[Forum Holitorium] Templum Apollinis Medici

  • Eine Weile noch ließ Gracchus die Atmosphäre auf sich einwirken, sog den leisen, kultischen Anklang gleich der Atemluft durch die Nase und badete im honigfarbenen Licht der Flammen, ehedem er rechtsseitig sich umwandte, den Raum in seiner Surrealität zu verlassen, durch die Pforte zurück zu kehren in die frische Luft der Realität. Allfällig mochte sein Herz ein wenig leichter sein, doch der Anblick des Abstieges, die zahllosen Stufen zum Opferaltar hinab, brachte Gracchus allzu schnell zurück auf den Boden der Tatsachen. Ein wenig einfacher mochte es ihm fallen Treppen hinunter entgegen hinauf zu steigen, dennoch war auch dies allein bereits deshalb ihm Qual, da sein Geist stets schon weit ungeduldig seinem Leib war vorausgeeilt. Indessen hatten am Fuße des Tempels die Vorbereitungen zur Opferung längstens begonnen, der einjährige Bock war geschmückt worden, seine Hufe und Hörner mit einer feinen Schicht Goldstaub überzogen, rot-und weißfarbene Bänder um seinen Kopf gelegt und das helle Fell mit Silberspänen eingerieben. Als Gracchus vor dem Altar zu stehen kam, nahm der cultrarius das Tier auf und ein popa hielt dem Pontifex eine Kanne Wein, sowie die saecespita bereit. Erneut entrollte Sciurus die Textrolle und sprach die Weihung aus, während Gracchus ein wenig des Weines über die Stirn des Widders träufelte und mit dem Messer die symbolische Entkleidung des Tieres vollzog.
    "Apollo Medicus! Hier steht vor Dir Manius Flavius Gracchus, Sohn des Titus Vespasianus, um Deine Kraft zu erbitten und Deine Gunst. Apollo Medicus! Du gibst und nimmst des Menschen Vitalität, Du gibst und nimmst dem Menschen Krankheit und Leiden. Darum, Apollo Medicus, bittet Manius Flavius Gracchus, der hier vor dir steht, gib ihm Vitalität und nimm sein Leiden, so wie er Dir Gold gibt, dass Dein Haus erstrahle, so wiel er Dir einen Bock gibt zu Deinen Ehren!"
    Da er zu wenig Kontrolle über die Kraft in seiner Rechten hatte, mit der Linken indes das Opfer nicht war zu vollziehen, hielt Gracchus das Messer in der rechten Hand, legte darum jedoch gleichsam die linke und führte damit den Schnitt über die Kehle des zuvor mit Kräutern halb betäubten Widders. Zu langsam indes zog er zurück, als dass nicht einige Tropfen des warmen Blutes auf den strahlend weißfarbenen Stoff der Toga sich in rostfarbenen Flecken hernieder legten, eine regelrechte Katastrophe für die Wäscherinnen des flavischen Haushaltes, von welcher Gracchus jedoch keinerlei Notiz nahm, tangierte ihn selbst die daraus entstehende Mühe doch nicht im geringsten. Nachdem der cultrarius den seinen letzten Lebenshauch ausatmenden Tierleib auf dem Boden hatte abgelegt, übergab Gracchus diesem das Messer, dass er den Bauchraum des Widders konnte öffnen, die vitalia daraus herausschneiden. Warm und glitschig von Blut waren diese, als Gracchus einzeln die Eingeweide begutachtete, Organ um Organ prüfte auf dunkle Flecken, Verhärtungen, Risse und Knoten im Gewebe.

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  • Überaus sorgsam prüfte Gracchus die vitalia, war dies doch kein öffentliches Opfer, bei welchem das Ergebnis ohnehin bereits feststand, sondern ein gänzlich privates, bei welchem die Signale des göttlichen Prinzipes überaus bedeutsam waren. Dennoch konnte er keinen Makel erkennen, keine Anomalie im Gewebe, welche wäre außerordentlich und unnatürlich gewesen, so dass schlussendlich er die frische Luft durch seine Nase einsog und langsam nickte.
    "Litatio"
    , sprach er mehr zu sich selbst denn zu den ihn Umgebenden, blickte sodann auf, suchend nach dem Popa, dessen Aufgabe nun war, die Eingeweide dem Feuer und damit den Gefilden der Götter zu übergeben. Schneidend legte der Odeur nach verbranntem Fleisch sich über die Szenerie, bis dass auch das letzte Stück war verbrannt.
    "Die Lende für mich, den Rest für den Tempel"
    , wies Gracchus den Cultrarius an, welcher für die Zerlegung des Tieres würde Sorge tragen. In einer dargereichten Schüssel voll Wasser säuberte er sich die Hände, um schlussendlich den Tempel zu verlassen, zurück zur Villa Flavia hin. Ein wenig leichter war ihm nun, nicht nur da er wusste, welch überaus delikate Köstlichkeiten der flavische Koch mit einer Widderlende würde zubereiten, sondern auch und insbesondere da er durchaus war überzeugt, das apollonische Prinzip würde künftig ein wenig mehr ihm gewogen sein.

