mir denn mal gesagt, dass du mich liebst? Das kann ich an einer Hand abzählen, Seiana! Und lass mich überlegen, wie lange waren wir noch mal verlobt?« Caius tat so, als würde er mit den Fingern zählen, dann machte er eine gleichgültige Geste.
    »Du wolltest mich doch eh nicht. Was soll's also?« sagte er provokatiov und zuckte dann mit den Schultern.

  • Seiana ließ Caius nicht zu Wort kommen – sie registrierte nicht einmal wirklich, dass er etwas sagte, so sehr war sie in Fahrt. Aber als sie dann eine Pause machte, schaltete er sich dazwischen, und unwillkürlich machte sie einen Schritt zurück. Und noch einen. Wie ein Kämpfer, der getroffen worden war. „Warum mich das stört? Ich könnte dich genauso gut fragen, warum dich stört, dass ich an Überlieferungen und Traditionen festhalte! Das wusstest du von Anfang an! Und klar, ich hab gewusst dir ist das nicht so wichtig, aber ich dachte trotzdem, dass dir wenigstens etwas davon auch etwas bedeutet – ganz davon abgesehen dass ich dachte, dass du mich und meine Meinung respektierst!“ Sie hob die Hände und fuhr sich durch die Haare. Plötzlich war ihr nach Heulen zumute, vor Wut, vor Schmerz, vor Chaos. Aber so weit hatte immer noch sie die Kontrolle, dass sie das nicht zuließ. Du bist ja jetzt nicht derjenige, der unter der Sache zu leiden hat! Ich will kein Leben hier in Rom verbringen, wo mich jeder schräg ansieht, weil ich immer noch unverheiratet bin! Und erzähl mir nicht, Axilla könnte nichts dafür, ich bitte dich! Oder willst du mir etwa erzählen, du wärst über sie hergefallen, obwohl sie nein gesagt hat? Ich hab doch gesehen, wie sie sich bei Pompeius an dich rangeschmissen hat! Ihr ganzes Verhalten da, das war doch nicht mehr feierlich, was sie da abgezogen hat!“ Seiana musste beinahe würgen, als sie daran dachte, dass die Iunia sie geküsst hatte. Dass ihre Lippen sich berührt hatten. „Natürlich hab ich JA gesagt! Was hätte ich denn sonst tun sollen, ich mein, ich hab auch meinen Stolz! Ich werd nicht darauf bestehen, dass du dein Versprechen hältst, wenn du mir nur einen Moment davor gesagt hast, dass du eine andere mir vorziehst! Dass du mich nicht willst! Dass du deine Zeit sowohl inner- als auch ganz offensichtlich außerhalb des Betts viel lieber mit einer anderen verbringst, bis hin zu der Tatsache, dass du ihr deine Geschäfte anvertraust und nicht mir, wie es hätte sein sollen als deine Verlobte und zukünftige Frau!“


    Und dann machte Seiana noch einen Schritt zurück. „Und wie oft hast du mir gesagt, dass du mich liebst? Ich kann das nicht an einer Hand abzählen, das war öfter. Aber ernst gemeint war es deswegen trotzdem nicht, wie man sieht.“ Sie schüttelte den Kopf, und urplötzlich flaute die Wut ab – und ließ sie leer zurück. So leer, und so erschöpft. Und mit einem dröhnenden Schädel. „Es geht mir um mich und meine Familie. Aber das hast du ja nie begriffen.“ Sie wandte sich ab und starrte zum Fenster hinaus, aber dann flackerte doch wieder Wut auf in ihr, und sie sah ihn wieder an. „Oh ja. Red dir das nur ein. Das macht die Sache herrlich einfach für dich, wenn du nur glauben könntest, ich hätte dich nicht gewollt. WARUM wohl glaubst du, hab ich das alles getan? Ich bin für dich nach Ägypten gereist! Und ich hätte nie, nie, NIEMALS ja gesagt, wenn ich dich nicht gewollt hätte!“

