[Capitolium] Templum Iovis Capitolini

  • [Blockierte Grafik: http://img828.imageshack.us/img828/8051/galvas.jpg| Galvas Corbis


    Der Aedituus nickte und wies vage um den Tempel herum zu den Räumen, die sich im Tempelpodest befanden und von den Seiten oder der Rückseite des gewaltigen Bauwerkes zugänglich waren.
    "Du kannst dich in einem der Wirtschaftsräume vorbereiten, dort bist du ungestört. Wir haben einen kleinen Waschraum für die Opferhelfer, dort gibt es auch frisches Wasser."
    Fließendes Wasser gab es so weit über der Stadt nicht und auch keinen Brunnen, so dass mehrmals am Tag einige Wasserträger den capitolinischen Hügel hinab und wieder hinauf geschickt wurden. Das Wasser in den Waschbecken der Cellae sollte schließlich immer frisch sein und auch wenn nicht alle Tage ein großes Opfer anstand, so wurden zumeist auch die kleineren Opfertiere direkt am Tempel gekocht.
    "Dem victimarius werde ich Bescheid geben, dass er sich am Altar einfinden soll."



    MFG

  • „Ich danke dir“, antwortete Seiana dem Aedituus, bevor sie sich abwandte und zu einem der Wirtschaftsräume ging, zu denen der Mann gewiesen hatte. Im Inneren angekommen suchte sie nach dem Waschraum, wo sie zunächst einen Augenblick innehielt und bewusst versuchte, sich zu sammeln, sich zu beruhigen. Zeit. Nichts bräuchte sie mehr als Zeit in diesem Moment, mehr Zeit – aber die hatte sie nicht. Und es brachte nichts, nun zu hetzen, nicht in dieser Sache. Sie musste sich sorgfältig vorbereiten, dieses Opfer war ihr zu wichtig, um es durch einen Fehler, geboren aus Flüchtigkeit oder Hast, zu gefährden. Sie begann sich zu reinigen, löste dann die Spangen in ihren Haaren, bis sie offen über ihre Schultern fielen, zog die leichten Sandalen aus und drapierte das weiße Tuch über ihren Kopf, das sie mitgebracht hatte. Mit einer Ruhe, die sie innerlich nicht wirklich empfand, verließ sie den Raum dann wieder und betrat das Innere des Tempels, wo sie sich dem Altar der Minerva zuwandte, der zur Rechten des Iuppiter zu finden war. Ihre Sklaven hatten bereits alles vorbereitet, was sie hier drinnen benötigte, so dass sie nicht mehr warten musste. Mit einer Handbewegung scheuchte sie die Sklaven fort und trat dann an den Altar heran.


    „Minerva Tritonia, Custos Urbis.“ Mit ruhigen Handbewegungen verteilte Seiana Weihrauchkörner in den Feuerschalen auf dem Alter, wo sie mit einem leisen, knisternden Geräusch anfingen zu rauchen, zu brennen, und nur einen Moment später kräuselte sich der erste, feine Rauch nach oben und begann, den Altar und die nähere Umgebung nach und nach mit seinem typischen Geruch zu erfüllen. Seiana hob die Hände, richtete die Handflächen nach oben. „Ich rufe dich, weiseste aller Göttinnen, Schutzpatronin der Künstler, Handwerker und Lehrer, und bitte dich um deinen Beistand.“ Sie wartete, geduldig, ließ den Weihrauchgeruch sich verbreiten und sie gänzlich einhüllen, bevor sie die Hände herabnahm und die Gaben für das Voropfer auf den Altar legte: Blumen und Früchte, Dinkelkekse, und ein silbernes Amulett, das ihrer Mutter einst gehört hatte. Es fiel Seiana schwer, sich davon zu trennen, hatte sie doch nicht viele Andenken an ihre Mutter, und diese wenigen hütete sie wie einen Schatz. Aber wie auch bei der Entscheidung, dass sie der Göttin ein Rind opfern würde und kein kleineres Tier, zählte auch hier einzig, wie wichtig ihr dieses Opfer war, wie sehr sie Unterstützung brauchte. Sie verteilte die Gaben auf dem Altar und hob ihre Hände erneut, wieder in der gleichen Geste. „Minerva Perspicax, leih mir deine Weitsicht. Kläre meinen Verstand, befreie ihn von den menschlichen Fesseln, die ihn einengen, und leih mir für kurze Zeit deinen göttlichen Scharfsinn, auf dass ich so weise sehen kann wie du, was richtig ist, so weise entscheiden kann wie du, wo mein Weg hinführen muss.“ Sie hatte noch kurz überlegt, ob sie die Göttin um einen Hinweis auf eine mögliche Lösung bitten sollte… natürlich hatte sie das. Aber sie hatte sich dagegen entschieden. Sie war der Überzeugung, dass die Beziehung zu den Göttern so nicht funktionierte, oder wenn dann nur selten – und ein Gefallen wie dieser wäre ein sehr großer gewesen. Das, worum sie nun hingegen bat, war kleiner, deutlich bescheidener… und sie wollte ja durchaus auch selbst eine Lösung finden. Sie brauchte nur… sie brauchte eben Unterstützung, um klar denken zu können, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr Verstand schon ganz benebelt war von all den Ereignissen des letzten Tages, von den Grübeleien der vergangenen Nacht, den Ideen, entstanden und verworfen und wieder aufgegriffen und wieder verworfen, den Irrwegen, die ihre Gedanken genommen hatten… und nicht zuletzt der Schlaflosigkeit. Und sie hoffte, betete, dass Minerva ihr dies gewährte, dass sie ihr einen klaren, kühlen Kopf schenkte, unbeeinflusst von Müdigkeit, Ablenkungen und Schwäche, für diesen einen Tag. Sie musste etwas finden, was sie dem Terentius anbieten konnte, damit er sie nicht verhaftete und versuchte, sie anzuklagen wegen Hochverrats. Sie musste. Denn mittlerweile, mit einem Tag Abstand zu der Befragung, war Seiana überzeugt davon, dass er einen Weg finden würde, ihr das Schicksal angedeihen zu lassen, das er ihr angedroht hatte. Er musste ihr nur genug anhängen. Er musste nur das, was er bei ihr gefunden hatte, weit genug verdrehen und noch genug ähnliches, aber fingiertes Material hinzufügen, dass es für eine Anklage und einen Prozess reichte – und dann die Richter bestechen, um das Urteil zu bekommen, das er im Sinn hatte. Als Praefectus Praetorio war das ganz sicher kein Ding der Unmöglichkeit für ihn. Ihr musste etwas einfallen. Sie hatte gar keine Wahl. „Lass mir bitte deine Unterstützung, deine Hilfe zuteil werden, Minerva.“ Das letzte war leiser gesagt, persönlicher. Einen Moment lang verharrte Seiana noch, wie sie war, dann beendete sie das Voropfer mit einer Drehung nach rechts, bevor sie den Tempel verließ, um wieder auf den Vorplatz zu gehen – wo das Hauptopfer vollzogen werden würde.

