[Capitolium] Templum Iovis Capitolini

  • Ich reagierte mit einer kaum sichtbaren Neigung des Kopfes und einem kurzzeitigen seitlichen Blick auf seine Bemerkung, dass ich nun eher als erwartet zur Stelle war. Sodann folgte aber eine Aufgabe und ich hörte aufmerksam zu. Hm, Lagerräume … Sklaven … und natürlich die eigene Verantwortung für das Gotteshaus.


    Bei den Erklärungen über Licht, Schatten und gestörter Harmonie hefteten sich meine Augen besonders auf sein Gesicht. Ich durchdachte die Worte nochmals, ließ sie auf mich wirken, sodass ich noch stand, als er sich auf den Weg machte. Mit zwei schnellen Schritten war ich hinterher und hörte gerade noch die Frage nach meinem Vater.


    "Claudius Vesuvianus", antwortete ich fast schon automatisch, wunderte mich aber im nachhinein, warum er mich das fragte.

  • "Tatsächlich."
    Sie entstammte also wahrhaft dem patrizischen, und nicht etwa einem der plebeischen Zweige der Claudia. Gracchus' erstes Aufeinandertreffen mit Claudius Vesuvianus war ein wenig merkwürdig gewesen, doch im Zuge der Aufgaben der Salii Palatini hatte er ihn als traditionsbewussten und integren Mann kennen gelernt. Es verwunderte ihn zutiefst, dass jener diesen Dienst seiner Tochter billigte.
    "Bist du verheiratet, Claudia."
    Womöglich war ein anderer Mann für sie verantwortlich, und nicht der Vetter Antonias. Sie verließen den Tempel und traten hinaus in die frische Luft, welche hier, weit über der Stadt angenehm klar und frei jetweder städtischer Gerüche, wie jener der Garküchen, öffentlichen Latrinen, des Brackwassers aus dem Tiber oder der Viehmärkte, war. Anstatt die Treppe hinab zu den Altären zu gehen, wandten sie sich auf dem Podest nach links, schritten zwischen den bemalten Säulen hindurch und nahmen erst vor der Cella der Iuno die Stufen hinab. Unweit des Tempels stand ein flaches, langgezogenes Gebäude, dessen Vorderfront eine Kollonade zierte, welche vier Türen verbarg.
    "Im hintersten Raum ist eine Küche untergebracht. Dort werden die Opfertiere zubereitet, zudem werden dorthin mehrmals am Tage die Opfergaben gebracht, nicht nur aus dem Tempel der kapitolinischen Trias, auch aus den übrigen Tempeln hier auf dem Hügel. Falls du einmal Hunger verspürst, so zögere nicht, dir von den Sklaven, welche sich dort überaus gern herumtreiben, etwas davon geben zu lassen. Unter den Sacerdotes ist es zudem usus, vorallem unter den plebeischen, am Abend etwas davon mit nach Hause zu nehmen. Denn selbst bei den blutigen Opfern bestimmen die wenigsten Opferherren, was mit dem Fleisch geschehen soll."
    Gracchus' Lippen kräuselten sich in einem feinen Lächeln, als er in seinem Redefluss innehielt, und an seine eigene Ausbildung dachte.
    "Welche Möglichkeiten, mit den nicht den Göttern zugedachten Anteilen am Opfer zu verfahren, sind dir geläufig, Claudia?"

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  • Ich schüttelte andeutungsweise den Kopf.


    "Nein, verheiratet bin ich noch nicht, soll es aber einmal nach dem Willen meines Vaters sein, damit die Familie weiterlebt. Das ist auch der Grund, weswegen ich nicht Vesta dienen kann - ursprünglich hatte mich mein Vater als Vestalin gesehen."


    Ich dachte nicht großartig darüber nach, warum mir solche privaten Fragen gestellt wurden. Vielleicht war es ja üblich, ich konnte es nicht wissen. Ich folgte dem Saderdos auf dem Fuß, versäumte es aber nicht, die Säulen, die Bemalung und die Architektur zu bewundern. Mitunter bedurfte es eines schnellen Schrittes, um mit ihm wieder gleichauf zu ziehen.


    Als er von den Opfergaben sprach, senkte ich lächelnd den Blick. Also, niemals würde ich Fleisch mit nach Hause nehmen, auch wenn es Opferfleisch war.


    "Ich würde nie auf den Gedanken kommen, Opferfleisch fortzunehmen. Natürlich weiß ich, dass ein Drittel stets den Priestern zukommt, aber das zieht nicht zwangsläufig den Genuss außerhalb der Tempel zur Folge. Zu deiner Frage … Also ich kenne es so, dass ein Drittel die Gottheit bekommt, das zweite Drittel die Priester und das letzte Drittel die Bürger, wobei sehr oft der Opferherr und die Opfergesellschaft speist, aber auch das Fleisch an Bedürftige kostenlos abgegeben werden kann. Manchmal wird auch Opferfleisch verkauft."


    Ich lächelte in dem Bewusstsein, bestimmt das eine oder andere revidieren zu müssen. Die Sicht von außen war sicherlich eine andere als die von innen.

