• 'Bedauerlich' war nicht das Wort, das Axilla im Zusammenhang mit dem eingezogenen Erbe durch den Kopf ging. 'Bedauerlich' war noch nicht einmal die höfliche Form davon. Wenn sie es höflich formulieren hätte müssen, wäre 'furchtbar' wohl noch unter den Worten gewesen, die man in einer normalen Konversation sagen konnte.
    Was hatte Archias sich nur dabei gedacht? Wieso, wieso, wieso hatte er Salinator noch beleidigen müssen? Wieso? Hat er gedacht, das sei witzig? Hatte er gedacht, dass dieser ihm nach dem Selbstmord sowieso nichts mehr antun konnte? Axilla fand es einfach nur egoistisch, und nicht mutig oder gar lustig. Es war feige von Archias gewesen, so etwas erst vor seinem Tod zu sagen und dann alle Probleme hinter sich zu lassen, so dass Axilla nun diejenige war, die mit den Konsequenzen leben musste. Mehr noch. Als sie versucht hatte, die Konsequenzen abzumildern, hatte sie für Archias Dummheit die Rechnung zahlen müssen. So sehr, dass sie mittlerweile nicht wusste, ob sie es noch einmal versuchen sollte. Sie hatte Angst, was Salinator fordern mochte.
    “Tiberius Durus meinte, ich solle aufgeben, das Erbe bekommen zu wollen. Das war allerdings schon, bevor ich zu Salinator gegangen bin und er letztendlich die Sklaven herausgegeben hat. Und ich bin mir nicht sicher, was das angeht. Ob ich es wirklich einfach bleiben lassen soll.“ Sie seufzte einmal und sah sich einfach im Tablinum um. War wirklich lange her, dass sie hier gewesen war.


    Aber bei der anderen Sache fragte Axilla sich schon, ob sie sich wirklich neutral positionieren konnte. Eigentlich hatte sie gedacht, dass der Octavier aufgrund seines Klientenverhältnisses zu Livianus eine recht deutliche Position gegen Salinator einnehmen würde. Doch wie man hörte, hatte sich Livianus zurückgezogen, um seinen Lebensabend in Hispania zu verbringen. Gut und schade zugleich, sonst wäre Axilla noch auf die Idee gekommen, ob er nicht vielleicht eine Ehefrau gebrauchen könnte. Das wäre definitiv eine klare Positionierung gegen Salinator gewesen.
    “Das wäre wirklich sehr nett, wenn du das machen könntest. Also, erst einmal pro forma, ohne konkretes Angebot, versteht sich.“ Das würde ohnehin Seneca dann unterbreiten müssen.
    Bei dem Gedanken an ihren Vetter bekam Axilla ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Vielleicht war es gefährlich, diesen schritt in Erwägung zu ziehen. Gefährlich für sie, gefährlich für ihn. Was hatte der Präfekt gleich gesagt? Ihr Vetter würde tun, was er will. Axilla konnte nur hoffen, dass Salinator das Ganze schlicht vergessen hatte und Seneca nicht zu irgendwas aufforderte. Kurz kratzte sie sich in einer Übersprungshandlung doch am Unterarm, und bereute es sofort, als die Haut wie verrückt zu brennen anfing. Kurz verzog sie schmerzend das Gesicht und rieb sich über die brennenden Hautstellen, um diese zu beruhigen.
    “Ich hoffe, deinem Bruder geht es gut? Kämpft er auch im Süden?“ Irgendwas musste Axilla noch sagen, und das andere Thema war so schwer und mit so vielen unangenehmen Gedanken verbunden. Und wenn sie schon einmal hier war und sich mit Seiana unterhielt, konnte sie auch versuchen, dieses zart geknüpfte Band ein wenig zu intensivieren. Sie hatte sie beim Cognomen genannt und wollte für sie den Octavier fragen. Oder ihren Bruder über die Absichten des Octaviers, so genau hatte Axilla das nicht verstanden, wen Seiana mit 'ihn' meinte. So oder so sah es danach aus, als würde nach einem Jahr ihr Verhältnis vielleicht langsam ein klitzekleines bisschen besser.

  • „Der Praefectus Urbi ist nicht bekannt dafür, nachzugeben oder einmal getroffene Entscheidungen zu revidieren und so womöglich einen Fehler einzugestehen. Dass er dir die Sklaven übergeben hat, ist im Grunde schon erstaunlich.“ Flüchtig dachte sie an Mattiacus. Aber der würde Axilla auch nicht weiter helfen können, als Bruder von Livianus. Was Axilla bräuchte, wäre ein Verbündeter, der mit dem Vescularier auf gutem Fuß stand – und genug auf Augenhöhe war, dass er um einen solchen Gefallen bitten konnte. „Ich fürchte, dass ich dir kaum raten, was du tun sollst. Ich kann dir nur meine Unterstützung anbieten, solltest du dich entschließen, es noch einmal zu versuchen.“


