Landsitz Gens Tiberia

  • "Weise Worte." meinte sie mit ernster Stimme, doch ihre Augen schimmerten verdächtig. Er schien sie durchschaut zu haben. Hatte sie so offensichtlich von ihrem Vater und ihrem Wunsch, ihn glücklich zu machen, erzählt? Waren ihre Züge so leicht zu durchschauen? Auffälligerweise hatte sie ihren Blick nun in eine gänzlich andere Richtung gewendet und versuchte, um ihre Fassung zu kämpfen. Tränen, so hatte Claudia ihr beigebracht, waren in Gegenwart anderer Leute katastrophal. Und so unterdrückte Minervina den Drang, zu weinen. Stattdessen wandte sie sich wieder zu ihm um. Hätte er nun kein neues Thema gewählt, wäre sie tapfer auf seine Worte eingegangen - wie es sich für patrizisches Blut gehörte.


    "Gegen Abenddämmerung pflegt sie zurückzukehren. Es wird heut gewiss auch nicht anders sein. Also werden wir noch eine beträchtliche Zeit zu warten haben. Wenn du möchtest, können wir also noch ein wenig über das Gut spazieren." bot sie freundlicher Stimme an, doch ihr Gesicht wirkte noch immer wie versteinert.

  • Das Angebot war sehr günstig für die derzeitige Situation, denn er wollte nicht, dass die ersten Konversationen zwischen zwei sich noch kaum kennenden Menschen über Tod und Trauer handeln mussten. Dafür blieb gewiss noch andere Zeit übrig.


    "Gerne."


    Erwiderte er und trank seinen Becher leer. Dann stand er auf und folgte ihr wieder nach draußen auf den Hof.

  • Nachdem auch Minervina ihren Becher mit kurzen Zügen geleert hatte, erhob diese sich und ging mit leichten Schritten voraus. Sie schwieg eine ganze Weile, während sie den Hügel hinab ging. Doch letztlich blieb sie stehen und wandte sich zu ihrem Gast um. Ihr Lächeln war noch immer etwas leidlich, doch ihre Stimme voller Wärme. "Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich wurde eben von dem Gedanken an meinen verstorbenen Vater etwas aus der Beherrschung gerissen. Verzeih, wenn ich unhöflich wirkte." Sie wirkte ehrlich berührt und hoffte sehr, dass er ihre Entschuldigung annahm.


    Und im gleichen Moment musste sie daran denken, dass er als ihr Lehrer hier war. Es kam ihr irgendwie absurd vor, denn bis jetzt hatte sie ihn eher als angehenden Freund betrachtet, mit dem man interessante Unterhaltungen führen konnte. War vielleicht gerade dies eine gute Voraussetzung? Oder eher eine schlechte?

  • Er war überrascht von ihrer Ehrlichkeit ihm gegenüber. Diese Worte hätte er nicht erwartet. Es hieß, die Römer seien korrupt und betrogen einander in vielen politischen Freundschaften. Unhöflich zudem auch, wie er heute auf den Straßen des Forums gesehen hatte, als er sie auf dem Boden mit einem blutenden Knie kennengelernt hatte.
    Doch der derzeitige Moment schien ihm auch die anderen Seiten der Römer zu beweisen und zeigte ihm, dass das Urteil eines Volkes nicht auf jeden einzelnen Menschen dieses Volkes zutrifft.


    Er ging einen Schritt auf sie zu und berührt kurz ihre Schulter.


    "Schau nach vorne. Wir alle verharren oft in Trauer, gerade wenn es um unsere Liebsten geht."


    Er sah ihr in die Augen und entgegnete ihr ein freundliches Lächeln, als Zeichen der Annahme ihrer Entschuldigung.

  • Sie hielt seinem Blick auch dann noch stand, als er sich ihr näherte. Ansonsten war Minervina häufig scheu, doch hier hielt sie durch, denn sie wollte nicht zurückweisend wirken, was sie eigentlich auch gar nicht war. Stattdessen verlieh sie ihrem Lächeln noch ein wenig mehr Kraft und erwiderte dankbar: "Ja, ich weiß. Vater war nur selten daheim, denn er bekleidete das Amt eines Tribunen und war viel bei seinen Leuten. Und eigentlich kenne ich ihn kaum. Aber ich habe mir fest vorgenommen, ihm eine gute Tochter zu sein um ihn auf diese Weise auch in mir weiterleben zu lassen."