  • »Naja weißt du, am Anfang ist es auch leichter, aber je länge rman verlobt ist, desto besser lernt man doch einander kennen und da dachte ich halt, dass du vielleicht manches...keine Ahnung, anders siehst halt!« verteidigte sich Caius. Klar, er hatte ja immer gewusst, dass sie ziemlich viel Wert auf sowas legte, aber er hätt halt auch angenommen, dass er sie in der langen Verlobungszeit irgendwie hätte erweichen können. Und es war ja nun nicht so, als wär er ein Hurenhüpfer oder sowas. Aber er war eben auch ein Mann, und das hätte Seiana auch klar sein müssen. Immerhin hatte er öfter mal so eine Bemerkung fallen lassen. Am Anfang weniger, am Ende mehr. Und ein paarmal hatte er sich schon siegessicher geglaubt, bis Seiana dann doch verschwunden war. Das war noch in Alexandrien gewesen. Da wo alles noch einfacher gewesen war. Caius seufzte melancholisch.


    Das blieb er allerdings nicht lange, weil Seiana die Pompeijerfeier ansprach. Caius erinnerte sich noch ziemlich gut daran. Seiana wohl nicht mehr. Unheilvoll zogen sich die aelischen Augenbrauen zusammen.
    »Sie hat halt was getrunken, ja und? Sie ist eben empfindlich bei Wein.« Das kam etwas plump und nur wenig pfiffig, weil Caius an den Ausrutscher mit Piso dachte, der ja auch nur wegen dem Wein stattgefunden hatte.
    »Aber du hast da auch nicht den Anschein gemacht, als hätte dir irgendwas nicht gefallen, weißt du!« konterte er dann umso schärfer.
    »Axilla war nur betrunken, sie ist ja sogar eingeschlafen. Aber du nicht, und du hast sie zurückgeküsst, das hab ich genau gesehen. Das haben alle genau gesehen, Seiana.« Caius hob die Achseln.


    Die anderen Sachen waren da schon schwerer zu verteidigen. Caius starrte Seiana finster an.
    »Sie hat Arbeit gesucht«, sagte er dann.
    »Und du hast mit deinen Betrieben schon genug zu tun, das hast du ja immer wieder gesagt.« Gut, das war nicht unbedingt originell, erschien Caius allerdings ziemlich logisch in dem Moment. Er zog eine Schnute und grollte leise.
    »Ich steh zu meinem Wort«, schnappte er trotzig. Und das hätte er wirklich, wenn sie drauf bestanden hätte. Nur wär eben alles sehr viel schwieriger geworden. Noch mehr als jetzt schon.


    »Ja, hab ich, und ich sag sowas nicht, wenn ich das nicht so mein!« brauste er dann auf. Das kratzte an seinem Ego, dass Seiana ihn jetzt als Lügner hinstellte.
    »Ich hab das immer so gemeint wenn ich das gesagt hab! Aber du hast das ja fast nie gesagt, was glaubst du, wie das für mich war? Da denkt man doch automatisch dran, dass es bei dir halt nicht so ist. Obwohl du immer gesagt hast, dass du mich nicht wegen dem Namen willst.« Caius schmollte kurz und drehte sich jetzt mit dem Rücken an die Wand.
    »Klar denkt man dann, dass man gar nicht gewollt wird. Wenn der andere immer nur lächelt und nichts sagt, nicht mal ich dich auch oder so.« Er zuckte mit den Schultern.


    »Nein, es geht dir nur um deine Familie, Seiana. Wie oft hast du mir in den Ohren gelegen mit den anderen! Dass du in Rom heiraten willst, damit sie dabei sein können. Dass ich mich mit deinem Bruder aussprechen soll, dass ich deinen anderen Onkel auch noch fragen soll und das alles. Wenn's dir um dir ginge, wär das egal gewesen. Dann wären wir schon längst verheiratet. Weil wir das in Ägypten gemacht hätten und weil es dann egal gewesen wär, ob da irgendwer was gegen hat oder nicht. Du bist sui iuris, aber du benimmst dich, als wärst du jedem eine Erklärung schuldig.« Und das mit der Reise nach Ägypten ließ er einfach unter den Tisch fallen. Er glaubte, dass sie einfach nur neugierig gewesen war.