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  • ...und daher war es für ihn das Beste das Größtmögliche zur Erhaltung seines Gesundheitszustandes beizutragen nun ein Opfer zu vollbringen.
    Da man jedoch Politiker war, verband man gerne die eine Sache mit der anderen und einen neutralen Raum hatte er stets gesucht.
    Geopfert hatte er viel, blutig wie auch unkonventionell nicht. Ein Lamm wurde vom Tempeldiener herein gebracht, welches zuvor der Flavier hatte mit prüfendem Blick begutachten können. Ein strammes Tier war es, makellos weiß von außen, die Zunge feurig rot und die Augen klar wie das baiaesche Wasser.
    Die Gewohnehit, welche sich allerorts zur Routine heraus bildet, hatte sich auch hier eingeschlichen und den heiligen Opferakt in einem schier enormen Tempo vollzogen. Natürlich folgte dem Gebet ein "Litatio!" und der Flavier war zufrieden.
    Wie konnte er es nicht sein, hatte er doch genug dafür gezahlt.
    Das Lungenleiden war besser, er konnte reisen, spazieren gehen und längere Gespräche führen, ohne Schweißperlen auf seiner Stirn zu fühlen. Doch nach Genesung sah dies nicht aus.


    Eine kleine Nachricht ward, bevor er sich zum Tempel aufgemacht hatte, losgeschickt worden. Eine geheime Nachricht zu dem Teil seines Lebens, der ihm viele glückliche Stunden gegebem hat und er sich weitere Gaben nur wünschen konnte.


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  • In Begleitung weniger ausgewählter Sklaven, unter denen ihr custos corporis Baldemar nicht fehlen durfte, traf die Tiberia auf dem Forum Holitorium ein. Sie hatte mit Absicht keine tiberische Sänfte gewählt, denn wer konnte ihr vorher sagen, wie diese Treffen enden würde. Selbstverständlich hegte sie eine vage Hoffnung in eine sehr eindeutige Richtung, aber das Schreiben von Flavius Furianus hatten nicht genügend Auskunft über seine Interessen gegeben, so dass Septima auf Spekulationen und Abwarten angewiesen war.
    Kurz vor dem Tempel hielt die Sänfte und Septima hob den Vorhang ein wenig zur Seite. Auffordernd hielt sie ihre Hand hinaus, damit Baldemar, oder wer auch immer, ihr beim aussteigen behilflich sein konnte.

  • Er verharrte ein paar Herzschläge in der bedächtigen Pose und nur in der Hoffnung nicht zu früh gegangen zu sein. Doch wenn er zu lange wartete und die gemeinsame Geschichte an diesem Tag endgültig durch ihre Abwesenheit besiegelt worden wäre, käme er sich recht dumm vor - also ging er ruhig hinaus.
    In Gedanken erreichte er den Treppenabsatz und blickte hinunter. Menschenmassen. Und da, eine Dame höheren Standes, deren Gesicht er zu erkennen nicht vermochte. Von der leisen Hoffnung sie habe es angenommen, schritt er pochenden Herzens hinunter und erkannte die so ähnliche Silhouette und nach ein paar Schritten mehr das Gesicht der Frau, die ihm Musestunden schenkte.
    "Salve, Tiberia.", grüßte er distanziert und doch mit einem diffizielen Lächeln auf seinen Lippen. Vielleicht war Vertraulichkeit nun nicht mehr geboten und der Anstand zwang sie hierhin.
    Der Umstand, dass sein Äußeres durch die Krankheit und die dahin laufenden Jahre merklich abgenommen hatte, machte die Situation für ihn nicht sicherer. Die Wangen waren eingefallen, tiefe Falten gruben sich in das Gesicht und das damals so üppig schimmernde Haar hatte sich fast zur Gänze zurück gezogen - zumindest oberhalb der Stirn.
    Und doch, er war genau so stolz wie vorher und würde eine Abweisung nicht in Betracht ziehen. Einen kühlen Rückzug ihrerseits, aber keine Abweisung. Dafür war er viel zu sehr er selbst geblieben.

  • Es war die kräftige Hand ihres custos corporis, die ihr den nötigen Halt gab, um elegant der Sänfte zu entsteigen. Kaum das die mit den Halbmonden verzierten Sandalen an ihren Füssen den Boden berührten, vernahm sie eine ihr wohl bekannte Stimme, die sie freundlich, aber distanziert begrüsste. Mit einem strahlenden Lächeln auf den vollen, roten Lippen, schaute die junge Tiberia auf und nur das kurze weiten ihrer Augen konnte dem geübten Beobachter aufschluss über die Überraschung des Anblicks des vor ihr stehenden Mannes geben. Gewiss, es war viel Wasser den Tiber hinunter gelaufen, aber mit einer solch starken äußerlichen Veränderung des Flavia hatte Septima nicht gerechnet.


    „Salve, Flavius.“ erwiderte sie leise und mit samtiger Stimme die förmliche Anrede. „Ich hörte bereits von deiner Rückkehr in die ewige Stadt und es freut mich sehr, dass wir uns hier rein zufällig begegnen.“ Ihre Augen suchten die seinen, in der Hoffnung, etwas in ihnen lesen zu können, was ihr Aufschluss über die vielen Fragen geben würde, die ihr im Kopf herum gingen. Ihr Lächeln blieb, wenn auch die Gedanken ein wenig kreuz und quer gingen. 'Wann ist der Mann nur so alt geworden? Will ich ihm wirklich noch so nahe kommen, wie wir es vor seiner Krankheit waren? Ist er inzwischen wieder vollständig genesen, oder kommt zu seiner äußeren Veränderung gar noch ein schwächliches Körperbefinden?'
    „Hast du ein Opfer dargebracht?“ erkundigte sie sich, nur um noch ein wenig mehr Zeit zum nachdenken zu bekommen.