    Sie legte ihre Hand leicht auf die Seine und drückte sie kurz, wobei sie ein rasches Zwinkern anfügte. Dann ließ sie los und wandte sich wieder um, um den Weg vor ihnen weiter zu beschreiten. Zugegebenermaßen war sie selbst noch nie auf dem Landgut unterwegs gewesen, aber sie würden sich sicherlich zurechtfinden. Derzeit wuchsen neben ihnen schöne Weinreben.

  • In Gedanken überflog sie rasch die Ereignisse. Sie hatte nach 3 Wochen nicht mehr weitergezählt, aber mittlerweile durften es vielleicht 5 oder 6 Wochen sein. Ihr Blick ging kurz in einen Rebengang, doch noch schienen die meisten Trauben nicht reif zu sein. Dann bllickte sie wieder zu Sthenelos, der an ihrer Seite schritt. "Ich glaube es sind 5 Wochen, genau habe ich nicht darauf geachtet. Ich schätze du bist erst wenige Tage hier, nicht?" Ihr dunkelbraunes Haar rahmte nun in Wellen ihr Gesicht, denn sie hatte es vorerst aufgegeben, dies zurückzustreichen. Bei der leichten Brise, die hier außerhalb Roms über die Hügel glitt, war es hoffnungslos.

  • "Ja, das denke ich auch." erwiderte sie mit einem leisen Lachen und richtete den Blick wieder für eine kurze Weile gen Himmel. Dabei übersah sie eine kleine Wurzel die ihren Weg kreuzte und sie kurz ins Stolpern brachte. Sie schwankte zwei, drei Schritte nach vorn, musste aber sofort lachen, als sie Halt gefunden hatte. "Schau, ich finde mich noch nicht einmal außerhalb der Stadtmauern zurecht!" meinte sie vergnügt und sah ihm entgegen.


    "Rom ist wirklich gigantisch. Ich habe mir bislang auch nur die Wege eingeprägt, die ich kennen muss. Auf andere Seitenwege habe ich mich bislang noch nicht getraut." räumte sie ein und schritt wieder neben ihm her, als er sie aufgrund ihrer Stolperschritte wieder eingeholt hatte.

  • Sthenelos musste auch lachen als er sah, wie sie nach vorn stolperte. Als er ihre Worte hörte, blieb das Grinsen noch eine Weile in seinem Gesicht. Sie liefen weiter und während er mit ihr sprach, sah er sich präzise um und beobachtete die Gegend.


    "Ich werde schauen, dass ich in den nächsten Tagen mir in Rom eine billige Insula suchen werde. Die letzte Nacht auf dem Forum war weniger angenehm."


    Er dachte daran wie er sich an eine Säule legte und durch die ganzen Geschreie kaum ein Auge zudrücken konnte, zumal der Boden nicht wirklich zum schlafen einlud.

  • "Du schliefst auf dem Forum?" fragte sie beinahe ungläubig und sah ihn verwundert an. Ehrliches Mitleid zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, dann wurden ihre Züge allerdings deutlich weicher. "Ich bin mir sicher, dass du, sollte meine Tante dich einstellen, bei uns leben wirst. Wir sagen ihr einfach, dass du mich auch im Benimm lehrst und dann ist es gar kein Problem mehr!" In diesem Moment musste sie an Marcus denken. Ob er mittlerweile eine Bleibe gefunden hatte, oder ob er auch auf einem Forum schlief?