  • MINERVA war gerade damit beschäftigt einem Philosophen - von diesem natürlich unbemerkt - bei seinen Gedanken zu lauschen als sie den zarten Duft von Weihrauch vernahm. Wie gern hätte sie weiter dem Philosophen gelauscht doch der Weihrauch zog ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich und so begab sie sich zum Ursprungsort der Rauchfahne. Es war Roma. Hier fhlte sie sich besonders wohl und sie fand die Statue von sich auch besonders gelungen. Man konnte sagen, dass die Göttin hier sehr gern war. Als sie nach dem Verursacher suchte, fand sie eine Frau. Das Voropfer gefiel ihr sehr gut. Sie lieh also dieser Sterblichen ihr Ohr. Dass die Frau ein ihr so wichtiges Stück opferte, zeigte sehr deutlich wie wichtig es war. Gespannt lauschte sie den wieteren Worten. Ihre Weitsicht war also gefragt. Sie besah sich die Gedanken näher und tatsächlich war es ein großes Durcheinander. Das Opfer gefiel ihr bisher und diese Frau meinte es ehrlich. Außerdem sah MINERVA auch, dass sie wirklich Hilfe benötigte. Gespannt folgte sie der Frau hinaus. Wenn die Bittstellerin genau in sich hineinhorchte würde sie bemerken, dass die Göttin an ihrer Seite war und eine angenehme Ruhe würde sie erfüllen. Ob sie von dieser Ruhe erfüllt werden würde, hing ganz von ihr ab. MINERVA hat ihr Mögliches getan und wartete weiter ab ehe sie ihr abschließendes Urteil fällen würde.

  • Als Seiana nach draußen trat, fühlte sie sich nicht mehr ganz so... gehetzt, aufgerieben, getrieben. Vielleicht lag es am Weihrauch, vielleicht an der Atmosphäre, vielleicht auch einfach nur daran, dass sie langsam an die Grenze dessen kam, was ihr Kopf im Moment überhaupt noch leisten konnte, aber ihre Gedanken kamen ein wenig zur Ruhe. Woran auch immer es lag: Seiana war dankbar dafür. Es änderte nichts an dem unterschwelligen Gefühl der Furcht, das sie beherrschte, aber die Panik, die zu bekämpfen sie so mürbe machte, ließ nach, und an ihre Seite gesellte sich ein Gefühl der... nicht Resignation, denn das hieße, sie hätte die Hoffnung aufgegeben, aber... des Gleichmuts.


    Das Rind war bereits hergebracht worden. Weiß strahlte es im Sonnenlicht, die Wollbinden hoben sich blutrot von seinem Fell ab, und auch sonst sah das Tier wunderbar aus. Hervorragend geeignet für ein Opfer. Seiana hoffte nur, dass die Göttin es auch annehmen... und ihr helfen würde.
    Während es zum Altar ging, lauschte Seiana der Musik, die die Tibicines auf ihren Doppelflöten spielten, hörte den Ruf Favete linguis, ließ sich mit Wasser besprengen und reinigte ihre Hände ein weiteres Mal. Die Kuh stand die gesamte Zeit über ruhig da... gelegentlich pendelte ihr Schwanz von einer Seite auf die andere, oder ein Schauer lief über ihren Körper und ließ ihr Fell hie und da zucken... Davon abgesehen war das Tier ruhig, so ruhig, dass es kaum die Ketten gebraucht hätte, mit denen es am Altar befestigt war, und damit deutlich ruhiger, als Seiana sich nach wie vor fühlte, trotz der leichten Verbesserung ihrer Gefühlslage. Sie würde ihren Sklaven später eine kleine Belohnung geben, dafür, dass sie das Tier so gut vorbereitet hatten, beschloss sie, während sie einem der Ministri mit einem Nicken zu verstehen gab, dass er die Kuh nun mit mola salsa bestreichen sollte. Anschließend nahm er der Kuh den Schmuck ab... und Seiana ließ sich das Opfermesser reichen. Sie trat an das Tier heran, nun wieder zunehmend unruhiger als nach dem Voropfer, aber was sie nun brauchte, war Konzentration. Konzentration auf das hier, auf dieses Opfer. Ihre Gedanken jetzt schweifen zu lassen brachte nur das Risiko, dass ihr ein Flüchtigkeitsfehler unterlief. Und so beherrschte sie sich, verströmte Gelassenheit nach außen und zwang sich innerlich zur Ruhe. In einer in höchstem Maß kontrollierten, bewussten Bewegung setzte Seiana das Messer am Kopf des Tiers an und strich damit den Rücken entlang, bis sie beim Schwanz angelangt war, bevor sie es wieder absetzte. Sie reichte das Messer wieder zurück, hob ihre Hände wie schon zuvor im Tempel vor dem Kultbild, richtete die Innenflächen nach oben. „Minerva Tritonia, Custos Urbis.“ Der Anfang war bewusst derselbe, den sie bereits zuvor gewählt hatte. Schutzgöttin Roms, in Seianas Augen war das eine der wichtigsten Funktionen Minervas. „Hüterin des Wissens. Kein Rätsel ist dir zu groß, keine Aufgabe zu schwer... Mit Geschick und Verstand vermagst du die zu unterstützen, die dich um deine Hilfe ersuchen. Ich bitte dich nun, lass auch mir deine Hilfe zuteil werden. Schenk mir einen klaren Blick auf die Aufgabe, die sich mir stellt, und verleih meinem Verstand die Schärfe, die er braucht, um eine Lösung zu finden. Blick mit Wohlwollen auf mich, auf dass ich den richtigen Weg gehen kann, Minerva Praestes. Do ut des.“


