[Forum Augustum] Templum Martis Ultoris

  • Obgleich Gracchus dies nie bewusst hatte vermieden, so war er doch sein Leben lang nie sonderlich eng mit Geld in Berührung gekommen - sofern er etwas kaufte, handelte und bezahlte er nie selbst, sondern überließ dies seinen Sklaven, die Verwaltung seines Vermögens und Besitzes war seit jeher einem Verwalter übertragen, dessen Arbeit er nie hatte zu revidieren gesucht und dies seit der Hochzeit seiner Gemahlin überlassen, und selbst in jenen Ämtern, in welchen er sich mit monetären Angelegenheiten hatte befassen müssen, hatte er diese Aufgaben an Scribae oder niedere Beamte delegiert. Er war es seit seiner Kindheit gewohnt, sich über Geld keine Gedanken machen zu müssen, denn es war stets zur Genüge vorhanden und vermehrte sich auf irgendeine Weise, von welcher er weder Kenntnis hatte, noch die ihn interessierte. Dreiundzwanzig Aurei waren darob für ihn nur eine diffuse Summe, die zweifelsohne groß war - indes sprachen sie immerhin von der Renovierung eines Tempels, so dass dies durchaus angemessen schien -, doch ob dies für die Arbeit ein guter Lohn war oder nicht, dies konnte Gracchus nicht beurteilen. Dennoch war er durchaus geneigt, sich ebenfalls für einen Bonus auszusprechen, denn die Liberalitas war beileibe eine Tugend, mit welcher der Cultus Deorum, respektive der römische Staat sich reichlich sollte schmücken, da schlussendlich das Imperium derzeit wenn auch nicht politisch, so doch pekuniär ohne Sorgen war - zumindest war Gracchus nichts Gegenteiliges bekannt.
    "Zweifelsohne können wir die Präzision der Arbeit mit gutem Gewissen vor dem Collegium her..vorheben"
    , bestätigte Gracchus darob Tiberius' Vorschlag mit einem sublimen Lächeln zu Iunia Axilla hin.

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  • Die Präzision vor dem Collegium hervorheben? Beinahe hätte Axilla einen freudigen, kleinen Hüpfer gemacht, als sie die Worte hörte. Aber die Sache hier war ernst und die beiden Pontifices würden sie wohl mehr als nur ein wenig schief anschauen, wenn sie hier vor Freude Pirouetten drehte. Allerdings ließ sich ein wirklich sehr offenes und warmes Lächeln beim besten Willen nicht unterdrücken, und auch nicht die Dankbarkeit in ihren Augen oder die Erleichterung in ihrer ganzen Haltung.
    “Das allein schon ist ein gewaltiger Lohn für mich. Ich werde dann gespannt warten, wie das Collegium befindet.“
    So freudig, wie sie dabei strahlte, konnte man das gar nicht spielen. Axilla fand das gerade einfach nur großartig.


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    Kephalos war da schon etwas praktischer, auch wenn ihm natürlich das Kompliment ebenfalls wie Öl runterging. Dennoch meinte er durchaus sachlich und nüchtern: “Ich glaube, dein Scriba ist auch mit der Begehung des Daches fertig. Dort kommt zumindest mein Helfer.“ Eventuelle Fragen zum Dach wollte Kephalos noch beantworten, ehe die allgemeine Aufbruchstimmung hier um sich griff und dann hinterher wegen dieses Versäumnisses Beschwerden kamen. Auch wenn das versprochene Lob kaum so klang, als kämen noch Beschwerden.

  • Tatsächlich kamen in diesem Moment Lukios, Sciurius und der Handwerker die Treppen des Tempels hinunter - ersterer schien nicht sonderlich glücklich bei dem Gedanken gewesen zu sein, einen Tempel zu erklettern. Als das Grüppchen ankam, fragte Durus dennoch, als wäre nichts gewesen:


    "Wurde das Dach ordentlich gedeckt? Oder konntet ihr irgendwelche Mängel entdecken?"


    "Nein, alles in Ordnung."


    erwiderte Lukios mit einem leicht säuerlichen Blick. Damit war die für Durus maßgebliche Meinung eingeholt. Dennoch wartete er ab, ob Sciurius etwas anderes zu bemerken hatte.

  • Der flavische Vilicus hatte dem nichts hinzuzufügen und nickte seinem Herrn nur affirmierend zu, welcher darob zufrieden und ein wenig scherzhaft anmerkte:
    "So kann es denn wohl wieder regnen in Rom, ohne dass wir ob dessen in Sorge müssten ver..fallen."
    Es war wohl weniger die Sorge um den Gott selbst, schlussendlich standen die göttlichen Prinzipien über solch profanen Angelegenheiten wie dem Wetter, als mehr um die in der cella des Tempels gelagerten Schätze und Kriegsbeute, welchen nicht einzig ein materieller Wert zu kam, sondern weit mehr noch ein ideologischer - beinahe wäre es wohl schon ein kleines prodigium, würden die Schilde, Schwerter und Lanzen aus den Kriegszügen der ruhmreichen, römischen Vergangenheit ob unliebsamen Eindringens von Regen beginnen zu rosten und zu verfallen. Einige abgelenkte Augenblicke sann Gracchus darüber nach, ob mit dem Beutepfand sich allfällig gar das Bewusstsein um die Vergangenheit und das daraus erwachsene nationale Ehrgefühl würde auflösen, ob Bündnisse und Solidaritäten würden bröckeln - oder ob es letztlich ohnehin niemanden würde interessieren, was im Tempel vor sich ging, da diese Schätze längst nurmehr Fragmente sentimentaler Erinnerung darstellten.

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  • "Wunderbar! Dann werden ich noch einmal mit dem Collegium konferieren und dir dann deinen Lohn zukommen lassen."


    erwiderte Durus, der gar nicht daran gedacht hatte, dass der Regen eine stetige Bedrohung für den Tempel gewesen war. Jetzt wo er darüber nachdachte, war es allerdings wirklich sehr gut gewesen, das Bauwerk vor Wintereinbruch zu renovieren, denn in dieser Jahreszeit war auch in Rom mit viel Wasser vom Himmel zu rechnen.


    "Vale!"


    fügte er dann hinzu und machte sich an der Seite von Flavius Gracchus davon.

  • Auch, wenn Axilla schon angenommen hatte, dass auch die Dachdecker ihre Arbeit vernünftig gemacht hatten – und sie auch gar nicht den Unterschied zwischen einem vernünftig gedeckten Dach und einem mangelhaft gedecktem erkennen würde, wenn letzteres nicht gerade faustgroße Löcher zwischen den Schindeln aufwies – sie freute sich dennoch und war erleichtert, als beide Scribae einhellig die Tadellosigkeit des Daches bestätigten. Und so lächelte sie auch sehr offen und ehrlich, als die beiden Pontifices sich verabschiedeten. “Valete bene!“ meinte sie zu den beiden Männern und blieb noch einen Moment stehen, während sie fortgingen. Erst, als sie von der Menge auf den Forum Augustum verschluckt worden waren, erlaubte sie sich, wirkliche Zeichen von Freude zu zeigen. Sie jauchzte einmal nur halb unterdrückt auf und drehte sich schnell auf einem Bein wie ein übermütiges Kind. Diese Besprechung war wirklich noch besser gelaufen, als sie zu hoffen gewagt hatte. Manchmal war das Leben einfach schön.