  • Eine äußerst merkwürdige Angelegenheit, doch der Makel jener Gegebenheit zeigte sich stehenden Fußes. Die Sicht von außen bot niemals die gleichen Einblicke, wie jenes Eingewobensein in die kultischen Strukturen, welche römische Knaben schon von Kindesbeinen an genossen.
    "Es geht nicht darum, Opferfleisch fortzunehmen. Im Augenblick der Konsekration weicht jener Anteil, welcher den Göttern zugedacht ist, aus den Opfergaben, zurück bleibt nur ein profaner Gegenstand, ein profanes Stück Fleisch, ein profaner Kuchen. Was glaubst du, was mit all den unblutigen Gaben geschieht, welche auf den Opfertischen der Götter landen? Sie verschwinden nicht von göttlicher Hand, sie werden abgeräumt von Tempelsklaven. Die essbaren Dinge werden, soweit noch genießbar, durch einen äußerst weltlichen Magen vernichtet, im anderen Falle in der Erde vergraben. Votivgaben werden eingeschmolzen, insofern sie aus Metall bestehen, die übrigen werden ebenfalls vergraben. Dies mag für dich vielleicht enttäuschend sein, doch wenn du gewillt bist, im Cultus Deorum voranzukommen, so werden sich noch so einige Dinge vor deinen Augen ent-täuschen."
    Sie treten durch die Säulen der Kollonade hindurch und nähern sich einer der schmucklosen Türen dahinter.
    "Der Anteil der Götter an einem Tier ist nicht in Teilen festzulegen. Nur zu außergewöhnlichen Anlässen wird das gesamte Fleisch verbrannt, ansonsten kommen den Götter nur die Vitalia zu. Weshalb dies so ist, diese Frage kannst du dir selbst beantworten, doch solltes du die Antwort niemals laut aussprechen."
    Auch wenn über viele sakrale Gebote unter Priestern freier gesprochen wurde, es gab einiges, welches nicht dazu bestimmt war, laut ausgesprochen zu werden.
    "Jene Teile des Opfertieres, welche den Götter nicht zukommen, können während der Cena recta verzehrt, in Sportulae ausgeteilt oder verkauft werden. Ebenfalls ist die Kombination möglich, doch auch hierbei sind keine festen Anteile verpflichtend. Möchte ein Opferherr den Kopf des Tieres mit den Partizipierenden direkt verspeisen, den Rumpf frei verteilen und den Rest verkaufen, so steht dem nichts im Wege."
    Da sie die Türe erreicht hatten, öffnete Gracchus und trat in den Raum dahinter. In Regalen lagerten hier die unterschiedlichsten Gegenstände, welche zur Ausübung des Kultes oder auch nur zur Aufrechterhaltung des Kultbetriebes notwendig waren. Weihrauchkästchen, Kelche, aus welchen Wein gegossen wurde, Opferschalen, in welche die Vitalia nach dem Herausschneiden aus den Tieren gelegt wurden, die Kellen zum Schöpfen von Wein und Wasser, die Opferhämmer, -beile und -messer, allerlei Schalen und kleine Kisten, darin Salben und Öle zur Pflege der Götterstatuen, Säckchen voll der unterschiedlichsten Räucherungen, Kerzen und auch das Öl zum Auffüllen der Lampen. Bevor man jedoch all dem näher kommen konnte, musste man zwei Sklaven passieren, welche in diesem Raum wachten, auf dass nichts von hier entwedet wurde, lagerten doch durchaus auch silberne und goldene Kultgegenstände in den Regalen. Doch es gab dieser Tage nicht übermäßig viele Sacerdotes, welche im Tempel der kapitolinischen Trias Dienst taten und so erkannten die beiden Tempeldiener Gracchus und traten nur eilig heran, um ihm herbeizuholen, was er benötigte. Der Sacerdos hob die kleine Öllampe in die Höhe.
    "Diese Lampe muss neu befüllt werden."
    Die Sklaven waren bereits lange genug Sklaven, als dass sie sich keinerlei Regung erlaubten. Der zuständige Tempeldiener lief zwei Mal am Tag mit einem schweren Eimer von hier bis zum Tempel hinüber und befüllte die Lampen geduldig mit Hilfe einer Schöpfkelle und eines Trichters. Eine nicht gerade angenehme Arbeit, da unweigerlich immer ein wenig der schmierigen Flüssigkeit an den Händen haften blieb und nur schwerlich wieder abzubekommen war. Dass ein Sacerdos sich mit einer solchen Aufgabe befasste, dies war nicht häufig, und dass er wegen einer einzigen Lampe kam, dies gab die schwere Arbeit der Sklaven geradezu der Lächerlichkeit preis. Doch er war ein Sacerdos und wenn er sich zu dieser Aufgabe bemüßigt fühlte, so war dem nichts entgegen zu setzen und nichts daran zu kritisieren. Einer der Sklaven nahm die kleine Lampe entgegen und verschwand hinter den Regalen, von wo er nur kurze Zeit später wieder auftauchte und die Öllampe gefüllt Gracchus zurückreichte. Dieser nahm sie entgegen und bedeutete Prisca den Raum zu verlassen. Vor der Türe stehend wies er auf die weiteren Türen des Gebäudes.
    "Im Nebenraum befinden sich weitere Ritualgegenstände, vorwiegend größerer Art. Unter anderem die Statuen und das Mobiliar, welches bei Lectisternien Verwendung findet. Der der Stadt am nächsten gelegene Raum beherbergt schriftliche Aufzeichnungen. Dort ist auch Platz, um Schriftrollen zu studieren oder Aufzeichnungen festzuhalten."

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  • Mir schwirrte der Kopf, ob der vielen Informationen. Dankbar und verwirrt zugleich folgte ich dem Sacerdos eher mechanisch, fast benommen, denn bewusst.


    "Was mit all den unblutigen Gaben geschieht? Ich habe angenommen, sie werden verbrannt oder vergraben, Wein wird ausgegossen", antwortete ich zögerlich. "Einen Verzehr durch die Priesterschaft habe ich beim Anteil, der für die Götter bestimmt ist, tatsächlich nicht angenommen."


    Schweigend lief ich ein Stück des Wegs und während wir den Raum betraten und durch lange Reihen von Regalen schritten, dachte ich über die Aussage nach, sicherlich zukünftig noch häufig ent-täuscht zu werden. War es das, was ich wollte? Welche Auswirkungen hätte solche Ernüchterung auf mein Verhältnis gegenüber Priestern? Mein Gaube an die Macht der Götter würde sich dadurch nicht verändern, das war gewiss.


    Ich verfolgte das Auffüllen der Lampe und ließ mich anschließend wortlos aus dem Raum weisen, vor dessen Türe wir stehen blieben. Wieder erfolgten Erklärungen und nachdem Flavius Gracchus geendet hatte, stellte ich mit leider Stimme eine Frage:


    "Wie lange hat es gedauert, bis du dir all dieses Wissen angeeignet hast?"