    Einen Augenblick blieb Seiana noch stehen, und obwohl sie die Musik hörte, die nach wie vor spielte, kam es ihr für Augenblicke doch so vor, als käme sie wie von weiter Ferne, oder als sei sie in einen Kokon gehüllt, der verhinderte, dass sie irgendetwas klar hören konnte, was sich nicht in ihrer unmittelbarsten Nähe abspielte... Sie atmete tief ein und wandte sich dann nach rechts ab, ließ den Victimarius vortreten, der gleich darauf ein „Agone?“ von sich hören ließ. Seiana nickte leicht und antwortete: „Age.“
    Mit einem Hammer betäubte der Victimarius die Kuh zunächst, bevor er ihr mit einem sauberen, raschen Schnitt problemlos die Kehle durchtrennte. Das Tier sackte wehrlos in sich zusammen, und Blut sprudelte aus der Wunde hervor, hellrotes Blut, das sich verteilte, Unmengen davon, und für einen winzigen und doch zugleich zeitlosen Augenblick sah Seiana, wie das Blut sich ausbreitete, über den Boden floss, in schmalen Schlieren, wie es mit tanzenden Tropfen um sie herum einen Kreis schloss, und obwohl sie nicht an sich hinunter sah, sondern ihr Blick auf die weiße Kuh geheftet blieb, die ihr Leben aushauchte, meinte sie doch zu spüren, dass auch Blut von ihr herabtropfte, aus Wunden, die sich von innen heraus geöffnet hatten, dass es ihren Körper hinablief und sich vereinigte mit dem Blut auf dem Boden... Seiana blinzelte, und das Bild, das sie nach wie vor in ihren Träumen heimsuchte und ebenso nach wie vor gelegentlich in den Tag hinein begleitete, verschwand. Die Kuh lag am Boden, leblos, und in eben jenem Moment machte sich der Victimarius daran, sie zu öffnen und die Eingeweide in eine Patera zu legen, so dass sie begutachtet werden konnten.

  • Ehrfürchtig betrat der junge Tiberier den Tempel des Jupiter Optimus Maximus Capitolinus, jenem Heiligtum, welches einem durch seinen bloßen Anblick in Atemlosigkeit versetzen kann. Dort ragten die korinthischen Säulen hoch in die Luft und die Türen erstrahlten in goldenem Prunk. Ein großer Tag, um sich Huld und Beistand des alles überragenden Iuppiter zu sichern.


    Lepidus hatte sich besonders darum bemüht ein passendes Lamm zu finden. Er bevorzugte das Lamm, wie so viele, weil es ein friedliches Opfertier war, welches sich in den meisten Fällen willig seinem Schicksal fügte. Dies war auch bitternötig, ein Tier, was sich allzu sehr wehrte, wurde von den Göttern nicht angenommen und hatte gute Aussichten den Tag zu überleben. Das Tier sollte optimalerweise schon etwas Dicker sein und so nahm er das fetteste Tier, welches er beim Händler kaufen konnte und von dem ihm versichert wurde, dass es nur auf den besten Weiden gemästet wurde. Die Größe stellte ihn zufrieden, ging ihm das Lamm doch ein paar gute Zentimeter über die Kniekehlen. Für die Opferung wurde das Tier mit kleinen Zierden geschmückt.


    Lepidus wurde von ein paar Sklaven begleitet, die ihm bei der Opferung halfen und das Lamm mit sich führten und in die entsprechende Position auf den Tempelvorplatz brachten. Der Tiberier selbst wusch sich am Eingang des Tempels sorgsam die Hände. wieder und wieder ließ er seine Hände ins kühle Nass eintauchen. Wahrscheinlich tat er dies ein wenig zu oft, aber irgendwie hatte er diesen Tick und wollte für das Opfer so rein wie möglich sein. Er war in weißer Toga erschienen und zog einen Teil davon über den Kopf. Durch die capitis velatio war er für alle als der Opfernde zu erkennen, gleichsam half ihm die Abdeckung sich vor Ablenkungen zu schützen. Des Weiteren überließ er einem Sklaven seine calceus patricius, um das Opfer barfüßig durchzuführen.


