[Forum Iulium] Templum Veneris Genetricis

  • Innerlich schon ganz aufgeregt folgte er Caesoninus auf die Cella zu. Carbo war noch nie im Inneren eines römischen Tempels gewesen. Dessen möglichen Inhalt kannte er nur vom Hörensagen und aus schriftlichen Beschreibungen von z.B. dem kapitolischen Tempel. So vermutete er ein Wasserbecken, eine Art Altar und eine Götterstatue hinter der goldenen Tür. Ob es wohl zutreffen würde?


    Doch bevor er seine Neugier angemessen befriedigen konnte, wurde er durch ein römisches Ritual aufgehalten (zumindest kurz). Er musste sich nämlich einer Waschung unterziehen, um rein genug für die Göttin zu sein. Carbo tat es Caesoninus so gut es ging gleich und folgte ihm endlich dann hinein. Es war atemberaubend. Es war hier zwar kein Wasserbecken, dafür jedoch eine große Goldstatue voll Anmut und Eleganz anzutreffen. Und erst die prachtvolle Schmuckarchitektur ringsum! Carbo hatte noch nie zuvor in seinem Leben so etwas wundervolles gesehen. Ganz ergriffen war er von jenem Anblick des Tempelinneren. Derart fasziniert achtete er schon fast gar nicht mehr auf den Aedituus, doch gerade noch so hatte er trotzdem mitbekommen, was er tun solle. „Einverstanden!“ antwortete Carbo, schon darauf brennend endlich loszulegen.

  • So konnte es also beginnen. Caesoninus stand mit Carbo im Halbdunkel des Tempels, mit einem Zipfel seiner Toga über sein Haupt gezogen. Da Carbo als Peregrinus keine Toga tragen durfte, erübrigte sich dies natürlich für ihn.


    So stellte sich Caesoninus etwas abseits, rechts vom Kultbild und sprach mit etwas gedämpfter Stimme, angesichts der Würde dieses Ortes: "Genauso wie jedes große Opfer muss zuerst Weihrauch verbrannt werden, um die Brücke hinüber in die Welt der Götter zu schlagen. Dabei erhebe deine Handflächen gen Himmel und rufe Gott Ianus dafür an, die Tore zu öffnen. Danach schließt du das Gebet mit einer Wendung nach rechts ab."


    Dies war zwar eigentlich allgemein bekannt, wie man ein Gebet sprach, jedoch da sein heutiger Kunde ein Fremder aus dem Barbarenland war, ging Caesoninus lieber auf Nummer sicher und erzählte alles haarklein. Immerhin wollte er sich vor der Lieblichsten aller Göttinnen keine Blamage erlauben!

  • Carbos kleines Opfer an die Göttin der Liebe begann mit einem ihm bereits vertrauten Vorgang. Immerhin hatte er Weihrauch ja auch schon als Magister Vici regelmäßig für die Laren verbrennen müssen. Doch dass man das tat und dabei Ianus anrief, war ihm neu. Doch er vertraute einfach mal dem Aedituus, immerhin würde der schon wissen was zu tun war. So also entzündete der Junge den Weihrauch.
    Schnell breitete sich der typische süßliche Duft rund um den Foculus aus, während Carbo mit beiden Handflächen nach oben zu beten begann: „Pater Ianus, mit diesem Weihrauch erflehe ich deine Gunst! Ich bitte dich, öffne die Tore zur Götterwelt, damit Venus Genetrix mein Gebet hören und mein Opfer sehen möge.“ Nach diesen gesprochenen Worten wandte Carbo sich nach rechts.


    Dieser Teil war also erledigt. Neugierig auf das als nächstes kommende wandte er seinen Blick schweigend auf Caesoninus hin.

  • Nicht schlecht, was der Nordling dort fabrizierte! Das Eröffnungsgebet konnte man zweifellos so stehen lassen.
    Sehr gut gemacht! Jetzt geht es an das Hauptopfer. Lege die Votivfiguren und die Zwiebeln auf den Foculus und sprich dein Gebet. Anschließend vollführe ein Trankopfer, wahlweise als Abschluss der Hauptopferung, oder als gesonderte Nachopferung mit eigenem Spruch. Dann bist du fertig.
    Trankopfer waren wirklich etwas so sehr alltägliches, dass es Caesoninus hierbei doch riskierte und ihm die nähere Prozedur (nämlich ausgießen) nicht erläuterte, sondern als bekannt annahm. Immerhin sollte er als Aedituus den Bittstellern am Tempel nur kurze Anleitungen und Hilfestellungen geben und während der Opfer möglichst wenig auffallen, wenn er nicht selbst vor dem Foculus stand. Immerhin wollten sie hier ja der Lieblichsten aller Göttinnen huldigen und nicht miteinander vor ihrer Goldstatue ein Pläuschchen halten.