  • Mit der Öllampe in der Hand und Prisca im Gefolge machte sich Gracchus auf den Rückweg zum Tempel. Ihre Worte klangen zuletzt ein wenig unsicher, doch womöglich täuschte dieser Gedanke. Gracchus jedoch machten diese Worte tatsächlich nachdenklich, und bis sie bald die Hälfte der Strecke zu den Stufen des Tempels zurückgelegt hatten, schwieg er, selbst in Gedanken. Er konnte sich nicht erinnern an jenen Zeitpunkt, an welchem die Aneignung des kultischen Wissens begann. Auch nicht an jenen Zeitpunkt, an welchem sie endete, doch lag dies eher daran, dass sie niemals enden würde. Schon zu dem Augenblick, da sein Vater ihn als Neugeborenen vom Boden aufgehoben und damit offiziell als seinen zweiten Sohn anerkannt hatte, war die Fokussierung seines Lebens auf den Dienst an den Göttern festgelegt gewesen. Zwar hatte sein Bruder diesem vorerst ungeliebten Streben ein Ende bereitet, doch letztlich hatte sich Gracchus selbst dafür entschieden und schlussendlich darüberhinaus auch selbst dafür gesorgt, dass die ihm verwehrte Pflicht ihm erneut zugefallen war.
    "Jahre, würde ich sagen. Doch war es kein konzentriertes Streben, wie dies nun möglicherweise vor dir liegt. Mein Vater strebte danach, seinen Söhnen von Kindesbeinen an mitzugeben, was das Leben ihnen abverlangen würde. Wir wurden bereits früh in den Kult mit eingebunden, ich erinnere mich sehr gut an das erste öffentliche Opfer, an welchem ich als Minister teilnahm. Es war am Agonium des Veiovis im Mai, hier auf dem kapitolinischen Hügel, und ich durfte ein Kästchen mit Weihrauch anreichen."
    Beinahe ein wenig ungläubig blickte er sich um, ob dies tatsächlich noch jener Hügel war. Er hatte sich nie darüber Gedanken gemacht, doch da es ihm nun in Erinnerung kam, bemerkte Gracchus die Differenz der Realität zu eben jenen Erinnerungen aus seiner Kindheit. Der Hügel war damals noch viel höher und die Tempel viel gewaltiger gewesen.
    "Zwar habe ich Rom später verlassen, doch die Einbindung in den Kult wurde auch während meiner Erziehung in Achaia aufrecht erhalten, wie es seit jeher Tradition ist. Da es vor nicht allzu langer Zeit noch üblich war, dass jeder angehende Sacerdos vorerst einige Zeit als Discipulus im Cultus Deorum dient, habe auch ich, nach Rom zurückgekehrt, diesen Dienst absolviert, doch dies brachte vorwiegend Vertiefung des Wissens."
    Die Stufen hinauf betraten sie erneut das Aedes des kapitolinischen Tempels. Tat man diesen Schritt, aus der oft allzu wirklichen, kühlen Luft hinein in das Innere des Gebäudes, schien es tatsächlich so, als würde man eine andere, unwirkliche Welt betreten. Aus der Tatsache heraus, dass die Decke weit über den Köpfen der Besucher thronte, die Cella im Gegensatz zur Curia des Senates oder der Aula Regia des Plastes jedoch von nur geringer Größe war, aus dieser Tatsache heraus erwuchs der Anschein eines fernen Himmels in der Höhe. Dass die gewaltige Statue des Iuppiters dennoch mit dem Bündel Blitze in der Hand fast an diese Decke anstieß, dies verlieh dem Gott seine erfurchtgebietende Größe und stufte jeden Opfernden zu einem kleinen, unbedeutenden Menschen herab. Das leichte Flackern der Öllampen und Kerzen, durchzogen von Schwaden des Weihrauches, welche schwer und unbeweglich in der Luft hingen, dies ließ so manche Sinnestäuschung in Hinsicht auf den höchsten der Götter zu. Obwohl Gracchus bereits seit einiger Zeit oftmals in diesem Tempel ein und aus ging, obwohl er seit langem hinter viele der unausgesprochenen Geheimnisse des Cultus Deorum geblickt hatte, trotz all dieser Tatsache durchfuhr auch ihn beim Anblick des Iuppiters tiefe Ehrfurcht, welche nicht zuletzt auch aus seiner eigenen Vergangenheit herrührte. Gemessenen Schrittes trat Gracchus an die Mensa vor der Statue, entzündete die Öllampe an der Flamme einer anderen Lampe und stellte sie sodann ab, penibel darauf achtend, dass die kleinen, lichtspendenden Gefäße in symmetrischer Anordnung aufgestellt waren. Mit einer Wendung nach Rechts, als wolle er ein Gebet beenden, drehte er sich zu Prisca um.
    "Von der Bedeutung des besonderen Ortes hinsichtlich der kultischen Handlung sprach ich bereits. Dieser Ort muss sich dabei nicht notwendigerweise durch ein Tempelgebäude auszeichnen, sicherlich fallen dir auf Anhieb einige heilige Haine ein, wie jener der Iuno Lucina oder jener der Pomona zwischen Rom und Ostia, oder aber auch Höhlen wie das Lupercal. Bei anderen Orten ist selbst Räumlichkeit überflüssig, wie die durch Blitzeinschläge aufs höchste sakralisierten Glücksbäume beweisen, welche jedoch bereits so weit über die hiesige Ebene erhoben sind, dass die reguläre Kultausübung dort nicht mehr möglich ist und nur noch äußerst außergewöhnlich Handlungen, wie das Vergraben der geschnittenen Nägel und Haare des Flamen Dialis, dort ihren Platz finden."

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  • Sim-Off:

    Wenn es dir zu schnell geht, dann musst du dies nur sagen. Ich kann die Informationen auch durchaus in kürzere Abschnitte und kleinere Tageseinheiten packen. Doch wir sollten den Tempel nicht allzu lange blockieren.


    "Neben der Besonderheit des Ortes sind es die Zeit, der Adressat, die Handlung und die Stimmung, welche das kultische Handeln kennzeichnen. Unser Festkalender regelt die Zeiten des Jahres bis auf wenige Ausnahmen, welche der Rex Sacrorum oder die Flamines bekannt geben. Der Rezipient ist ein übermenschlicher, seien es die Götter, die Laren und Penaten, Genien oder andere Numina. Der Kultakt selbst ist streng geregelt, vom Anrufen der Götter mithilfe des Weihrauches, über das Voropfer, die Prozession, die traditionellen Gebete, die Schlachtung, die Litatio und das Mahl bei einem blutigen Opfer, über genau geregelte Abläufe an speziellen Feiertagen, bis zur Beendigung des Opfergebetes durch eine Wendung nach Rechts. Die Stimmung indes ist immer eine feierliche, feriatus. Die rituelle Reinheit ist dabei äußerst wichtig, doch auch die Unterscheidung vom Alltäglichen, Profanen. Um sich von Störungen nicht ablenken zu lassen, bedeckt der Opferherr im Ritus romanus seinen Kopf mit einem Zipfel seiner Toga."
    Gracchus bedachte die Schülerin und wurde sich dessen gewahr, dass er womöglich ein wenig zu viel redete und sie überforderte.
    "Nun, dies mag vorerst für diesen Tag ausreichen. Zur Vertiefung der angesprochenen Themengebiete und auch künftigen Wissens empfehle ich dir das zusätzliche Studium in den Bibliotheken Roms."

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  • Ich war von der Fülle an Informationen einigermaßen überwältigt. Nicht dass ich es nicht gut gefunden hätte, im Gegenteil, aber trotzdem spürte ich, wie meine Gedanken – zunächst sporadisch, doch dann immer öfters – abdrifteten, ich den Faden verlor und im Laufe des Tages schweigsamer wurde. Weil ich nie ein besonders gesprächiger Mensch war, musste meine Schweigsamkeit irgendwann aufgefallen sein, aber Flavius Gracchus war höflich genug, mich nicht darauf anzusprechen.


    Als er den Tag abschloss, nickte ich zustimmend.


    "In unserer privaten Bibliothek bin ich praktisch zu Hause. Kein Tag, an dem ich sie nicht aufsuche. Vielleicht schaue ich auch einmal in der öffentlichen vorbei. Einen schönen Tag noch."


    Ich lächelte sanft bei der Verabschiedung, denn der Sacerdos hatte mich positiv beeindruckt. Dann aber wandte ich mich um und ging, den Blick ungewohnter Weise auf den Boden gerichtet, nach Hause. Meine Gedanken hielten mich derart gefangen, dass ich im Nachhinein nicht einmal mehr zu sagen wusste, wie ich über diverse Straßen gekommen war. Meine Sklaven schlossen sich mir unauffällig an, denn ich hatte auf eine Sänfte verzichtet. Es reifte derweil der Entschluss, eine Weissagung zu erlangen, aber nicht mehr am heutigen Tage, sondern morgen in der Frühe.

  • "Vale, Claudia."
    Als die junge Frau das Tempelgebäude verlassen hatte schüttelte Gracchus in Gedanken versunken den Kopf, während er mit seinen Augen scheinbar versuchte die Tempelwand zu durchdringen. Doch da ihm dies nicht möglich war, musste er schließlich doch den Tempel verlassen, um nach dem Stand der Sonne zu sehen. Es war noch ein wenig Zeit, so dass er sich noch etwas den Schriften widmen konnte, welche im Nebengebäude bereits seit den Mittagsstunden auf ihn warteten. Auf dem Weg dorthin dachte er darüber nach, ob es vorteilhaft wäre, etwas für die Unterrichtung der neuen Discipula vorzubereiten, doch er entschied, dass er sich auf seinen Verstand und ihre Neugier verlassen würde. Dies musste ausreichen, und sollte es an ihrer Neugier mangeln, so würde ihr Versagen schlussendlich ihr eigenes sein, denn an seinem Verstand zweifelte Gracchus nicht. Nun, manches mal vielleicht doch ein klein wenig, allerdings sicherlich nicht in Hinsicht auf die Erfüllung seiner kultischen Aufgaben. Erst ungebührlich spät am Abend ließ der Sacerdos sich in seiner Sänfte zurück zur Villa Flavia bringen und verhinderte somit für einen weiteren Tag mit seiner Gattin speisen zu müssen.

