Decimus Maximian

  • Livianus? Wie kam sie jetzt auf Livianus? Meridius sah sie fragend an.


    "Nein. Wieso? Hat er geschrieben?"


    fragte er seine Schwester und ließ sie dann los. Vom Feldzug im Osten hatte er lange Zeit nichts mitbekommen. Weder wusste er wo die Truppen standen, noch ob sie Fortschritt machten, noch wie es Livianus oder Serapio ging.


    Sim-Off:

    Jetzt wirds echt kritisch. Denn von Livianus hat Meridius offiziell auch noch nix mitbekommen, da man es nicht als nötig erachtete, ein Schreiben an die Familie aufzusetzen. Das mag dem Feldzug geschuldet sein. Im Senat war es meines Wissens auch kein Thema. Was Deinen Neffen Optatus betrifft, liebe Tante, machen wir es einfach so, dass ich es Dir irgendwann mal erzählt habe, also in Anschluss an diesen Wortwechsel, einen Tag danach. Dann kannst Du Dich gerne zum Opfer im Iuno-Tempel einfinden. Wäre schön, wenn Meridius dort nicht so einsam wäre.

  • Hat er geschrieben? Wie kann er denn schreiben, wenn niemand weiß wo er ist? Oder weiß Meridius schon mehr als sie? Ist Livianus längst zurück bei der Legion und verschickt Briefe? Wie alt ist der Brief von Faustus schon? Aber würde Meridius sie in diesem Fall nicht beruhigen? Andererseits weiß er vielleicht gar nicht, dass sie es weiß. Immerhin weiß Lucilla es nur von Faustus. Vielleicht unterliegt das ganze der Geheimhaltung des Senats?


    "Nein," setzt sie zögernd an. "Faustus hat es geschrieben. Dass Livianus nicht von einem Einsatz zurückgekommen ist. Ein Spähtrupp oder so etwas. Weißt du das nicht? Dann war es vielleicht gar nicht so wild. Sicherlich ist er längst wieder bei der Truppe und ich mache mir ganz umsonst Sorgen." Sie nickt bestätigend, so als würde sie sich selbst überzeugen müssen.

  • Meridius hatte von nichts dergeleichen gewusst. Livianus war nicht von einem Einsatz zurückgekehrt? Was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten? Ein Legatus Legionis verschwand doch nicht einfach so. Und wieso hatte er nichts davon erfahren? Fragen über Fragen stiegen in ihm auf und er wusste erneut keine Antwort. Der Tod seines Sohnes ... Nun auch noch sein Cousin. Lucilla wusste anscheinend etwas. Wieso schrieb man ihr und ihm nicht? Und warum wusste er auf offiziellem Weg nichts?


    Er schalt sich, dass er sich in den vergangenen Tagen nicht allzusehr um die militärischen Nachrichten gekümmert hatte. Wenn Livianus fehlte, musste die Ernennung des neuen Legatus Legionis der Legio I irgendwo bekannt gegeben worden sein. Hatte es vielleicht sogar in der Acta gestanden? Er sah zu einem Sklaven, welcher sich im Hintergrund hielt und winkte diesen herbei.


    "Ich will die Abschriften der vergangenen vier bis fünf Acta Diurna.
    Sie liegen in meinem Officium."


    Mehr sagte er nicht. Dann sah er erneut zu Lucilla.


    "Was genau hat Faustus geschrieben?"

  • Lucillas Blick folgt dem Wink zu dem Sklaven. Was will Meridius jetzt mit der Acta Diurna?


    Sie blinzelt verwirrt und zuckt mit den Schultern. "Ich weiß nicht mehr genau ... dass er vermisst wird ... von irgendeinem Einsatz ist er nicht mehr wiedergekommen. Aber es ist doch auch ganz unwichtig warum und wohin er unterwegs war, auf jeden Fall wussten sie nicht wo er ist. Aber Faustus wusste auch nichts genaueres, er ist doch nur ein einfacher Soldat."