  • Es waren wirklich erhebende Augenblicke, die Carbo da gerade durchlebte. Zum ersten Mal in seinem Leben vollführte er ein richtiges Opfer der Römer auf römische Art in einem römischen Tempel in Rom. Carbo wurde ganz warm vor Stolz auf diesen Gedanken. So nah war er einem Dasein als Römer wohl noch nie gewesen.


    Doch gerade jetzt musste er sich zusammenreißen, immerhin galt es das Opfer möglichst fehlerlos durchzuziehen und nicht nach Belieben seinen Gedanken nachzuhängen. So nahm er von Caesoninus die beiden Votivfiguren entgegen und rief mit erhobener Stimme der Göttin hinter dem Foculus zu: "Glorreiche Venus! Ich bringe dir heute diese meine Opfergaben dar!" Nach diesen Worten legt er die Tonfiguren auf den Foculus und nahm, ohne wirkliche Unterbrechung seiner Gebetsansprache gleich auch den Zwiebelkranz entgegen. "Ich, Norius Carbo, Sohn des Viridomarus Voccio, erflehe hiermit deine Gunst und deine Hilfe dabei für mich die wahre Liebe zuhause in Mogontiacum zu finden! Ich bitte dich, gewähre mir diese Gunst, auf dass ich schon bald die Frau meiner Träume heiraten und immerzu mit ihr glücklich sein kann! Dafür sollst du auch weiterhin Opfer von mir erhalten." Nachdem er den Kranz ebenfalls darniedergelegt und zu Ende gesprochen hatte, folgte eine Wendung nach rechts.
    Dann nahm Carbo den Falernerwein und goss ihn stumm in die dafür bereitstehende Patera als Trankopfer und rief Venus noch einmal dabei stumm an zur Erfüllung seines Wunsches.

  • Der Frühling schickte sich an, bald in den Sommer überzugehen und überall lagen sich frisch verliebte Paare im strahlenden Sonnenschein in den Armen. Oder hatten sich voller Lust an einen Ort zurückgezogen, an dem sie ungestört waren. Venus liebte diese Jahreszeit! Jeder zeigte seine Schönheit, jeder huldigte der Göttin der Liebe. Vergnügt schwebte Venus durch die Welt und wusste gar nicht, wohin mit ihrer guten Laune.


    Glücklich seufzend legte sie sich auf eine Wolke, ließ sich die Sonne auf ihr wohlgeformtes Hinterteil scheinen und schaute dem Treiben an einem ihrer Tempel zu. Hachja, da war ja dieser fesche Iulier. Dieser fleißige Kerl, der sich so rührend um ihren Tempel kümmerte. Hätte er sich nicht mit dieser groben Bande von Luperci eingelassen, könnte sie bei dem ja glatt auf Gedanken kommen. Dabei konnte selber eine Lederpeitsche richtig eingesetzt sehr lustvoll sein. Leider verstand nicht jeder Lupercus wirklich viel davon. Ein weiteres Seufzen entströmte ihren vollen Lippen, dann konzentrierte Venus sich wieder auf das Geschehen im Tempel. Der junge Mann, der opfern wollte, war lustig. Kam extra aus Mogontiacum hierher. Bestritt das natürlich, dass er nur deswegen hier war. Venus musste trotzdem kichern. Und dann gleich noch einmal. Germanische Namen klangen wirklich ulkig. Aber er machte seine Sache gut. Er hatte ja auch einen guten Ratgeber. Der Iulier hatte auch ihm Zwiebeln empfohlen, dieser Schlingel. Wusste genau, dass sie bei Zwiebeln schwach wurde. Da musste sie sich also einfach was ausdenken, wie der junge Mann in Mogontiacum seine Liebe finden würde. Aber bis dorthin war es ein weiter Weg. Viel konnte passieren auf diesem Weg, warum also nicht auch eine Begegnung, die das Leben zweier Menschen für immer verändern sollte? Venus kicherte wieder. Sie hatte eine Idee, die ihr gefiel. Jetzt musste sie sie nur noch im Kopf behalten, bis der Mann wieder kurz vor Mogontiacum war.