  • Der Termin mit dem Aedituus des Tempels war eher kurzfristig zustande gekommen. Allerdings hatte Axilla nicht großartig eine Wahl gehabt. Sie hatte noch so viele Dinge für ihr Essen mit Purgitius Macer zu erledigen, und dieses Opfer wollte sie zuvor erbringen. Da hatte sie dann doch mit dem Tempelverwalter reden müssen und ihm eine kleine Zuwendung zukommen lassen, damit er ihr die nötigen Helfer für ihr Opfer und ein passendes Opfertier vorbereitete.


    Seitdem der Tempel renoviert worden war, war Axilla nicht mehr hier gewesen. Kurz hatte sie sich auf dem Vorplatz die Pferdestatue angesehen, ob man etwas von dem ersetzten Ohr sehen konnte, aber bis auf einen ganz feinen, kleinen Riss konnte sie nichts erkennen. Auch die ersetzte Treppenstufe sah aus, als wäre sie schon immer genau da gewesen, vielleicht nur ein bisschen weniger ausgetreten als die anderen. Und auch das Dach sah von hier unten betrachtet gut aus, sofern sie das beurteilen konnte. Hoffentlich war Mars damit auch so zufrieden wie Axilla. Die Gewogenheit des Gottes konnte ihr nur nützlich sein.
    Sie trug ein einfaches, weißes Kleid, ihre Haare waren offen. Die Caligae ließ sie sich vor Betreten des Tempels von einem Sklaven ausziehen. Der Boden vor dem Tempel fühlte sich irgendwie kalt (und schmutzig) an.
    Axilla stieg die Stufen zum Tempel hinauf, wo der Aedituus schon auf sie wartete. Auch ein paar Opferhelfer standen bereit, Musiker mit Flöten, und natürlich der victimarius, auch wenn heute ein Kalb und kein ausgewachsenes Rind sterben sollte. Eine teure Gabe für den Gott, boten ausgewachsene Ochsen doch weit mehr Fleisch hinterher für die Opferherren, und das nach einem Leben der Arbeit als Zugtier. Vor allen dieser Tage, in denen doch so langsam das Ausbleiben der ägyptischen Waren bemerkbar wurden. Der Preis für Brot hatte sich schon fast verdoppelt, und auf den Märkten gab es zunehmend weniger zu kaufen. Weniger Seide, weniger Schmuck, weniger Sklaven, weniger alles. Nicht nur Nahrungsmittel. Vor allen die feinen Dinge aus dem Osten fehlte, auch Weihrauch war teurer geworden. Von Gewürzen und derlei ganz zu schweigen.
    Doch Axilla wollte lieber ein junges Tier opfern. Am nächsten Abend sollte Purgitius Macer nicht auf zähem Ochsenfleisch herumkauen, sondern auf zartem Kalb. Axilla hoffte, dass diese kleine, doch recht egoistische Überlegung den Gott dennoch nicht an ihr und ihren Absichten zweifeln ließ, denn auch sonst wollte sie sich großzügig zeigen.
    Nachdem sie ein paar Worte mit dem Aedituus gewechselt hatte und durch ein Kopfnicken auch angedeutet hatte, das sie bereit war, begann auch das Ritual. Ein Junge reichte ihr eine Schale mit Wasser, wo sie sich, auch wenn sie sich ausführlichst zuhause vor ihrem Aufbruch gewaschen hatte, noch einmal die Hände wusch. Danach hob sie die weiße Palla ihres Kleides über ihre losen Haare und betrat das innere des Tempels.


    Ein bisschen mulmig war ihr schon. Ihr Vater hatte Mars stets verehrt, zuhause hatten sie einen kleinen Schrein für ihn gehabt. Und bei den vielen Soldaten in der Gens war es auch nicht weiter verwunderlich, wenn viele Iunii den Gott des Krieges verehrten und ihm opferten. Dennoch starben die meisten iunischen Männer der letzten Generationen in den vielen Kriegen fürs Imperium. Man könnte meinen, Mars brächte ihnen kein Glück. Auch Axilla war sich nicht sicher, ob der Gott wohlwollend oder eher weniger auf ihre Gens und insbesondere sie schauen würde. Und eigentlich glaubte sie auch nicht daran, dass Götter mit all ihrer Macht wirklich etwas darauf gaben, was die Sterblichen sich wünschten. Ab er trotzdem stand sie nun im Tempelinneren, mit wild klopfendem Herzen, und blickte zum Kultbild des Gottes fast ängstlich auf. Hier war Mars Krieger, nicht Bauer. Der Körper hatte eine Rüstung angelegt, das bärtige Gesicht war von einem Helm umschlossen. Axilla wusste, dass dieser Tempel hier nach der Schlacht bei Philippi erbaut worden war, in der Marcus Iunius Brutus sich hatte töten lassen, als Dank Octavians an Mars, der ihm den Sieg über seine Feinde schenkte. War Mars vielleicht deshalb so hart zu den Iunii, dass er in den Kriegen des Imperiums sie in seinem Namen sterben ließ? Und würde ihr Opfer an diesem göttlichen Zorn etwas ändern?