  • „Das ist doch gar nicht wahr!“ fuhr Seiana auf. „Ich habe nicht zurückgeküsst, das hast du dir höchstens eingebildet, weil du das gern so gehabt hättest! Ich hab mich überhaupt nicht gerührt, weil ich komplett erstarrt war weil sie so… so… dreist und unverfroren und unmöglich war! Und der Alkohol ist keine Ausrede, sie hätte ja nicht so viel trinken müssen, dass es sie auf die Art weghaut! Schon gar nicht in Gesellschaft!“ Seiana war in Fahrt, und obwohl diese eine Stimme in ihr beständig weiter nörgelte, dass sich das nicht gehörte, schien sie nicht aufhören zu können, ganz gleich dass sie wusste, dass es aus vielerlei Gründen besser gewesen wäre. „Ach. Und ich hab nicht bewiesen, dass ich in der Lage bin so was zu schaffen, wie?“ Natürlich hatte er Axilla seine Betriebe nicht anvertraut, nur weil sie Arbeit gesucht hatte. Oder weil er geglaubt hatte, Seiana wäre nicht in der Lage gewesen, alles unter einen Hut zu bekommen. Er hatte sie der Iunia anvertraut, weil sie da – wohl schon längst – etwas am Laufen gehabt hatten. Weil er sie bevorzugte, vor Seiana. In allen Belangen, wie es schien. Seiana wusste das, und es tat unglaublich weh, sich das einzugestehen. Dass es vielleicht mit dem Sex losgegangen war, dass das aber nicht das Einzige geblieben war. Sonst hätte er die Verlobung nicht gelöst. Sie hatte nicht vergessen, was er gesagt hatte. Axilla war anders. Und sie… war nicht genug.


    Seiana biss den Schmerz zurück, den diese Gedanken auslösten. Sie wusste das, sie hatte es immer gewusst. Nicht genug. Ihr Herz pochte, und es lief ihr heiß und kalt den Rücken hinunter bei Caius’ nächsten Worten. Sie schluckte mühsam. „Auf Gefühle ist doch eh kein Verlass, nicht auf solche. Sieht man ja. Aber das ändert nichts daran, wie sehr ich dich gemocht hab. Wie wohl ich mich gefühlt hab bei dir.“ Ein harter, bitterer Zug bildete sich um ihre Mundwinkel. „Du hättest Livianus nicht fragen, sondern nur kennen lernen sollen, und das vor der Hochzeit, war das denn zu viel verlangt? Meine Familie ist mir nun mal wichtig! Und warum? Weil nur auf Blut Verlass ist, das jetzt ist doch wieder der beste Beweis! Wo glaubst du würde ich jetzt stehen, wenn sie mir egal gewesen wären? Wenn ich dich geheiratet hätte, in Alexandria? Und du dann die Scheidung gewollt hättest, weil dich der Zufall in die Arme von irgendeinem Miststück getrieben hätte? Ich bin gewissen Menschen eine Erklärung schuldig, und sei es nur, weil ich sie miteinbeziehen will, und du kannst mir wirklich nicht vorwerfen, dass ich meine Familie dabei haben will, wenn ich heirate! Und dass ein Reise zwischendrin mal nach Rom nicht geklappt hat, ist auch nicht meine Schuld!“

  • Caius kniff die Augen zusammen und nickte herablassend.
    »Oh klar, natürlich. Du hast dich nicht bewegen können, sicher. Komisch, dass das anders ausgesehen hat. Wir können das alle bezeugen, da kommst du nicht raus aus der Nummer, Seiana!« Wär ja noch schöner, wenn sie sich da jetzt als Unschuldslämmchen hinstellte und Axilla als die verhexte Zauberin, die allen ihren Bann aufdrückte. Er hatte ganz genau gesehen, wie sie den Mund aufgemacht hatte, jawohl, und Piso und Imperiosus und Vera waren auch Zeugen davon!
    »Das war der einzige Moment in der ganzen Zeit, in dem ich dich mal nicht so schrecklich verklemmt fand, weißt du das?« Caius schnaubte sauer. Er mochte es nicht leiden, wenn sie die ganze Schuld auf Axilla schob. Das war ungerecht, und Seiana musste das auch wissen. Caius konnte zu einem gewissen Punkt nachvollziehen, warum Seiana das tat, aber dass sie das ihm gegenüber so offen präsentierte, machte ihn nur wütend und weckte in ihm das Bedürfnis, Axilla zu beschützen. Zumal sie sich selbst ja nicht verteidigen konnte, weil sie nicht da war.