  • Caesoninus nickte. Das Opfer war vorbei.
    Da es sich nun gebot, die Cella möglichst rasch und geordnet wieder zu verlassen, um die Ruhe der Göttin nicht weiter zu stören nach der erforderlichen Ehrenbezeugung ihrer Person, geleitete Caesoninus Carbo wieder hinaus unter das luftige Dach des säulenbekränzten Portikus des Tempels der Venus Genetrix. "Alle Achtung, nicht schlecht gemacht! Toll! Falls du wieder einmal ein Anliegen an die Göttin der Liebe haben solltrst, zögere nicht zurückzukehren, wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit dir!" Dann natürlich noch der abschließende obligatorische Hinweis: "Falls du zufrieden mit deiner Opferung warst, würden wir uns sehr über eine kleine Spende an den Tempel freuen. Solltest du dich dazu entschließen, ist Kollege Gnaeus dort hinten die richtige Ansprechperson für dich." sagte er und wies auf einen der anderen Tempelmitarbeiter ein Stück von ihnen entfernt. Der Tempel musste ja auch in Schuss gehalten und die Aedituui von etwas leben! Sie bekamen zwar regelmäßig großzügige Spenden von vermögenden Privatpersonen, so wie so ziehmlich jeder große Tempel hier in Rom, jedoch hatte Caesoninus festgestellt, dass sich diese Summe nochmal erheblich steigern ließ, wenn man die Leute nach Beihilfe zur Opferung auch nochmal direkt auf eine kleine Spende ansprach. meist waren es zwar nur ein paar wenige Münzen, aber bedacht auf die Massen, die täglich den Tempel frequentierten, ergab sich das Sprichwort; Viel Wenig ergibt ein Viel.
    "Nun denn, dann, Norius Carbo aus Mogontiacum, viel Glück und einen schönen Tag noch!" verabschiedete Caesoninus seinen Kunden freundlich und wandte sich ab, um zu sehen, ob nicht schon der nächste auf ihn wartete.

  • Mochte er vielleicht im tiefsten Winkel seines Seins verborgen jetzt erwartet haben, dass etwas geschehen würde, -trotz aller Vernunft, die ihm von vornherein schon klar gemacht hatte, dass jetzt keine fliegende Kuh zur Tür hereingeschwebt käme, das Maul voller Zwiebeln und Taubenflügel am Rücken, um das soeben getätigte Opfer zu bestätigen-, so war es doch fast schon enttäuschend, das so wirklich GAR NICHTS passierte. Aber was wollte man da auch machen, immerhin war es nur ein kleines unblutiges Opfer gewesen. Nicht ein großes blutiges, wo man mit der Eingeweideschau am Ende ein definitives Ergebnis hatte. So blieb Carbo also nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass die hehre Göttin Venus seine Bitte erhört hatte.


    Jedenfalls war Carbo so oder so jetzt sehr gut aufgelegt. Er hatte sein erstes richtiges Opfer mit Tempel und Aedituus und allem drum und dran geschafft! Wie oft er sich das wohl gerade eben schon für sich festgestellt hatte? Egal, er fühlte sich gut! Er wollte auf jeden Fall derartiges öfters machen in Zukunft, ja mehr noch, plante er eine größere Karriere in Mogontiacum, so würde ihm nichts anderes übrig bleiben!
    Als Carbo nach einem Blick nochmal zurück, hinauf ins güldene Antlitz von Venus Genetrix, Caesoninus aus dem Tempel hinaus nachgefolgt war, hatte er seinen Entschluss entgültig gefestigt. Zurück im freien machte sich der Aedituus an die Verabschiedung. Als er sich dann von Carbo abwenden und gehen wollte, hielt der Junge ihn verbal zurück: „Danke, du warst mir eine große Hilfe! Ich kann natürlich gerne etwas spenden, doch bevor du gehst, hätte ich noch eine Bitte“, Carbo unterbrach kurz, „Ich würde gerne die Grundbegriffe des Opferns erlernen, damit ich das zuhause einmal selbst auch machen kann. Denkst du, dass du mir das einmal näher zeigen könntest? Ich würde es soo gerne lernen!
    Natürlich wollte er nicht gleich selbst Aedituus werden, aber damit Carbo in Zukunft wenigstens alleine und sattelfest kleine und große Opfer, ob blutig oder unblutig, durchführen und Dinge einweihen konnte. Letzteres hätte er z.B. in seiner Karriere ja schon einmal benötigt in der Vergangenheit.