  • Sie selbst hatte keinerlei Geruch wahrgenommen. In Rom selbst strömten zuviele Düfte durcheinander und hier konzentrierte sie sich voll auf den Geruch der Kräuter und Blumen, die ihren betörenden Duft verströmten. Ein leichtes Lächeln lag in ihrem Gesicht, während sie auf bunte Geranien blickte, die wunderbar rote Farbtöne hatten. Als sie allerdings wieder Sthenelos' Stimme vernahm, wandte sie sich mit überraschtem Blick ihm zu. "Sicherlich. Ich wüsste nicht, warum dem nicht so sein sollte. Wenn du meinst... du hast es nötig..!" Zwar fiel ihr es immer noch nicht auf, aber sie hielt ihre Nase auch nicht direkt an seinen Leib. "Dann sollten wir allmählich umkehren, nicht?"

  • Ein Bote kam vorbei und brachte einen Brief an die junge Minervina...


    Rediviva Minervina, Provincia Italia, Regio Italia, Roma, Villa Rustica Tiberia zu Roma
    Von: Rediviva Helena, Provincia Hispania, Regio Tarraconensis, Tarraco, Casa Rediviva


    Liebe Minervina,
    hiermit möchte ich dir auch endlich einmal schreiben. Ich hatte seit deiner Abreise viel Zeit zum Nachdenken. Ich schätze ich war dir keine besonders gute Mutter und das einzige was ich nun noch tun kann, ist zu hoffen, dass es dir bei Claudia besser ergeht. Ich hoffe ebenso sehr, dass unser Verhältnis sich ebenfalls bessern wird. Mir bleibt auch nicht viel zu sagen, nur, dass ich mich wahnsinnig schuldig fühle. Ich habe vieles falsch gemacht.
    Ich werde bald in Rom sein, wenn auch nicht für lange. Ich hoffe sehr, dass wir dann Zeit finden ein wenig miteinander zu sprechen.
    Liebe Grüße,
    deine Muttter

  • Als sie beinahe ausschließlich schweigend beim Gut ankamen, brach er die Stille endlich mit einem Satz, dem sie nickend zustimmte. "Ja, ich schätze das ist wohl das Beste." Lächelnd schritt sie in die Villa Rustica, wobei ihr einige neugierige Blicke folgten. Sie musste dafür sorgen, dass sie Claudia zuerst begegnete, ehe dieser wilde Gerüchte von einer potentiellen Affäre entgegen kamen, die so ja nun überhaupt nicht stimmten. Als sie das große Badezimmer erreichten, öffnete sie die Tür lächelnd und bat ihn herein. "Es dürfte alles bereit sein. Hier ist immer alles bereit." lud sie ihn ein.

  • ... wo sie entspannt und schläfrig auf einem Korbsessel ruhte. Noch brach nicht die Dämmerung an und die warmen Strahlen, wenngleich nicht mehr von der Hitze des Tages, streichelten sanft über ihr Gesicht. Sie genoss es so vom Wind und der Sonne liebkost zu sein und bemerkte auch nicht im Geringsten, dass Sophos wieder zu ihr fand. Sie befand sich in einem Zustand zwischen Wach und Schlaf, welcher ihr Gesicht ungemein entspannt wirken ließ.

  • Er sah sie dort liegen. Der Wind brachte eine leichte Briese in sein Gesicht. Er entspannte auch ihn und er schloss für einen Moment die Augen. Es gibt wohl nichts besseres nach einer langen Reise ein angenehmes Bad zu nehmen und sich schließlich von dem Wind und der Sonne verwöhnen zu lassen.
    Er öffnete die Augen und sah einige Sklaven die beschäftigt durch die Villa liefen. Dann erblickte er auch wieder Minervina.


    Er wollte sie nicht stören, doch vermutlich hatte er zuvor schon zuviele Geräusche gemacht, welche auf sich aufmerksam gemacht hatten.

  • Ihre Lage konnte man in der Tat schon fast als liegend bezeichnen, denn sie war durch das leichte Nickerchen ziemlich tief eingesunken. Doch seine Präsenz nahm sie nicht wahr. Die wenigen Geräusche, wie Schritte oder Atem, die er verursachte, wurden durch den sachten Wind verschluckt. Friedlich blieben ihre Lider gesunken und sie ließ sich weiterhin von dem betörenden Wind einmümmeln.

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