  • Furianus lächelte milde.
    "Die zufälligen Begebenheiten sind mir die liebsten.", antwortete er keck und blickte sich umher.
    "Roms Gerüchteküche funktioniert also noch genau so gut wie damals. Ich dachte daran mich ein wenig unter aktuellen Begebenheiten und Ereignissen verstecken zu können, um meine Verhältnisse hier zu ordnen - daraus wird wohl nichts. Erst heute kam ein Bote des Senates ich solle mich anmelden.", eine grässliche Pflicht als Senator. Obgleich, derzeit waren ohnehin Senatsferien und er damit ein freier Mann, der auch mal außerhalb Roms reisen konnte, ohne danach fragen zu müssen.
    Nun wandte er sich wieder seiner bezaubernden Begleitung hin.
    "Ja, ein Opfer für die Gesundheit. Man kann es mir wohl leicht ansehen, dass ich diese Notwendigkeit habe.", ein Lächeln huschte über sein Gesicht, doch dieser Satz war ein klägliches Eingeständnis seiner verlorenen Anziehungskraft. Zumindest sah er dies so. Auf der anderen Seite eröffnete diese Art von Auftritt andere Facetten in seinem Leben. Während er als junger Spund gar latent von seinen ästhetischen Vorteilen hatte profitieren können, konnte er als Consular, als im sprachlichen Gebrauch gemachter Mann, nun gerne darauf verzichten. Nun galt es überwiegend die erreichte Autorität zu festigen, in Arbeit zu ergehen und versuchen seinen Namen in die Annalen der Geschichte mit größeren Lettern zu meisseln. Oder auch über die körperliche Anziehungskraft von einer Frau die geistige zu erreichen.
    "Und wie ich erfreulich festzustellen vermag, hat die Zeit dich vollkommen übersehen. Du bist so schön wie damals.", flüsterte er den letzten Satz, während er sich leicht zu ihr beugte.
    "Willst du mich ein Stück begleiten?", wandte er dann etwas lauter ein.

  • War das gerade ein gönnerhaftes Lächeln des Flavia, mit dem er ihr irgendetwas sagen wollte, wie zum Beispiel 'Kindchen, das hier mit uns kann nicht mehr so werden, wie es einmal war', oder bildete sie sich das nur ein? Septima wusste es nicht wirklich zu deuten und besann sich lieber auf die Unterhaltung.
    Die leise an sie gerichteten Worte über ihre Schönheit ließen sie lächlen und gaben ihr das Gefühl zurück, das der Flavia doch noch der gleiche war, wenn auch mit weniger Haaren. Nickend stimmte sie seinem Vorschlag, noch ein wenig zu gemeinsam spazieren zu gehen zu. „Gerne.“ Es konnte nicht schaden, mit einem ehemaligen Consular gesehen zu werden.


    Während sie langsam daher gingen, dachte Septima über die Worte von Furianus nach und ging darauf ein. Ihr eigenes Opfer, für welches sie extra Kuchen, Weihrauch und Wein hatte einpacken lassen, war längst vergessen. Es war schließlich nicht ihr eigentlicher Grund gewesen, hier her zu kommen.


    „Oh ja, wenn eins in Rom immer funktioniert, dann ist es die Gerüchteküche.“ fing sie das Gespräch mit einem kurzen Lachen wieder an. „Du wurdest also schon vom Senat aufgefordert, dich wieder zurück zu melden, das ist sehr gut. Erst kürzlich hat der Praefectus Urbi den angeblichen Willen des Kaisers verkündet und die Candidati Principis nach seinem Gutdünken besetzt. Außerdem ernennt Vescularius immer wieder neue Senatoren, die, meiner Meinung nach, nur einem Zweck dienen; In seinem Sinne die Entscheidungen im Senat zu befürworten. Aber wem erzähle ich das, gewiss bist du durch die Acta und deine Familienmitglieder bereits politisch voll im Bilde.“ Septime schenkte Furianus ein Lächeln, dass Männerherzen zum schmelzen bringen konnte. Sie war schließlich NUR eine Frau und die Männer sollten von ihr ruhig denken, dass sie vom politischen Geschehen keine große Ahnung hatte.


    Auf die Opferung zur offensichtlichen Erhalt seiner Gesundheit wollte Septima lieber nicht eingehen. Ein Gespräch über Alter und Tod gehörte nicht zu ihren favorisierten Themen und noch weniger der Alterungsprozess, dem Furianus anheim gefallen zu sein schien. Dann lieber vom Leben sprechen. „Mir ist ebenfalls zu Ohren gekommen, dass du inzwischen Vater geworden bist. Nun haben wir uns sehr lange nicht mehr gesehen und nichts voneinander gehört, so dass ich dir, wenn auch reichlich verspätete, von Herzen dazu gratulieren möchte.“ Sie reichte dem älteren Senator ihre Hand, war es doch ein schöner Grund für einen kurzen Körperkontakt, der ihr unter anderem mehr Aufschluss über ihre weiteren Planungen geben sollte. Gewiss wäre es nur von Vorteil, sowohl für Ursus' Karriere, als auch für ihre eigenen Interessen, weiterhin engen Kontakt zum flavischen Senator und Consular zu pflegen. Die Frage blieb nur, wäre er dazu noch bereit? „Es freut mich zu sehen, dass es deiner Frau und deinem Kind gegönnt ist, deine Gegenwart zu genießen. Ich nehme an sie sind auch hier in Rom?“ erkundigte sich Septima weiter, in der Gewissheit, dass sie Claudia Catilina schon lange nicht mehr in Rom gesehen hatte.