  • Caesoninus stutze einen Moment. Hatte er gedacht, dass dieser Tempelbesucher ein zufriedener Kunde und vollumfänglich glücklich mit seiner Betreuung war, so weit gefehlt. Norius Carbo war noch längst nicht fertig mit ihm!
    Opfern wollte der also lernen, nun, in der Tat eine höchst ungewöhnliche Bitte, jedoch natürlich nicht zu verachten. Caesoninus schätze es, wenn man sich um die Götter bemühte.
    Dementsprechend hatte Carbo bei ihm gute Karten mit seinem Anliegen.
    "Ob ich dir dabei helfe zu lernen, wie man richtig opfert? Natürlich! Ich kann dir das gerne beibringen. Komm übermorgen wieder hierher, dann beginnen wir mit der ersten Lektion. Falls es dich auch interessiert, kannst du auch schon morgen hier nochmal vorbeischauen, denn dann vollziehe ich ein öffentliches Opfer zum Gelingen meiner Wahl. Anschauungsunterricht wäre das für dich, du verstehst?" Caesoninus zwinkerte ihm fröhlich zu. "Nun denn, jetzt muss ich aber weiter, vale!"
    Und mit diesen Worten entfernte er sich von Carbo.

  • Caesoninus kandidierte derzeit als Vigintivir, um im besten Falle schon bald dieses Einstiegsamt des Cursus Honorum bekleiden zu können. Der Cursus Honorum war Rom verpflichtet und Rom selbst war weltlich. Caesoninus, als Mitglied des Cultus deorum natürlich auch dem Göttlichen zugetan, wollte heute ein Opfer für Venus Genetrix darbringen, um ihr Wohlwollen zum Gelingen dieser Wahl für ihn zu erflehen. So würde er weltliches und göttliches zu diesem Zwecke kurz zusammenbringen. Dass er dieses politisch motivierte Opfer in Caesars altem Tempel ausgrechnet an die Göttin der Liebe und Stammutter der patrizischen Iulier richtete, war pure Absicht, wo er doch ihr Aedituus war und Venus Genetrix quasi die Hauptgottheit für die Gens Iulia darstellte.


    So also zog am Vormittag eine von ihm initiierte Opferprozession durch Roms Straßen. Caesoninus trug weiße Gewänder und lief barfuß. Am Tempel angekommen, unterzog er sich der rituellen Reinigung. Durch den Zug durch die Stadt waren einige Schaulustige angelockt worden, denen sich auch neugierige Passanten vom Forum Iulium anschlossen. Wieder einmal hatte er der Lieblichsten aller Göttinnen ein Mutterschaf mitgebracht und nicht nur das, es war eines aus Kalabrien, als besondere Ehrung der Venus und auch als Reminiszenz an sein Prüfungsopfer zum Aedituus damals, wo er ebenfalls schon ein kalabrisches Schaf geopfert hatte. Deren Wolle galt ja als besonders fein und seiden. Caesoninus bedeckte seinen Kopf mit einer Falte seiner Toga und schritt mit seinen Tempeldienern in die cella. Dort sollten die Voropfer stattfinden. Auf das Kultbild der iulischen Stammutter blickend, entzündete Caesoninus den Weihrauch und rief mit den Handflächen nach oben Ianus darum an, die Tore zum Götterhimmel zu öffnen, damit sein Opfer von Venus bemerkt werden konnte und schloss das Gebet mit einer Wendung nach rechts ab. Dann kamen zwei Votivfiguren, Lauch und Knoblauch auf den Foculus und Caesoninus betete:


    "Glorreiche Venus Genetrix, wir bringen dir diese guten Gaben da zum Triumphe der Liebe und deiner Herrlichkeit und Schönheit! Ich bitte dich, hilf mir dabei in den undurchsichtigen Pfaden der Politik stets meinen Weg zu finden und nicht fehl zu gehen."


    Mit einer Wende nach rechts beendete Caesoninus die Ansprache. Die Voropfer waren beendet, nach einer kleinen Zugabe noch in Form eines Trankopfers. Die Prozession formierte sich und verließ mit ihrem Aedituus an der Spitze wieder das Tempelinnere.


    Draußen war die Menschentraube mittlerweile noch mehr angewachsen. Caesoninus und alle Opferhelfer, die mit ihm in der Cella gewesen waren, wurden mit Weihwasser bespritzt, zu erneuten symbolischen Reinigung.


    Vor dem Altar stand das Mutterschaf gewaschen und gekämmt bereit. Ein Flötenspieler sorgte mit seiner Musik nun für eine angemessene Atmosphäre, zuvor noch war der Ruf "Favete linguis!" an die Anwesenden verlautet worden.
    Caesoninus wusch sich erneut die Hände und trocknete sie mit dem Mallium Latum ab.