    Eine ganze Weile musste sie wohl nur da gestanden haben mit ihren Gedanken und zum Kultbild in ängstlicher Demut aufgeschaut haben, ehe der Opferhelfer mit der Schale in seinen Händen wieder ins Hier und Jetzt zurückholte. Er hatte recht, sie ließ den Gott warten. Und Mars wurde nicht unbedingt als geduldig beschrieben.
    “Marspiter, Vater aller Krieger, Herr von Lanze und Schwert. Mein Name ist Iunia Axilla, Tochter von Atticus Iunius Cassiodor, der dich stets sehr verehrt hat. Auch war es mein Architekt, der diesen deinen Tempel vor einiger Zeit wieder gerichtet hat.“ Soweit zur Vorstellungsrunde. Axilla glaubte zwar nicht, dass sich Mars für irgendwas davon interessierte, aber vielleicht irrte sie sich ja und der Gott hatte sich tatsächlich irgendetwas davon gemerkt.
    “Großer Mars, ich bringe dir Weihrauch. Leider ist es nicht der gute aus Syria, den ich dir bringen wollte, und auch kein ägyptischer. Ich hab ihn bei einem jüdischen Händler gekauft, der geschworen hat, er käme aus Judäa, aber ich weiß es nicht.“ Der Weihrauch glimmte am Foculus auf und verbreitete seinen schweren Rauch mit dem intensiven Geruch, der die Sinne benebelte und damit den Göttern zugänglicher machte. Immerhin sprachen sie gern durch berauschte oder auch geisteskranke Personen in mystischen Worten.
    “Herr des Krieges, großer Rächer, Wender der Schlacht, ich bringe dir das beste Brot, das in der Stadt zu bekommen war, aus gutem und feinem Mehl.“ Das B rot wurde erst gen Kultbild von Axilla gehoben, damit Mars es sehen konnte, und dann auf den kleinen tragbaren Opfertisch gelegt.
    Schließlich kam noch das dritte der kleinen Geschenke. “Und auch, wenn es eine sehr bescheidene Gabe für einen Gott ist, der über alle Krieger und ihre Ausrüstung verfügen kann, bringe ich dir eine Lanzenspitze. Dies ist die Lanze, mit der das Haar bei meiner zweiten Hochzeit geteilt wurde. Man sagte mir, dass einst mein Ururgroßvater Lucius Iunius Ursus mit dieser Lanze einen Gallier getötet hatte, die damals unsere Feinde waren und über die zu siegen du Rom bestimmt hast. Ich hoffe, dass die Waffe, obwohl sie alt ist, deiner würdig ist.“
    Das Eisen der Waffe war durch die Zeit dem Rost anheimgefallen. Aber an das Blut, das angeblich durch sie einst vergossen worden war, erinnerte nichts mehr. Axilla fiel es schwer, sich davon zu trennen. Im Grunde gehörte die Lanze nicht ihr, sondern allen weiblichen Iuniae, denen vor ihr und denen nach ihr, auf dass sie ihr Haar damit für ihre Hochzeit flechten lassen würden. Es war etwas wichtiges. Etwas wirklich wertvolles. Nicht vom Materialwert her, aber von der Symbolkraft. Aber Axilla musste irgendwie die Aufmerksamkeit des Gottes erregen, und sie glaubte nicht, dass sie das mit Weihrauch ungewisser Herkunft und Brot schaffen würde. Mars ist Krieger. Was interessiert ihn da Klimperkram und Kuchen? hatte ihr Vater ihr mehr als einmal gesagt, wenn sie ihn als Kind gefragt hatte, warum die anderen Götter Schmuck und schöne Steine von ihm bekamen, Mars aber häufiger Waffen, oder die Zahl an Feinden, die in seinem Namen getötet worden waren. Und Axilla glaubte ihm.


    Nur zögerlich trennten sich ihre Finger von dem Stück Eisen, als sie es auf den Opfertisch legte, und einen Moment lang hatte sie keine Sprache, um ihre Bitte hervorzubringen.
    “Oh Marspiter, dem meine Familie schon so lange dient, und dem sie auch jetzt dient. Ich weiß, dass dich viele Gebete dieser Tage erreichen, die um den Sieg bitten, um Geschick in der Schlacht, um Ruhm und Ehre für die eigene Familie. Ich weiß, dass du nicht allen Gebeten folgen kannst, und ich weiß, dass meine Geschenke an dich bescheiden sind, verglichen mit der Masse und dem Reichtum an Gaben, die dich erreichen. Du weißt bestimmt, dass ein Bürgerkrieg bevorsteht. Vescularius hat ihn bereits gefordert. Und doch ist keine Ehre in so einem Krieg. Der heilige Speer wird nicht in Feindesland gestoßen werden, um den Krieg anzukündigen, und doch werden die Tore des Tempels deines göttlichen Bruder Ianus geschlossen werden. Römer werden Römerblut vergießen, und auch in deinem Namen.
    Ich bitte dich nicht um Ruhm und Ehre. Ich finde es weder ruhmreich noch ehrenvoll, wenn ein Römer einen anderen erschlägt, und es ist deiner unwürdig, wenn dir das Blut und der Schmerz von römischen Familien geopfert wird.
    Mars, du kennst die Herzen der Männer, die Herzen der Krieger. Ich weiß nicht, ob du die Herzen der Frauen auch kennst, die zurückbleiben und weinen. Ich denke nicht, und ich will dich auch mit Tränen nicht erweichen versuchen. Aber ich bitte dich dennoch, weil ich ein solches Frauenherz doch in mir fühle, so sehr ich auch stark und tapfer sein will: Bitte, beschütze meine Verwandten. Beschütze meinen Vetter Aulus Iunius Seneca, der hier Prätorianer ist. Wache mit dem blanken Schwert über ihn, damit ihm kein Unheil geschieht. Gib seinem Arm die Kraft, die er benötigt, um sein Schwert stark zu führen, und lass seinen Schild nicht brechen.
    Und beschützte meinen Vetter Titus Iunius Priscus, der in Mantua in der ersten Legion dient. Gib ihm die Kraft, die er benötigen wird, wenn sie gegen Rom ziehen. Gib ihm die Tapferkeit, nicht zu zögern oder zu wanken.
    Mamars, ich bitte dich nicht um einen Sieg, nicht um Ruhm und Ehre. Ich bitte dich nur darum, dass du beide lebend nach Rom zurückkehren lässt, lebend und unverletzt zu mir zurückkehren lässt. Bewache sie im Gewirr der Schlacht, schütze ihre Seite, wenn du es vermagst und es dir gefällt, und lass sie beide lebend nach Hause kommen.
    Ich habe draußen für dich ein Kalb, ein schönes Tier, dass dir zu Ehren sein Leben verlieren soll. Nimm das Leben des Bullkalbes, und verschone die Leben meiner Vettern. Do, ut des.“

    Axilla wartete noch einen Augenblick, während sie mit bangem Herzen in das unbewegliche Gesicht der Marmorstatue schaute, ehe sie sich nach rechts abwandte, um nach draußen zu gehen.


    Hier stand schon alles für den blutigen Teil bereit. Das Kalb stand ruhig da. Sein rotes Fell war fein gebürstet worden, bis es glänzte. Die Hufe waren vergoldet, Hörner hatte es noch keine. Eine dorsula lag breit auf seinem Rücken, um die Stirn waren weiße und dunkelrote, lange Bänder gewickelt, um es zu schmücken.
    Noch einmal wurde Axilla mit Wasser besprengt, ebenso wie jeder, der am Tempel gerade vorbeikam. Die Flötenspieler fingen an, zu spielen, während ein Mann vortrat, und alle Anwesenden mit einem “FAVETE LINGIUS!“ zum Schweigen aufforderte. Axilla zuckte leicht zusammen, als der Mann brüllte. Sie schritt auf das mit Seilen festgebundene Kalb langsam und bedächtig zu. Mola salsa wurde ihr gereicht, und sie goss etwas davon über den Kopf des Tieres, um es dem Gott zu weihen. Die Bänder und die Decke wurden dem Tier abgenommen, das noch immer ruhig stand. Es zitterte nur ein klein wenig. Dann erhielt Axilla das Opfermesser, und langsam schritt sie vom Kopf zum Hintern des Tieres, das Messer knapp über dem rötlichen Fell, und entkleidete es so rituell. Danach gab sie das Messer an den Opferstecher.
    “Agone? fragte der victimarius mit tiefer Stimme. Axilla mühte sich, einigermaßen fest zu klingen, als sie ein “Age!“ befahl. Der cultrarius stach tief in die Kehle des Kälbchens, dessen gurgelnde Geräusche im Klang der Flöten untergingen. Kaum einen Augenblick später traf der schwere Opferhammer auf den Kopf des Tieres, woraufhin es wie ein nasser Sack in sich zusammenbrach und mächtig blutete.
    Axilla stand da und beobachtete das Blut. Sie hoffte, dass es dem Kriegsgott gefallen würde, und er mehr Lust auf das Blut von Kälbern hatte als auf das von Männern. Sie bemühte sich, nicht selbst so zu zittern wie das Kälbchen noch wenige Momente zuvor, und fühlte sich auch ein wenig wie ein Tier, das auf den Opferhammer wartete, während sie auf das Urteil des Priesters wartete, der die vom victimarius hervorgeholte Leber begutachtete.