    Langsam drängen sich neue Tränen in Lucillas Augen. "Ich dachte, das hätte sich längst erledigt. Ich dachte, er ist längst wieder bei der Legion und du wüsstest das alles, aber weil am Ende doch nichts geschehen ist, hast du es mir nicht erzählt, weil du ja genau weißt wie sehr ich mich immer sorge." Dicke Tropfen kullern über Lucillas Wangen. "Wenn du nichts weißt, dann ist bestimmt nichts passiert. Wahrscheinlich war er nach ein paar Tagen schon wieder zurück, sicherlich hat Faustus das nur alles missverstanden. Bestimmt ist es so. Wann hast du deinen letzten Brief von ihm bekommen?" Krampfhaft hält sich Lucilla an der Hoffnung fest. Wenn Livianus noch immer nicht zurück gekehrt wäre, wäre die Familie längst benachrichtigt worden.

  • Meridius wusste nichts. Doch hatte er auch lange keine Nachricht mehr aus dem Osten bekommen und schon gar nicht von Livianus. Livianus war absent, nicht nur räumlich, sondern auch nachrichtentechnisch. Niemand sprach von ihm. Und wenn Faustus etwas geschrieben hatte ... Er war zwar nur Soldat, aber die Soldaten der Legion wussten oft mehr, als der normale Zivilist annahm. Die Soldaten waren nicht nur auf ihren Kaiser, sondern auch auf ihren Legaten eingeschworen. Gute Legaten sorgten sich um ihre Männer, ihre Männer liebten sie. Das Praetorium lag mitten im Lager, keiner ging da rein und raus, ohne dass es die Soldaten mitbekamen. Hatte der Legatus einen Schnupfen, wusste es die Legion.


    "Ein einfacher Soldat?"


    Lucilla hatte keine Ahnung von der Legion. Er wollte gerade etwas sagen, als auch schon der Sklave wiederkehrte und die gewünschten Ausgaben der Acta mitsichführte. Meridius ließ sie sich reichen und arbeitete sich eine Ausgabe nach der anderen nach hinten durch. PRIDIE ID DEC DCCCLVII A.U.C. (12.12.2007/104 n.Chr.) ... Provincia Italia ... Meldungen ...


    "Legio I Traiana Pia Fidelis. Quintus Tiberius Vitamalacus zum Legatus Legionis ..."


    Meridius ließ die Acta sinken und sein Blick, der eh schon den ganzen Tag wie aus dem Hades zu kommen schien, versteinerte sich zu einem unbeschreiblichen Kummer. Livianus war abgelöst worden. Weder hatte der Senat das Thema behandelt, noch wusste irgendwer Bescheid. Was war mit Livianus geschehen? Wieso war er nicht nach Rom zurückgekehrt? Hatte er ein neues Kommando? Es war keines verzeichnet. Er erschien auch auf keiner Gefallenenliste. Und es gab keine Hinweise auf Auszeichnungen, welche man erhielt, wenn man aus dem Militärdienst ausschied.


    "Irgendetwas muss passiert sein."


    fügte Meridius hinzu und reichte die Acta dann dem Sklaven. Lucilla stand vor ihm, wie ein Häufchen Elend. Faustus hatte mehr geschrieben, als er eigentlich wissen konnte. Was Meridius nur nicht verstand, war die Tatsache, dass ihn niemand informiert hatte. War er ein Niemand? Hatte er den Legionen nicht jahrelang gedient? Waren die Decima nicht eine Familie, die ein Anrecht darauf hatte, zu wissen, was mit einem der ihren geschah? War Livianus ein niemand? Ein Senator, der einfach so verschwinden konnte?

  • Natürlich hat Lucilla keine Ahnung von der Legion. Sie vergöttert ihre Brüder und Cousins, verflucht sie, wenn sie zum Militär gehen, und opfert schließlich hingebungsvoll im Lararium und den Tempeln dafür, dass ihnen nichts passiert. Sie sorgt sich um ihre Soldaten, schickt ihnen Pakete mit warmen Sachen nach Germania oder mit Leckereien nach Parthia und schreibt alle möglichen Belanglosigkeiten, die in Tarraco oder Rom geschehen. Sie weiß, dass es der Alltag ist, den die Soldaten vermissen und darum schickt sie ihnen ein Stück davon ins Feld. Aber sie weiß nichts vom Krieg, nichts von der Legion und nichts vom soldatischen Leben. Denn wenn ihre Soldaten überhaupt Briefe zurück schreiben, dann schreiben sie nur Belanglosigkeiten, kleine Freuden und Gedanken, die sie ablenken von ihrem Alltag. Und wenn sie dann irgendwann nach Hause kommen - falls sie irgendwann nach Hause kommen - dann reden sie nicht über die Legion, nicht über das Soldatenleben, nicht über den Krieg - nur von den Siegen, den heldenhaften Momenten, dem Glanz und der Glorie.