  • Sie gingen den Tempelvorplatz entlang, flankiert von einigen Sklaven des Senators, welche ihn in einer gefährlichen Situation mit ihrem Leben zu schützen bereit waren - zumindest nahm er dies an, denn die Eventualität wollte er lieber nicht überprüft wissen.
    Die politischen Ausführungen seiner Begleiterin überraschten den Senator nicht. Beide wussten, dass die Tiberia eine gewisse Affinität zu diesem Metier hegte und der Senator hatte sich schon vor Jahren damit abgefunden die Rolle des Informanten zu spielen. Und er tat dies sehr gerne. So nickte er und sprach im Plauderton fort.
    "Die Information ist der größte Vorteil - nicht nur in der Politik, sondern auf allen Feldern des Lebens. Im Krieg entscheidet sie gar über Sieg oder Verlust.
    Ja, ich informiere mich und lasse mich ebenso informieren. Es ist mir bekannt, dass das Machtgefüge derzeit in Rom, aber auch schon vor meiner Abreise, kein Gleichgewicht hatte."
    , sprach er nichtssagend. Welche Position er hier einnahm sollte so wenigen Menschen wie möglich offebart werden und solange er nicht wusste, wie sein Verhältnis zu ihr in Zukunft sein sollte, beließ er es bei Floskeln.


    Das weitere Thema legte einen Schatten über sein Gesicht und er senkte seinen Blick, während sie die weiß funkelnden Säulengänge durchschritten.
    "Ja, mir ist die Freude beschieden worden ein gesundes Mädchen mein Kind nennen zu dürfen - die Mutter ist auch wohlauf.", er blieb kurz stehen und ergriff ihre Hand. "Im Gegensatz zu meiner Gattin hast du deinem Ehemann einen Erben geschenkt. Und daran habe ich nie gezweifelt.", und sie hätte auch ihm einen Erben geschenkt. Catilina war eine starke Frau, hatte Söhne auf die Welt gesetzt und doch, der Senator wusste schon damals, dass diese heiß und innig liebende Tiberia einen Sohn würde auf die Welt bringen müssen. Einen Mann, der hoffentlich zu großen Teilen seiner Mutter ähneln würde - der Vater war ein Tölpel. Tief blickte er der Patrizierin in die Augen. Ja, er war ein Tölpel, dass er seine Frau nicht hütete wie die Auster die Perle. Seine Schale war nicht hart, sie entschlüpfte ihm und schmückte jene, die sie tragen konnten. Und konnte er - zumindest damals.
    "Es wird sicherlich ein starker Mann aus ihm werden, ein kluger und recht ansehnlicher dazu. Solange er der Mutter gleicht.", ein Lächeln folgte und er ließ ihre Hand los. Sie waren in der Öffentlichkeit. Ein falscher Moment, zu lange Berührungen und schon nährte Mann die Gerüchteküche Roms.
    Sie gingen weiter und waren am Tempel des Saturn vorbei geschritten, während der Flavier abermals in den Plauderton verfiel, ihren Blick jedoch suchte.
    "Nein, meine Frau gebar in Misenum. Dort ist sie auch mit dem Kind. Ich muss dem Kind noch einen Namen geben, in einer Woche fahre ich weiter nach Misenum und werde dort den restlichen Sommer verbringen. Vorher besuche ich aber noch meine villa rustica vor den Toren. Du kennst sie ja, ein wunderbares Gestüt, die neue Zucht soll sehr gelungen sein.", und ein scharfer Blick fing ihre Augen, gepaart mit einem schmalen Lächeln.



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  • Wie nicht anders erwartet – immer hin handelte es sich bei Flavius Furianus um einen rhetorisch perfekt ausgebildeten Politiker – blieb das Thema über den Praefectus Urbi sehr allgemein und es war Septima nicht vergönnt, hinter die Fassade ihres Begleiters zu blicken. 'Nun denn, vielleicht zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort.' Und dabei dachte sie nicht daran, dass sie gemeinsam spazieren gehen würden, sondern eher an etwas sportlicheres, bei dem sie weniger bis gar nicht bekleidet waren. Wieder bildeten ihre Lippen ein fast scheues Lächeln, welches Furianus je nach seiner eigenen Laune deuten durfte.


    Während sie zwischen den Säulen wandelten und sie das Thema auf seinen Nachwuchs lenkte, geschah etwas, womit sie nicht wirklich gerechnet hatte. Der Consular nahm die ihm dargebotene Hand und wie an einem Bindfaden gezogen, senkte sich ihr Blick auf die ineinander gelegten Hände. Seine Hand war warm und weich und fühlte sich gut an. Eine angenehme Wärme breitete sich in ihrem Körper aus und begann sich an einem Punkt zu konzentrieren, den Septima inzwischen sehr gut kannte. Die Worte die folgten sorgten tatsächlich für eine sanfte Röte in ihren Wangen und sie hob ihren Blick hinauf in seine Augen. Es waren die selben Augen, wie damals, kurz nach ihrer Vermählung mit Aurelius Ursus, als sie sich zum ersten mal in seiner Villa suburbaner trafen. Ein schöner Moment und eine durchaus erregende Erinnerung.
    „Ich fühle mich von deiner Überzeugung sehr geschmeichelt, Furianus. Sollte ich wieder ein Kind erwarten, würde ich sehr gerne deine Meinung hören, welches Geschlecht es beim nächsten sein wird.“ erwiderte sie zärtlich und benutzte mit Absicht sein Cognomen. Sein Blick hielt sie gefangen und ohne es selbst zu merken, hielt Septima die Luft an. Es schien eine Spannung in der Luft zu liegen, wie es sie gab, wenn ein Gewitter herauf zog. Und welch verheerende Auswirkungen ein Gewitter haben konnte, davon konnte die Villa Tiberia erzählen. Immerhin war der Brand rechtzeitig gelöscht worden, ehe das gesamte Anwesen niedergebrannt war. Doch was Septima so sehr an einem Gewitter gefiel, waren die Momente vor dem großen Knall, wenn das Unwetter noch weit weg war und die Sonne ein merkwürdiges Licht an den Himmel zauberte. Sie stellte sich dann immer vor, dass sie den Schein des Feuers der Götter im Olymp sehen konnte. Jedes mal, wenn sie sich auf einen neuen Geliebten einließ, gab es einen Moment der Spannung, denn bei jedem neuen Treffen riskierte sie es, erkannt und verraten zu werden. Der Preis für ein wenig Macht konnte für sie verdammt hoch sein. Nicht so beim Flavier. Er war ihr ein guter Vertrauter und inzwischen war sie sich sicher, dass sie die Beziehung zu ihm weiter pflegen würde. Was machten schon ein paar Jahre mehr oder weniger für einen Unterschied? Wenn sie sich Aurelia Flora mit Durus vorstellte, dann war das etwas ganz anderes, als die und... Dann war der Moment auch schon vorbei und Septima spürte das sanfte gleiten über ihre Hand, als der Flavia seine Hand zurück zog. Fast hätte sie der Hand hinterher gegriffen, doch sie konnte sich gerade noch beherrschen und strich sich mit der Hand über ihr Kleid.