    Im Inneren ging er auf den foculus des Iuppiter zu. An der Feuerstelle ließ er den Weihrauch seinen Duft versprühen und nahm Verbindung zu den Göttern auf. Nachdem Ianus die Verbindung zu Iuppitter herstellen sollte, sprach er sein Gebet und richtete Handflächen nach oben.
    "Oh, gewaltiger Iuppiter Opitmus Maximus. Herrscher des Himmels. Beschützer des Staates, des Hauses, des Hofes und der Familie, der du Rom zu Ganz und Größe verholfen hast. Stets erbrachte ich dir treu meine Ehrerbietung und bin derjenige, der dir immer loyal dienen und opfern wird. Auch heute möchte ich dir opfern und dich bitten, oh großer Iuppiter, so wie du stets in das Wirken und Schaffen Roms eingegriffen hast, so lege auch über mein Haupt und den Häuptern meiner Familie deine schützende Hand. Gib mir Kraft in diesen schweren Zeiten, wo ein Mann wie ich, von edler Familie stammend, sich seinen Platz erkämpfen muss. Ebne mir den Weg und lass die Gens Tiberia wieder in Glanz erstrahlen und ich werde dir noch viel größere und gewaltigere Opfer darbieten. Was heute mit einem Lamm beginnt, soll mit 1000 Stieren seinen Fortlauf nehmen. Großer Iuppiter, ich ehre dich!"


    Lepidus wandte sich nach rechts ab. Bevor er auf den Vorplatz des Tempels schritt, verneigte er sich noch einmal vor der Statue des Iuppiter. Am Opferaltar angekommen, auf dem sich traditionell die caespites lagen, stand bereits das Lamm seelenruhig da. Es wurde nun mit Wein und gesalzenem Dinkel übergossen. Anschließend wurde dem Tier sämtlicher schmuck abgenommen und Lepidus, der sich von einem Sklaven das Opfermesser hatte reichen lassen, zeichnete nur symbolisch einen strich von Kopf bis zum Schwanz, was die Entkleidung andeutete. Wieder richtete Lepidus seine Handflächen nach oben.


    "Oh, gewaltiger Iuppiter Opitmus Maximus. Herrscher des Himmels. Beschützer des Staates, des Hauses, des Hofes und der Familie. Nimm dieses Opfer als Zeichen meiner uneingeschränkten Ergebenheit. Ich danke dir für das Erhören meiner Gebete. Lass mich der willige Vollstrecker deines Willens sein."


    Der Tiberier ließ seine Hände sinken und wandte sich erneut nach rechts ab. Er war geradezu ergriffen von diesem Augenblick und überließ das Opfermesser dem cultarii. Nun würde der victimarius die alles entscheidende Frage stellen: "Agone?" und auf diese gab es nur eine Antwort: "Age!" rief Lepidus mit voller Inbrunst und der Hammer viel auf den Kopf des Lammes nieder, welches sofort in Ohnmacht fiel. Sehr schnell war der cultarii und setzte einen tiefen Schnitt und das Blut spritzte. Welch herrlicher Anblick. Nun müssten nur noch die Eingeweide auch gute Nachrichten überbringen...

  • Der Göttervater hatte alle Hände voll zu tun in diesen Tagen, denn in Zeiten des aufziehenden Bürgerkriegs wandte sich nahezu jeder an ihn, der einflussreich war oder sich für einflussreich hielt, um diesen Einfluss zu schützen und am besten noch zu mehren. Trotzdem nahm sich Iuppiter auch Zeit für die anderen. Auch, wenn sie ihm Stiere versprachen, die üblicherweise Mars vorbehalten waren. Und auch, wenn sie 1000 davon versprachen, was wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ernst gemeint war. Für den Opfernden sicherlich ärgerlich war, dass der Göttervater in solch stressigen Zeiten wenig Geduld dafür aufbrachte, das Anliegen genauer zu prüfen und daher kurzerhand wegen Formfehlern kein gutes Zeichen in den Eingeweiden des Lamms zurückließ.

  • Welch Schmach, unsägliche. Im Boden hätte der Tiberier versinken müssen, wäre er nicht von Natur aus ein völliger Ignorant schlechter Nachrichten gewesen. Das Lamm musste falsch ausgesucht worden sein! Einen Müll hatte man ihm da angedreht! Überzeugt war er, dass es doch unmöglich sein Fehler gewesen sein konnte. Wenn noch jemand anderes sein Gebet wirklich gehört hätte, dann hätte er wohl mit dem Kopf schütteln müssen bis dieser ihm vom Hals gefallen wäre. Hatte der Tiberier tatsächlich Stiere gesagt? Welch ein religiöser Trottel er doch war. Warum ihm das auch immer einfiel. Kein Wunder, dass Iuppiter dies Opfer nicht annahm, rechnete er doch irgendwann fälschlicherweise Stiere vorgesetzt zu bekommen. Als der Bauchraum geöffnet wurde und der Aedituus die Eingeweidenschau begann, ahnte Lepidus bereits nichts Gutes und dann blieb das erlösende "Litatio!" aus. Iuppiter nahm das Opfer nicht an und es musste wohl wiederholt werden. Zähneknirschend nahm der Tiberier dies hin. Er hatte nun die Möglichkeit das Opfer abzubrechen und zu konstatieren, dass es der falsche Zeitpunkt für die Opferung war oder ein Ersatzopfer durchzuführen bis die Gottheit es annahm. Für letzteres hätte er wohl noch ein Opfertier heranschaffen und bezahlen müssen. Er beschloss das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Er würde das Opfer für den Moment abbrechen, aber schon bald zurückkehren und ein noch viel größeres Opfer zu ehren Iuppiters vollbringen, so zumindest seine verwegene Überlegung.


    Ja, guter Tiberius Lepidus. Was soll nur jemals aus dir werden? Bisher taugst du zu nichts und selbst die Götter verschmähen dich.

  • Lepidus kam am Tempel an, jenem großen Ort, von dem er vor kurzem noch so unglücklich von dannen ziehen musste. Er hatte einige Sklaven im Schlepptau, die er jedoch anwies vorerst draußen zu warten. Als er das Gebäude betrat, gingen ihm alle möglichen Dinge durch Kopf. War er ausreichend vorbereitet? Würde er erneut scheitern? Würden die Götter ihm überhaupt Aufmerksamkeit schenken? Wie konnte jemand wie er überhaupt noch Hoffnung haben diese Zeiten zu überstehen, wenn selbst die Götter ihn verlassen hatten? Diesmal musste alles ganz anders werden. Das nächste Opfer musste ein großes sein, der Fehler vom letzten Mal durch ein weiteres Opfer gesühnt werden.