    Langsam tröpfeln Meridius vorgelesene Worte in Lucillas Hirn. Legio I Traiana Pia Fidelis - das ist Livianus Legion. Das war sie. Dort ist Faustus.
    "Aber ... warum weißt du es dann nicht?" Fast klingt die Frage mehr vorwurfsvoll als weinerlich. Meridius ist immerhin Senator. Und er ist Decimus Meridius. Er hat so etwas einfach zu wissen. Und er hat es ihr zu sagen. Denn sie ist seine Schwester. Nachdem Lucillas Weltbild durch Maximians Tod schon langsam angefangen hat zu bröckeln, drohen nun ernsthaft große Stücke davon ab zu fallen.

  • Die Fassungslosigkeit seiner Schwester konnte Meridius mehr als verstehen, verstand er doch selbst kaum, was sie beide eher beiläufig erfahren hatten. Livianus war nicht mehr Legatus Legionis, der Kontakt zu ihm war abgebrochen und niemand wusste, was mit ihm geschehen war. Und das schlimmste: Niemand hatte sie informiert. Nicht einmal der Kaiser, deren Klient sowohl Livianus als auch Meridius waren. Wieso hatte der Kaiser ihn nicht informiert? Und warum hatte niemand die Familie in Kenntnis gesetzt?


    Meridius zuckte mit der Schulter.


    "Ich weiß nicht, aber ich schwöre Dir, ich werde es herausfinden.
    Und wenn ich mich selbst nach Parthien abkommandieren lasse ..."


    Seine Stimme klang hart. Dann fuhr er jedoch wesentlich weicher fort


    "Ach Lucilla, ich weiß auch nicht, warum wir so viel durchmachen müssen. Vielleicht liegt es wirklich daran, dass die Götter mit uns spielen. Im einen Moment lieben sie uns und heben uns über uns selbst hinaus, im anderen stürzen sie uns hinunter. Streben und Fallen. Ist es der Lauf der Menschheit? Ich hoffe nicht. Es würde bedeuten, dass auch das Imperium eines Tages zusammenstürzt..."

  • Lucilla schnieft nochmal. Das ist alles so verwirrend, dass sie schon ganz verwirrt ist. Nichts stimmt mehr. Meridius weiß nicht, oben ist unten und links ist rechts - wie soll eine Frau sich denn da noch auf den Lauf der Welt verlassen können?


    "Wir machen nur das Leben durch, Meridius." schnieft sie schließlich leise. Das hat ihre Mutter immer gesagt, egal was kam. Es ist das Leben mit allem gutem und schlechtem, und ohne das wäre es nicht das Leben, und irgendwann würde man den Sinn dahinter erkennen. Ob ihre Mutter den Sinn wohl mittlerweile erkannt hat?


    "Und die Götter spielen nicht, die Götter reagieren nur." Außerdem glaubt Lucilla nicht an die ewige Dauer des Imperium. Kein Imperium hält ewig, das wäre völlig unnatürlich. Dazu reicht es ihr völlig, wenn es die nächsten etwa hundert Jahre hält, denn dann wäre sie selbst etwa Einhundertund... also auf jeden Fall über Einhundert Jahre alt und dann würde sie sich eh vom Tarpeischen Felsen stürzen wegen der Falten und Hautflecken. "Aber es ist nicht nur Streben und Fallen, auch Fallen und Streben. Das ist das Leben und so wird es immer sein."


    Sie reckt sich und streicht Meridius über die kurzen Haare. "Jetzt ist die Zeit des Fallens, aber das Streben wird schon bald wieder kommen." Sie lächelt überzeugter, als sie selbst ist.

  • Zitat

    Original von Decima Lucilla
    Sie reckt sich und streicht Meridius über die kurzen Haare. "Jetzt ist die Zeit des Fallens, aber das Streben wird schon bald wieder kommen." Sie lächelt überzeugter, als sie selbst ist.