  • Weiblicher Besuch war in den Tempeln das Mars beileibe keine Seltenheit, aber immerhin selten genug, um die Aufmerksamkeit des Kriegsgottes etwas zügiger auf sich zu ziehen, als das bei männlichen Bittstellern der Fall war. Die Auswahl der Opfergaben fesselte die Aufmerksamkeit des Gottes dann noch weiter, denn längst nicht jeder brachte gleich eine altehrwürdige Lanzenspitze dar - und noch seltener taten dies Frauen. Ihr Anliegen war dann allerdings eines, das er schon oft von vielen Frauen gehört hatte und das Frauen wohl einfach so zueigen war. Selbst Venus hatte ihn schon vor dem Aufbruch zu der einen oder anderen Schlacht gebeten, vorsichtig zu sein und auf sich aufzupassen - dabei kämpfte er als Kriegsgott nicht einmal physisch mit! Es gehörte wohl einfach dazu, dass Frauen sich Sorgen machten, wenn die Männer Krieg spielen gingen. Wäre Mars in menschlicher Gestalt anwesend gewesen, wäre er wohl versucht gewesen, der Frau einen leichten Klaps auf den Hintern zu geben, ihr die Lanzenspitze wieder in die Hand zu drücken und ihr zu raten, so ein edles Ding nicht für so einen normalen Wunsch zu verschwenden. War er aber nicht und deshalb stand er jetzt wohl in der Pflicht, besonders gut auf die beiden Jungs aufzupassen. Dass der eine bei der Garde war und der andere in Mantua, machte die Sache nicht einfacher, aber auch nicht unmöglich. Während das Kalb sein Leben aushauchte, legte sich der Kriegsgott einen Plan zurecht. Nur für die Leber kam ihm keine kreative Idee, aber da vertraute er auf die Hilfe des Priesters, der der Frau sicher gerne frohe Nachrichten überbrachte.

  • Es dauerte einen für die Opferherrin unendlich langen Moment, bis der Priester mit seiner Leberschau endlich fertig war und mit lauter Stimme ein “LITATIO“ verkündete. Einen Moment lang fühlte sie sich wie Atlas, der dem Hercules das Weltgewölbe auf die Schultern laden konnte für einen Moment und so die Last der Welt, die seit Äonen auf eben jenen Schultern gelastet hatte, für einen kurzen Augenblick abschütteln konnte. Es war ein herrlich befreiendes Gefühl.
    Der Priester kam auch zu der deutlich erleichterten Axilla, um ihr das Urteil der Götter etwas näher zu erläutern. “Iunia, auf der Leber fanden sich keinerlei Makel. Der Gott ist zufrieden mit deiner Gabe.“
    Ab da konnte Axilla ein erleichtertes Lächeln nicht mehr zurückhalten und musste sogar etwas an sich halten, nicht ein wenig loszulachen. Ein sehr erhabenes Gefühl machte sich breit. Danke, Mars... sandte sie in Gedanken zu dem Gott und hoffte, dass es wirklich etwas zu bedeuten hatte. Immerhin hatte Aesculapius auch alle Opfer angenommen und dennoch war ihre Mutter gestorben. Und die Opfer ihres Vaters waren auch angenommen worden, und dennoch war er getötet worden. Aber für den Moment waren die Zweifel sehr fern und die Freude und Erleichterung so groß, dass Axilla gern glauben wollte, dass Mars auf ihre Verwandten aufpassen wollte
    “Ich danke dir. Und natürlich Mars für seinen Segen“, versuchte sie, möglichst erhaben zu antworten, doch bei dem beständigen Grinsen war das wohl ein eher vergebliches Unterfangen.
    Der Priester ließ ihre Freude aber gelassen über sich ergehen. Axilla meinte sogar, kurz so etwas wie ein Schmunzeln bei ihm zu entdecken. “Welche Wünsche hegst du bezüglich des Tieres?“ fuhr er also ungerührt im Protokoll fort. Immerhin gehörte das Opfertier abzüglich den für Mars bestimmten Organen ihr, und so konnte sie darüber auch bestimmen. Immerhin hatte sie es auch bezahlt.
    “Oh, äh, ja. Der victimarius soll mir bitte die Lendenstücke heraustrennen und mitgeben. Der Rest möge bitte unter den ärmsten der Passanten und Bittsteller gleichmäßig aufgeteilt werden im Namen der Gens Iunia. Das Fell möchte ich gerne dem Tempel überlassen, so er Verwendung für das Leder hat.“ In Zeiten wie diesen konnte etwas Fleisch oder auch ein paar Knochen für Suppe bei vielen Menschen sicher viel Gutes bewirken. Vor allem, wenn Getreide langsam knapp wurde und der Brotpreis weiter anstieg. In der Not aß man eben Fleisch auch ganz ohne Brot.
    Der Priester nickte. “Dann soll es so geschehen.“


    Axilla wartete noch, bis der Schlachter mit seiner Arbeit so weit fertig war und ihrem Sklaven in einem einfachen Tuch die noch blutigen Stücke Fleisch gab, die Axilla am nächsten Tag ihrem Gast zu servieren gedachte. Sie wartete aber nicht auf die Verteilung an die Armen. Da vertraute sie dem Tempel, dass diese das schon nach ihrem Willen vollbringen würden. Außerdem war noch viel vorzubereiten.

  • Titus Aemilius betritt den Tempel des Mars und begibt sich zum Altar. Er ist in eine einfache Sandfarbene Tunika und eine toga virilis gekleidet. Über der Schulter trägt er eine Ledertasche unter seinem Arm befindet sich ein schwarz-roter Hahn, ein prächtiges Exemplar mit glänzendem Federschmuck, um seinen Schnabel und die Beine sind Lederbänder gebunden. Vor dem Alter leght er die Tasche ab, den Hahn daneben und zieht sich eine Falte der Toga über den Kopf
    Er neigt sein Haupt, hebt die Arme und spricht


    „Vater Mars, dich bitte ich flehentlich, dass du wohlwollend und geneigt seiest, mir, meinem Hause und dem Imperator, gesegnet sei auch er, Kraft verleihst,mir in meiner Zeit in der Legion Ruhm und Ehre gewährst und meine Hand führst im Kampf gegen die Feinde des Imperators“


    Anschließend bestreicht Titus die Stirn des Hahn`s mit Salzlake, der Getreideschrot beigefügt ist und streicht mit seinem Pugio vom Nacken über den Rücken bis zum Schwanz des Tieres. Das Tier legt er auf den Altar und erhebt nochmals seine Hände gen Himmel


    Exaudi me Mars !