    Lepidus blickte sich um, seine Augen suchten nach einen Aeditus.


  • Zurzeit fanden viele Bürger Roms den Weg in die Tempel. Daher waren die Tempelverwalter gefragter als denn je und vor allem ausgelasteter. Doch als einer von deren etwas Zeit erübrigen konnte, sah er einen jungen Mann am Eingang stehend, fragend ging er zu ihm.


    "Salve, wie kann ich dir denn behilflich sein?"


  • Es dauerte seine Zeit bis Lepidus sich den entsprechenden Überblick verschafft hatte. Glücklicherweise sprach ihn bald von ganz allein ein Tempelverwalter an. Der Mann schien bereits in einem gesetzten Alter zu sein und das graue Haar entsprach den typischen äußerlichen Erwartungen, die man von jemandem hatte, der den Posten eines Aedituus bekleidete - zumindest fand dies der Tiberier. Bevor er mit seinen Gedanken noch weiter abschweifte, stellte er sich entsprechend vor: "Salve, meine Namen ist Lucius Tiberius Lepidus." Das Nomen Gentile betonte er immer recht stark. "Ich bin gekommen, um Iuppiter ein Opfer darzubringen. Nicht irgendeines, sondern ein größeres Opfer; unter anderem soll Iuppiter ein ganzes Rind dargebracht werden. Falls möglich, soll es sehr zeitnah stattfinden."


  • Ein Opfer für Iuppiter war immer ein Ereignis gewesen, weil dieser wie bekannt große Tiere geopfert bekam. Nachdenklich schaute er auf die Hände des Opferherrn.


    "Ah, interessant! Dann hoffen wir mal du bist nicht umsonst gekommen. Kann ich davon ausgehen, dass dein Rind hellhäutig ist? Ein Ochse? Welches Alter? "


    Er müsste wohl gleich ein paar Opferhelfer informieren, denn allein wird der es nicht schaffen und das vor dem Tempel einige Sklaven warteten, konnte er nicht erahnen.


    "Du hast ebenso Glück, dass sich niemand für ein weiteres großes Opfer gemeldet hat, zurzeit geschieht das nämlich des Öfteren."


  • "Ausgezeichnet!", stieß er sogleich erleichtert aus als er hörte, dass derzeit kein weiteres großes Opfer angekündigt wurde. "Ich habe bereits alles nötige dabei und ein paar Sklaven warten draußen mit den entsprechenden Gaben. Es war mir möglich einen erstklassigen Ochsen auf dem Forum Boarium zu erstehen. Er ist in mittlerem Alter und weiß wie meine Toga." Zwar war das Rindvieh von sich aus schon weiß genug, aber Lepidus veranlasste mit Kreide noch etwas nachzuhelfen - ein häufig praktizierter 'Trick'. Des Weiteren wurde Lepidus versichert, dass das Tier absolut gesund sei. Ein halbes Vermögen musste er dafür hingeben und dies bei seiner ohnehin schon knappen Finanzlage...


    "Habt ihr zufällig noch ein paar zusätzliche Flötenspieler zur Verfügung? Ich würde dann auch gleich meine Helfer anweisen und mit der persönlichen Reinigung beginnen." Womit er vor allem seine Hände meinte, die absolut sauber für den Akt sein mussten.


  • Zufrieden schaute er.
    "Dann hast du alle Vorkehrungen betreffend der Auswahl des Opfertieres getroffen. Ich werde einen Victimarius zum Altar schicken, damit er dich ebenso unterstützt. Er wird auch Dinge für das Schmücken des Ochsen zur Verfügung stellen. In der Zwischenzeit kannst du dir dort hinten im Raum vorbereiten und waschen." Er zeigte in Richtung Norden. "Wünschst du die Verwendung von mola salsa? Wenn ja, bieten wir für zehn Sesterzen reichlich an." Es war nichts ungewöhnliches das die Tempelverwalter gewisse Sachen gegen bares anboten. "Natürlich, ich werde die Flötenspieler informieren." Der Victimarius wurde informiert und begab sich zu den Sklaven, um zum einen die Dinge zum Schmücken bereit zu stellen, aber auch um den Ochsen zu begutachten. Der Opferherr war meistens der Meinung gewesen, dass sein Tier den Göttern genüge, doch waren die Diener des Tempels eines besseren belehrt. Er schaute sich das Tier penibel genug an und sein geschultes Auge konnte nichts feststellen, was dem Opfervorgang vorerst ein Ende bereitet hätte.



  • "Mola salsa? Natürlich, ich bitte darum!" Diese zehn Sesterzen waren es ihm schon wert. Schließlich sollte heute ausnahmsweise mal alles perfekt sein. Der Tiberier wusste, dass er sich heute kaum einen Fehler erlauben durfte. Zu sehr lag noch das gescheiterte Opfer wie eine schwere Last auf ihm. Der große Herrscher des Himmels war nicht zufrieden. Der Tiberier musste nun alles tun, um ihn zu besänftigen. Iuppiter wurde in der Tat sehr häufig geopfert in diesen stürmischen Zeiten. Die Aufmerksamkeit des Gottes konnte also kaum noch mit kleinen Opfern erreicht werden, doch ein großes blutiges Opfer könne ihn womöglich zufrieden stellen und wäre womöglich eine angemessene Form der Instauratio, so zumindest das Kalkül des Tiberiers.


