Solange die Erde den Himmel im Gleichgewicht trägt,
und solange die glänzende Welt sich sicher weiterdreht,
und solange die Zahl an Sandkörnern unendlich bleibt...
Wie schön...!!!
Neugierig war ich den Stimmen im Garten gefolgt. Ich wollte ja nicht stören, nur ein wenig zuhören.
...am Tag die Sonne und bei Nacht die Sterne scheinen,
solange der Nordstern die unbenetzten Bären weitertreibt,
solange die Flüsse ins Meer fließen,
solange wird meine Zornesgier nach Rache nicht weichen
und immer nur wachsen!
Seneca hatte ich mir immer als unfrohen alten Herrn mit Doppelkinn und grämlich pädagogischer Miene vorgestellt, und keine Vorstellung davon gehabt, dass solch leidenschaftliche Verse seiner Feder entsprungen waren. Ich pirschte mich näher an die Dianalaube heran und betrachtete die beiden, durch eine Lücke im Laubwerk malerisch eingerahmten, Künstler. Es war ein allerliebster Anblick. Und wie gut sie harmonierten!
Der hübsche Furiersklave indes lies irgendwo, ganz ferne und ganz leise, einen vagen Anflug von Erinnerung erklingen. An den großen Polychares? Nein... der interpretierte die Medea in ganz anderem Stil. Aber kaum dachte ich darüber nach, hatte sich der Hauch auch schon wieder verflüchtigt.
Ich hörte Icarion entgegnen:
"Zügle deine von den Übeln aufgewühlte Brust, Gebieterin, und beruhige dich!"
Und so belauschte ich die beiden weiterhin, wie sie fortfuhren das Stück zu proben. Nach einer Weile, bei einer wieder besonders bewegenden Stelle, da konnte ich aber nicht anders, als entzückt zu applaudieren, und da es nun mit der Heimlichkeit sowieso vorbei war, trat ich durch den Vorhang von Ranken.
"Bona Dea, was seid ihr gut!"
"Danke." antwortete Icarion schlicht.
Zögernd, wie ein Eindringling im Garten der Musen, noch in meiner Tunica militare, und doch wie magisch angezogen sah ich auf die entrollten Papyri, die glänzenden Augen und lebhaft geröteten Wangen der beiden Künstler, des Furiersklaven dramatisch drapiertes Gewand.
"Darf ich..." begann ich zögernd, vom einen zum anderen sehend, "... vielleicht, ähem..."
"Gewiss."
"Ich will wirklich nicht stören..."
"Wir können einen Iason sehr gut gebrauchen," lud mich Icarion freundlich ein, "nicht wahr Tiberios?"
So setzte ich mich neben meinen Libertus, glücklich Teil der kleinen Bühne sein zu dürfen, und zugleich etwas verschämt ob meiner wenig statthaften Interessen.
"Wo geht es weiter?" fragte ich die beiden, meinen Einsatz auf dem Papyrus suchend.