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  • An diesem schon schwülen Frühjahrstag hatten die Priester des Tempels alle Hände voll zu tun. Es galt, das Capitol für die Feierlichkeiten um die Vinalia zu schmücken und alles zu bereiten, denn der Tempelvorhof würde bald von Menschen gesäumt.
    Auf den Hügel hatte man die nun fertigen Weine der letzten Ernte gebracht. In Amphoren waren sie abgefüllt und standen zur Opferung bereit, zur Übergabe an den Himmlischen, um sie danach für Profanes nutzbar zu machen.
    Im Inneren des Tempels waren die Kohlebecken der Foculi längst entzündet; Weihrauch lag bereit, um den Kontakt zu den Göttern herzustellen. Flaccus hatte die Vorbereitungen im Tempel begleitet und darauf geachtet, dass alles seinen rechten Gang nahm, auch wenn es ihn sonst meist in den Tempel des Apoll zog. Nun aber stand die Opferzeremonie kurz bevor und die noch gläubigsten Menschen in dieser Zeit waren frühzeitig zum Tempel des Iuppiter geströmt, um zu beobachten, wie die Weine Italias zuerst dem Gott dargebracht wurden, bevor sie den Gang in das Handelsgeschäft nahmen.
    So stellten sich die Priester auf, um die Zeremonie zu beginnen...

  • Dem Iuppiter noch immer tief verbunden hatte Gracchus an diesem Tag seinen Weg hinauf zum Tempel des Iuppiter Capitolinus angetreten, um den Riten der Vinalia priora beizuwohnen. Es kommt ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er selbst als leitender Sacerdos die Vinalia rustica zelebriert hatte und mit einem seltsamen Gefühl im Magen erinnerte er sich an die nachfolgende Feierlichkeit im Hause der Artoria. Wie der Wein selbst, eingeschlossen in seinen Fässern, so war auch Gracchus womöglich mittlerweile ein wenig gereift, selbst gleichwohl wenn nicht, so war seine Zeit als Sacerdos beendet und er nurmehr Partizipient, was dem Anlass der Zeremonie jedoch keinesfalls an Reiz nahm.

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  • Wie ein fernes Lied über Leben und Sterben, über Entstehen, Werden und Vergehen, über die Alltäglichkeit und das Besondere, drang die Geräuschkulisse aus den Straßen, Gassen und Hinterhöfen Roms hinauf auf die Kuppe des Mons Capitolinus, hinauf vor den Tempel der göttlichen Trias hin, der unbeeindruckt von den Sorgen und Nöten der Menschen zu seinen Füßen beständig wie die Götter selbst dort oben über allem thronte. Für seine Rückkehr in den Dienst der Götter hatte Gracchus eine seiner besten Togen ausgewählt, ohnehin setzte sich hier am Tempel der Trias kein Staub am Saum des teuren Stoffes fest, sorgten doch unablässig Tempelsklaven für Sauberkeit und Ordnung. Staub war dieser Tage zwar beileibe nicht die größte Gefahr, doch dass das Gewand kaum mehr lange zu gebrauchen sein würde, da sich das Opferblut nur unbefriedigend daraus entfernen ließ, störte Gracchus wenig, denn einerseits hatten sich die Flavia noch nie groß Gedanken über die Aufstockung ihrer Togenvorräte machen müssen, andererseits war er noch immer oder auch wieder dem Iuppiter in besonderer Weise verpflichtet. Gefolgt von einigen Sklaven betrat Gracchus nach Beendigung seiner Magistratur als Vigintivir des römischen Staates die cella des höchsten und bedeutendsten Gottes der gesamten Welt. Am Becken neben der Pforte wusch er seine Hände, sodann schlug er sich eine Falte der Toga über den Kopf, bevor er dem Bildnis des Gottes entgegen trat. Der Iuppiter war aus weißem Alabaster gemeißelt, vor etlichen Jahrzehnten, Jahrhunderten schon von Catulus gestiftet worden, um das Imperium Romanum vor Verrat und innerem Zerfall zu bewahren. Der Herrscher über die Götter hatte es seinem Volk nicht vergessen, noch immer blickte die bärtige, väterliche Statue aus ihren dunkelblauen Lasuraugen mit Wohlwollen auf Rom hinab, und sein Volk wiederum ehrte ihn wie es ihm gebührte, trug dafür Sorge, dass der Stein poliert und geölt, die hölzernen Teile beizeiten ausgebessert und das Blattgold, welches Haar und Bart durchzog, immer wieder ein wenig ergänzt wurde, abgesehen von all den Gaben, welche tagtäglich zu Füßen des Gottes abgelegt, und den Tieren, welche zu seinen Ehren auf dem marmornen Altar vor dem Tempel geopfert wurden. Als Gracchus den Kopf wandte, um den Blick des Gottes zu suchen, schien es beinahe, als blitzten die Augen im Licht der zahlreichen, flackernden Flammen belustigt auf, weshalb der Sacerdos beschämt den Kopf senkte, eine Hand voll Benzoekörner aus einer der Bronzeschüsseln nahm und sie über die Kohlen warf, welche zu Füßen der Statue auf einem Rost glimmten.
    "Iove Capitoline ..."
    Noch ehe er recht begonnen hatte, verstummte Gracchus bereits wieder, denn er wusste nicht, wo zu beginnen. In unbewusster weise sog er die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute eine Weile darauf herum, während vor ihm die Räucherkörner verbrannten und die Umgebungen in einen feinen, wohlriechenden, grauen Rauch tauchten.
    "Iove Capitoline,"
    setzte er schließlich erneut an.
    "Wie es Dir zusteht, gebührt Dir mein Dank, wie es Dir zusteht, soll meine Gabe dies zum Ausdruck bringen. Mein Schicksal legte ich einst in Deine Hände, gab meinen Dienst Dir im Gegenzug. Mein Schicksal legte ich ein weiteres Mal in Deine Hände, so will ich auch nun meinen Dienst Dir wieder geben im Gegenzug, da Du mein Leben, meine Zukunft mir bewahrt hast. Mag in mir der Zweifel erwachsen sein, ob der Richtigkeit dieses Weges, doch kein Zweifel ist mehr in mir ob der Richtigkeit meiner Entscheidung. Mag mir keine große Zukunft vergönnt sein, Iove, wie könnte ich göttergleiche Entscheidungen anzweifeln? Do ut des - Du hast gegeben, so gebe ich mich in Deine Hände, erneut und ohne Zaudern."
    Den Kopf zur Seite gewandt winkte Gracchus den Sklaven mit den Gaben, gab Feigen und Datteln auf den Opfertisch, goss schließlich eine kleine Amphore Wein aus den flavischen Beständen in die Kuhle für die flüssigen Opfergaben hinein.
    "Ich gebe, wie Du gegeben hast, Iove Capitoline, wie es Dir zusteht, diese Gaben."
    Das warme Licht der Kerzen und Öllampen, die Hitze der Flammen und glühenden Kohlen, der feine Schleier aus Rauch, welcher den gesamten Tempel durchzog, und nicht zuletzt das leise, beruhigende Knistern durchspülten Gracchus' Geist mit einem Gefühl der Sorglosigkeit, einer in den letzten Monaten so selten verspürten inneren Harmonie und Ausgewogenheit, gleichsam seltenen Zufriedenheit mit sich und der Welt. Sein Blick wanderte über die großen Füße des Iuppiter, die Robe aus Porphyr hinauf über die auf den Knien ruhenden Hände, den in feinen Locken gekräuselten Bart bis zu den lasurnen Augen, und als Gracchus sich umwandte und dem Tempelausgang entgegen strebte, lag ein feines Lächeln über seinen Lippen. Draußen vor dem Gebäude warteten bereits die übrigen Sklaven mit dem Opfer, einem weißfarbenem Widder, dessen Hörner und Hufe goldfarben glänzten, und in dessen zotteliges Fell Zinnspähne gerieben worden war, auf dass es silbrigfarben im Sonnenschein glänzte. Gracchus trat an den Altar heran und zog geschickt sein Opfermesser aus der Scheide am Gürtel, die unter der Toga verborgen war.
    "Oh Iove, hochgelobter, Iove höchster und größter!
    Vater allen Seins, Prinzip, Anfang und Ende von allem,
    dessen Deine Macht allmächtig ist, der Du die Welt bewegst,
    der Dir alles Sein und alle Natur entspringt!
    Glückverheißender, nimm meinen Dank, mit dem ich meine Schuld begleiche,
    mit Frieden, Göttlicher, und dem notwendigen Wohlwollen,
    wie auch mein Schicksal!"