    Lepidus begab sich nach der Unterredung mit dem Aedituus auch noch einmal selbst zu den Sklaven und gab ein paar Instruktionen. Er hatte für den Ochsen auch noch einiges Schmuckwerk mitbringen lassen, damit dieser wirklich makellos und in beeindruckender Weise später zur Opferung geführt werden konnte. Als der Victimarius das Tier begutachtete und für ordentlich befand, erleichterte dies den Tiberier ungemein. Immerhin schien er auf dem Viehmarkt nicht über den Tisch gezogen worden zu sein. Teuer genug war dieses Ding jedenfalls, nun sollte es auch gebührend für Iuppiter sterben.


    Anschließend ging Lepidus in die angewiesenen Räumlichkeiten. Noch einmal wusch er sich gründlich. Wieder und wieder säuberte er seine Hände, fast schon als wäre dies zwanghaft. Er legte sein Schuhwerk ab und war fortan Barfuß und darüber hinaus zog er einen Teil seiner strahlend weißen Toga über den Kopf. Für einen Moment blieb er in sich gekehrt und ging alles noch einmal im Kopf haargenau durch. Selbst dieser Patrizier, der sonst so tat als würde ihm die Welt gehören, zeigte sich respektvoll und nervös im Angesicht der Götter.


    Langsam kam Lepidus nun in das Tempelinnere. Sein Schritt war wirklich äußerst sanft und er versuchte eine bedächtige Ruhe auszustrahlen. Er ging auf den foculus des Iuppiter zu, wo die Sklaven bereits alles nötige vorbereitet hatten. Vor allem die Opfergaben standen schon bereit und er konnte sich nun ganz auf die Anrufung des Gottes konzentrieren. Für einen Moment blieb er wortlos stehen, den Kopf gesenkt, bevor er nun den Weihrauch zu entzünden. Der Geruch stieg ihm sofort in die Nase und nun wurde die Verbindung zu Iuppiter hergestellt. Lepidus hielt seine Hände nach oben. "Oh ehrwürdiger Iuppiter Optimus Maximus, Herrscher des Himmels, Beschützer des Staates, des Hauses, des Hofes und der Familie. Erhöre mein Gebet und nimm diese Gaben an."


    Nun begann Lepidus die Gaben für Iuppiter darzulegen. Darunter befand sich etwas Gepäck, eine stolze Anzahl an Früchten und ein paar Blumen. Auch ein Weinopfer hatte der Tiberier darzubringen. Er ließ sich das simpuvium für die Weinspende reichen und ließ das wohltuende Getränk in die dafür vorgesehenen Schalen am Altar tropfen. Erneut reckte er seine Handflächen nach oben. "Oh ehrwürdiger Iuppiter Optimus Maximus, Herrscher des Himmels, Beschützer des Staates, des Hauses, des Hofes und der Familie. Wieder stehe ich hier und erbitte deinen Beistand für mich und meine Familie. Lege deine schützende Hand über jeden Tiberier, schenk uns Kraft, damit wir dir und Rom für den Rest unseres Lebens dienen können und helf uns diese schwierigen Zeiten zu überstehen. Für die Tiberier, für Rom und das Reich!" Mit einer Drehung nach rechts beendete Lepidus das Gebet. Die erste Etappe war genommen. Sein Gebet empfand der Tiberier diesmal deutlich bescheidener als beim letzten Mal. Möge dies die nötige Unterwürfigkeit unter den Herrscher des Himmels symbolisieren an der es beim ersten Mal womöglich mangelte.


    Als es nach draußen ging und nun der wichtigste Teil des Opfers seinen Lauf nehmen würde, musste der Tiberier noch einmal tief einatmen auf das sich das Opfer nun wirklich in einer angemessenen Weise zu Ende führen ließ. Draußen angekommen konnte er bereits die Opferhelfer, Victimarius und natürlich auch sein prächtiges Opfertier bewundern. Es war bereits die Aufforderung zur Stille erklommen und das einzige, was man hören konnte waren die wohltuenden Klängen der tibicines und fidicines, die neben dem wohltuenden Klang auf die Funktion hatten das Opfer vor störenden Lauten abzuschirmen.


    Zum Glück wurde Opfertier diesmal äußerst gründlich geprüft, auch der Victimarius gab seine Bestätigung. Irgendein Zeichen von Krankheit oder gar Verstümmelung hätte diesen wahrscheinlich sofort abgeschreckt, aber Tier schien nun wahrlich hostia optima zu sein. Das Rindvieh strahlte in einem vollständigen weiß und die Kreide hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Gleichsam wurde das Tier stark geschmückt und ein Kranz zierte das Haupt. Dem Ochsen wurden Binden (infulae) um die Stirn gebunden, an denen wiederum einige Bändchen hinunter ragten, die einen scharlachroten Farbton hatten. Darüber hinaus wurde dem Tier eine Decke auf den Rücken gelegt, ein breites buntgerändertes Tuch, das in Fransen auslief. Und die größte Verzierung waren zweifellos die goldenen Hörner. Ruhig und bedächtig wurde das Tier zum Opferplatz geführt.


    Lepidus nahm nun mola salsa, die ihm gerade noch verkauft wurden streute sie über das Opfertier, aber auch über die entsprechenden Opferinstrumente. Alle Augen waren auf den Tiberier gerichtet, der nun auch das Opfertier durch den Überguss von Wein weihte. Die Flüssigkeit überströmte das Tier, welches ein wenig zuckte, aber dennoch alles über sich ergehen ließ, ganz wie es sich der Opferherr vorgestellt hatte. Auch das Opfermesser wurde mit Wein bedacht. Ein kurzes Betrachten des Opfertieres und das Zeichen zur Abnahme sämtlichen Schmuckes wurde gegeben. Die schöne Verzierung musste nun weichen, zurück blieb ein schlachtbereiter Ochse. Lepidus ließ sich das Messer reichen und zog einen symbolischen Strich von der Stirn des Tieres bis zum Schwanz, seine Hände schienen leicht der Unruhe zu verfallen, doch er hatte sich unter Kontrolle, so dass es nur dem wirklich Aufmerksamen aufgefallen wäre. Die Nervosität war aber wohl für alle nachzuvollziehen. Er gab das Opfermesser wieder ab und brachte sich in Position für das Gebet. Im Vorfeld hatte er sich die paar Sätze mehrfach aufgeschrieben, damit seine Gedanken nicht durcheinandergerieten wie beim letzten Mal. Dennoch las er das Gebet nicht ab, sondern trug es frei vor. Er hoffte, dass seine Vorbereitungen ausreichten, um jeglichen Fehler zu vermeiden. Wieder regte er seine Handflächen nach oben und sprach das Gebet:


    "Oh ehrwürdiger Iuppiter Optimus Maximus, Herrscher des Himmels, Beschützer des Staates, des Hauses, des Hofes und der Familie. Nimm dieses Opfer an durch das ich dir meine Ergebenheit bekunde. Lass die Gens Tiberia in neuem Glanz erstrahlen und lege deine schützende Hand über uns. Helfe uns auf unserem Weg in eine bessere Zukunft. Für die Tiberier, für Rom und das Reich!" Lepidus sprach die Worte sehr betont und sehr langsam. Jedes Wort wurde penibel genau ausgesprochen, alles hatte seinen Platz. Er hoffte, dass diesmal alles gut ging und auch hier setzte er auf eine bescheidene abgespeckte Version seiner sonst etwas schäumenden Gebete. Nur sehr zögerlich ließ er die Hände wieder bedächtig nach unten sinken und wandte sich nach rechts ab. Nun war der alles entscheidende Augenblick gekommen. Der schöne Ochse wurde geopfert. Es war der Moment des Victimarius, wo er die alles entscheidende Frage stellte: „Agone?“. Lepidus betrachtete das Tier und rief nur: "Age!" Es folgte ein gewaltiger Schlaf eines Dieners mit dem Hammer auf den Kopf des Ochsen, der daraufhin bewusstlos niedersank. In Ruhe konnte nun die Schlachtung durchgeführt werden, kein einziger Schrei ertönte. Der Kopf des Viehs wurde nach unten gedrückt und das Messer wurde ihn dessen Hals gestoßen. Blut quoll hervor, alles spritzte und hüllte den Opferplatz in ein warmes rot. Nun fehlte lediglich die Eingeweideschau, doch an diesem Punkt konnte Lepidus nichts mehr unternehmen. Sein Schicksal lag in den Händen Iuppiters...

  • An diesem Tag hatte der Sterbliche mehr Mühe aufgewandt. Ein Opfer begann ja bekanntlich nicht erst bei Betreten des Tempels, schon die Vorbereitungen konnten über Wohl und Wehe entscheiden und die Wahl des richtigen Tieres gehörte dazu. Danach die richtigen Handlungen und Worte... ein Opfer war schwierig und aufwendig, doch bei richtiger Ausführung lohnend. Iuppiter war zufrieden, die Eingeweiden waren makellos.

  • Die Gedärme des prächtigen Ochsen wurden bestaunt. Hier ein Blick und dort ein abtasten, Herz, Lunge, Leber und es schien sich kein Unglück anzubahnen. Das Tier war rein, keine Verunreinigungen, keine krankhaften Auswüchse! Welch Glück bahnte sich im Gesichte des Tiberiers an. Na gut, er hatte ja auch genug für diesen verdammten Ochsen auf den Tisch gelegt... Doch es war natürlich Iuppiter, der durch dieses Zeichen das Opfer annahm. Wurde Lepidus bei seiner ersten Opferung noch mit schlechten Zeichen gestraft, so schien er den Gott durch dieses großzügige Opfer besänftigt zu haben.


    "Litatio!", entfuhr es ihm nun voller Befreiung. Die wichtigsten Organe wurden nun auf dem Altar verbrannt und dem Gott überführt, das restliche Fleisch war zum Verzehr gedacht. Zufrieden konnte Lepidus nun den Tempel verlassen, schon im Hinterkopf ahnend, dass dies nicht sein letzter Besuch gewesen sein sollte, aber noch nicht wissend, dass er hier bald selbst die heiligen Hallen pflegen würde.


    Wer weiß? Womöglich hatte Iuppiter den Tiberier in jenem Augenblick auf den Pfad gelockt, der ihn dazu brachte ein Diener eben jenes Gottes zu werden.


  • Wer hätte gedacht, dass Tiberius Lepidus schon bald wieder auf dem Capitolium erscheinen würde, diesmal jedoch nicht in persönlicher Sache, um ein Opfer darzubringen, sondern um seinen Dienst als neuer Aedituus im Tempel des Iuppiter Optimus Maximus anzutreten.


    Er betrat das Gebäude mit mehr Ehrfurcht als sonst. Dieser eindrucksvolle Bau, gute 50 mal 60 Meter groß, war wohl eine der schönsten Arbeitsstätten, die sich ein Römer wünschen konnte. Noch gleich am Eingang wurde er von einem neuen Kollegen empfangen, der ihn ein wenig einweisen sollte, denn selbstverständlich hatte ein so großer und bedeutsamer Tempel nicht nur einen Aedituus, sondern gleich mehrere, wozu sich nun auch Lepidus zählen durfte. Der erfahrene und schon etwas ältere Mann begrüßte ihn in ohne große Emotion. Dieser Tempelwächter hatte eine sehr in sich gekehrte ruhige Haltung, wie sie einem tief religiösen Diener der Götter wohl so eigen ist. Fürs erste ließ sich der junge Tiberier etwas herumführen. Vieles kannte Lepidus selbstverständlich schon, aber als Wächter des Tempels gab es durchaus noch einige dem gewöhnlichen Besucher verschlossene Gänge. Daneben musste er sich auch immer wieder einige Geschichten über das Gebäude anhören. Geschichten erzählen, ja, das konnten diese alten Herren. Inzwischen sei es schon der vierte Bau dieses Tempels, der prächtigste wie ihm der Kollege mitteilte, ohne wohl ein Bild von den ersten Bauten vor Augen gehabt zu haben. Aber das vergoldete Dach und die vergoldeten Türen waren wohl tatsächlich einzigartig unter den bisherigen Gebäuden, die auf diesem Fleck standen. Zuvor sei der Tempel mehrfach durch Brände zerstört worden. Die ersten beiden Male typischerweise als Römer Krieg gegeneinander führten. Das erste Mal zu Zeiten Sullas und das zweite Mal zu Zeiten Vespasians. Ob der nun herrschende Bürgerkrieg ebenfalls wieder ein verbranntes Capitolium hinterlassen würde? Es war nicht zu hoffen, auch wenn sich darin wohl der Unmut der Götter kundtat, wenn Römer zu den Waffen griffen und einander in schändlichster Weise bekämpften.