    Dem Schaf wurde der Schmuck abgenommen und es mit Mola Salsa übergossen. Ein Opferdiener reichte Caesoninus das Opfermesser, mit dem er dem Tier einmal von Kopf bis Schwanz über den Rücken strich. Dann sprach er das Opfergebet:


    "Venus Genetrix, lieblichste aller Göttinnen und Götter! Schon bald begebe ich mich auf den Spuren deines liebsten Iuliers, Gaius Iulius Caesar nachfolgend, in die Politik und bitte dich mit diesem Opfer um dein Wohlwollen zum Gelingen dieser Wahl und auf dass ich als Vigintivir gewählt werde! Ich möchte es dir tausendfach danken, indem ich dir weiterhin als dein Aedituus treue Dienste erweise und dir regelmäßig Opfer zukommen lasse! Ich bitte dich, erfülle mir meinen Wunsch, auf dass ich Rom und seinen Einwohnern, durchdrungen von deiner Liebe, helfen kann!"


    Eine Wendung nach rechts schloss das Gebet ab.
    Der Cultrarius blickte ihn an und fragte: "Agone?"


    "Age!" rief er und der Opferdiener durchschnitt dem kalabrischen Schaf die Kehle. Das Blut floss aus den Tieren heraus und wurde in Schalen gesammelt.


    Dem Tier wurden die Eingeweide entnommen und Caesoninus machte sich daran, diese zu untersuchen.

  • Natürlich ließ sich Carbo nicht zwei Mal bitten und erschien tags darauf wieder am Forum Iulium, um dem, von Caesoninus angekündigten, Opfer beizuwohnen. Jetzt wo er schon selbst ein kleines unblutiges Opfer vollzogen hatte, wollte er natürlich auch sehen, wie ein großes richtig ging!


    Ein Blick über die Stufen auf die Tempelplattform hinauf verriet ihm, dass er wohl zu früh gekommen war. Niemand dort und auch nur einige Leute am Platz. So setzte sich Carbo also in den Schatten der Kolonnaden und wartete. Es dauerte eine ganze Weile, bis er den Klang von Musik hörte. Er wandte den Kopf und sah die Prozession der Opfernden am Forum Iulium eintreffen. Aufgeregt stand er auf, um sich der begleitenden Zuschauermenge anzuschließen. Caesoninus kannte er nach ihrem gestrigen Treffen gleich aus der Gruppe heraus, wenn es jedoch trotzdem ungewohnt war, ihm, einen Römer, barfuß mit völlig weißen Gewändern zu erleben. Das Opferier war ebenfalls eine Erwähnung für sich wert. Ein wirklich prachtvolles Tier! Wo es wohl herkommen mochte? Gewiss war es teuer gewesen.
    Die Prozession zog über die Stufen hinauf in den Schatten der mächtigen Säulen, Carbo beobachtete, wie Caesoninus und seine Opferdiener danach ins Tempelinnere gingen, während vor dem Tempel das Opfertier festgemacht wurde. Was jetzt im Inneren des Heiligtums vor sich ging, konnte er sich nur allzu lebhaft vorstellen, eigener Erfahrung sei Dank.


    Nach einiger Zeit kamen sie wieder heraus und der Hauptakt begann. Carbo schluckte, als ihm bewusst wurde, dass das Schaf jetzt gleich sterben würde. Mit geballten Fäusten beobachtete er den Tod des Schäfchens, wie das Blut aus seiner Kehle floss und die Augen rasch trüb wurden. Das arme Tier! Aber den Göttern gebührte, was ihnen eben gebührte. Da waren die Götter im Norden nicht anders als hier. Sie forderten ihren Teil von der Welt. Jetzt ging es wohl vermutlich an die Eingeweideschau, neugierig reckte Carbo den Kopf und stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können und erwartete aufs äußerste angespannt das Ergebnis.

  • Schon wieder war etwas los an ihrem Tempel, aber diesmal war Venus nicht als gut gelaunte Göttin der Liebe gefragt, sondern in ihrer etwas würdigeren Rolle als Venus Genetrix. Mit einem entsprechend eleganten Schwung setzte sie sich daher nieder, um die Zeremonie zu verfolgen. Der pfiffige kleine Tempeldiener stand diesmal selber im Mittelpunkt und hatte sich wieder etwas hübsches für sie ausgedacht. Ein wunderbar wolliges Schaf war mit dabei, leckerer Lauch und guter Knoblauch. Venus seufzte. So schön konnten Opfer sein.