    Obgleich sein Geschick mit einer Waffe kaum je über die rudimentären Grundlagen des Kampfes mit einem Gladius hinaus gehen würde, so lag das rituelle Messer doch fest und sicher in Gracchus' Griff, nicht nur, als er dem Widder mit der stumpfen Seite der Klinge über den Rücken strich, auch dann, als er mit der Linken eines der Hörner griff, den Kopf des Tieres hob und mit schneller, routinierter Bewegung in die Kehle des Widders stach. Das rotfarbene Blut schoss aus der Wunde hervor, ergoss sich über den steinernen Boden, auf welchem sich bereits die blutigen Spuren Jahrhunderte alter Tradition zeigten, durchzog das reine Fell des Widders mit dunklen Fäden, befleckte auch die Toga des Sacerdos, der das Horn des Tieres lange noch festhielt, selbst als die Hinterläufe des Widders schon einknickten, der tote Körper erschlaffte und mit allem Gewicht nach unten zog, so dass Gracchus' linker Arm zu zittern begann und er mit der Rechten das andere Horn packte, um das Tier so lange zu halten, bis der Blutstrom aus dem Schnitt an der Kehle schließlich versiegte. Erst dann ließ er den Widder langsam auf den blutigen Stein hinab, dass einer der Sklaven ihm die Eingeweide herausschneiden konnte. Gracchus' Blick auf die vitalia war nur von kurzer Dauer, sofern jene nicht völlig schwarz waren, war deren Zustand in Anbetracht des privaten Opfers ohnehin belanglos.
    "Litatio,"
    sprach er leise, mehr aus Gewohnheit, ließ sodann das Feuer in der bronzenen Schale auf dem Altar entfachen, und wartete geduldig, bis die Flammen in adäquater Weise gen Himmel züngelten, auf dass er die dem Iuppiter zustehenden Fleischstücke dem Reich der Götter übergeben konnte. Als sich der Odor des verbrennenden Fleisches um Gracchus' herum ausbreitete, bebten seine Nasenflügel und er sog für einen Moment das nicht unbedingt wohlriechende Aroma durch die Nase ein, bevor er sich schließlich abwandte und die Togafalte von seinem Kopf zurück schlug. Das Opfer war beendet, Gracchus zog sich den mit Blut befleckten Stoff der Toga von den Schultern, ließ ihn achtlos zu Boden gleiten, und wusch sich die Hände in einer bereitgehaltenen Schüssel. Sodann breitete er die Arme aus, auf dass seine Sklaven ihm eine neue, saubere Toga um den Körper drapieren konnten und wandte sich dem Tempel zu, um seinen nun wieder regulären Dienst als Sacerdos publicus des Imperium Romanum aufzunehmen - erneut und ohne Bedauern.

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  • Behutsam, beinahe zärtlich ließ Gracchus seine Fingerkuppen über den rauen Altarstein auf dem Tempelvorplatz wandern, fuhr über die feinen Rillen im Stein in die Kuhle hinab, durch welche Opferflüssigkeiten den Altar hindurch hinab ins Erdreich wurden geleitet, und über die Ränder, an welchen der Stein in Voluten endete. Schließlich blickte er auf, dem gewaltigen Tempel entgegen, welcher alles um sich herum klein, marginal und unbedeutend erscheinen ließ, selbst die große Stadt zu seinen Füßen, welche sich so gern als Zentrum der Welt titulierte. Langsam und bedächtig erklomm Gracchus die Stufen, Schritt für Schritt die Präsenz der Götter in sich erspürend, wandelte durch die bunt bemalten Säulen vor den Cellae der Iuno, der Minerva und des Iuppiter. Die großen Tore des Tempels standen offen, aus dem Inneren flackerte das goldfarbene Licht der Öllampen und Kerzen heraus, und ein die Sinne betörender Duft nach Cassia, Lorbeer und Weihrauch waberte durch die stille Luft des Sommers. Ein Schaudern ließ Gracchus erzittern als er die Cella des Iuppiters betrat, gleichsam wie eine Woge des Bedauerns ihn durchlief, als er den Blick hinauf zu den glitzernden Augen der imposanten Iuppiterstatue wandte. Er vermisste den Tempel, misste den Dienst Tag für Tag, vermisste den Geruch frischen Opferblutes, den Geruch verbrennenden Opferfleisches, welcher sich mit dem Odeur der Räucherungen vermischte, misste das leise schlurfende Geräusch, wenn die letzten Schlucke des Opferweines in einem feinen Sog in der Öffnung für die Opferflüssigkeiten vor der Statue verschwanden. Er vermisste den Dunst, das Flackern und die Wärme der zahllosen Kerzen und Öllampen, misste das Gefühl der Geborgenheit, welches in den Häusern der Götter allgegenwärtig war.
    "Warum, Diespiter, warum?"
    Langsam ließ sich Gracchus vor der großen, bärtigen Statue auf die Knie sinken, sank in sich zusammen und starrte still auf die glühenden Räucherkohlen. Er vermisste die Stille der Tempel, kein Mensch wagte hier die Stimme zu erheben, nicht einmal Schluchzen erlaubten sich die Verzweifelten oder Traurigen, nur höchstens leises Schniefen, er misste die Ruhe, denn niemand rannte durch einen Tempel, es war als würde man die Schwelle der Zeit übertreten, sobald man durch die Pforte eines der Götterhäuser trat, denn die Bewegungen der Menschen verlangsamten sich, wurden mit Bedacht und Sorgfalt ausgeführt. Er vermisste die Harmonie, denn hier war es, wo Ausgleich geschaffen wurde, wo den Göttern Gaben dargereicht wurden für ihre Geschenke, wo den Göttern Geschenke gemacht wurden, um ihre Gaben zu erhalten - do ut des. Er misste die Wahrheit, denn niemand wagte in einem Tempel zu lügen, und er vermisste die Größe und Erhabenheit, denn nichts Größeres, nichts Erhabeneres war auf der Welt als das, was die Menschen glaubten Götter zu sein. Aus einer Gewandfalte zog Gracchus einen ledernen Beutel hervor, welchen er sorgfältig öffnete, schließlich die daraus hervorblitzenden Körner heraus nahm und auf die Kohle legte, welche auf dem Rost zu Füßen des Iuppiter rotfarben glühte, nachdem er von jener die weiße, verbrannte Asche hinfort gepustet hatte. Feiner, graufarbener Nebel erhob sich, verschleierte für einige Herzschläge seine Sicht.
    "Warum, Iove, warum nur?"
    Er misste dies alles so sehr, doch gleichsam da er stand, wo er stand, stand er noch immer dort, wo er stand. Leise tippelnde Schritte erinnerten ihn eine Weile später daran, dass er nur Gast war in diesem Haus, nur Besucher, einer von vielen. Er erhob sich und trat dem Ausgang entgegen, ohne Antwort, denn Iuppiter schwieg.