    Dann schlägt er dem Opfer den Kopf mit einem gezielten Hieb ab und übergibt das gesamte Opfer den Flammen, er reinigt mit einem Tuch seine Hände, legt sich die Toga wieder um die Schultern, nimmt seine Sachen und verlässt den Tempel mit einem wissenden Lächeln

  • Der Krieg war vorbei, und er hatte überlebt. Von ein paar Kratzern und dem Einbüßen allen nur erdenklichen Komforts – er mochte sagen, jedes menschlichen – abgesehen, hatte er die letzten Jahre unbeschadet überstanden. Von daher galt es ein paar Versprechen einzulösen. Eines hatte er bereits in Auftrag gegeben: Einen Stein zu Ehren von Silvanus im Wald Richtung Norden.
    Aber er hatte noch ein weiteres Versprechen gegeben, und das war schon fast mehr Vergnügen denn Pflicht, dieses auch zu erfüllen. Am frühen Morgen, kurz nachdem die Rituale für Ianus vollendet waren, fand er sich auch wie mit dem Tempelwächter besprochen am noch relativ neu renovierten Tempel des Mars Ultor an. Auch wenn es noch früh war, waren die Straßen schon recht voll, immerhin wollten die meisten Leute am Morgen ihren Geschäften nachgehen, um den wesentlich wärmeren Nachmittag frei zu haben, um vor dem aufkeimenden Gestank der Stadt zu fliehen. Je früher am Tag es war, umso aushaltbarer war es. Aber dank einiger Leibwächter aus seiner Gefolgschaft und nicht zuletzt dem geschmückten Pferd, das er am langen Zügel hinter sich hertrotten ließ, gepaart mit dem breiten Purpurstreifen eines Senators und roten Schuhen mit Halbmond, war ein anstoßfreies Durchkommen doch möglich.


    Das braune, zottige Tier trottete tumb und anteilslos wie immer hinterher. Trotz allen Striegelns hatte keiner es vermocht, dem Fell einen Glanz zu geben, und auch die roten und weißen Bänder, die ihn Mähne und Schweif eingeflochten waren, ließen es nicht unbedingt stattlicher wirken. Sextus hatte es höchstselbst am Vorabend noch mit einer nicht zu unterschätzenden Menge an Hanf und makedonischem Kraut gefüttert, so dass es noch etwas lethargischer in die gegend schaute als ohnehin schon. Aber Sextus hatte keine Lust darauf, von ihm zum Abschluss doch noch einmal gebissen, getreten oder sonstwie vorgeführt zu werden. Da war es ein kleiner Preis, das Vieh dafür zuvor unter Drogen zu setzen.
    Am Tempel angekommen drückte er den Zügel einem seiner Helfer in die Hand, damit er es an geeigneter Stelle festbinden konnte. Er selbst reinigte sich nochmalig die Hände und zog sich anschließend rituell eine Falte seiner für diesen Zweck großzügig gefalteten Toga über den Kopf, als er ins Innere des Tempels zum Voropfer schritt. Der kleine, tragbare Altar war in der Nähe des Kultbildes aufgestellt worden. Auch wenn es hier die Statue des höchst römischen Mars als älterer Mann mit Bart war, Sextus richtete sein Gebet doch in der Sprache seiner Mutter – also etruskisch – an den Gott, und auch mit dessen etruskischen Namen. Außerdem konnte Sextus viel freimütiger und lauter hier herinnen beten, wenn ihn ohnehin keiner verstand. Draußen würde das natürlich anders aussehen, da galt es auch das versammelte Volk zu unterhalten, da sollte man in einer Sprache reden, die sie zumindest theoretisch zu verstehen imstande sein sollten.
    “Laran, Herr des Krieges! Großer Führer aller Krieger, Lenker des Geschicks in der Schlacht! Ich danke dir für deinen Beistand und deine Führung. Ich danke dir für die Fügung der Schlacht bei Vicetia, für unseren Sieg. Auch wenn er teuer mit dem Blut deiner Söhne auf beiden Seiten erkauft war und deine Erde getränkt hat, hast du in deiner Weisheit mich, Sextus Aurelius Lupus, siegen lassen und wieder heimkehren lassen, auf dass ich Lanze, Schwert und Schild wieder gegen die Toga eines Senatoren tauschen kann.
    Vor der Schlacht, noch bei Überquerung der Alpen, habe ich dir gelobt, meinen Dank durch ein Opfer zu zeigen, so du mich siegend nach Rom zurückkehren lässt. Heute, Laran, bin ich hier, um mein Gelübde einzulösen.


    Hierfür bringe ich dir Weihrauch, den letzten meines Hauses, noch aus Syrien. Es ist nicht allzu viel, aber auf den Märkten ist nach der langen Zeit des Krieges nichts dir angemessenes zu bekommen.


    Ich bringe dir Gebäck aus dem Getreide, dass du ebenfalls der Erde schenkst. Noch vor Sonnenaufgang wurde er in meinem Haus gebacken.


    Und ich bringe dir den besten Wein meines Hauses.“


    Zwischen jeder Gabe war eine kleine Pause, während besagte Gabe auf den glühenden Kohlen der focale verbrannten und qualmten oder zischten.


    “Ich danke dir, großer Laran, für deine göttliche Gunst. Votum solvi lubens merito
    Sextus beendete das Voropfer mit der klassischen Drehung nach rechts und verließ dann den Tempel, um sich nach draußen zu begeben.


