• Die Räucherkohle glühte bereits als ich die Opferschale auf den Altar stellte. Ich legte wie so oft Wachskugeln des Olibanum und getrockneten Wacholder, Myrrhe und Salbei hinein. Schon bald erfüllte ein angenehmer Duft den Raum und Rauch stieg auf.


    Während der Duft nach gewisser Zeit schwächer wurde und die getrockneten Pflanzenteile zusammenschrumpften, gedachte ich unserer Hausgötter. Ich erhoffte mir Kraft von ihnen für all unsere Vorhaben, doch nicht nur für mich allein, sondern für meine gesamte Familie.


    Nach dem Versiegen des Rauches lächelte ich meinen Bruder an.


    „Ich habe seit jenem Vorfall im Frühjahr keinen Tag mehr ausgelassen und an unsere Hausgötter gedacht. Sicher war es auch eine Strafe für mich, dass der Bruch durch unsere Gens ging, denn ich hatte die Manen und Laren lange vernachlässigt. Nun geht es aufwärts in der Familie und das zeigt mir, dass mein Bemühen der letzten Monate nicht vergeblich war.“

  • Dieses mal sagte ich gar nichts, hielt aber die Hände meiner Schwester um ihr zu zeigen das es wieder bessere Zeiten geben wird. Ich legte meinen Kopf ein wenig schief und lies den wohltuenden Rauch und ihr Lächeln auf mich wirken.....

  • Nach kurzem Verweilen ließ ich mich anschließend sehr zufrieden und glücklich von meinem Bruder aus dem Lararium führen. Ich hielt seine Hand und dachte an die Zeit der Kindheit zurück. Zum Leidwesen unserer Mutter war ich nie das typische Mädchen gewesen. Zwar sah ich mädchenhaft aus und war zugleich grazil gebaut, aber in mir drin schlummerte ein ziemlich unbändiges Wesen. Zu gern hatte ich mit meinen Brüdern gespielt und stand ihnen nie nach, wenn es darum ging, Blödsinn zu verzapfen. Natürlich brauchte ich oft ihren Schutz, war ja klar. Ich besaß ja nur eine halbe Portion an Kraft. Mal musste ich aus einem Loch gezogen, dann wieder von einem hohen Baum geholt werden. Das Raufklettern war ja nie das Problem. Nur eben das Runter … Die älteren Brüder wollten mich nicht immer dabei haben. Das wusste ich heute noch ganz genau. Maxentius hingegen hatte sich immer für mich eingesetzt. Auch das hatte ich mir gemerkt.
    Ich schaute Maxentius an.


    „So sind wir auch früher schon manches Mal gegangen.“


    Der Tag verging wie im Flug und nach einer vorerst letzten Nacht in Mantua, brachen wir am nächsten Morgen auf.

  • Ich schlief in dieser Nacht nicht wirklich gut. Zuviele Gedanken waren zu bewältigen. In den letzten zwei Tagen war schließlich viel über mich hereingebrochen.


    Zu sehr beschäftigten mich Misenum und die Magistratwahlen, zu sehr beschäftigte mich auch noch diese Geschichte mit Commodus...


    Doch auch diese Nacht ging irgendwann vorbei und es stand der Aufbruch nach Misenum an. Wir stiegen in die Kutsche und machten uns auf den Weg.....

  • Ich öffnete die Tür. Mittlerweile kannte ich die Nachbarn und selbst diejenigen, deren Mitglieder in der Legion dienten. Ich erkannte Flavian und bat ihn herein.


    "Wen von den Herrschaften wünschst du zu sprechen?"

  • "Hm, derzeit ist es sehr schwierig, jemand von den Herrschaften zu erreichen. Der Herr Sophus ist seit Monaten nicht zu Hause gewesen, das ist wahr. Ihn triffst du hier nicht. Antoninus, der Hausherr, ist ebenso selten hier. Ihr würdest du am besten in der aurelischen Villa in Rom antreffen.
    Es tut mir leid, nicht einmal Deandra ist hier. Sie weilt derzeit in Germanien."


    Ich wartete auf die Entscheidung des Besuchers.