    Als Axilla auf ihr nächstes Angebot einging, flog ein vages Lächeln über Seianas Züge. „Natürlich ohne Angebot. Ich werde meinem Bruder schreiben und ihn bitten, mit dem Octavius einmal unverbindlich zu sprechen.“ Der auch noch unverheiratet war. Und aus der Sache mit der Hochzeit kaum herauskommen würde, so wie sie es beurteilte – Lucilla konnte hartnäckig sein, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Sie musterte die Iunia, nun ein wenig nachdenklich. Faustus hatte zwar im Moment Celeste, den er vorschieben konnte... aber um eine Heirat würde er nicht herum kommen, irgendwann. Und eine Frau, die das Bürgerrecht bereits hatte, war sicher besser – gar nicht zu reden davon, dass Axilla nicht aus irgendeiner Gens entstammte, sondern einen alten, ehrenvollen Namen trug, auch wenn in letzter Zeit nicht wirklich ein Iunier von sich reden gemacht hatte. Dazu kam, dass sie keine Ahnung hatte, wie weit Celeste tatsächlich zu gehen bereit war in dieser Scharade... andererseits traf das auch auf Axilla zu. Seiana war sich nicht sicher, ob die Iunia sich auf eine solche Ehe einlassen würde – wenn sie die Wahrheit wusste, und dass sie diese erfahren sollte, wenigstens in Teilen, stand für Seiana fest. Nicht aus Freundlichkeit gegenüber der Iunia, sondern weil sie glaubte, dass Faustus' Ehe nur so funktionieren könnte – wenn seine Frau wusste, worauf sie sich einließ. Wenn klar war, dass die Verbindung rein politisch und gesellschaftlich motiviert war. Wenn das klar war... nun, Faustus war durchaus keine schlechte Partie, fand sie, und er war freundlich, zuvorkommend, ein angenehmer Gesprächspartner. Sie beschloss, ihm von dieser Idee zu schreiben und vorsichtig anzufragen, was er davon hielt. Sie selbst wusste zwar – wenn sie denn darüber nachdachte – immer noch nicht so recht, was sie von der Iunia halten sollte, aber wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, dann musste sie zugeben, dass das größtenteils subjektiv war und auf Emotionen beruhte. Sachlich gesehen hatte die Iunia ihr keinen Grund gegeben, sich über sie zu beklagen – sah man einmal davon ab, dass sie ihr den Verlobten abspenstig gemacht hatte, aber das war Vergangenheit, und Seiana zog es vor, nicht mehr darüber nachzudenken. Wenn sie das Testament bedachte und das, was sonst noch so passiert war, dann hatte die Iunia ihr damit wohl eher einen Gefallen getan. Wäre sie nicht gekommen, wäre es eine andere Frau gewesen, bei der Archias nicht hätte widerstehen können, weil sie anders war, lockerer, besser. Er hatte ja sogar davon gesprochen, sich in eine Lupa verlieben zu können.
    So oder so galt jedoch: zunächst musste sie Faustus schreiben und ihn fragen, was er davon hielt. Vorher würde sie kein Wort über diese Idee gegenüber der Iunia verlieren.


    Bei deren Frage über ihren Bruder konnte selbst Seiana, die ihre Beherrschung so perfektioniert hatte, nicht verhindern, dass ein sorgenvoller Ausdruck über ihr Gesicht flog. Faustus bedeutete ihr zu viel, als dass sie auch bei ihm ihre übliche Beherrschung an den Tag hätte legen können. „Ja, er kämpft mit der Legion im Süden. Seinen Briefen nach zu urteilen geht es ihm gut, aber... Nun, der letzte Brief ist schon eine Weile her. Aber das ist kein Wunder, betrachtet man die Situation, in der er sich befindet, und die Entfernung zu Rom.“

  • Bilder formten sich vor Axillas innerem Auge, als Seiana ihre Hilfe mit Salinator anbot. Böse Bilder. Sehr böse Bilder. Von ihr, und Seiana, nackt im Tablinum des Vesculariers, und dieser selbst, wie er sich von beiden nahm, was er wollte. Oder sie anwies, Dinge zu tun, die ihm wohl mehr gefielen als jeder der beteiligten Damen. Auch wenn Axilla nicht wusste, wie es war, eine andere Frau zu küssen, oder intimer mit ihr zu werden. Sie erinnerte sich ja nicht einmal an den einen Kuss. Aber auch, wenn die Bilder in ihrem Kopf irgendwo aufregend waren (zumindest sofern es die weibliche Seite betraf), hatte sie nicht das Bedürfnis, dem Praefectus Urbi derart noch einmal so nahe zu kommen. Auch wenn der von dieser Aussicht sicher absolut verzückt wäre. Nicht nur die Witwe seines toten Feindes, nein, auch die Nichte seines noch lebenden Kritikers, und beide ihm zu Willen... Nein, böse Bilder. Raus aus meinem Kopf!


    Zu der Sache mit dem Anschreiben und dem Brief nickte Axilla leicht lächelnd, während sie versuchte, die letzten Fetzen der Bilder loszubekommen. Die hielten sich doch recht hartnäckig. “Das wäre wirklich sehr freundlich von ihm. Und von dir. Von euch beiden.“ Vielleicht gab es ja wirklich eine adäquate Alternative zu Pompeius Imperiosus? Auch wenn ihr die Vorstellung eines jungen Mannes in ihrem Bett deutlich mehr behagte als die eines alten Kerls. Von dem sie nicht einmal wusste, wie der aussah. Imperiosus sah eigentlich ganz gut aus. Und so, wie sie ihn bisher kennengelernt hatte, war er auch sehr angenehm. Axilla konnte sich schon vorstellen, mit ihm ein paar Nachkommen in die Welt zu setzen – wobei es in ihrer Vorstellung mehr ums Produzieren eben solcher ging. Aber er war so nah mit Salinator verbandelt. Und was, wenn dieser ihm erzählte, dass er mit Axilla geschlafen hatte? Da hatte sie doch ein wenig Angst.