    Bei jeder einzelnen Cella hielten stoppten sie und Lepidus hörte sich hier und da einige Hinweise zum Umgang mit Besuchern an. Es begann bei auf der Linken mit Iuno, der Göttin der Heirat und die himmlische Königin, in der Cella daneben befand sich das ehrfurchtgebietende Kultbild des Iuppiter, welches aussah als würde es jeden Augenblick einen Blitz auf seine Feinde schleudern. Zur Rechten schließlich Minerva, Schutzherrin der Handwerker und Künstler. Selbstverständlich wurde dem Tiberier auch gleich mitgeteilt wie alles richtig zu pflegen war, wie der Tempel rein gehalten wurde und wie mit den Weihegeschenken umzugehen sei. Hin und wieder hielt sich die Faszination über seine Aufgaben, trotz aller Hingabe für die Götter, doch ein wenig in Grenzen, aber nun gut, es gab wohl Schlimmeres...

  • Im alltäglichen Prozess der Opferung, kam es durchaus nicht selten vor, dass der Tempel durch seine häufige Beanspruchung nicht immer ganz sauber bleiben konnte. Wer denkt, es wäre eine Ausnahme, dass mal etwas Weihrauch daneben ging, etwas Asche sich unmerklich verstreute oder das jemand bei einer Weinspende mal den ein oder anderen Tropfen nicht an das Ziel brachte, der irrte wohl, denn dies gehörte fast ebenso zum Vorgang wie die eigentliche Opferungszeremonie. Für einen Reinigungsvorgang wurde eine entsprechende Opferung allerdings selten unterbrochen. Es lag an den Wächtern des Tempels, die tägliche Instandhaltung und die Vorzeigbarkeit der heiligen Hallen zu gewährleisten.


    Nicht weniger war es möglich, dass auch das wunderschöne Kultbild der Iuno nach langer Zeit etwas Staub ansetzen konnte und um die Cella eben jener Göttin hatte sich Tiberius einen ganzen Tag lang zu widmen. Sie erstreckte sich links neben der großen Cella des Iuppiter. Durch einige Handgriffe, die die Beseitigung von Schmutz, aber auch die ein oder andere ästhetische Beigabe beinhaltete, versuchte Lepidus das Antlitz der Iuno in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.

  • Recht zufrieden, wie es mit der Arbeit für die Iuno vorangegangen war, betrachtete Lepidus sein Werk. "Wahrlich", dachte sich der Tiberier "einer Königin des Himmels mag zwar so gut wie nichts wirklich gerecht werden, aber immerhin konnte man sich ein wenig annähern. Möge es zu ihrer Zufriedenheit sein."


    Nachdem er sich eng mit den anderen Aeditui abgestimmt hatte, konnte er sich einige Tage später auch sehr intensiv mit der Cella der Minerva auseinandersetzen. Ihr weises Haupt schien auf den Tiberier herabzublicken, als dieser gemeinsam mit den Tempeldienern an die Arbeit ging. Der bösartige Staub sollte sie nicht daran hindern, den Römern Verstand und Erfindungsgeist zu schenken. Ein paar wohlplatzierte Olivenzweige sollten dazu noch für eine angenehmere Atmosphäre sorgen. Der göttlichen Jungfrau musste an einem sauberen glanzvollen Ort geopfert werden und Lepidus hoffte ihr diesen geschenkt zu haben.

  • Es war noch nicht allzu lang her seit der Tiberier dem höchsten aller Götter, dem großen Iuppiter Optimus Maximus ein Opfer dargebracht hatte. Um Schutz und Kraft für ihn und seine Familie (zumindest, was davon noch übrig war) hatte er gebeten und zumindest im zweiten Anlauf nahm der Gott sein Opfer an.


    Wieder stand er nun in der Cella des Iuppiter, genau vor seinem Alter, sich noch genau an die Opfergaben erinnernd, die er hier einst dargebracht hatte. Nun war er nicht als Opferherr gekommen, sondern als Wächter dieses heiligen Ortes. Eines war ihm in diesem Augenblick bewusst. Wenn er sich für Minerva und Iuno mit höchstmöglicher Leidenschaft einsetzte, so musste er es für den Herrscher des Himmels erst recht und ohne Kompromisse tun.


    Als das Werk vollbracht war, warf sich Lepidus demütig vor das Abbild des Gottes und fing an leise zu flüstern. "Iuppiter, du hast mein Opfer angenommen, nun erfreue dich auch an deiner frisch hergerichteten und glanzvollen Cella. Möge sie deiner würdig sein." Sogleich stand er wieder auf.


    Es hat lange gedauert und es kostete viel Arbeit, doch letztlich war die Trias wieder so gut anzusehen, wie bei der letzten Erbauung des Tempels. Doch auch in Zukunft musste sie gehegt und gepflegt werden, denn die Götter dulden keinen Müßiggang wenn es um ihre heiligen Stätten ging.

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