    Das Anliegen des Opfers hatte natürlich ihr Wohlwollen. Sie konnte sich zwar nicht direkt in die Wahl einmischen, aber im Tausch für einen tausendfachen Dank konnte sie auch nicht untätig bleiben. Ein Lächeln umspielte Venus' Lippen. Das Leben einer Göttin war wirklich angenehm. Alle huldigten ihr, alle versprachen ihr etwas und das meiste, was sie dafür tun müsste, waren vergnügliche kleine Dinge. Zumindest, wenn man so wie Venus gerne ein wenig mit den Gefühlen der Menschen spielte. Während im Tempel das gelungene Opfer angenommen werden konnte, schmiedete Venus daher schon Pläne, was sie in den nächsten Stunden anstellen könnte.

  • "Litatio!" rief Caesoninus erfreut. Die Eingeweide waren ohne Mängel! Venus versprach also einen guten Ausgang für die Wahl zum Vigintivir! Ein kleines Grinsen konnte er sich nicht verkneifen und ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus, nachdem er jetzt wusste, dass der Himmel ihm beistand. Fehlte jetzt nur noch, auch seine irdischen Mitmenschen von sich zu überzeugen. Er hatte da schon die eine, oder andere Idee dazu, wollte er einmal sehen, ob er damit das Rennen am Ende machen würde.


    Als endgültiger Abschluss des Opfers wurde der Teil des Opfertiers, der für Venus bestimmt war, zusammen mit Mola Salsa verbrannt, während der Anteil für die Sterblichen in handliche kleine Stücke zerlegt und unter der zusehenden Menge verteilt wurde, als zusätzliche Gabe Caesoninus' an das gute Volk von Roma.

  • Carbo konnte es nach seinem Gespräch von vor zwei Tagen mit Iulius Caesoninus gar nicht abwarten, bis er endlich wieder auf diesen treffen und von ihm die erste Lektion in seinem kleinen Unterricht zum richtigen Opfern erhalten würde. Das wäre ein großer Schritt für ihn in Richtung Römertum, da war er sich sicher. Außerdem machte es ihn unabhängiger, wenn er künftig in diesbezüglichen Belangen nicht mehr von anderen abhängig war, sondern selbst wusste, was das beste war.
    Am Vortag hatte er aufmerksam das öffentliche Opfer am Venustempel verfolgt, das der Iulier zum Gelingen seiner Wahl vollführt hatte. Das war ein erster praktischer Anschauungsunterricht für ihn gewesen, anhand dem er sich heute bei der ersten Lektion ein wenig orientieren wollte. Was er gesehen hatte war gewesen, dass zuerst der Zug mit den Menschen und Tieren beim Tempel angekommen war, dass dann die Prozession sich gewaschen und in das Allerheiligste gegangen war (vermutlich war darin ähnliches passiert, wie er es selbst zuletzt dort erlebt hatte). Dann waren alle wieder herausgekommen und hatten das Tier getötet. Der Aedituus hatte ein wenig in den Eingeweiden herumgestochert und anschließend Litatio gerufen. Carbo war sich sicher, es gab kompliziertere Dinge.


    So also begab er sich am Morgen dieses Tages schon früh außer Haus, um sich ein weiteres Mal auf den Weg zum Venustempel zu machen. Eine Milisekunde war er sich nicht sicher, ob er eigentlich etwas mitbringen musste (hatte er letztends nicht ähnliche Gedanken gehabt?), doch er beschloss im gleichen Moment es darauf ankommen zu lassen. Er erreichte das Forum Iulium, wo schon einige Leutchen unterwegs waren und stieg hinauf die Stufen zum Portikus.

  • Caesoninus hatte gestern keine gute Nacht gehabt. Eine seiner Liebchen hatte ihn sitzen gelassen, der Trostestrunk darauf in irgendeiner Spelunke hatte mehr nach Essig geschmeckt, denn nach Wein und schlussendlich war ihm dann in seinem Cubiculum aus Unachtsamkeit auch noch eine wichtige Papyrusrolle für den Wahlkampf auf eine Öllampe gekommen und hatte Feuer gefangen. Das und der darauf folgende Löschversuch mit einem Becher Wasser hatten sie ganz unbrauchbar gemacht. Mit einem grummligen Gefühl war er so also zu Bette gegangen und...verschlief natürlich. Als er dann endlich erwachte war es schon sehr spät.
    Caesoninus flog geradezu aus dem Bett und in seine Kleider und eilte dann zum Venustempel. Am Forum Iulium angekommen, sah er in der Ferne, dass schon eine Gestalt oben am Treppenabsatz stand. Das musste Norius Carbo sein. Caesoninus blieb einen Moment stehen, um wieder zu Atem zu kommen und seine Toga etwas zu richten, ehe er nun langsamerer Schritte folgend über den Platz ging, hin zu dem Peregrinus. Er stieg die Stufen hoch und als er nahe genug war hob er die Hand und rief: „Salve! Komm bitte hier rüber, folge mir!“ Und drehte sich anschließend wieder um, um die Tempelstufen wieder hinunterzugehen.