    Das Pferd war inzwischen angebunden an den großen Eisenring vor dem Tempel. Sein Hals war nach unten gebeugt und es stand so ganz ruhig und teilnahmslos wie eine der Statuen auf dem Platz. Dem ganzen Trubel um sich herum schenkte es keine Beachtung. Nur ab und an schlug der mit den vittae umwickelte Schwanz nach einer der im Sommer in der Stadt unablässigen Fliegen.
    Sextus baute sich vor dem Tier auf und ließ sich einen Krug mit Mola Salsa anreichen, welche er langsam erst über den Kopf, dann in der weiteren Bewegung über Hals und Rücken des Tieres laufen ließ (was dieses nur zu einem müden Schnaufen veranlasste, das nicht einmal als Wiehern durchgehen mochte).
    “Mamars, ich weihe dir dieses Pferd, das mich durch den Krieg getragen hat. Es hat mich von Mantua nach Mogontiacum gebracht, und wieder zurück über die Alpen nach Vicetia zur Schlacht, und schließlich nach Rom. Es hat mich elf mal getreten – wovon es einmal, und ich behaupte mit Absicht, längere Zeit auf meinem Fuß stehen geblieben ist, bis schließlich ganze drei Legionäre es dazu bewegten, von dort hinunterzugehen. Außerdem hat es mich unzählige Male angerempelt, durchgeschüttelt und nach mit geschnappt. Vier Mal hat es mich gebissen. Und schließlich und endlich hat es mich zwei Mal abgeworfen, davon einmal während der Schlacht. Es ist das bockigste, miefendste, unrespräsentabelste und übellaunigste Ding, das ich kennengelernt habe, und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich es aus tiefster Seele hasse. Also weihe ich es dir, wie ein Mann dir das Blut seines Feindes weiht, als kriegserfahrenes Wesen und erfahrenen Kämpfer.“ Und es war ihm noch nicht einmal besonders wichtig, ob Mars das Opfer so annahm. Die folgende Genugtuung war da eigentlich schon Belohnung genug. Auch wenn Mars wohl keinen Grund hatte, das Tier abzulehnen, immerhin war es trotz allem sehr wertvoll, wenngleich ungewöhnlich. Mit dem Opfermesser schritt Sextus das Tier noch einmal ab, um es seinem Schicksal endgültig zu weihen.
    “Rächender Mars, nimm dies zum Dank!“
    Die Möglichkeit, das Tier höchstselbst über den Styx zu befördern, hatte sich Sextus nicht nehmen lassen. So griff er nicht auf einen Schlachter zurück, lediglich ein Opferstecher würde hinzukommen. Er selbst aber griff den großen Opferhammer, sag dem Pferd noch einmal in die stumpfsinnigen, braunen Augen – und schlug dann zielgerichtet auf die Stirn. Ein markerschütterndes Wiehern war das letzte, das das Tier in seinem Leben von sich gab, während ihm im Zusammenbrechen von einem jungen Burschen noch der Hals aufgestochen wurde, dass das Blut nur so spritzte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich am ganzen Leib kein Muskel mehr rührte.


    Das Aufschneiden überließ Sextus allerdings dann wieder den Opferhelfern, da es eine höchst blutige Angelegenheit war. Nicht, dass Sextus jetzt noch sauber wäre. Vom Umgang mit dem Hammer und der Menge an Blut beim Durchschneiden der Kehle war seine einstmals weiße Toga nun doch mit deutlichen, roten Spritzern durchwirkt, und wenn er sich nicht täuschte, klebte an seiner Wange ebenfalls etwas Blut. Dennoch überließ er das nur zu gerne den Opferhelfern, die sich auch sogleich daran machten, die dem Gott geweihten Teile des Opfertieres zum Kochen und Verbrennen fortzubringen. Außer der Leber, die Sextus sich zur Untersuchung auf einer Patera anreichen ließ.

  • Der leitende Aedituus des Mars Ultor-Tempels und Lepidus kannten sich inzwischen schon recht gut. Sie schauten öfter Mal beieinander vorbei, tauschten sich über Opferungen aus oder philosophierten über die Götter. Im Gegensatz zu den anderen Mars-Wächtern, die ja ebenfalls noch ihre Heiligtümer in Rom hatten, war Lepidus dieser am liebsten. Er hatte soetwas grimmiges an sich, ohne jedoch unfreundlich zu wirken. Meistens kam auch noch der Tempelwächter des einzigen Quirinus-Tempels dazu, so waren sie dann die Aeditui der älteren Trias, quasi die "aeditui-maiores".


    Wenn es mal dazu kam, dass ein reicherer Mann oder gar ein Senator ein größeres Opfer anberaumte, tauschten sie sich natürlich gerne aus und so wie es die eigene Zeit und Arbeit zuließ, konnten sie dann auch mal gegenseitig zu einem Opferprozess besuchen. Ein Pferdeopfer hatte der Tiberier jedenfalls schon lange nicht mehr gesehen. Schön war es natürlich, wenn man mal dem Pferdeopfer zu den Equus October beiwohnen konnte. Da nur ein Siegerpferd geopfert wurde, gab es da ja durchaus Parallelen zur heutigen Opferung. Immerhin war es wohl das Pferd eines siegreichen Tribuns, der aus dem Bürgerkrieg zurückkam. Einerseits konnte man wohl sagen: Als potenzielles Opfertier sollte man besser nicht erfolgreich sein. Andererseits gab es wohl keine größere Belohnung, als einem Gott dargebracht zu werden.


    Dann erfuhren die versammelten Schaulustigen dann tatsächlich auch gemeinsam mit Mars all die Strecken und Wege, die dieses Tier zurückgelegt hatte, gleichsam aber auch das enorme Spannungsverhältnis, welches zwischen ihm und seinem Reiter bestand. Ja, dafür hatte es sich wohl bereits gelohnt herzukommen, denn im Gegensatz zu den sonst etwas langweiligen Gottesanrufungen, war das hier gleichsam originell und auch irgendwie verstörend.


    Tja, und dann hatte der Senator auch gar kein Erbarmen und senkte selbst den Hammer nieder. Auch etwas, was Lepidus seit langem nicht mehr gesehen hatte. Wer so eine innige Beziehung zu seinem Pferde hatte, der musste das wohl selbst erledigen. Womöglich hat sich der Mann schon während er gebissen und getreten wurde, tausendfach vorgestellt, wie er einen solchen Hammer niedersenken lassen würde. Nun hatte er es endlich geschafft. Gerade einem wie Mars sollte das tatsächlich zusagen, während das gemeine Volk wahrscheinlich im innersten immer mal wieder eine Träne vergoss über das Pferd; nicht unbedingt aus Mitleid, sondern weil sie sich etwas so kostbares und edles wie ein Pferd niemals leisten und schon gar nicht opfern konnten.


    In jedem Fall war das alles hochinteressant. Unabhängig davon wie das Opfer angenommen werden würde, wusste Lepidus bereits jetzt, dass er im Anschluss wieder einiges an Gesprächsstoff mit seinem guten Aedituus-Kollegen haben würde.

  • Nicht nur für die Zuschauer, sondern auch für den Kriegsgott war dies zweifellos eines der kuriosesten und unterhaltsamsten Opfer, dass es in den letzten Monaten wenn nicht sogar Jahren zu bestaunen gab. Ein Haruspex, der als Tribun in der Schlacht gedient hatte, opferte zum Abschluss des Krieges ein Pferd, das er nicht leiden konnte - auf so etwas musste man erst einmal kommen! Und tatsächlich wurde Mars im Voropfer als Kriegsgott angesprochen um ein Gelübte zu erfüllen, im Hauptopfer jedoch als Rächer! Bei den Worten des Opferherrs musste er wirklich grinsen, was freilich niemand von den Menschen mitbekommen konnte. Die bemerkten nur, dass sich die Leber des Pferdes unglaublich zufrieden anfühlte. Ja, zufrieden! Dieses Tier mochte bockig, miefig, unrepräsentable und übellaunig gewesen sein, aber seine Leber war schlicht und einfach zufrieden.

  • Auch wenn Sextus nicht gewusst hatte, dass sich ein Organ, insbesondere das eines Pferdes, zufrieden anfühlen konnte, und es auch nicht so selbst umschrieben würde, als er das Organ überprüfte – er war zufrieden. Er entdeckte keinen Makel, der darauf hingedeutet hätte, dass das Opfer nicht angenommen worden wäre. Ein Glück, für die Wiederholung desselben hätte er nicht das passende Utensil parat gehabt, da kein anderes Wesen auf dieser Welt derartige Gefühle in ihm wachgerufen hatte.