    „Es wäre sehr von Vorteil, wenn Durus Minor die Stärke von seinem Vater entwickelt, denn Verstand und Schönheit wird für einen Mann alleine nicht von Nutzen sein. Aber ich bin guter Hoffnung, denn wenn wir schon der Seuche in Mantua, kurz vor Titus' Geburt entkommen konnten, werden die Götter uns hoffentlich auch weiterhin ihren Schutz gewähren.“ 'Apropos Götter, ich muss nach unserem Treffen unbedingt noch in den Tempel und mein Opfer darbringen.' ging es ihr dabei durch den Kopf.


    Sie setzten ihren Weg fort, auch wenn Septima lieber an Ort und Stelle geblieben wäre und alle weiteren Besucher der Tempelanlage hätte verschwinden lassen wollen. Immer wieder schaute sie Furianus von der Seite her an. 'Ah! War das soeben eine Einladung?'„Oh ja, ich erinnere mich sehr gut an dein Gestüt." 'Und einiges mehr!' "Vielleicht wärest du an ein paar ausgezeichneten Tieren aus meiner Zucht interessiert? Selbstverständlich nur wenn sie deinen hohen Anforderungen genügen, versteht sich. Ich könnte es gewiss einrichten, sie genau in einer Woche zu deiner Villa rustica bringen zu lassen, damit du sie dir anschauen kannst. Über den Preis werden wir uns danach gewiss einig.“ Auch dies war eine versteckte, aber wer sie zu lesen vermochte, eindeutige Antwort auf seine nicht ausgesprochene Frage, die von einem geschäftsmäßigen Lächeln begleitet wurde. Alles nur Fassade verstand sich. Sie hatten schon damals ein Händchen fürs geschäftliche gehabt, wenn es darum ging sich möglichst ungestört zu treffen. Und Septima wollte die Reise zur flavischen Villa rustica mit einem anschließenden Besuch in Mantua, bei ihrem Ehemann verbinden.

  • Weit Weg waren seine Gedanken, jedoch nicht bei dem Nachwuchs. Es war ein Mädchen und dieser deplorable Umstand war zwar eine Laune der Götter, doch sie kennzeichnete die Liebe des Flavius Furianus wie ein Pinselstrich ein weißes Pergament. Und die Liebe würde die eines Vaters sein, der seine obligatorische Pflicht, dem Kinde einen Namen zu geben und es später zu verheiraten, mit außerordentlichem Desinteresse verrichten sollte. Durch Kinder sind Imperien gefallen - und durch dieses Neugeborene ein großer Teil der flavisch furianischen Hoffnung auf eine Dynastie erfolgreicher Männer, die das Erbe des Vorgängers nicht nur mehrten, sondern durch dessen Hilfe in die Sphären der Macht würden treten können, die einem weniger Glücklichen verwehrt blieben. Die Geburt war das Los, das Geschlecht das Glück. Und dieses Kind, mochte es großartig oder überragend sein, würde kein Glück im Leben haben.
    Durch diese Verbitterung lächelte der Senator gequält zur Thematik und hätte sich liebend gerne in solchen Momenten auf die geballte Faust gebissen. Doch die jahrelange Doktrin zur Contenance hielt die Fassade aufrecht.
    Schlurfenden Schrittes, sie gingen nicht mehr, sondern flanierten vor sich hin, erreichten sie das Portal zu einem weiteren Säulengang, welcher die Brücke zu dem Tempel der Minerva schlug.
    "Die Seuche in Mantua? Er hat dich nicht fortgeschickt? Ich hörte darüber, doch ich wähnte dich in Rom, als ich die Zeilen überflog.", entgegnete er erregt und hätte diesen Schwächling von Mann nun ohrfeigen können. Das Elixier seiner Hoffnung hatte dieser sträflichst auf Spiel gesetzt und für was? Für die Symbolik eines Legatus Legionis, welcher mit seiner gesamten Familie einem Feind harrt, der unsichtbarer und tödlicher nicht sein kann? Ein Irrer war dies und Flavius Furianus, wäre das Auge der Öffentlichkeit nicht so stechend, am liebsten die Arme über diese Blüte geworfen, um sie vor rabiater Dummheit wie die ihres Mannes zu verwahren. Mit so einer Frau ging man definitiv anders um.
    "Ich bin stets an deinen Tieren interessiert, Tiberia Septima. Ich war es damals und ich bin es noch heute.", beantwortete er ihr die latente Frage recht eindeutig, während er die dunklen Augen fixierte, in dessen Tiefen er sich schon gar zu oft verlor.
    "Über dieses Arrangement wäre ich sehr erfreut.", merkte er dann noch, eigentlich unnötig, nochmals an. Seine Sklaven würden die Tiere, welche ohne Begutachtung sowieso schon gekauft waren, in seine Stallungen geleiten, während die beiden Besitzer hinter Laken und Stoff über den Preis würden streiten. Verhandlungen dieser Art waren ihm die liebsten, auch wenn jene wirtschaftliche Interessen als Nachranging bezeichneten.
    Das Licht fiel zwischen die Säulen und blendete in regen Abständen seine Augen, die doch nur das Licht in den ihrigen suchten.
    "Ich hörte mein Freund Tiberius Durus habe nun ein neues Weib. Bist du mit ihr bekannt? Wie ist sie?", sicherlich war die neue Braut recht jung, doch die neuen Bande mit den Aurelia waren für Durus sicherlich wichtig gewesen. Zumal er seinen alten Freund noch nie als Meister der Genüsse sich vorstellen hätte können. Nun ja, stille Wasser waren bekanntlich tief. Und so ein unzwanghafter Plausch lenkte seine pulsierenden Gedanken um Septima in recht harmlosere Richtungen.