    Ihre Worte hallten in seinen Gedanken nach. Sie hatte sicher recht. Liebevoll ergriff er ihre Hand, mit welcher sie durch seine Haare gestrichen hatte und nahm diese dann an seine Lippen. Mit einem sanften Kuss brachte er seine Dankbarkeit darüber zum Ausdruck, dass sie gekommen war.


    "Du hast Recht. Das Leben wird weitergehen."


    Er lächelte. Seine Schwester hatte ihm einmal mehr die Energie gegeben, welche er schmerzhaft zu vermissen glaubte.


    "Es ist vielleicht nicht der richtige Moment, doch wann ist dieser überhaupt. Kurz bevor Maximian starb, wurde mir und Iulia ein Sohn geboren. Vor lauter Trauer und Kummer hatte ich noch nicht die Zeit es Dir zu sagen."


    Einen Moment hielt er inne, ehe er fortfuhr.


    "Ich sollte Maximian in Erinnerung behalten, meine Energie jedoch auf die Zukunft richten. Optatus hat das Leben vor sich. Er soll einen Vater haben, der sich zuerst um ihn kümmert. Dann um alles andere."

  • Mit großen Augen starrt Lucilla ihren Bruder an. Natürlich kommt das Kind nicht aus heiterem Himmel, es war ja schon seit neun Monaten im Anmarsch und seit mindestens drei Monaten an Iulia deutlich gewesen. Trotzdem sind Meridius Worte irgendwie überraschend.


    "Oh." Lucilla blinzelt. "Das ist ja eine freudige Überraschung. Ich bin sicher, du wirst ihm ein guter Vater sein, Bruderherz. Auch wenn dir bei Maximian die Gelegenheit dazu gefehlt hat, du konntest doch immerhin an deinen kleinen Geschwistern schon immer üben." Sie lächelt ein bisschen verschmitzt. "Und dass aus mir nichts geworden ist, das liegt am Ende nur daran, dass du eben doch nur mein großer Bruder bist, da wird der kleine Optatus schon besser dastehen."
    In Gedanken packt Lucilla schon eine Geburtstagsgeschenkkiste für ihren frischgebackenen Neffen. Erst neulich hatte sie so eine wunderbare kleine Rassel auf den Mercatus gesehen und überlegt, ob sie schonmal zugreifen soll, dann aber entschieden, dass es in mindestens neun Monaten sicherlich noch innovativere Rasseln geben würde.

  • Meridius schmunzelte nun doch. Seine Schwester und nichts geworden? Nichts stimmte weniger. Und so schüttelte er den Kopf. Sie war viel geworden. Groß, erwachsen, eine schöne Frau, ein gutherziger Mensch, wenn auch mit einem sturen Kopf und stolzen Sinn. Im positiven Sinne und auch mit seinen Schattenseiten.


    "Sag sowas nicht. Aus Dir ist viel geworden.
    Und ich bin stolz auf Dich."


    antwortet er knapp, aber aufrichtig. Dann sah er seine Schwester nachdenklich an und versuchte zu erahnen, was sie gerade dachte.


    "Möchtest Du Deinen Neffen sehen, wenn Iulia und er in der Stadt angekommen sind? Ich würde Dich umgehend benachrichtigen. Ich könnte mir vorstellen, dass Du es kaum abwarten kannst. Ich konnte es ebenfalls nicht, als er auf dem Landgut geboren wurde. Und es war wirklich eine schwere Geburt. Sie hat Iulia mehr mitgenommen, als wir dachten. Daher behielt ich erstmal alles für mich. Ich sorgte mich um sie."

  • Groß ist Lucilla eigentlich nicht geworden, aber wer sie von klein auf kennt, dem scheint es wahrscheinlich so. (:P)


    Sie nickt lächelnd. "Ich werde ihn ganz bestimmt nicht verpassen, mach dir da mal keine Sorge. Du weißt doch, es gibt nichts in Rom, das ich nicht mitbekommen würde. Ich schaue schon irgendwann vorbei, soweit bin ich ja nun auch nicht weg." Das Lächeln verschwindet von ihrem Gesicht. "Spätestens dann zur Bestattung von Maximian werde ich ja schon wieder hier sein."



    Sim-Off:

    Wenn ihr zum Bestattungszug losgeht, reihe ich mich ein, für mehr reicht es derzeit leider nicht ...

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