Decima Valeria

  • Von einem Decimus Flavus hatte sie noch nie etwas gehört. Deswegen war ihr Gesichtsausdruck auch eher verstimmt und skeptisch. Ob sie leiser reden würde, wusste sie noch nicht. Das hing von seinen Antworten ab. Ganz offensichtich war er nervös, so oft wie er zur Tür sah. Valeria wusste nicht, was sie von alledem halten sollte. Wenigstens hatte sie nun keine Angst mehr. Dieser Flavus schien ihr zumindest nicht böses zu wollen.


    "Nach einem Missverständnis sah das allerdings nicht aus, eben", bemerkte sie misstrauisch und sprach in normaler Lautstärke. Der junge Mann hätte sich eben früher überlegen müssen, ob er nicht erwischt werden wollte bei seinen nächtlichen Aktivitäten. Und sie sah es gar nicht ein, ihn zu decken. Immerhin kannte sie ihn nicht, und sie wusste auch nicht, inwiefern er überhaupt verwandtschaftlich zu ihr stand. "Und es hat sich auch nicht danach angehört", fügte sie hinzu und sagte sonst erstmal nichts weiter. Jemanden zu rufen erschien ihr allerdings auch etwas übertrieben, also wartete sie einfach, wie die Situation sich hier entwickeln würde.

  • Irgendwie war der junge Decimer gerade ziemlich durcheinander. Natürlich war das ein Missverständnis, zumindest was das belegte Zimmer betraf. Und das ein Herr seine Sklavin nehmen konnte wo und wann er wollte, war schließlich selbstverständlich. Das Marcus genaugenommen nicht der eigentlich Herr der Sklavin war, durfte man dabei nicht so genau nehmen. Zumindest sah es er nicht so streng.


    "Mit Missverständnis meinte ich, dass du hier im Zimmer warst…. ähm bist. Also das ich das nicht wissen konnte. Und das mit der Sklavin. Nun ja…."


    Sie hatte doch nicht etwa alles mitbekommen? Es würde für den jungen Mann nicht sonderlich gut aussehen, dass er die Sklavin, die noch dazu nicht seine eigene war, zu diesem kleinen Stelldichein zwingen wollte. Wie sollte er das alles nur dem Alten erklären? Wenn das raus kam war er erledigt.


    "Entschuldige bitte einfach die Störung. Ich verspreche das es nicht wieder vorkommen wird. Und bitte erzähle niemanden davon. Ich bitte dich."


    Während er sprach ging er mit gesenktem Kopf einige Schritte rückwärts in Richtung Türe. Es war Zeit die Flucht anzutreten, bevor er sich zusätzlich zu dem was die Frau bereits gesehen hatte auch noch in etwas hineinredete. Wer sie war wusste er allerdings immer noch nicht. Vermutlich ein Gast des Hauses. Hoffentlich kein Gast des Alten. Wenn das morgen Früh Thema während des Frühstücks werden sollte. Kaum auszudenken. Beim Iupiter!

  • "Aha", zweifelte Valeria wieder. Eigentlich war es ihr herzlich egal, was andere Leute so trieben, aber wenn sie dabei andere zu etwas zwangen, war sie entschieden dagegen, ganz gleich ob es dabei um Sklaven ging oder nicht. Und die Decimer behandelten ihre Sklaven seit sie denken konnte freundlich und mit gewissem Respekt, eben nicht wie Dinge, sondern wie Menschen.


    Dieser Flavus wollte sich zurückziehen, und Valeria schüttelte den Kopf. "Oh nein, hier geblieben! So einfach kommst du mir nicht aus dieser Sache heraus", sagte sie und versuchte zu schätzen, wie alt er war. "Gehörst du zu Serapio und Seiana?" wollte sie wissen.

  • Serapio?! Wenn er diesen Namen schon hörte! Doch so unrecht hatte die fremde Frau eigentlich nicht. Nun wo Serapio der Adoptivsohn des Alten war, waren sie auch irgendwie zu Stiefbrüdern geworden. Wenn er nur daran dachte stellten sich ihn die Nackenhaare auf! Doch Marcus blieb ruhig und seufzte kurz, bevor er antwortete. Es half nichts. Er musste mit der Wahrheit rausrücken.


    "Ähm... Nein. Ich bin der Sohn von Livianus."

  • Valerias Brauen ruckten nach oben. Allmählich schien es ihr, als wollte Livianus mit allen Mitteln an einen Erben kommen. Ganz automatisch ging sie davon aus, dass nicht nur Serapio, sondern auch Flavus adoptiert worden war. Immerhin hatte Aemilia ihres Wissens nach keine Kinder gehabt, und wer ließ schon seine Kinder nicht zu ihrem Vater, wenn der nicht gerade kein Massenmörder war? Diese Möglichkeit kam für sie überhaupt gar nicht in Betracht. Trotzdem starrte sie Flavus an. "Ah...so", machte sie langsam. Dann sah sie Flavus prüfend an. "Wer ist denn deine Mutter?"

  • Eigentlich wäre es längst an der Zeit gewesen dieses Frage-Antwort-Spiel umzudrehen. Schließlich wusste Marcus immer noch nicht den Namen der Fremden. Diese hingegen hatte die unangenehme Situation genutzt um den jungen Decimer regelrecht ins Verhör zu nehmen und es schien so, als wäre ihr Wissensdurst noch lange nicht gestillt. Mit einem kurzen verstohlenen Blick zur Türe vergewisserte sich Marcus, dass diese zwar immer noch offen stand, aber die Unterhaltung bisher keine weiteren Hausbewohner angelockt hatte. Von der Sklavin war jedoch auch keine Spur mehr weit und breit. Vermutlich hatte sie sich in die Sklavenunterkünfte verzogen, wo Marcus nicht mehr unbemerkt an sie heran kommen konnte.