  • Ja, Septima war mit Recht stolz auf ihre Leistung, einen kräftigen Jungen geboren zu haben. Ihr Blick wurde weich, jedes mal wenn sie ein Titus minor dachte und so entging ihr das gequälte Lächeln ihres Geliebten. Trotzdem konnte sie den Flavier verstehen, dass er nicht gerade überglücklich über die Geburt einer Tochter war, zählten doch nur die männlichen Erben als vollwertige politische Zukunft des Mannes. Eine Tochter diente nur dazu, eine gute Beziehung zu einer anderen Gens zu knüpfen, ohne groß davon profitieren zu können. Doch Furianus Frau, Claudia Catilina, war noch jung genug, um ihm weitere Kinder zu gebären und hoffentlich auch den ersehnten Erben.


    Anscheinend hatte sich Septima etwas falsch, oder besser gesagt, nicht genau genug ausgedrückt, als sie die Seuche in Mantua erwähnte. Die offensichtliche Besorgnis in Furianus Stimme war Balsam für ihre Seele. 'Er hat tatsächlich an mich gedacht, als er von der Seuche las.' ging es ihr freudig durch den Kopf und sie kam nicht umhin, ihm beschwichtigend eine Hand auf den Unterarm zu legen und ihm die Geschehnisse richtig zu erklären. „Oh doch, Furianus, er hat mich fort geschickt.“ Sie zog ihre Hand wieder zurück. Zu viele Augen gab es hier, als dass sie sich längeren Kontakt erlauben konnten. „Kaum das die Meldung von der Epidemie ins Castellum drang, nötigte Ursus unsere Gäste - Germanicus Sedulus mit seiner Frau Iunia Serrana – und mich dazu, sofort aufzubrechen. Das Problem war nur, dass sowohl Iunia Serrana, als auch ich, kurz vor der Niederkunft unserer Kinder standen und wir eine Reise nicht wirklich auf uns nehmen wollten. Wir wählten das nächst gelegene Ziel, meine Villa Rustica in der Nähe von Rom. Leider konnten wir nur Sklaven und Personal aus unserem näheren Umkreis mitnehmen. Jemanden aus der Stadt kommen zu lassen, wäre mit dem Risiko der Seuche verbunden gewesen, was dazu führte, dass wir nur eine Hebamme und keine Amme mitnehmen konnten. Ach Furianus, es war die reinste Qual. Ich wollte gar nicht fort. Es war mein erstes Kind und ich wusste nicht wirklich, was mich bei der Geburt erwarten würde und ob ich diese überhaupt überleben würde. Wir reisten in Sänften, da es die bequemste von allen Reisemöglichkeiten war und erreichten nach zwei Tagen und Nächten meine Villa Rustica. Kaum waren wir dort angekommen, begann die Geburt bei Iunia Serrana, die eigentlich viel zu früh war, und kurz darauf setzte auch meine Geburt ein.“
    Wie passend, dass sie gerade jetzt den Tempel der Minvera passierten. Septima nickte in Richtung des Tempeleinganges. „Nicht nur Minerva hat ihre Hände schützend über uns gehalten. Mein Dank gilt allen Göttern, hätte ich sonst nicht das Glück gehabt, hier mit dir spazieren gehen zu können.“ Dieses mal lächelte nicht nur ihr Mund, sondern auch ihre Augen.


    Ihre Übereinkunft, sich in einer Woche bei der flavischen Villa Rustica zu treffen, bestätigte Septima mit einem nicken und einem Blick in die ebenfalls dunklen Augen des Senators. Sie begann bereits im Geiste die Reise zu planen, damit sie zwei bis drei Tage bei Furianus verweilen konnte, ohne zu viel Aufmerksamkeit von Ursus auf den Besuch zu lenken. Doch ihr Ehemann hatte es bisher nicht gemerkt, dass ihre Besuche bei Flavius Furianus ganz anderer Natur waren, als er an nahm, also würde er es auch jetzt nichts bemerken, dessen war sie sich sicher.