    Und bei dem, was Seiana dann als nächstes sagte, platzte Caius der Tunikakragen. Er endkutzelte seine Arme und machte mit zeigendem Zeigefinger ein paar Schritte auf Seiana zu.
    »Das nimmst du zurück!« polterte er.
    »Sie ist kein Miststück! Sie ist nur nicht so frigide und...und verklemmt und...und überhaupt!...wie du, Seiana. Es kann halt nicht jeder so ein kalter Eisklotz sein, es gibt da draußen auch noch Leute, denen nicht nur irgendwelche beschissenen Traditionen und der Status in der Gesellschaft wichtig sind, wenn sie heiraten wollen!« Caius schnappte nach Luft und wurde immer lauter. Er ließ Seiana keine Zeit zum Antworten.
    »Gut, war ich dir halt nicht gut genug oder nicht...keine Ahnung, würdig genug, mal über deinen Schatten oder über den deiner Leute zu springen. Das akzeptier ich. Aber dann stell dich nicht hierhin wie die Schneekönigen in ihrem Schloss und beschuldige einfach alle anderen, nur weil die nicht so sind wie du!« Caius schnaubte grimmig, drehte sich auf dem Absatz um und stiefelte trotzig zur Tür. Wenn Seiana jetzt nicht irgendwas Stichhaltiges sagte, wär er weg. Er war gerade auf Hundertachtzig, und er hatte Sachen gesagt, die er eigentlich so nie wirklich gedacht hatte. Aber Seiana hatte schlecht über Axilla geredet, und er hätte damals genauso reagiert, wenn jemand so über Seiana gesprochen hätte.

  • Es konnte gar nicht anders ausgesehen haben, weil das nichts gewesen war, davon war Seiana überzeugt. Sie hatte sich nicht gerührt. Sie hatte sich auch nicht gewehrt, hatte die Iunia nicht weggestoßen, das ja, aber sie hatte sich auch nicht bewegt – sie hatte Axilla einfach machen lassen. Und genau das warf sie sich vor, jetzt noch viel mehr als in dem Moment direkt danach. Aber bevor sie etwas sagen konnte, sprach Caius schon weiter, und was er sagte, ließ Seiana erstarren. Verklemmt. War sie das? Warum war sie verklemmt, nur weil sie sich weigerte, vor der Hochzeit mit einem Mann ins Bett zu springen? Von Frauen wurde doch genau das erwartet, von Frauen wurde auch Treue während der Ehe erwartet, ganz im Gegensatz zu Männern, das war nun mal so, und er machte ihr das zum Vorwurf, dass sie sich an diese Dinge hielt? Und dann eskalierte die Situation noch mehr, weit mehr, als Seiana geglaubt hätte auf ihren letzten Kommentar hin. Sie blieb, wo sie war, als Caius auf sie zukam und lospolterte, aber mit jedem weiteren Wort – frigide, verklemmt, Eisklotz – schienen sich mehr und mehr Stacheln in sie hineinzutreiben, die brannten und schmerzten. Eisklotz. Sie war ein Eisklotz. Sie war kalt, gefühlsunfähig, verklemmt. Sie war nicht genug. Es spielte keine Rolle, dass Axilla nicht im Entferntesten das Ideal der Frau repräsentierte, das Seiana vorschwebte für eine Römerin, für sich. Sie wollte nicht sein wie sie, ganz und gar nicht, den Axilla gab offenbar herzlich wenig auf Ehre und Tradition. So wie Caius. Caius gab so wenig darauf, dass er noch nicht einmal zu begreifen schien, wie Seiana anders denken konnte. Er begriff noch nicht einmal, dass Familie und Tradition das war, woran Seiana sich klammern konnte, was ihr ein Grundgerüst gab für ihr Leben. Er hatte es nie begriffen, in all der Zeit nicht, die sie verlobt gewesen waren. Sie war nicht in der Lage, so zu fühlen wie andere, und wenn, dann war sie nicht in der Lage dem so Ausdruck zu verleihen wie er es tat. Sie wusste das. Sie hatte nur geglaubt, Caius hätte das auch gewusst, hätte das gemerkt in der Zeit. Hätte gewusst, dass ihre Gefühle für ihn trotzdem tief gingen. Aber wenn er sie für kalt hielt, für frigide…