  • Während er wartete, vertrieb sich Carbo die Zeit damit sich ein wenig die Decke des Tempels, sowie weiterer architektonischer Details. Die Kasemattenkacheln waren überaus hübsch anzusehen. Carbo hatte in Folge seines geweckten Interesses ein wenig über diesen Tempel gelesen in den öffentlichen Bibliotheken. Er war angeblich vom römischen Diktator Gaius Iulius Caesar errichtet worden als Betonung und Zementierung der Behauptung der Herkunft seiner Familie von der Göttin Venus. Und insbesondere...


    Da wurde der Junge in seinen Gedanken plötzlich von einer Bewegung in seinem peripheren Blickfeld unterbrochen. Auch ein Ruf ertönte. Verwirrt grüßte Carbo zurück und ehe er noch den Mund geschlossen hatte, war der Blonde auch schon wieder verschwunden. Um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, setzte sich jetzt auch Carbo in Bewegung und kam in die Gänge. Er folgte Caesoninus wohin die Reise auch gehen mochte.

  • Nachdem er die Tempelstufen wieder hinabgestiegen war, wandte sich Caesoninus nach rechts und dann um die Ecke, sodass er an der rechten Längsseite am Fuße des Tempelsockels entlangging. Dort war nach einigen weiteren Schritten eine Tür ins Gemäuer eingelassen, die zu den Gewölben unter dem Tempel führten. „Wir werden heute hier arbeiten. Oben ist es für mein Befinden zu groß und zu ablenkungsreich, außerdem haben wir hier Sitzgelegenheiten, im Gegensatz zum Portikus, also außer der Tempelstufen natürlich“, tratschte er, während er nach dem Schlüssel für das Eisentor in seinen Kleidern herumfummelte.
    Ahja, hier haben wir den Schlingel ja.
    Caesoninus hatte einen riesigen, uralten Schlüssel hervorgezogen, denn er jetzt ins Schloss steckte und mehrmals unter garstigem Kreischen des rostigen Metalls herumdrehte.
    Bitte entschuldige diese Lärmbelästigung, dieses Tor wird von mir bis zu der nächsten Sitzung geölt
    Caesoninus führte Carbo ins Dunkel des Raumes hinein und machte sich gleich an das Entzünden von Kerzen als Lichtspender, während er an den Noriker gewandt erklärte: „Hier befinden sich die Lager- und Arbeitsräume von uns Tempelmitarbeitern. Setz dich doch! Also, beginnen wir mit unserem Hauptthema, was weißt du alles über das Opfer an sich und den römischen Opfervorgang?

  • Mit einem imaginären großen Fragezeichen über dem Kopf folgte Carbo dem Iulier also wieder die Tempelstufen hinunter. Wohin er ihn wohl bringen würde? Vielleicht zu sich nachhause? Wieso hatten sie sich dann überhaupt erst hier verabredet? Hm, vielleicht war das doch ein abwegiger Gedanke. Das Fragezeichen vergrößerte sich jedoch noch mehr, als Caesoninus nach dem unteren Treppenabsatz nicht weiter über den Platz des Forum Iuliums dessen Zugängen zustrebte, sondern sich scharf rechts wandte und anschließend um die Ecke des Tempels herumschritt. Hier befand sich augenscheinlich eine Sackgasse, gebildet vom Venustempel selbst und den äußeren Säulenumgängen des Forums. Was beim Tartarus wollten sie in dieser leeren Ecke?!!