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  • Ihr war der Mann bereits aufgefallen, als er sich noch auf dem Tempelvorplatz aufgehalten hatte. Die Art und Weise, wie er den Stein berührte und dabei so tief in Gedanken versunken schien, dass er niemand anderen wahrzunehmen schien, hatten die Decima schließlich zum Stehenbleiben veranlasst, obwohl sie sich gerade nach getanem Dienst auf dem Heimweg befand. Sie folgte seinen langsamen Schritten mit aufmerksamem Blick, sah, wie er die Stufen erklomm, und dann im Inneren des Tempels verschwand. Er erschien ihr verloren, von Trauer erfüllt und in gewisser Weise einsam; und wer Valeria kannte, der wusste, dass so etwas sie stets berührte, ob es nun ein Sklave oder ein Patrizier war, der sich schlecht fühlte. Und war es nicht ihre Aufgabe, den Menschen zu helfen, ob das nun als Sacerdos mit dem Beistand bei Opferungen oder als Medica das Lindern von Schmerzen war?


    Valeria jedenfalls blieb nicht lange stehen, nachdem der dunkle Schlund des Tempels den Mann verschluckt hatte, sondern beschloss, einen Umweg durch den Jupitertempel zu machen, ehe sie nach Hause ging. Vielleicht bedurfte es ihrer Hilfe ja nicht, dann aber konnte sie wenigstens guten Gewissens heimkehren. Und wenn es anders war, dann tat sie gerade recht mit ihrem Handeln. Behende erklomm sie die Stufen wie der Mann zuvor, den sie irgendwo her kannte, auch wenn sie sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, woher. Oben angekommen, wandte sie sich um und ließ kurz den Blick über das Panorama der Stadt schweifen, welches sich ihr hier bot. Ihr locker geflochtenes, helles Haar wogte sanft in der abendlichen Brise, und als sie sich umwandte, um hineinzugehen, verfing sich ein einsamer Lichtstrahl auf dem einzigen Schmuckstück, das Valeria über der strahlendweißen Tunika trug: eine schmale, goldene Gans, das der Iuno heilige Tier.


    Nahe des Eingangs verhielt sie im ohnehin leisen Schritt und suchte den Mann, den sie bald fand, da zur späten Stunde kaum mehr nennenswerter Betrieb in den Tempeln war. Dass er unglücklich war, wurde auch durch die Worte klar, die verzerrt und vom Marmor getragen auch bei Valeria ankamen. Ihr Gesicht drückte ein mitfühlendes Bedauern aus; sie hatte ein großes Herz, auch für diesen Fremden dort, dessen Verzweiflung beinahe greifbar im Raum schwebte und durchaus ansteckend war.


    Valeria stand noch immer nahe einer Säule im Bereich des Ausgangs, als der Fremde sich schließlich erhob und kehrt machte, um den Tempel wieder zu verlassen. Er war noch nicht ganz auf gleicher Höhe mit ihr, als sie hervortrat, und mit andächtig leiser und sanfter Stimme fragte: "Was nur mag einem Mann solchen Schmerz bereiten, dass er so hoffnungslos erscheint?" Die Andeutung eines Lächelns umspielte ihre Mundwinkel, und sie beobachtete ihn aufmerksam.

  • Seine Aufmerksamkeit, welche noch immer nach Innen gerichtet war, richtete sich auf die junge Frau ohne in die Wirklichkeit zurück zu kehren, darum war kein Erstaunen in Gracchus' Blick, denn sie schien ihm als würde sie in den Tempel hinein gehören, ihre Worte klangen weder neugierig, noch unpassend oder unhöflich in seinen Ohren, ihr Auftreten und ihre Erscheinung war nicht weniger fehl am Platze denn es eine epiphanen Gestalt hätte vermocht zu sein. Es war darum nicht nur das aufgewühlte Innere, welches Gracchus zu einer ehelichen und aufrichtigen Antwort bewog, zumindest zum Versuch einer solchen, obgleich es durchaus eines gewissen Ringens bedurfte, um jene zu fassen.
    "Es ist das, was uns alle hoffnungslos macht. Es ist all das, was wir nicht greifen, nicht beeinflussen können, dem wir machtlos ausgeliefert sind."
    Einen Herzschlag lang hielt er unsicher inne.
    "Vielleicht glauben wir auch nur dem machtlos ausgeliefert zu sein, doch wenn der Glaube stark genug wird, kann er schnell zur Wahrheit werden."
    Es war merkwürdig dies in einem Tempel auszusprechen, beruhte doch viel der Religio Romana aus staatlicher Sicht gerade auf eben diesem Grundsatz, dass der Glaube Wahrheit werden konnte, wo ursprünglich keine Wahrheit war. Und dennoch war es einer der Grundfeste der Gesellschaft, ebenso unumstößlich wie der Staat an sich.
    "Was macht es dann noch für einen Unterschied, was wir glauben und was wahr ist? Letztlich bleibt nur die Hoffnungslosigkeit übrig."
    Es war ein kläglicher Versuch, von Beginn an zum Scheitern verurteilt, das Chaos in seinem Inneren in Worte zu fassen, denn alles in ihm und alles um ihn schien ihm unfassbar, ungreifbar, als würde er im Regen stehen und versuchen alle Tropfen, welche vom Himmel fielen, in seinen Handflächen aufzufangen.