    Für die hungernde und wartende Menge dort unten aber, galt es noch, die Annahme des Opfers durch ein “Litatio“ zu verkünden und anschließend sich noch mit dem Aedituus des Tempels kurz zu unterhalten, während er sich nebenzu mit einem Tuch das Blut von Gesicht und Händen wischte. Für sein Heim beanspruchte er von diesem Pferd lediglich die Filetstücke – wenngleich die auch nicht unbedingt die zartesten sein würden angesichts der Strapazen, die das Tier durchlebt hatte. Den ganzen Rest des ansehnlichen Fleischberges bat er, auszukochen, die Suppe an sämtliche bedürftigen zu verteilen und die Fleischstücke an alle Mütter, die kommen würden und in dem Bürgerkrieg einen Verwandten verloren hatten, unabhängig davon, auf welcher Seite der gekämpft hatte. Denn ja, als Patrizier hatte man natürlich Sorge zu tragen, auch wenn Sextus dies allein aus Prestigegründen tat und nicht aus tatsächlicher Überzeugung einer bestehenden Notwendigkeit heraus.


    Danach überließ er die Tempeldiener ihrer Arbeit und stieg langsam die Stufen des Tempels wieder hinab.

  • Mars hatte offenbar gefallen gefunden. Wem, wenn nicht ihm, sollte diese Art von Opfer zusagen? Ganz sicher konnte man sich dabei aber natürlich nicht sein, weshab die Anwesenden nach der befreienden Litatio gierten. Sicherlich nicht nur, um Mars guten Willen zu erfahren, sondern vielleicht auch eher um sobald wie möglich etwas vom Fleisch dieses doch recht besonderen Tieres zu erhalten.


    Direkt nachdem die Litatio erfolgte, verabschiedete er sich kurz von seinem Aedituus-Freund, der nun noch mit dem Opferherr zu sprechen hatten und danach sicherlich noch einiges nachbereiten musste. Derweil wartete Lepidus an den Stufen des Tempels, unterhielt sich noch mit ein paar Bürgern, die während der Opferung neben ihm standen. Gelegenheit zu Gesprächen bot dieses etwas andere Opfer ja ohnehin. Erst als er dann den Opferherr persönlich die Treppenstufen heruntersteigen sah, verabschiedete sich der Tiberier von den netten Leuten und schritt auf den Aurelier zu, um die Gelegenheit zu nutzen: "Salve, Senator Aurelius, hättest du vielleicht noch einen Augenblick Zeit?" Und damit er sich wenigstens gleich entscheiden konnte, ob er Zeit aufbringen konnte oder nicht, stellte er sich gleich vor. Der Senator war Lepidus schließlich schon bekannt, was man umgekehrt wohl kaum sagen konnte "Meine Name ist Lucius Tiberius Lepidus und ich würde mich freuen, wenn wir uns kurz unterhalten könnten." Außerdem würde sich wohl gleich zeigen, ob das nomen gentile seines ehemaligen Patrons ihm noch etwas bedeutete.

  • Das Blut fing in den Nagelbetten an, leicht zu verkrusten. Vermutlich wäre es das beste, gleich einen Thermenbesuch anzuschließen, obgleich der Nachmittag noch nicht einmal ansatzweise erreicht war und er damit im Bad wohl reichlich allein. Der Vormittag war für die Geschäfte da, der Nachmittag zum Vergnügen. So gesehen hätte er das Opfer vielleicht doch auch nachmittags durchführen können, denn dies hatte eindeutig zu den vergnüglicheren Teilen von Sextus' Versprechungen gehört. Wobei noch ein paar Dinge auf seiner Liste standen, die sicher ein gewissen Befriedigungspotential bargen.
    So aber überlegte er, ob eine leere Therme nicht dennoch blutigen Fingernägeln vorzuziehen sei, als er angesprochen wurde von einem Unbekannten, der sich als Tiberier vorstellte. Sextus kannte den Mann nicht, allerdings musste das nichts heißen. Zum einen hatte er sicherlich nicht alle Tiberii kennen gelernt, und zum anderen waren auch viele nach der Sache mit Tiberius Durus in den Provinzen verschwunden gewesen und wohl auch erst nun, nach dem Tod des Vescularius, nach Rom zurückgekehrt, um den Schaden an der Villa und dem vermögen zu begutachten. Ein ganz kurzer Blick auf das Schuhwerk seines Gesprächspartners bestätigte auch, dass er einem Patrizier gegenüber stand, und somit vermutlich tatsächlich einem Verwandten und zumindest einem standesgemäß ansprechenden Gesprächspartner.
    “Selbstverständlich, Tiberius. Ich nehme an, dass wir immerhin verschwägert sind.“ Von Aurelia Floras Tod wusste Sextus zu diesem Zeitpunkt noch nichts, immerhin kamen aus Mantua sehr zu seinem Verdruss keine Nachrichten. Aber nach seinen Schätzungen müsste sie inzwischen das Kind von Tiberius Durus zur Welt gebracht haben. Womit die Verbindung zwischen Aureliern und Tiberiern bis auf weiteres zementiert wäre. Außerdem hegte er ja noch die Hoffnung, dass sein Vetter Ursus seinem Vorschlag folgen würde und Prisca endlich wieder unter die Haube bringen würde, nachdem ihre Trauerzeit nun schon weit mehr als das übliche Jahr betragen hatte. Und wenn alles so lief, wie er sich das vorstellte, würde der Ehemann auch den Namen Tiberius tragen.
    “Also sprich, was kann ich für dich tun?“

  • Wenn Lepidus von seiner direkten Verwandtschaft absah, war dies tatsächlich das erste Mal, dass er tatsächlich wieder einmal Kontakt mit einem Standesgenossen hatte. Viele waren einfach abgetaucht, wurden aus dem Weg geräumt oder flohen. Umso verrückter war es, dass Lepidus selbst den entgegengesetzten Weg ging und direkt in die Höhle des Löwen marschierte, obwohl er auch auf das Ende des Krieges in Griechenland hätte warten können. "Höchstwahrscheinlich", antwortete er nur auf das vermutete Verschwägertsein, auch wenn er eine bestimmte Linie der Verschwägerung sicher nicht im Kopf hatte, so war es natürlich dennoch naheliegend und vor allem auch Vorteilhaft selbiges zu behaupten. "Nun, ich bin der Cousin des Consulars Tiberius Durus und ich habe nach seinem Tod seinen Besitz verwaltet - zumindest das, was die Schergen des Vesculariers nicht an sich rissen." Das etwas bekümmerte Gesicht kam inklusive, welches seinen Kampf mit diesen Umständen ausdrückte. "Meine Familie hat sehr viel Leid erfahren, so wie fast alle edlen Patrizier in der vergangenen Zeit und ich denke als ehemaliger Klient des Durus hast du seinen Tod als ebenso schmerzhaft empfunden, wie ich. Es ist mein Anliegen meine Familie wieder aufzurichten, doch dafür brauche ich zweifellos Unterstützung. Was kannst du also für mich tun? So wie du einst der Klient meines Cousins warst, so möchte ich nun deiner werden und damit dieses Band zwischen Aureliern und Tiberiern aufrechterhalten." Lepidus hatte sich das sehr gut überlegt. Schon als er in Erfahrung brachte, dass dieser Aurelius Lupus der Klient von Durus war, hoffte er, dass er den Krieg überleben würde. Allein dass sein Name auf der Proskriptionsliste stand, sprach über alle Maßen für ihn. Lepidus würde ihm zwar sicherlich noch deutlich mehr über sich erzählen müssen, aber wenn das Grundanliegen schon einmal offenbart war, konnte sich alles andere fügen. Er hoffte jedenfalls, dass der Aurelier grundsätzlich daran interessiert war, sein Patron zu werden. Zumindest die bisherigen Verknüpfungen zwischen ihren Gentes sprach jedenfalls nicht dagegen.

