Während wir hinaus gingen und die vage Wärme des Tages um mich zunahm, die man im Tempelinneren nicht so deutlich zu spüren hatte, sann ich seinen Worten nach, erstaunt zwar, aber wohl auch akzeptierend, wie er sich selbst betrachtete - denn eine solche Betrachtungsweise konnte man nur schwerlich überhaupt ändern.
"Warum solltest Du unwürdig sein? Du bist, wie ich Dich bisher einzuschätzen wage, ein ehrenhafter Mann, aus einer guten Familie, gesund, kräftig, und gut gewachsen - es gibt keinen Makel an Dir, der Dich vom Dienst an den Göttern zurückhalten könnte, zumindest will mir keiner auffallen. Letztendlich ist der Dienst als Priester eine Pflicht, in die man nach und nach hineinwächst, man beginnt nicht als allwissender Könner, sondern als Anfänger, und ich habe mich zu meiner Anfangszeit mit den öffentlichen Ritualen und Opfern mehr als schwergetan. Aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran, und lernt auch, mit den Opfernden besser zurecht zu kommen."
Ich war sehr versucht, ihm zu sagen, dass ich früher ausser viel Alkoholgenuss und noch mehr Frauen wenig Sinn in meinem Leben gehabt hatte, und dann durch den Dienst an Mars eine gewisse Richtung entdeckt hatte, der zu folgen sich lohnte - aber einerseits war ich der stillen Ansicht, dass ihn das wohl eher nicht interessieren würde, andererseits wollte ich auch nicht zuviel sagen, denn je mehr unpassende Dinge über mich bekannt waren, desto eher konnten sie mir irgendwann schaden.
"Dass ich mit Dir hier hinaus gegangen bin, um Opfergaben zu erwerben, sollte Dir eigentlich genug sagen - dass ich gerne bereit bin, Dir Zeit zu widmen. Letztendlich bist Du ein Verwandter meines besten Freundes, dessen Charakter ich zu schätzen gelernt habe, und wenn Dir ein Gespräch helfen kann, etwas genauer Dinge einzuschätzen, will ich Dir gern ein Zuhörer sein," erwiederte ich schließlich nach einigem Überlegen. Gab es bei den Aureliern niemand, dem er sich anvertrauen konnte? Zumindest Corvinus erschien mir immer wie jemand, der ein offenes Ohr für die Menschen hatte, die er zu schätzen wusste, aber vielleicht lag es auch Cotta nicht unbedingt, so viel über sich selbst zu sprechen - das würde herauszufinden sein.
Wir hatten einen meiner bevorzugten Stände erreicht, der nicht nur alle Waren führte, die man für ein Opfer brauchen konnte, sondern auch noch eine angemessene Qualität vorzuweisen hatte - zu allerdings nicht ganz geringen Preisen. Zumindest konnte man bei diesem Händler, einem sehr gewieften Gallier, sicher sein, dass man den Göttern am Ende keine verbackenen Kuhfladen oder ähnliche Geschmacklosigkeiten opferte. Jedenfalls war ich mir dessen recht sicher, eine wirkliche Sicherheit, ausser man probierte die Kekse und den Wein vorher, gab es nie.
"Der Weg zum cultus deorum ist zumindest keiner, der Dich davon abhalten kann, auch im cursus honorum Ämter zu bekleiden - mein Vetter Gracchus ist einst einfacher sacerdos publicus des Iuppiter gewesen, bis er den cursus honorum durchschritt und senator wurde - heute ist er rex sacrorum. Und ich habe ebenso vor, bei der nächsten Wahl zu kandidieren, um meinem Familienzweig Ehre zu machen, wie es ihm gebührt," führte ich den Gesprächsfaden weiter und blickte ihn aufmerksam an, wieder einmal sein Gesicht beobachtend. Eine gewisse Familienähnlichkeit gab es wohl zwischen Corvinus und ihm, doch glaubte ich bei Cotta einen unversöhnlicheren Willen zu entdecken, gepaart mit einem sensiblen Mund ... eine interessante Mischung, zweifelsohne.