Krachend wurde die Zellentür aufgerissen. Der Schein einer Fackel drang in die Dunkelheit des Verlieses ein. Einige der Frauen wichen ängstlich zurück, andere verharrten gleichgültig und glotzten nur in die Leere.
Diesmal war es nicht einer der Wärter, der dort an der Tür auftauchte. Dennoch war das Mistrauen der Frauen nicht geringer als sonst. Es bedeutete meistens nichts Gutes, wenn das geschah. Und dass es wohl diesmal nicht anders sein würde bestätigte schon der ungerührte Ton des Mannes, der einschüchternd genug war, um einige der Frauen zu verunsichern. So dauerte es gar nicht lange, bis eine der Frauen antworte:
„Ada, Herr“, antwortete eine blonde junge Frau, die der Tür am nächsten stand. „Ich habe ein Laib Brot gestohlen… für meine Kinder… nur für meine Kinder, Herr!“, fügte sie jammernd hinzu.
„Phila… wegen Betrug!“, antwortete die Nächste, eine hagere Frau jenseits der Vierzig, in einer sehr gleichgültigen Weise. Nach und nach meldeten sich noch weitere Frauen, die man wegen kleinerer Vergehen aber auch wegen Mord eingesperrt hatte.
Als die Reihe schließlich an Beroe kam, schwieg sie. Wieder hatte sie sich in ihre Ecke verzogen und versuchte so unauffällig wie möglich zu sein. Doch eine der Frauen lenkte die Aufmerksamkeit des „Besuchers“ auf sie. „Da ist noch eine, aber die hat ´ne Schraube locker. Die völlig neben der Spur!“
Die anderen Frauen traten zur Seite, so dass der Fingerzeig der Frau direkt auf Beroe wies. Als hätte man sie bei etwas Verbotenem erwischt, zuckte die Lykierin zusammen. Sie saß hier in der Falle. Es gab keinen Ausweg. Alle blickten sie auf sie. Sie spürte wieder dieses schreckliche Gefühl, eine Mischung aus Angst und Hoffnungslosigkeit, welches sie in der Vergangenheit schon oft bedrängt hatte. Aber sie wusste auch, dass sie sich ihrem Schicksal nicht entziehen konnte.
Langsam erhob sie sich und trat näher zu Tür. Ihr ängstlicher Blick streifte ihre Mitgefangenen und fiel schließlich auf den Mann, der dort an der Schwelle zu ihrer Zelle stand. „Beroe“, antwortete sie. „Ich war bei einer Versammlung der Christianer und wurde bei einer Razzia festgenommen.“ Dass sie dabei damals gegenüber einem der Urbaner tätlich geworden war, erwähnte sie nicht.