    Dann jedoch änderte sich Seianas Gesichtsausdruck. Was an und für sich schon erstaunlich war, ansonsten sah die eher aus, als wäre ihr Gesicht eine Maske. Wie bei manchen alten Damen, die in ihrem Leben zu viel Bleiweiß aufgetragen hatten und keine rechte Mimik deshalb noch hatten. Naja, vielleicht nicht ganz so schlimm, es war nicht wirklich, dass der Eindruck entstand, sie könne ihr Gesicht nicht bewegen. Vielmehr, dass sie es nicht wolle. Und zwar immer. Nur jetzt, jetzt regte sich etwas, und Axilla kannte diesen Ausdruck. Ihre Mutter hatte den häufig gehabt, wenn es um Axillas Vater gegangen war: Sorge.
    Axilla fühlte sich irgendwie peinlich berührt. Wie ein Eindringling in einen höchst privaten Raum. Sie wusste ja, wie das war. Sie erinnerte sich an die vielen Abende, die Gebete am Hausaltar, dass die Ahnen der Iunier ihre schützende Hand über ihren Vater halten mögen. Die Ungewissheit, die man eben ausblendete und gar nicht beachtete, die Angst, die man durch Ablenkung erstickte, und die nur dann und wann herauskam, gewaltig und verschlingend wie das Meer. Und dann die Momente, wenn alles vergessen war, wenn man Nachricht erhielt. Oder noch besser, wenn ihr Vater da gewesen war, und wirklich absolut nichts anderes mehr gezählt hatte. Nicht die Angst. Nicht die Monate, die er weg gewesen war. Nicht die Unsicherheit. Es zählte nur, dass er da war. Und sein Lächeln.
    “Ich...“ Axilla wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. So verbunden waren sie und Seiana nicht, als dass sie mit einem 'Ich weiß, wie du dich fühlst' hätte ankommen können. Überhaupt, sie dachte nur, dass sie es nachempfinden konnte, aber sie kannte Seiana nicht gut genug, um zu wissen, ob die das auch so empfand. “Als Tribun hat er sicher viel zu tun. Mein Vater war ebenfalls Tribun und hatte nur selten die Zeit, uns zu schreiben. Und es gab auch nicht immer Boten, die eine Nachricht hätten mitbringen können. Aber er wird sich sicher bald melden. Spätestens, wenn du ihm schreibst und daran erinnerst, dass er mal wieder schribien könnte.“ Trotz der gedrückten Stimmung brachte Axilla den letzten Satz sogar recht fröhlich heraus.

  • Seiana nickte leicht auf den impliziten Dank hin. Sie würde sehen, was Faustus dazu sagen würde, sowohl was ihn selbst betraf als auch den Octavius. Davon abgesehen fielen ihr sonst wenige geeignete Kandidaten ein. Mattiacus war noch immer unverheiratet... bei dem wurde es auch langsam Zeit, fand sie, dass er sich eine Frau suchte. Vielleicht wäre auch er nicht abgeneigt – aber er war hier in Rom, hier konnten Axilla und ihre Verwandten selbst in Aktion treten, wenn das für sie eine Option darstellte.


    Dass Axilla dann jedoch zunächst um Worte verlegen zu sein schien, entging Seiana keineswegs. Und das wiederum machte sie verlegen. Sie ließ sich nicht gern anmerken, was sie tatsächlich empfand, aber was Faustus betraf, gelang ihr das nicht so gut, das wusste sie selbst. Und die Iunia gehörte darüber hinaus zu jenen Menschen, bei denen sie noch weniger Schwäche zeigen wollte als ohnehin schon, wenn es denn überhaupt möglich war, einen Unterschied zu machen zwischen den Menschen, mit denen sie umging. Sie nippte an ihrem Becher, diesmal nicht weil sie wirklich etwas trinken wollte, sondern um ihre Hände zu beschäftigen und ihr Gesicht wenigstens teilweise und wenigstens für Augenblicke zu verbergen. „Nun“, machte sie anschließend. „Ich... ich kann mir vorstellen, dass er viel um die Ohren haben wird. Ich habe ihm erst vor einiger Zeit geschrieben. Ich hoffe, der Brief ist inzwischen angekommen...“ Ihre Stimme verlor sich, und Seiana räusperte sich. „Dein Vater war Tribun?“ fragte sie unvermittelt nach, mehr um abzulenken denn aus echtem Interesse.

  • Wenn sie ihm erst vor einiger Zeit geschrieben hatte, hieß das vermutlich, dass sie erst dann einen weiteren Brief schrieben würde, wenn ihr Bruder geantwortet hatte. Bei der Entfernung und den Kämpfen in Ägypten hieß das, das könnte noch mehrere Monate dauern. Monate, die Axilla eigentlich nicht warten wollte. Aber sie konnte ja schlecht drängeln, nur weil sie Angst hatte, dass Salinator ihren Vetter unter Druck setzen würde und Pompeius Imperiosus einfach so fragen würde, ehe Axilla überhaupt Gelegenheit hatte, irgend etwas zu machen. Warum auch sollte sie einmal Glück haben? Irgendwo war immer ein Haken.


    Die Frage riss sie ein wenig aus ihren Grübeleien. “Ähm, ja. War er. In Hispania allerdings, so dass ich ihn wenigstens alle paar Monate mal kurz sehen konnte.“ Sie wollte sich nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, er wäre so weit von ihr getrennt gewesen, wie Serapio von Seiana. Wobei sie vermutlich selbst diese Entfernung vergessen hätte, wenn er dann da war und sie angelächelt hätte.
    Dennoch war das ein Thema, das Axilla nicht vertiefen wollte. Nicht jetzt, und nicht mit Seiana. Also musste ein anderen Thema her. Und zwar schnell. Sehr schnell.
    “Mir fällt gerade noch etwas anderes ein. Ich hoffe, du fasst das jetzt nicht falsch auf, ich war nur etwas verwundert... also, ähm. Decimus Verus, der Procurator a Memoria, ist doch mit dir verwandt, oder?“ DAS war ein gutes Thema. Naja, eigentlich nicht, Seiana konnte das auch ganz schrecklich in den falschen Hals bekommen. Andererseits, viel schlimmer konnte es kaum werden als das, wie es zwischen ihnen beiden schon gewesen war. Und ALLES war besser, als sich hier ausgerechnet mit der Decima über Atticus Iunius Cassiodor zu unterhalten.