    „Ja, ich kenne Aurelia Flora sogar recht gut. Sie ist etwas jünger wie ich und eine sehr wohlerzogene und pflichtbewusste Patrizierin. Eine bessere Frau hätte Manius nicht erwählen können. Allerdings ist mein Onkel nicht gerade der Jüngste. Bisher haben die beiden noch keinen Erben gezeugt. Vielleicht dauert es bei ihnen einfach nur ein wenig länger.“ Septima wollte nicht so genau auf die enttäuschenden Nächte zwischen Flora und Durus eingehen, doch offensichtlich schien das Alter auch eine Rolle zu spielen. Sie zwinkerte Furianus kurz zu. „Wenn du es zeitlich einrichten könntest, würde ich gerne eine Cena geben, zu der ich Manius mit seiner Frau einladen könnte. Dann hättest du Gelegenheit, sie selbst kennen zu lernen. Dazu vielleicht noch Aurelius Avianus und Tiberius Ahala? Oder planst du einen Besuch in der Villa Tiberia, dann möchte ich nicht mehr deiner Zeit in Anspruch nehmen, als nötig wäre.“ Sie überließ die Entscheidung selbstverständlich dem Mann und schlenderte weiter gemütlich neben ihm her.

  • Autsch! Diese "tollen" Kutschen, von denen Dives eine von Ostia hierher genommen hatte und die sich auf der Via Ostiensis teils förmlich Wettrennen lieferten, waren doch recht fix... Aber Komfortabilität war für Dives dann doch etwas anderes! Die Fahrt war extrem holprig und wenig entspannend. Man stieg nicht mal eben in Ostia ein und dann beschwerdefrei in Roma wieder aus, nein. Dives' Allerwertester hatte ganz schön leiden müssen auf dem Weg hierher. Nach jedem Huckel und jeder Kuhle, ja jeder noch so kleinen Unebenheit des Untergrunds schlug ihm im nächsten Moment das Holzbrett, auf welchem er saß einmal kräftig hinten drauf. In Roma angekommen war er windelweich geprügelt. So zumindest fühlte er sich, der ohne Vater und mit sehr liebender Mutter aufgewachsen nie derartige Dresche erfahren musste.


    Während sein Reisegepäck weiter zur Casa Iulia gebracht wurde, ließ sich der Iulier zentrumsnah "rausschmeißen" und begab sich aufs Forum. Bevor er bei seinen Verwandten auftauchte, hatte er noch ein paar Dinge zu erledigen. Er war schließlich krank gewesen und fühlte sich dem Tode nur knapp entronnen. Als er nicht mehr machen konnte, als im Bett liegend auf gute Ärzte zu vertrauen und auf baldige Besserung zu hoffen, war es an den Hausbediensteten gewesen für ihren Herrn zu opfern und zu beten. Das hatte offensichtlich geholfen, sodass es nun an Dives war, sich bei den Göttern entsprechend erkenntlich zu zeigen. Ein großes blutiges Opfer sollte es werden! Ja, genau. Denn was wäre wohl ein solches Opfer wert, wenn nicht das (eigene) Leben?


    So schritt Dives von Stand zu Stand und kaufte unter anderem besten Falerner-Wein. Einige Dinge hatte er aus Ostia mitgebracht, aber der Wein wäre, wenn er einen solchen mitgebracht hätte, bei der Fahrweise der Kutsche wahrscheinlich eh schon längst nicht mehr in seinem Gefäß. Überhaupt: Wer mochte schon gut durchgeschüttelten Wein??
    Dann ging es um das Opfertier. Ein schöner weißer Ochse sollte es sein. Der erste Viehhändler verkaufte nur Kleinvieh... Schafe und Ziegen. Dives ging weiter. Beim nächsten Stand war man spezialisiert auf rabenscharze Tiere, wunderschöne Tiere. Aber sie waren eben schwarz und folglich nicht geeignet, da Dives dem Apollo opfern wollte. Also auf zum nächsten Stand. Hier wurden gleich zwei weiße Ochsen angeboten und Dives betrachtete beide mit Argusaugen. Beide schienen auf dem ersten Blick rein und gut zu sein... bis er sie doch tatsächlich auch anfasste. Braune Ochsen, die lediglich gepudert waren! Nein, hier kaufte er bestimmt nicht ein! Dann endlich beim fünften oder sechsten Verkäufer fand er ein in seinen Augen wahres Prachtexemplar eines Ochsen! Er musste zwar etwas tiefer in den Geldbeutel fassen, doch sein Leben war ihm das allemal wert! Dafür wurde das Opfertier auch gleich fachmännisch geschmückt. Die infulae mit vittae waren inklusive, für die dorsule zahlte Dives nochmals einen kleinen Aufpreis, aber das machte den Kohl jetzt auch nicht mehr fett. So ging es dann auf zum Templum Apollinis Medici...


    Dort angekommen - und auf dem Weg noch ein paar tibicines "angeheuert" - wurde der Ochse auf dem Tempelvorplatz festgemacht, während Dives seine Füße entkleidete. Mit zwei als Opferhelfer dienlichen Sklaven, die auch die gleich benötigten Opfergaben trugen, ging es anschließend die Stufen des alten, wennauch mehrfach renovierten Tempels hinauf. Schon seit etwa 540 Jahren existierte dieser Bau - geweiht übrigens durch einen Iulier (mit dem Dives allerdings wohl kaum verwandt sein dürfte) -, ein Altar für Apollo existierte gar noch länger hier. Beim Treppensteigen merkte Dives wieder ganz deutlich die Schmerzen in seinem Gesäß, die seine eilige Anreise verursacht hatte. Drum nahm er sich die Zeit, sich erst noch einmal kurz umzudrehen und den Ausblick kurz auf sich wirken zu lassen, bevor er seine Schritte durch die Vorhalle zum Eingang ins Tempelinnere lenkte. Dort reinigte er sich zunächst symbolisch, indem er seine Hände in einer Schale Wasser wusch und dabei sprach:
    "Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es."