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  • Er schien nicht im Mindesten überrascht zu sein, dass sie ihn ansprach. So müde und unsicher klangen seine Worte, dass Valerias Augenbrauen sich mechanisch einander näherten, ein Ausdruck des Mitfühlens. Er sprach vom Schicksal, und Valeria fragte sich, warum es gerade Jupiter war, den er aufgesucht hatte, und nicht Fortuna, die ihm scheinends nicht mehr hold war. Er zweifelte mit seinen Worten jedoch nicht nur an dem Weg, den höhere Mächte für ihn vorgesehen hatten, das war ihr bewusst.


    "Und dennoch hast du den Göttervater aufgesucht", erwiderte sie auf seine Worte des Zweifels. "Ich weiß nicht, welcher Schicksalsschlag dich zermürbt, aber erfrischt das Gebet nicht die Hoffnungen eines jeden Herzens?"


    Valeria ertappte sich dabei, wie sie die Hände ein wenig gehoben und zueinander geführt hatte, ganz unterbewusst, um nicht den Fremden zaghaft am Arm zu berühren, was sie sonst zweifelsohne in einem tröstenden Versuch getan hätte. Sie brauchte sich keine große Mühe zu geben, ergriffen zu wirken, denn das war auch ohne Absicht der Fall. Als sie flüchtig den Blick senkte, gewahrte sie die mondförmige Sichel am Fußknöchel des Fremden, der vor ihr stand. Er musste demnach ein Patrizier sein.


    "Ist Hoffnungslosigkeit nicht schon eine vorweggenommene Niederlage?" fragte sie ihn lächelnd.

  • Derangierung mischte sich in Gracchus' impenetrablen Blick und er suchte unruhig forschend in den Gängen seiner Gedanken nach der Antwort auf ihre Frage, doch alle Türen blieben ihm verschlossen, sein Gedankengebäude schien nur noch aus leerem Mauerwerk zu bestehen, die Flure längst mit graufarbenem Staub bedeckt, die wenigen Türen, welche sich öffnen ließen, ihn beständig im Kreise zu führen. Schlussendlich schüttelte er langsam, indifferent den Kopf.
    "Nicht vorweggenommen, sondern endgültig. Denn was bleibt anderes nach Hoffnungslosigkeit?"
    Als seine Aufmerksamkeit aus der irrealen Realität seines Selbst zurück zum Gesicht der jungen Frau wanderte, deren Mundwinkel von einem zarten Lächeln umspielt wurden, klärte sich sein Blick und es schien, als würde er sie erst jetzt tatsächlich wahrnehmen, als würde er sich erst jetzt ihrer Person gewahr werden. Ihre Augen waren von gleichem, hellen Blauton wie die seiner Schwestern, wie es auch die Leontias waren gewesen.
    "Verzeih, es steht mir nicht zu, die gesamte Existenz zu Hoffnungslosigkeit zu verdammen. Es ist der desolate Tod einer nahen Verwandten, welcher mich in diesen Defätismus treibt, mir die Euthymie irreal scheinen und mich augenscheinlich vergessen lässt, wer ich bin."
    Wäre nicht das Durcheinander in seinem Inneren ein äußerst guter Garant gegen jegliche Zweifel von außen - selbst vom aus dem Inneren stammenden Äußeren, so hätte Gracchus vermutlich längst die Stimme seines toten Vaters in den Ohren vernommen, welcher sich über die prätentiöse Art seines Sohnes hätte echauffiert, welchem mitten in Rom jegliche Dignitas und Gravitas verlustig gegangen war. Doch eigene Zweifel und Hader in seinem Inneren aus sich selbst heraus übertönten dies längst.
    "Der Tempel des Iuppiter ist es, welchen ich aufsuche, da ich einst mein Leben in die Hände des Göttervaters gab und durch mein votum gebunden in seinen Dienst trat. Es gibt keinen Ort, an welchem ich ..."
    Obgleich es ihm ein wenig unangenehm war, dies vor einer ihm fremden Person einzugestehen, so war es doch bereits zu spät für ein Zurückweichen.
    "... an welchem ich mich geborgener fühlen könnte und an welchem mir meine Gedanken klarer sind als hier."
    Ein marginales Lächeln kräuselte nun auch seine Lippen.
    "Ich fürchte jedoch, die lustratio meiner Gedanken war am heutigen Tage nicht sonderlich erfolgreich, und augenscheinlich sind sie noch immer nicht völlig beieinander, da ich selbst die Etikette vergessen. Gestatte, mein Versäumnis nachzuholen und mich vorzustellen. Mein Name ist Flavius Gracchus."

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  • Sim-Off:

    *Wörterbuch zück* :P


    Die Augen der jungen Frau weiteten sich um eine Nuance, was ihr ein äußerst ernsthaftes Antlitz verlieh. Sie erinnerte sich der Depressionen, in die sie Maximian ein ums andere Mal gebracht hatte, als er tot geglaubt war, als er sie allein gelassen hatte. Wieder und wieder hatte er sie sich selbst überlassen, und wie schwer war es für sie gewesen, sich endgültig von ihm loszusagen. "Ich bin nicht jemand, der die Dinge beschönt, aber glaube mir: Ich weiß, was du empfinden musst, denn ich habe es selbst schon einmal erlebt. Doch nichts ist so hoffnungslos, dass wir nicht Grund zu neuer Hoffnung fänden", erwiderte sie. Mit einem verhaltenen, aufrichtigen Lächeln fuhr sie fort. "Es gibt nichts zu verzeihen. Vor den Göttern zählt, was wir im Herzen tragen. Ich bin mir sicher, dass Jupiter dich erhört hat."


    Noch ehe Gracchus sich vorstellte, ahnte Valeria, durch seine Worte auf die Idee gebracht, wen sie dort vor sich haben musste. Es war auch die besondere Art zu sprechen, die ihn verriet, gleichsam mit ihrem Wissen, dass ein Flavius Gracchus einst Sacerdos des Jupiter gewesen war und um den Austritt aus dem Cultus Deorum ersucht hatte. Sie konnte sein geschildertes Empfinden nachfühlen und nickte daher ein wenig, während er von der Geborgenheit sprach, die er empfand. Sie befand, dass er trotz des kaum sichtbaren Lächelns nicht glücklich aussah, und wer konnte es Gracchus schon verübeln, dass er einer ihm Unbekannten nicht zulächelte, hatte er doch vor kurzem erst eine Verwandte verloren? Dennoch schüttelte Valeria beruhigend den Kopf und verstreute seine Gedanken. "Das hier ist das Capitolium, wir sind nicht vor Gericht. Du hast dich nicht vergessen, Flavius, und da ich dich angesprochen habe, hätte ich mich sogar zuerst vorstellen müssen. Ich bin Decima Valeria und Priesterin der Iuno", sagte sie also und lächelte den Patrizier an. "Es ist schön, einen ehemaligen Sacerdos kennenzulernen, insbesondere, wenn halb Rom seine Fertigkeiten als geschiedener Decemvir rühmt und die andere Hälfte seinen Verdienst um die Götter zu loben und würdigen weiß."

  • Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus
    "Warum, Iove, warum nur?"


    Es kam selten vor, dass ihn ein Mensch so hemmungslos anrief, nur wusste Iuppiter nicht, welche Verzweiflung genau so vorherrschend im Leben des jungen Mannes war. Nur der Tod eines nahestehenden Menschen? Iuppiter bezweifelte dies arg und gleichzeitig sah er die Schranken, die sich Flavius selbst auferlegte. Ihr dummen Sterblichen! In eurer Egozentrik seht ihr euch nur selbst und steigert euch in euren Emotionen hinein!