  • Über ihren Vater schien die Iunia so wenig reden zu wollen wie Seiana über ihren Bruder oder dessen Verbleib, aber das störte sie nicht – ganz im Gegenteil. Wenn Axillas Vater ebenfalls Soldat, ebenfalls Tribun gewesen war, dann war auch Seiana nicht sonderlich erpicht darauf von ihm zu hören, nicht jetzt, wo Faustus irgendwo im Süden Ägyptens unterwegs war und kämpfte und sie gerade erst über ihn gesprochen hatten. Sie wollte sich ablenken von diesen Gedanken, nicht über etwas reden, was sie erst recht an ihn denken ließ.


    So nahm Seiana den Themenwechsel nur allzu gern zu Kenntnis – bis sie begriff, worum es nun ging. Sie stand kurz davor, die Augen zu verdrehen, beherrschte sich nun allerdings wieder wie eh und je – lediglich ein kurzes Zucken um ihre Mundwinkel sowie ein angedeutetes Zusammenziehen ihrer Brauen ließ ihren Unwillen erkennen. „Verus.“ Was hat er nun schon wieder angestellt?, lag ihr auf den Lippen, aber sie verkniff sich auch dies. „In der Tat, ja. Entfernt. Worum geht es denn?“

  • Axilla stellte wieder einmal fest, dass sie kein Talent für Themen hatte. Irgendwie schien sie sich zielsicher von einem schwierigen Thema zum nächsten zu hangeln, ohne irgendwann einmal bei etwas anzukommen, das sie wirklich völlig ohne Einschränkungen zur seichten Konversation nutzen konnte. Eventuell sollte sie sich doch demnächst einmal ausführlicher über das Wetter unterhalten. Oder über die Beschaffenheit der Straße. Oder sowas. Aber jetzt war es schon zu spät.
    “Naja, mein Ianitor berichtete mir von einem etwas... merkwürdigen Zwischenfall. Ich habe ja bereits gesagt, dass ich Tiberius Durus wegen meiner Dos beauftragt hatte und diese selbstverständlich zurückgegeben wurde.“ Dass Salinator Archias' Vermögen eingezogen hatte, hatte eine Begründung. Bei Axillas Vermögen hätte er sich da schwerer getan. Und im Römischen reich galt ja der Grundsatz, dass jede Ehepartei ihr eigenes Vermögen besaß und Vermischung dieser Vermögensstände nicht gern gesehen war. Ein Glück in diesem Fall.
    “Nunja, wie es scheint, hat Decimus Verus die Dos persönlich überbringen wollen, aber in einer Art und Weise... Vielleicht übertreibt mein Ianitor auch, er hat sich doch sehr über den Procurator und sein Auftreten geärgert, aber... Allem Anschein nach wollte Decimus, dass ich meine Dos auf der Straße in Empfang nehme und dort auch nachzähle, während er mit einem Dutzend Schreibern und Bewaffneten vor der Tür stand. Was Araros natürlich abgelehnt hat. Ich meine, wir haben ein sehr schönes Atrium und ein wundervolles Tablinum.“ Abgesehen davon, dass wohl keine Dame Geld auf der Straße gezählt hätte. Noch dazu vor lauter bewaffneten Männern, die sie nicht kannte. Überhaupt, was machten die innerhalb des Pomeriums? “Mein Ianitor konnte ihn dann überzeugen, dass er das Geld einfach ins Haus bringen ließ und sich den Empfang bestätigen ließ. Aber... nunja, du verstehst sicher, wenn mich so ein Verhalten doch etwas nachdenklich stimmt.“

  • Ein merkwürdiger Zwischenfall. Seiana hätte am liebsten eine Hand über ihre Augen gelegt, aber sie blieb, wie sie war, hörte nur weiter zu. Als Axilla jedoch weiter sprach, konnte – und vor allem wollte – sie ein Seufzen nicht mehr unterdrücken. Sie hatte keine Ahnung, was in Verus vorging. Als sie das letzte Mal miteinander gesprochen hatten, hier, in der Bibliothek, da hatte er beinahe weinerlich geklungen, hatte darüber geklagt, wie hart das Leben ihm mitgespielt hatte, wie sehr ihn diese eine Schlacht auf offener See verfolgte, wie sehr er unter dem Erlebten litt. Nach wie vor, musste man sagen, immerhin hatte er sich einige Jahre irgendwo in die germanische – oder war es die britannische gewesen? – Wildnis zurückgezogen gehabt und kein Wort verlauten lassen über sich und sein Wohlergehen. Sie vermochte sich nicht vorzustellen, was passiert war, aber irgendwann in dieser selbstgewählten Einsamkeit musste wohl etwas geschehen sein, was ihn verändert hatte. Auf der einen Seite schien er die Erinnerungen nicht loszuwerden, nicht einmal ansatzweise – jedenfalls behauptete er das, denn ganz so sicher war sie sich angesichts Verus' widersprüchlichem Verhalten nicht mehr, dass er ihr da kein Schauspiel gezeigt hatte –; dann war da seine Litanei über die Liebe, und wie unsterblich er sich in die Octavia verliebt hatte, wie besonders das sei, das einzige was zähle im Leben; und dann war da seine neue Ergebenheit dem Vescularier gegenüber. Entweder also war alles Kalkül von ihm gewesen, weil er schlicht und einfach nur nach Macht strebte, ohne Rücksicht auf Verluste – oder er war in der Wildnis verrückt geworden.