    Doch die Aufklärung wallte umso stärker über seinem Haupt herab, als er erkannte, wohin die Reise wirklich ging. Nicht ein Ort abseits des Tempels war ihr Ziel, sondern die Kammern darunter! Das machte Sinn, also so wirklich. Gleich wieder fühlte sich Carbo viel ruhiger, jetzt wo er wusste wohin es ging. Neugierig betrat er das Innere der Gewölbe und sah sich um. So sahen also die Arbeitsräume der Tempelangestellten aus, die normalerweise der Öffentlichkeit verschlossen blieben, interessant. Wie aufgefordert setzte der Junge sich und bekam kurz darauf auch gleich die erste Frage bzw. Aufgabe gestellt. Kurz dachte er über die Frage nach. Ein Glück, dass er dem gestrigen Opfer am Venustempel beigewohnt hatte, so konnte er den Opfervorgang an sich einfach aus seiner Erinnerung her schildern: „Hm, also ich weiß, dass die Römer ihre Opfer aus den gleichen Gründen vollziehen, wie andere Völker des Erdkreises; um ihre Götter milde zu stimmen und ihre Gunst zu erflehen. Vom Opfervorgang selbst habe ich bislang beobachten können, dass zuerst alle beteiligten sich waschen müssen, dann gehen sie ins Tempelinnere. Dort machen sie vermutlich ähnliche Dinge wie ich damals, als ich für meine passende Liebe zuhause betete. Dann kommen alle heraus und jemand sagt man soll still sein. Dann wird das Opfertier mit dem Messer gestreichelt und umgebracht. Dann folgt die Eingeweideschau und das wars im großen und ganzen, oder?“ fragte Carbo unschuldig nach. Das war zumindest alles, an das er sich erinnern konnte.

  • Nachdem er sich dem Peregrinus gegenüber niedergelassen hatte, lauschte Caesoninus Carbos Worten. Bevor er groß mit praktischen und theoretischen Exkursen anfangen würde, wollte er sich zuerst einmal ein Bild von seinem Wissensstand machen. Caesoninus hatte keine Ahnung, ob das irgendwas nutzen würde, jedoch hielt er es für einen ganz vernünftigen Anfang. Immerhin befand er sich heute zum ersten Mal auf der anderen Seite des Lehrertisches. Bei all seinen Mentoren der jüngeren Vergangenheit, von Octavius Maro über Purgitius Macer bis zu Flavius Gracchus war er der Schüler gewesen.
    Heute jedoch würde Carbo diesen Platz einnehmen. Ob er sich als Lehrer machen würde? Nun, es gab nur einen Weg das herauszufinden.


    Soweit hörte sich alles gar nicht so falsch an, was der Noriker so von sich gab. Flapsig formuliert vielleicht hie und da, dafür jedoch richtig. So nickte Caesoninus ohne jedes Kommentar und stand anschließend wieder auf, um zu einem nahe gelegenen Schrank in der Ecke zu laufen, in dem er schon ein paar Dinge für heute vorsorglich deponiert hatte. Er kam mit den Sachen wieder zu ihrem Tisch zurück und breitete sie vor Carbo aus. Ein Weihrauchsteinchen, ein Tuch, ein Messer, eine Schale, eine Zwiebel, eine gefaltete Toga und eine Sandale.
    Kannst du bezogen auf das römische Opfer diese Dinge hier vor dir benennen und mir ihren Zweck in der Praxis erklären?

  • Mit allerhöchster Konzentration betrachtete Carbo die Gegenstände vor sich. Das eine oder das andere war ihm sofort klar, auch dank des eigenen kleinen Opfers, das er zusammen mit dem Aedituus durchgeführt hatte, aber was beim Zerberus hatte die Sandale da am Tisch verloren?!
    Auf die konnte er sich am wenigsten einen Reim machen. Auch andere Dinge wie das Tuch waren nicht ganz klar, wofür die gut sein könnten.


    Noch ein paar Mal die Gedanken durchlaufen gelassen, versuchte es Carbo dann einfach mal mit einem Tipp: „Der Weihrauch steht ganz sicher für die Anrufung von Ianus am Beginn eines Opfers, so wie wir das auch gemacht haben. Beim Tuch bin ich mir nicht ganz sicher, doch vermutlich wird damit irgendwas abgewischt, oder gereinigt, weil so ein Opfer ja sehr sauber vonstatten gehen muss.
    Das Messer war schon wieder leichter zu erraten. Kurze Sprechpause, dann: „Das Messer ist dazu da, um das Opfertier zu töten, die Schale, um das Blut darin aufzufangen, das habe ich auch beim gestrigen Opfer so gesehen. Die Zwiebel ist natürlich eine Opfergabe. Die Kleidung dann..hmm vielleicht sind das spezielle Sachen, die der Opferherr währenddessen tragen muss?


    Trotz dieser gesprochenen Worte, war sich Carbo sicher, dass er falsch lag, denn wenn er die Toga betrachtete, so wirkte sie wie eine ganz gewöhnliche Toga, ohne besondere Stickereien, oder dass sie aus außergewöhnlichem Stoff gemacht worden wäre.

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