    "Decima Aemilia. Meine Mutter war Decima Aemilia."


    Er musterte die Frau noch einmal, die sich allem Anschein nach wieder einigermaßen beruhigt hatte. Die Neugierde war einfach zu groß, als das er die Frage verdrängen hätte können, auch wenn sie mehr als zögerlich kam.


    "Und……. Und darf ich auch erfahren wer du bist?"

  • "Was? Das ist..." nicht wahr, wollte sie sagen, aber sie verstummte mitten im Satz und starrte Flavus nur fassungslos an. Wenn sie gewusst hätte, dass... Wenn sie das gewusst hätte! Sie starrte ihn eine ganze Weile an. Dann erst sagte sie: "Decima Valeria." Ihre Vergangenheit erschien ihr nur noch umso abstruser. Sie schnaufte abfällig und schüttelte den Kopf. Dass Livianus nicht gewusst hatte, dass er Vater geworden war, glaubte sie mal gar nicht! "So. Jetzt haben wir uns kennen gelernt. Kann ich jetzt wieder meine Ruhe haben?" sagte sie, beinahe nörgelnd. Sie kam mit der gegenwärtigen Situatio nicht klar, da war es besser, wenn Flavus verschwand. Valeria glaubte nicht, dass Livianus ihm etwas von ihr erzählt hatte.


    An Schlaf war für sie ohnehin jetzt nicht mehr zu denken. Beinahe trotzig schwang sie die Beine aus dem Bett. "Und wenn ich dich noch ein einziges Mal erwische, wie du eine Sklavin dazu drängst, dich über sie ergehen zu lassen, werde ich es deinem Vater erzählen. Hast du das verstanden?" sagte sie, als sie nur mit ihrem Nachthemd bekleidet vor ihm stand und ihn scharf ansah.

  • Als Marcus den Namen seine Mutter nannte, schien die Frau für einen kurzen Moment sehr überrascht zu sein, doch er dachte sich nichts weiter. Dann endlich erfuhr er auch ihren Namen. Decima Valeria. Sie war also kein Gast, sie war ein Familienmitglied. Umso schlimmer, dass es ausgerechnet sie mitbekommen hatte. Marcus atmete tief durch. Sie würde es bestimmt dem Alten weiterpetzen. Warum auch nicht. Er war in ihr Zimmer eingedrungen, hatte ihren Schlaf gestört und dabei eine Sklavin belästigt. Für ihn selbst war letzteres nichts besonderes, aber er hatte bereits mitbekommen, dass man in dieser Casa anders mit den Haussklaven umging.


    Valeria schien im ersten Moment nicht weiter auf die Situation einzugehen, sondern verlangte wieder nach einer ungestörten Nachtruhe. Marcus nickte nur und wollte sich gerade eben ein weiteres Mal für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, als sie sich aus dem Bett schwang und wie eine Furie ansah. Leicht erschrocken taumelte der junge Mann einen Schritt zurück und starrte die Decima an. Ihre drohende Stimme verriet, dass sie das gesehene vorerst für sich behielt, doch zugleich war es mit einer Auflage belegt, die Marcus vorerst mit einem Kopfnicken akzeptierte.


    "Ja Valeria. Das habe ich. Es tut….. Es tut mir leid."


    Aus seiner Stimme klang ehrliches Bedauern und seine Augen konnten ihn bei der Dunkelheit ohnehin nicht verraten. Zudem blickte er dabei zu Boden um Unterwürfigkeit zu demonstrieren.

  • Flavus hatte Valeria noch nie als Furie erlebt, und um die auf den Plan zu rufen, brauchte es auch schon ein wenig mehr. Allerdings fand sie es amüsant, wie er plötzlich vor ihr kuschte. Das war nicht mehr der kleine Möchtegerncasanova von eben, der die Sklavin zu irgendwas hatte zwingen wollen. Äußerlich gab sie sich ganz gefasst. Sie stand vor ihm und musste dabei nach oben sehen. "Entschuldige dich nicht bei mir, Flavus, sondern bei ihr", erwiderte sie und zog dabei die Augenbrauen hoch. Valeria würde nicht penibel überprüfen, ob er das getan hatte, aber das wusste Flavus ja nicht. Und besser, er hielt sie für eine absolut emanzipierte Freiheitskämpferin als für eine unsichere Decima, deren Gedächtnis letztens nicht mehr das beste war und die sich verloren fühlte, selbst in ihrer Familie. Sie deutete aus ihrem Cubiculum. "Du kannst jetzt gehen."

  • Marcus musterte Valeria noch einmal. Sie bildete sich doch nicht tatsächlich ein dass er sich bei dieser Sklavin entschuldigen würde. Niemals! Sie war eine Sklavin! Als sie ihn zum gehen aufforderte nickte er und wandte sich zum gehen.


    "Noch eine gute Nacht Valeria."


    Als sie es nicht mehr sehen konnte verdrehte er noch einmal die Augen. Sich Entschuldigen. Tsss! Er war froh, dass er noch einmal so glimpflich davongekommen war und nahm sich vor beim nächsten Mal vorsichtiger zu sein. Vielleicht war es besser in Zukunft wieder sein eigenes Zimmer aufzusuchen oder sich mit der Sklavin im Bad einzuschließen. Naja. Man konnte das ja dann immer noch entscheiden. Jetzt machte er sich jedenfalls wieder auf in sein Zimmer. Für heute hatte er genug Überraschungen erlebt.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!