    Ein leichter Luftstoß kam auf und wehte kurz durch den Tempel. Der Rauch von den Kohlebecken nahm dies zum Anlass, sich in zwei Nebelstränge zu teilen und ineinander verschränkt nach oben zu schweben, bis sich nach ein paar Momenten der Rauch langsam auflöste und für immer verschwand.

  • Zitat

    Original von Decima Valeria


    Sim-Off:

    Verzeihung.


    Vor den Göttern zählt, was wir im Herzen tragen. Es war dies, was er längst wusste, und was doch mit einem Male in sein Bewusstsein einschlug, jene Erkenntnis ob der eigenen Transparenz in diesem Hause, welche ihm augenblicklich als der schwerste Stein auf seinen Schultern, der abgrundtiefste Schlund seines Innersten erschien. Niemand musste je von der erdrückenden Schuld in seinem Inneren, von den devastativen Zweifeln über Recht und Wahrheit erfahren, und doch würden die Götter es wissen, wussten es längst und womöglich lag hier der Kern aller Misere, denn vor den Göttern gab es kaum etwas zu verbergen, gleich vor dem eigenen selbst. Von einem Anflug von Schrecken ergriffen wandte Gracchus seinen bangen Blick zum allgegenwärtigen Iuppiter hin, als würde dieser in eben diesem Moment in sein Herz blicken und ihn ob dessen über alle Maßen erzürnt in infinitesimal feine Schnipsel zerreißen wie ein Blatt missgefüllten Pergamentes. Ein Lufthauch zog in eben diesem Moment durch die Pforte des Tempels ein, verwirbelte die graufarbenen Räucherdämpfe und verwehte gleichsam die hauchdünnen Pergamentfragmente, welche bis eben noch die Gestalt eines Mannes hatten gebildet, in alle Richtungen hinfort, zerstreuten ihn in alle Windrichtungen, ohne dass Gracchus auch nur einen einzigen Fetzen von sich konnte fassen. Es wurde ihm blümerant vor Augen, die Welt löste sich gleich ihm selbst auf, seine Ohren waren erfüllt von Disharmonie, doch sein Äußeres zeigte nur ein kurzes Aufflackern von Orientierungslosigkeit, ein marginales Schwanken, nur ein Blinzeln, bevor er seine Aufmerksamkeit auf die Decima vor sich zwang, um ihren Worten zu folgen. Decima Valeria - Sacerdos im Dienst der Iuno. Er ließ ihren Namen von den Wänden seines Gedankengebäudes widerhallen, um nicht sein Ich im Wind zu verlieren, ihr Name sagte ihm nichts, ganz davon abgesehen, dass die Decima einige wichtige Männer in Rom stellten, doch ihre Profession erklärte ihre Anwesenheit, da sie vermutlich in der cella nebenan ihren Dienst verrichtet hatte. Und sie sprach weiter, von Rom, von ihm, seinem eigenen Dienst, Worte, an die verzweifelt er sich klammerte und ob deren paradoxen, sonderbaren Inhalts es einfach war, sich an ihnen voran zu hangeln.
    "Halb Rom?"
    fragte er, ob ihrer Worte dennoch erneut derangiert. Dass seine Fertigkeiten gerühmt und sein Verdienst um die Götter gelobt und gewürdigt werden sollten, dies war Gracchus nicht nur völlig neu - er hatte die Angewohnheit bereits den geringsten Anschein solcherlei mit untrüglicher Sicherheit nicht wahrzunehmen, sowie jegliche Beteuerungen eben jener Art seines Vetters und Geliebten Caius als verklärte Sinneswahrnehmung abzutun - es machte ihn gleichermaßen aufs Äußerste verlegen, sowohl aus seinem Inneren heraus, als auch um Worte. Einem anderen Patrizier hätte Gracchus eine mit sublimem Humor gewürzte Antwort entgegnet, ebenso einem Mann von höherem Rang, einem Magistraten oder Senator, denn solcherlei Worte gehörten zum alltäglich gesprochenen Satzgut, welches notwendig, doch nicht immer gänzlich ernst gemeint war. Einem Klienten oder Bittsteller hätte er ebenfalls seine Ehrlichkeit absprechen können, gehörte das Bauchpinseln dort doch nicht nur zum guten Ton, sondern gleichsam zum Repertoire der Zielrealisierung. Die Sacerdos vor ihm jedoch hatte keinerlei Motiv - zumindest keinerlei, dessen Gracchus derzeit konnte habhaft werden - ihm solcherlei zu schmeicheln, zumal sie noch immer im Inneren des Tempels standen, wenn auch bereits auf der Schwelle.
    "Ich habe nur meine Pflicht getan, im einen, wie im anderen Falle."
    Obgleich sich seine Worte hohl und leer, nach leblosem Gedankengut, geboren aus der strengen Ausbildung des patrizischen Standes und seiner Erziehung, mochten anhören, so entsprachen sie doch seiner tiefen, inneren Überzeugung, dass ein einmal erlangtes Amt mit nicht weniger durfte erfüllt werden, als der bedingungslosen Hingabe, dem aufopferungsvollen Einsatz persönlicher Kraft und der Hinnahme jeglicher Entbehrung, welche sie mit sich bringen mochte. Obgleich einige Patrizier diese Pflichten nicht mehr achteten und selbst an ihrer Sinnhaftigkeit zweifeln mochten, so stellten sie für Gracchus jene Werte dar, welche seinen Stand von dem der Masse unterschied, und hielten die Patrizier nicht an eben jenen Grundsätzen fest - aus Bequemlichkeit, Trägheit oder sonstiger Wesensart - so brauchten sie gleichermaßen nicht jene Art von Anerkennung ihres Standes zu erwarten, auf welcher sie trotz allem beharrten. Er selbst mochte nicht den Weg gegangen sein, welchen sein Vater und mit ihm die Familie für ihn hatten vorgesehen, doch immer war er seinem eigenen Weg beständig mit jener Überzeugung gefolgt, sie hatte ihn durch den Cultus Deorum getragen, ihn durch seine magistratischen Amtszeiten begleitet, und letztlich auch dazu geführt, dass er den Cultus verlassen hatte, da ihm allein der Gedanke zuwider gewesen war, ein Amt samt einer Pflicht inne zu haben, gleichsam dieser jedoch nicht nachzukommen.
    "Du bist Priesterin der Iuno?"
    Fragte er überflüssigerweise, im Versuch, damit von seiner eigenen Person abzulenken.
    "Hast du die Verantwortung für die cella nebenan übernommen?"
    Jene Sacerdos, welche zu derjenigen Zeit, zu welcher Gracchus für die cella des Iuppiters in diesem Tempel war verantwortlich gewesen, ihren Dienst hauptsächlich in der cella der Iuno verrichtet hatte, war eine ältliche Frau gewesen und hatte bereits oft davon gesprochen, den Cultus Deorum bald zu verlassen, weshalb seine Frage nicht jeglicher Logik entbehrte.
    "Ist dir bekannt, wer sich derzeit für die Belange des Iuppiter einsetzt?"

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