    Welches von beiden es nun sein mochte, darüber konnte ihr Axillas Erzählung auch keinen Aufschluss geben, wenngleich Seiana daraufhin eher dazu tendierte anzunehmen, Verus sei verrückt geworden. Macht brachte es ihm nicht im Geringsten, wenn er sich derart aufführte – es sei denn er hatte nur einmal seine Macht ausüben wollen. Was aber wiederum ein Indiz für Verrücktheit wäre, denn das, was Axilla schilderte, klang einfach idiotisch. Geld auf der Straße zu übergeben, noch dazu eine nicht unbeträchtliche Menge – Seiana ging einfach mal davon aus, dass Axillas Dos nicht unbeträchtlich war –, darauf zu bestehen als Beamter der kaiserlichen Kanzlei, war lächerlich. Und es hatte mit Sicherheit keinen Mehrwert für Verus gehabt, hätte es auch nicht gehabt, wäre die Iunia der Forderung nachgekommen. „Natürlich verstehe ich das. Ich kann sein Verhalten nicht nachvollziehen.“ Bei jedem anderen Decimer hätte sie sich nun für sein Verhalten entschuldigt. Verus jedoch zählte für sie nicht mehr dazu. Er war ein Decimer, er würde diesen Namen behalten, daran konnte sie nichts ändern – aber er gehörte für sie nicht mehr zur Familie. „Im Grunde kann ich dir nur raten, es zu ignorieren, sofern er dir erneut begegnet.“

  • Eine Erklärung hatte Seiana also auch nicht. Aber zumindest machte es jetzt nicht den Eindruck, als ob das Absicht von Seiten der Decimer gewesen wäre und eine späte Rache für die Sache mit der Verlobung oder so etwas. Auch wenn man das jetzt, wo Seiana sich scheinbar wieder gefangen hatte, auch nur schwer sagen konnte. Aber Axilla glaubte nicht, dass es Absicht war, dazu war das Hilfsangebot wegen des Octaviers und der Rat, Decimus Verus zu ignorieren, zu gegensätzlich.
    “Nunja, ich habe nach diesem merkwürdigen Zwischenfall eigentlich nicht geplant, ihn noch einmal irgendwo zu treffen.“ Das kaiserliche Archiv war nun nicht unbedingt ein Ort, den sie aufsuchen musste, und ansonsten hatte sie mit diesem komischen Kerl ja nichts am Hut.
    Axilla nippte an ihrem Wein und überlegte, ob sie noch was sagen sollte, aber ihr fiel nichts ein. Im Grunde war sie nur vorbei gekommen, um Katander abzugeben, und das hatte sie gemacht. Weitere Pläne hatte sie nicht. Also schwieg sie einfach und wartete, ob Seiana was sagen wollte, so als Gastgeberin.

  • „Das kann ich verstehen“, antwortete Seiana. Verus hatte scheinbar ein Talent dafür, Menschen so vor den Kopf zu stoßen, dass sie ihm nicht mehr über den Weg laufen wollten. Aber man konnte ja nie wissen, wann man mit der Kanzlei zu tun bekam.
    Für einen Augenblick entstand dann ein Schweigen, das sich irgendwo an der Grenze zur Peinlichkeit entlang zu hangeln schien. Auch wenn das bisherige Gespräch zeigte, dass ihr Verhältnis zu der Iunia sich genug gebessert hatte in den vergangenen Monaten der Zusammenarbeit, dass sie sich normal mit ihr unterhalten konnte – sobald ihr der Gesprächsstoff ausging, meinte sie die alte Anspannung wieder zu fühlen.


    Bevor das Schweigen sich aber dazu entschließen konnte, auf die falschen Seite dieser schmalen Grenze zu kippen, beschloss Seiana, das Gespräch zu beenden. Sie stellte den Weinbecher auf den Tisch zurück und formte ihre Lippen zu einem vagen Lächeln. „Nun, ich werde meinem Bruder in den nächsten Tagen schreiben, was den Octavius betrifft. Und ich danke dir noch mal, dass du Katander gebracht hast.“ Bei diesen Worten wurde ihr Lächeln ein wenig ehrlicher. „Hast du sonst noch etwas zu besprechen?“

  • Das Schweigen war wirklich unangenehm. Axilla wusste einfach nicht, was sie sagen sollte, und darüber hinaus war sie hier Gast und nicht Gastgeberin, so dass sie sich um die Unterhaltung auch nicht Gedanken machen müssen wollte. Nur nahm die Ruhe Dimensionen an, in denen sie sich doch Gedanken zu machen anfing und sich kurz noch einmal am Unterarm kratzte. Allerdings wirklich nur kurz, die empfindliche, neue Haut protestierte heftig brennend dagegen und Axilla konnte sich nur gerade so eben beherrschen, sich nicht zu verraten.
    Irgendwann sagte Seiana dann doch wieder etwas, und Axilla war doch recht froh, dass sie die Worte als Einleitung der Abschiedsmodalitäten erkannte. So angenehm es insgesamt doch erstaunlicherweise war, Axilla wollte die Situation nicht ausdehnen. Das bedrückende Schweigen eben hatte doch gezeigt, dass sie beide einfach nicht auf einer Wellenlänge waren. Axilla brauchte mehr Leben, schlicht und ergreifend, und das konnte Seiana einfach nicht. “Nein, nein. Das war eigentlich schon alles, weswegen ich gekommen bin.“ Arbeitstechnische Sachen besprach Axilla meistens direkt vor Ort mit den zuständigen Schreibern und nur in dringenden Einzelfällen dann mit Seiana direkt. Aber auch das, wenn sich die Gelegenheit ergab. Dafür überfiel sie die Decima nicht zuhause. Und so war auch bei der Acta alles geklärt, so dass sie nicht einmal über die Arbeit etwas zu sprechen gehabt hätte.
    “Wenn du also sonst nichts mehr hast, würde ich dann auch wieder gehen. Es gibt noch ein paar Dinge wegen den anderen Sklaven, die ich noch regeln muss, und du hast sicher auch viel zu tun und mit Katander zu bereden.“ Natürlich war es eine Flucht, aber Axillas Wohlfühlgrenze war erreicht worden, und sie glaubte nicht, dass Seiana böse war, wenn sie jetzt wieder ging.