    Sie wollte etwas sagen. Sie wollte es wirklich. Aber sie schien wie gefroren zu sein. Es hätte so viel zu sagen gegeben, angefangen davon, dass Axilla eben doch ein Miststück war, das ihr den Verlobten ausgespannt hatte, über die Tatsache, dass sie für niemanden über diesen bestimmten Schatten gesprungen wäre, nicht einmal für einen Senator oder den Kaiser selbst, bis hin zu dem, was wirklich in ihr vorging. Sie war nach wie vor überzeugt davon, dass das, was passiert war, nicht ihre Schuld war, dass es an Axilla lag und an Caius, nicht an ihr, weil sie nicht im eigentlichen Sinn etwas falsch gemacht hatte – aber sie war eben nicht genug. Sie wusste, dass sie nicht genug war. Das war einer der Gründe, wenn nicht der Hauptgrund, warum sie sich so sehr bemühte, so zu sein, wie ihre Mutter sie hatte haben wollen, und wie es erwartet wurde von einer Römerin. Aber das war etwas, was sie niemandem je gesagt hatte. Und wohl auch niemandem je sagen würde. Nicht einmal Faustus. Und auch, was es sonst noch zu sagen gegeben hätte… Es kam nicht über ihre Lippen. Sie hatte verloren. Und die Niederlage fühlte sich in diesem Moment so total an, dass es nichts mehr gab, wie sie sich noch hätte wehren können. Und so sah sie ihrem ehemaligen Verlobten nur wie erstarrt hinterher, bleich und erstarrt und erfroren wie die von ihm erwähnte Schneekönigin, als er wutentbrannt aus dem Raum stürmte.

  • Schweigend ließ sich Avianus in das Tablinum geleiten und folgte den Dienern der Decimer, ohne sich groß in den vier Wänden der hier hausenden Familie umzusehen. Währenddessen war schon jemand auf dem Weg, Decimus Mattiacus zu holen, mit dem der Aurelier sprechen wollte. Gewiss würde es nicht lange dauern, bis er kam, und doch wäre eine Möglichkeit, es sich bequem zu machen, nicht schlecht gewesen - doch diese Frechheit nahm sich der Aurelier nicht heraus, sich zu setzen, immerhin wurde ihm nichts angeboten!

  • Nachdem ihm Bescheid gegeben wurde, kam Mattiacus in das tablinum. Dort wartete auch schon ein junger Mann.


    "Salve, ich bin Marcus Decimus Mattiacus. Du wolltest mich sprechen? Was kann ich für dich tun?" begrüßte er den jungen Mann freundlich.

  • Nach der kurzen Wartezeit erschien nun endlich auch der Mann, nach dem Avianus hatte suchen lassen. "Salve. Ich bin Tiberius Aurelius Avianus", grüßte der Senator ebenso freundlich zurück und kam daraufhin zur Sache, ohne die Zeit des Decimers zu verschwenden.


    "Ich möchte gerne den Cursus Iuris absolvieren und mich zu diesem Zwecke bei dir anmelden."


    Sim-Off:

    Das Geld habe ich jetzt an die Schola überwiesen. :)

  • Mattiacus stutze erst ein wenig:


    "Es ist ungewöhnlich, dass mich Schüler bei mir zu Hause aufsuchen und nicht in der Schola. Aber wo du schon einmal hier bist, will ich dich nicht unnötigerweise wieder warten lassen."


    Er rief einen Diener herbei, flüsterte ihm etwas ins Ohr und nach einer kurzen Weile kam dieser mit einem paar Papyrusrollen wieder. Mattiacus nahm diese entgegen und reichte sie an Aurelius Avianus weiter.


    "Bitte schön, das sind die Kursunterlagen. Ich wünsche dir viel Erfolg."


    Sim-Off:

    Test per PN, Abgabe in 2 Wochen

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