  • Das war nun in der Tat etwas, womit Sextus nicht gerechnet hatte. Natürlich war seine Stellung ganz sicher nicht die allerschlechteste, und den ein oder anderen Klienten hatte er gewonnen, seit er Senator war. Allerdings keinen Patrizier, erst recht keinen Tiberier. Und angesichts der angesprochenen Verwandtschaft hätte er damit auch nicht in näherer Zukunft gerechnet.
    Seine Überraschung konnte man aber allenfalls an der eine Winzigkeit längeren Gesprächspause erkennen, ehe er zu einer Antwort ansetzte. Immerhin hielt er es mit der Stoa und insbesondere ihrer Anforderungen bezüglich Apatheia, Autarkia und Ataraxia.


    “In dem Fall besteht tatsächlich eine Schwägerschaft. Meine direkte Cousine Aurelia Flora ist die Witwe von Tiberius Durus und sofern die Götter es gewähren in der Zwischenzeit Mutter seines Kindes.“
    Soviel erst einmal zu ihrer beider Erhellung. “Daher hat mich der Tod meines Patrons selbstverständlich in mehrerlei Hinsicht betroffen gemacht, ebenso wie meine gesamte Familie. Nicht zuletzt ein Umstand, der dazu geführt hat, dass dein Vetter, von dem es dich sicher freuen wird, zu erfahren, den Feldzug über in meiner Nähe verbracht hat und der sich nun mit meinen beiden Cousinen Flora und Prisca in Mantua aufhält. Er wird dir sicher ebenso sehr verbunden sein, dass du das vermögen seines Vaters so gut bewahrt hast.“
    Den Tiberius hier selbst würde die 'gute Nachricht' vielleicht eher weniger freuen, schloss das Überleben des Sohnes und das mögliche Vorhandensein eines weiteren Kindes doch höchst effektiv aus, dass Lepidus hier selbst Anspruch auf das Vermögen von Durus erheben konnte. Wobei dieses wohl auch stark geschröpft worden war, wenn Sextus die Einlassung zuvor richtig deutete. Ein Blick auf sein Gegenüber legte auch ähnliches nahe, machte seine äußere Erscheinung nicht unbedingt etwas her, was auf einen reichen Patrizier schließen ließ. Abgesehen vielleicht von den Schuhen.
    “Dein Ansinnen an sich schmeichelt mir, doch sollten wir hiervor auch klären, ob ich dir überhaupt zu helfen in der Lage bin, und in welcher Weise im Gegenzug du mir behilflich wärst. Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass du schon Überlegungen angestellt hast, wie das Ansehen deiner Familie zu mehren wäre? Hast du konkrete Pläne, die du in deiner Person gerne verwirklichen möchtest?“

  • Mit dem kurzen Zögern war natürlich zu rechnen, immerhin hatte er den Senator ja geradezu damit überfallen, wenn nicht sogar für eine kleine Überraschung gesorgt, als er vor allem seine Verbindung zum Consular Durus betonte. Doch die eigene Offenbarung überbot der Aurelier noch einmal, indem er das Überleben seines Vettern bezeugte. "Mein Vetter lebt? Er hat es wirklich geschafft?" Natürlich setzte Lepidus eine freudige Miene auf. Über die möglichen Konsequenzen, die dies für ihn selbst noch haben könnte, wollte er erst einmal nicht nachdenken. Jetzt schon über familiäre Verteilungskämpfe zu spekulieren war erst einmal überflüssig. "Ich hatte keine Ahnung. Es muss nun schon Jahre her sein, seit ich das letzte Mal etwas von ihm hörte. Weißt du denn zufällig, ob und wann er zurück nach Rom kommen wird? Dass deine Cousine ebenso überlebt hat, wie höchstwahrscheinlich das Kind von Durus ist natürlich eine ebenso frohe Botschaft. Es scheint, als wäre noch vieles gerettet worden, trotz all der Umstände. Ich danke dir für diese guten Nachrichten."


    In der Tat konnte Lepidus wirklich froh sein, dass ihm endlich jemand etwas Genaueres erzählen konnte. Seine Familie wurde im Zuge des Krieges immerhin so versprengt, dass es wohl kaum Alternativen zu dieser stetigen Ungewissheit gab. "Ich habe sehr eindeutige Pläne", kam er dann auf das Interesse an seiner Person zu sprechen. "Mein Weg soll mich in den Cursus Honorum führen. Ich sehe mich in der Tradition meines Cousins Durus und meines Onkels Publius Tiberius Maximus, welche großartige Politiker waren. Für mich kann das Ziel nur heißen in ihre Fußstapfen zu treten. Nur so kann ich das Ansehen meiner Familie wiederherstellen." Lepidus machte eine kleine Pause, blickte bedeutend zur Seite und sah dem Senator dann wieder in die Augen. "Ebenso möchte ich in eines der Priestercollegien aufgenommen werden. Derzeit... fülle ich das etwas 'unpassende' Amt eines Aedituus im capitolinischen Tempel aus - der einzige Dienst an den Göttern, den mir das vescularische Regime gestattete." Unpassend wohl deshalb, weil man wohl lange darüber nachdenken musste, wann ein Patrizier wohl das letzte Mal als Tempelwächter eingestellt wurde. Wie der edle Senator es wohl aufnehmen würde, dass er einerseits vor einem patrizischen Standesgenossen, aber andererseits vor einem Aedituus stand? Lepidus konnte nur hoffen, dass es seinen Eindruck nicht schmälerte. "Sowohl für den Cursus Honorum, als auch für die Priesterschaft benötige ich den Ordo Senatorius, was damit die höchste Priorität für mich hat. In jedem Fall kann ich dir fürs erste als Gegenleistung wohl nur unbedingte Treue schwören und dich bei jedem Vorhaben unterstützen, welches du auch immer in Zukunft planen wirst. Aber ich bezweifle nicht, dass es sich für dich im Gegenzug von Tag zu Tag mehr auszahlen wird, mich als Klienten zu haben, vor allem, wenn meine derzeitige Lage überwunden scheint."

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