  • Auch wenn sie es niemals laut zugegeben hätte, war Seiana doch erleichtert, als die Iunia ihre Frage als den Hinweis begriff, als der sie gedacht war: das Einläuten des Abschieds. Sie wollte nicht so wirken, als ob sie sie hinauswarf, schon gar nicht in Anbetracht des immer noch dünnen Eises, auf dem sie sich zu bewegen schienen, aber sich weiter mit ihr über Allgemeinplätze zu unterhalten, das schaffte Seiana einfach nicht. Sie war ohnehin nicht sonderlich gut im höflichen Geplänkel und Floskelaustausch, sie war es nie gewesen, und trotz einiger Fortschritte würde sie es wohl auch nie wirklich sein. Aber bei Axilla wollte ihr so gar nichts einfallen, oder besser: alles was ihr einfiel, klang seltsam hohl in ihren Ohren. Es war besser, es gar nicht erst zu versuchen, als etwas derartiges zu erzwingen. „Nein, ich habe auch nichts. Dann wünsche ich dir noch einen schönen Tag...“ Das Ende des Satzes blieb merkwürdig offen. Die Atmosphäre, die gegen Ende ihres Gesprächs irgendwie wieder an Spannung gewonnen hatte, hinderte Seiana daran, noch einmal Axillas Cognomen auszusprechen. Die Tatsache, dass sie es zuvor bei der Begrüßung jedoch getan hatte, hinderte sie zugleich daran, nun ihren Gentilnamen zu nutzen. Also entschied Seiana sich dafür, keinen der beiden Namen zu nennen, sondern Axilla einfach zuzulächeln, das für aber eine Spur herzlicher, als sie es für gewöhnlich tat.


    Als die Iunia dann gegangen war, blieb Seiana noch einen Augenblick sitzen und überlegte. Dann winkte sie einen Sklaven zu sich. „Bring mir Schreibunterlagen und etwas zu trinken in die [bibliotheca]Bibliothek[/url]. Und dann schick Katander dorthin.“

  • Ich nickte etwas zögerlich, der Kaiser war der Kaiser und was der Stellvertreter anordnete war der Wunsch des Kaisers, eine absolut eideutige Tatsache ... in meinen Augen ...


    "Ja ... der Kaiser ist besorgt das einem seiner obersten Offiziere etwas zugestoßen sein könnte, zumal nicht klar ist wie lange der Praefectus nun tatsächlich abwesend sein wird. Was meinen Informationsdefizit angeht ... sagen wir einfach das jemand versäumt hat das Oberkommando rechtzeitig zu informieren!
    Letzendlich bin ich ja auch nur auf der Suche nach dem Praefectus um auszuschließen das ihm womöglich noch etwas schlimmeres zugestoßen ist, als eine Krankheit!


    Mehr wollte ich allerdings nicht offenbaren, schließlich sprach man hier von einer laufenden Ermittlung ...

  • Seiana nickte langsam, als der Pompeius bestätigte, im Auftrag des Kaisers zu handeln. Allerdings fiel ihr durchaus auf, dass seine Wortwahl... vage blieb. Es konnte alles und nichts heißen. Und sie fand es immer noch äußerst merkwürdig, dass tatsächlich niemand von Magnus' Führungsstab gewusst haben wollte, dass dieser krank war, oder wo er nun hingebracht worden war. Genau das war es allerdings zugleich auch, warum sie eigentlich keinen Grund hatte, dem Pompeier dieses Wissen vorzuenthalten. Er war Tribun der Classis, eigentlich hätte er von seinen Vorgesetzten dort informiert werden müssen. Wenn die Classis Kommunikationsdefizite aufwies, war das sicherlich eine interessante Information für sie und vielleicht die Acta, aber es war nicht ihr Problem, sondern das der Classis. So oder so konnte sie sich jedoch nicht vorstellen, dass niemand wusste, wie es mit Magnus stand. Der Mann hatte lange Zeit seiner Krankheit noch in seiner Unterkunft bei der Classis verbracht, nach allem was sie wusste. Er würde sich dort kaum eingesperrt haben, sondern er würde versorgt und gepflegt worden sein. Er würde sicherlich auch die Geschäfte der Classis weiter geführt haben, so lange ihm das noch möglich war. Und zu guter Letzt war sich Seiana sicher, dass Mattiacus dafür gesorgt haben würde, dass irgendjemand informiert war, als er und die Duccia Magnus schließlich fortgebracht hatten. Nein, das Problem musste irgendwo im Führungsstab der Classis liegen, was ihr aber nach wie vor merkwürdig vorkam – oder aber der Pompeier war in Wahrheit aus einem anderen Grund hier und nutzte Magnus' Krankheit und den angeblichen Informationsmangel darüber als Vorwand. Nur: was war es, das er sonst noch wollte?


    „Nun, Tribun, dieses... Informationsdefizit erscheint mir offen gestanden etwas merkwürdig. Ich hoffe dass dies ein Einzelfall ist.“ Sie lächelte flüchtig und sehr vage, bevor ihre Miene wieder ernst wurde. „Was meinen Onkel angeht, kann ich dir allerdings nur bestätigen, dass er krank ist. Schwer krank, nach allem was ich weiß – sein Bruder Mattiacus ist bei ihm und hat ihn auf eines unserer Landgüter zur Erholung gebracht, in den Albaner Bergen. Aber um die Wahrheit zu sagen: ich glaube nicht, dass die Classis mit einer baldigen Rückkehr ihres Kommandanten rechnen kann. Nach dem, was Mattiacus mir geschrieben hat, dürfte Magnus lange brauchen, bis er sich wieder erholt hat.“ Wenn er sich denn überhaupt erholte, aber das sagte sie nicht laut. Wenn das Schlimmste eintrat, war es so, aber diese Befürchtungen waren nichts, was sie gegenüber Fremden einfach so äußern würde, selbst wenn sie von der Classis waren.