  • Lange Wochen wurde die Villa nur von einem kleinen Sklavenstab bewohnt und in Ordnung gehalten. Seit Tagen flitzten die Dienstkräfte jedoch wie aufgescheuchte Hühner durch die Gegend. Ein Brief hatte das Eintreffen der Herrschaften angekündigt und so wurden sämtliche Räumlichkeiten und die Außenanlage auf das Vortrefflichste hergerichtet.


    Zwei Küchensklavinnen kauften auf dem Markt großzügig Speisen und Getränke ein, die zumeist angeliefert wurden. Ein gewisser Vorrat war vonnöten, denn die Familie wollte sich längerfristig in Mantua niederlassen. Als alle notwendigen Arbeiten erbracht und eine Endkontrolle keine Versäumnisse aufgezeigt hatte, erwartete die Dienerschaft voller Spannung die Bewohner der Villa.

  • Nachdem ich also denn Wagen und die Pferde zum Gestüt gebracht hatte ging ich zur Villa zurück. Wie angeordnet suchte ich die Herrin und meldete mich:


    „Herrin, Wagen und Pferde sind im Gestüt!“

  • „Komm rein, Licinia, und mach es dir bequem. Wir werden gleich eine Stärkung zu uns nehmen und hinterher könnte ich dir mein Gestüt zeigen.“


    Soeben kam mein Sklave herein.


    „Assindius wird uns am besten begleiten. Das heißt … Nö, erst einmal geht der Gute zum Barbier.“


    Ich wandte mich meinem Leiubsklaven zu.


    „Bei den Göttern, Assindius, es müssen Monate vergangen sein, in denen ich dich nicht gesehen habe. Du siehst furchtbar aus. Dir ist doch klar, dass die Haarpracht wieder ab muss?“


    Fragend blickte ich und konnte meinen Zweifel nicht gänzlich verleugnen.

  • Kein Jammern? Kein versteckter Protest? Kein unwilliges Aufblitzen der Augen? Was war denn mit Assindius passiert? War er etwa zahm geworden? Gleich mal austesten:


    „Nehmen wir diesmal einen Kurzhaarschnitt?“


    Ich hob auffordernd die Brauen, ein leises Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.

  • Jetzt verarscht sie mich auch noch. Dieses Lächeln spricht dafür. Scheiße was sag ich denn jetzt bloß? Wieso eigentlich wir? Frechheit siegt, also frech sein:


    „Ihr kommt also mit und nehmt auch einen Kurzhaarschnitt, Herrin?“ :D


    Jetzt musste ich auch grinsen, ein ziemlich schriller Gedanke. Wenn sie das macht lass ich mir glatt ne Glatze schneiden. :D

  • Wie soll man dabei ernst oder gar gestreng bleiben? Das leise Lächeln steigerte sich zu einem Lachen, das ich vergeblich versuchte zu unterdrücken.


    „Ich liebe dein freches Mundwerk, es hat mir sogar die letzten Wochen gefehlt, aber bitte übertreibe es nicht, nachdem du das nun weißt.“


    Ein wohlwollendes Lächeln streifte meinen Sklaven.


    „Einigen wir uns darauf: Du verlierst deine Matte und ich lasse mir die Spitzen schneiden.“

  • „Nö, nö. Bleib mal schön hier. Wenn meine Spitzen mitgeschnitten werden, machen wir das natürlich hier. Ich begebe mich doch nicht in eine öffentliche Einrichtung deswegen.“


    ‚Hm, wen könnte ich denn schicken, um einen Barbier ausfindig zu machen?’, dachte ich angestrengt und krauste dabei die Stirn.


    „Assindius, wir schieben das mal für ein oder zwei Tage auf. Ich will mich in der Stadtverwaltung danach erkundigen, du kannst mich morgen begleiten. Mantua könnte mehr Händler und Dienstleister gebrauchen. Da muss sich die Stadt etwas einfallen lassen, wenn sie Patrizierfamilien halten möchte.“


    Plötzlich verspürte ich Appetit auf Eis. Viel zu lange musste ich auf diese Leckerei verzichten. Interessiert beugte ich mich nach vorn.


    „Habt ihr denn Eis in Germania ordern können?“

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