  • Ich nickte bestätigend, diese Informationsarmut gegenüber mir war mir schließlich schon länger ein Dorn im Auge ... aber von nun an würde sie ein Dorn in den Augen der anderen sein dafür würde ich schon Sorge tragen ...


    "Oh .. das hoffe ich allerdings auch! Andernfalls wird sich die Flotte wohl von einigen Offizieren trennen müssen, schließlich ist es kaum die Schuld des Kommandanten das man seinen Status nicht an den Kaiser gemeldet hat!"


    Und da war sie ... Albaner Berge, Landgut ... die Information wegen der ich so viel Ärger gehabt hatte, blieb nur zu hoffen das die Decima nicht auch einer Verschwörung angehörte ... Ich schüttelte innerlich den Kopf, so ein Schwachsinn ... ich musste dringend aufhören ständig jeden des Verrats zu verdächtigen, schließlich war ich ja bei der Flotte und nicht bei den Prätorianern ...


    "Ich danke dir, du warst eine große Hilfe ... nun kann ich den Praefectus auf dem Landgut besuchen und diese Angelegenheit endlich aus der Welt schaffen! Ich hoffe nur das ich anschließend nicht noch mehr zu beanstanden habe, wenn ich nach Misenum zurückkehre. Scheinbar wurden einige Aufgaben etwas vernachlässigt kaum das der Praefectus den Hafen verlassen hatte!"


    Kurz überlegte ich ob auch noch ein paar Worte zu Hadrianus Subdolus folgen sollten, aber dann wäre die Informationsquelle wohl zu offensichtlich gewesen ... das hieß wenn die Decima überhaupt auf meinen Köder hereinfiel und den schlechten Zustand der Classis zum Thema in der Acta machte ... und dann würde ich dem Praefecten den Artikel vorlegen und sagen das ich das mit Leichtigkeit wieder hinbiegen könne ... und dann ... ja das würde ich wohl sehen wenn es soweit war ...

  • Seiana sah den Tribun nachdenklich an. Immer noch wusste sie nicht so recht, was sie von dem Ganzen halten sollte. Sie glaubte kaum, dass es üblich war, so offenherzig darüber zu reden, dass offenbar etwas schief lief bei der Classis. „Nein...“, antwortete sie ein wenig gedehnt auf den Kommentar mit der Schuld. „Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass meine Verwandten sich nicht darum gekümmert haben, dass die zweite Offiziersriege Bescheid wusste.“


    Damit schien im Grunde schon alles erledigt zu sein, was der Pompeius wollte – bei seinen nächsten Worten allerdings wurde Seiana schon wieder stutzig. Dass er Magnus besuchen wollte, um noch einmal mit ihm zu reden, kam ihr nicht ganz schlüssig vor. Er wusste nun, wo sein Praefect sich aufhielt und dass er krank war – viel mehr würde er auf dem Landgut auch nicht in Erfahrung bringen können. Seine Anwesenheit würde allerdings Mattiacus und Venusia wohl noch zusätzlich zur Last fallen, und wenn Seiana das vermeiden konnte, würde sie es tun. „Ich halte es für keine gute Idee, wenn du meinen Onkel nun besuchst. Ich kann nur wiederholen, was ich gerade schon sagte: der Praefect ist schwer krank. Er wird derzeit kaum in der Lage sein, dir adäquat weiter zu helfen, und ich gehe davon aus, dass sowohl mein anderer Onkel als auch Magnus' Frau im Augenblick anderes im Kopf haben. Vielleicht kann ich dir ja noch weiter helfen. Oder du schreibst vielleicht zuerst eine Botschaft“, schlug sie vor.
    Und dann war da schon wieder eine Bemerkung darüber, dass manche Abläufe innerhalb der Classis derzeit nicht so ganz zuverlässig funktionierten. Dass niederrangige Angehörige der Flotte – oder auch der Legion – sich über das ein oder andere beklagten, war nicht unüblich. Aber der Pompeius war nicht irgendwer. Er war ein Offizier der Classis. Und sie war keine gute Bekannte von ihm. Sie war die Nichte des Praefectus und ganz nebenbei Auctrix. „Was die Classis angeht...“ Sie taxierte den Tribun einen Moment lang schweigend. In diesem Fall schien ihr die direkte Methode die beste zu sein. „Warum erzählst du mir davon, dass in der Classis derzeit... nun, offenbar einige Missstände herrschen?“

  • Zunächst schien alles ganz wunderbar für mich zu laufen und ich legte mir im Kopf schon eine passende Verabschiedung parat, als das Schicksal plötzlich eine Kehrtwende machte und ich plötzlich sowohl meine Besuchsabsicht erklären sollte, als auch meine Freigiebigkeit bezüglich der Classis. Kurz überlegte ich bevor ich schließlich antwortete, allerdings nicht mehr ganz so selbstsicher wie noch eine Minute zuvor ...


    "Nun die Tatsache das dein Onkel einer von Italias wichtigsten Militärs ist, macht es erforderlich das sein Verbleib zweifelsfrei bestimmt wird. Sobald ich den Praefecten und seinen Zustand mit eigenen Augen gesehen habe werde ich weder ihn noch seine Familie weiter behelligen! Und was die Classis betrifft .. sah ich mich ganz einfach in Erklärungsnot dir gegenüber, da es hierbei schließlich um das Verschwinden deines Onkels ging und ich versichern wollte das solcherlei Fehler in Zukunft nicht wieder vorkommen werden!"


    Ein ganz solides Konstrukt wie ich fand, aber mein Gegenüber war kein Getreidebauer sondern die Auctrix der Acta, so das ich mich mittlerweile fragte ob ich mir hier vielleicht noch eher selbst geschadet hatte statt mir selbst in die Hände zu spielen ...

  • Was der Tribun sagte, klang durchaus logisch. Jedenfalls was die Tatsache betraf, dass er darauf bestand, ihren Onkel mit eigenen Augen sehen zu wollen. Sie nickte hierzu leicht – und es gab auch nicht wirklich viel, was sie sonst hätte tun sollen. Sie konnte den Pompeius nicht daran hindern, zu dem decimischen Landgut zu reiten, wenn er das unbedingt wollte.


    Das andere Thema allerdings stimmte sie immer noch nachdenklich. Wieder überlegte sie, wie sie am besten vorgehen sollte... und wieder entschied sie sich für eine der direkteren Varianten. „Du weißt, dass ich die Auctrix bin?“ Die Frage war nur rhetorisch gemeint, weswegen Seiana die Antwort gar nicht abwartete. „Es mutet etwas seltsam an, dass du ausgerechnet mir gegenüber davon berichtest.“ Wäre der Tribun nicht gekommen, hätte sie gar nichts davon erfahren, dass es offenbar zu Kommunikationslücken innerhalb der Classis gekommen war. „Verzeih, wenn ich das so offen sage, aber mir drängt sich eher der Verdacht auf, dass bekannt werden soll, dass es zu Fehlern kam.“ Sie machte eine kleine, gezielte Pause, bevor sie dann weitersprach. „Versteh mich nicht falsch – wenn es in der Classis tatsächlich Probleme gibt, dann ist das etwas, das die Acta durchaus interessiert. Nur möchte ich dann ein wenig mehr erfahren. Und ich würde gerne wissen, welche Bestrebungen dahinter stehen, diese Informationen der Acta zuzuspielen.“

  • Nungut ... scheinbar war die Katze aus dem Sack, was natürlich nicht hieß das der Sack nicht immernoch in einer Kiste stecken konnte, welche wiederum mit Wackersteinen gefüllt war ... aber dennoch schien es als hätte die gute Decima mich tatsächlich durchschaut ... was ihr natürlich einen gehörigen Respektsbonus bei mir einbrachte ...


    Im Gegensatz zu den meisten römischen Vertretern meines Geschlechts war ich völlig davon überzeugt das Frauen Männern das Wasser reichen konnten, sicher waren wir verschieden wie Tag und Nacht, doch so wie Tag und Nacht hatten auch Männer und Frauen ihre spezifischen Vorteile die sie unter Umständen zu nutzen wussten. Einer atraktiven Frau einen Gefallen auszuschlagen war für die meisten Männer schwerer als gegenüber einem Mann stur zu bleiben ... genauso wie wir von Natur aus eher einem Mann eine Gewalttat zuordneten, weshalb die germanischen Frauen für unsere Legionäre so gefährlich waren ...


    "Also gut, die Classis hat allerdings ein paar Probleme und ich würde es gern sehen wenn die Acta dafür sorgen könnte, das die Schuldigen nicht einfach mit einer Verwarnung davon kommen! Allerdings darf mein Name dabei natürlich nicht auftauchen, immerhin will ich das Ganze ja noch grade rücken! ... Ich bin gerne bereit einiges an Informationen preiszugeben wenn ich so verhindern kann das die falschen Leute in wichtigen Positionen landen, nur um sich dann dort auszuruhen!"

  • Dass es irgendeinen Hintergrund haben musste, dass der Tribun ihr gegenüber doch recht freimütig die internen Probleme der Classis erwähnt hatte, war Seiana klar gewesen. Und die direkte Art war tatsächlich der richtige Weg gewesen hier, denn der Pompeius reagierte auf ihre Offenheit nun ebenso offen – genauso gut hätte er dicht machen und sich verabschieden können, ein Risiko, das Seiana eingegangen war.


    Er gab also zu, dass er Hintergedanken gehabt hatte. Dennoch blieb sie noch misstrauisch. Ihr fiel durchaus auf, dass er nur von sich sprach. Das konnte nun tatsächlich stimmen, möglicherweise spekulierte er darauf dafür sorgen zu können, dass nach einem negativen Bericht nur die falschen Leute auf wichtigen Positionen landeten – sondern er unter jenen richtigen war, die einen Posten bekamen. Auch wenn manche das vielleicht verwerflich finden mochten, aber das war gang und gäbe, und wie der Pompeius sich einen besseren Posten verschaffte, war ihr recht gleichgültig – abgesehen davon, dass er ihr einen Gefallen schuldig wäre, sollte er das tatsächlich mit Hilfe der Acta, und damit der ihren, schaffen.
    Vielleicht stimmte aber auch ihr Anfangsverdacht: dass er eigentlich im Auftrag des Praefectus Urbi hier war, und auch im Auftrag eben jenes Mannes nun vorgeblich Informationen preis gab. Ob er damit Magnus oder sie in Misskredit bringen wollte, weil bei einem entsprechenden Artikel die Frage aufkommen würde, ob etwa der Praefect der Classis selbst geplaudert hatte, oder er sich einen anderen Erfolg davon versprach, war da zunächst zweitrangig – sollte tatsächlich der Praefectus Urbi seine Finger im Spiel haben, musste sie vorsichtig sein. Allerdings: es konnte nicht schaden, sich zunächst einmal anzuhören, was der Pompeius zu sagen hatte. Und dieses Mal wählte sie ihre Worte mit ein wenig mehr Bedacht. Ein Mal hatte es funktioniert, dem Tribun gegenüber ihren Verdacht offen anzusprechen, ein zweites Mal würde es das womöglich nicht – selbst wenn der zweite nicht deutlich heikler gewesen wäre als der erste. „Nun… wie bereits gesagt: die Acta ist an diesen Informationen durchaus interessiert. Ich kann dir allerdings jetzt noch nicht garantieren, was ich damit anfange – ob sie veröffentlicht werden, und falls ja, in welcher Form. Falls dir das nichts ausmacht… um welche Probleme genau handelt es sich?“

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