    Dann bedeckte Dives sein Haupt mit einem Teil seiner toga und trat ehrfürchtig an den Opferaltar. Er ließ sich den Weihrauch lautlos in einer acerra reichen und nachdem er ihn in die entsprechende Feuerstelle gestreut hatte, bereitete sich binnen kurzer Zeit der Wohlgeruch im ganzen Tempelinneren aus. Dives rief mit nach oben zeigenden Handflächen den Gott Ianus an, wie es zu Beginn eines Opfers Ritus war, um die Verbindung von sich zu den Göttern herzustellen.


    "Ianus, Gott des Wandels, der du gleichsam am Anfang und Ende aller Dinge stehst!
    Gott der Götter, der du wachst über die himmlischen Tore! Gott des Übergangs!
    Ich, Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius, möchte dir diesen Weihrauch zum Geschenk machen!
    Bitte nimm dies Opfer an und lass mich damit ein gutes Gebet sprechen!"


    Abschließend wandte er sich nach rechts, womit dieses Gebet beendet war.
    Nun, da sich der benebelnde Dampf so wunderbar verteilt hatte, war Dives davon überzeugt, dass Ianus das Weihrauch-Opfer angenommen hatte und eine Verbindung zu Apollo herstellen würde. Somit konnte jetzt das eigentliche Voropfer folgen. Dives lies sich die entsprechenden Opfergaben reichen, was abermals geräuschlos von Statten ging. Dann nahm er die Gaben und streckte sie einzeln dem Gott entgegen, sodass jener auch genau sehen konnte, was geopfert werden sollte.
    Anschließend legte er die Gaben am Altar ab: verschiedene Blumen und Kräuter, darunter auch einige Lorbeerzweige, und den teuer erstandenen Falerner-Wein, der in eine entsprechende Öffnung gegossen wurde.


    Nun folgte das erste Gebet zu Apollo. Wieder streckte Dives beide Hände mit nach oben zeigenden Handflächen in die Höhe und sprach:


    "Mächtiger Apollo Medicus, Gott strahlender Schönheit, Sohn des großen Iuppiter Optimus Maximus!
    Oberster Orakelgott, Unerbittlicher, der alle Wunden heilen kann!
    Ich, Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius, möchte dir mit diesen Opfergaben meine tiefe Ergebenheit und Dankbarkeit zeigen!
    Im Besonderen möchte ich dir dafür danken, dass du die Gebete der Meinen erhört hast und mir auf den Weg der Genesung verhalfst!"


    Um dieses Dankesgebet an Apollo zu beenden, wandte Dives sich nun traditionsgemäß zur rechten Seite um und noch immer war der Ort erfüllt von anmutiger Ruhe und ehrfürchtiger Stille, was durch nichts und niemanden gestört wurde.
    So ging Dives mit einem zufriedenen Gesicht nach diesem Voropfer wieder nach draußen, auf dass das Hauptopfer - anders ausgedrückt: der blutige Teil des Opfers - folgen mochte. Dort angekommen fungierten seine beiden Opferhelfer, die ihn auch ins Innere des Tempels begleitet hatten, als Herolde, die jeweils ein paar Mal mit 'Favete linguis!' Ruhe herzustellen versuchten. Tatsächlich wurde es in Tempelnähe aber kaum ruhiger, da zwar der Einzelne leiser sein mochte, jedoch von hier und dort Neugierige und Gaffer angezogen wurden. So ertönten wenig später die tibiae der engagierten Musiker und Dives hoffte inständig, dass die Melodien dem Beschützer der Sänger und Musiker, der ja obendrein mit seiner Kithara selbst kein Unbekannter unter jenen Künstlern war, gefallen würden. Währenddessen wurde Dives erneut eine Schüssel Wasser gereicht, in welcher er seine Hände zur symbolischen Reinigung zu waschen hatte, bevor er sie mit einem weißen Tuch, dem mallium latum, abtrocknete.
    Dann trat er neben den strahlend weißen Ochsen, dessen vergoldete Hörner im Licht der Sonne gar wunderbar funkelten, erhob seine Hände mit zum Himmel zeigenden Handflächen und sprach:


    "Mächtiger Apollo Medicus, Gott strahlender Schönheit, Sohn des großen Iuppiter Optimus Maximus!
    Oberster Orakelgott, Unerbittlicher, der alle Wunden heilen kann!
    Ich, Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius, möchte dir nochmals danken für deine Güte, denn ohne dich würde ich heute wohl nicht mehr hier stehen können!
    Daher möchte ich dir nun diesen mit Argusaugen ausgesuchten schneeweißen Ochsen zum Geschenk machen!
    Und damit möchte ich dich auch bitten, meine Krankheiten und Wunden auch zukünftig zu heilen!
    Dann verspreche ich dir, dir auch in Zukunft gut und reichlich zu opfern! Do ut des."


    Mit einer Wendung nach rechts symbolisierte Dives, dass er sein Gebet gesprochen hatte und sogleich wurde damit begonnen, das Opfertier abzuschmücken und mit mola salsa zu bestreichen. Dives bekam seinerseits das Opfermesser gereicht, mit welchem er nun langsam dem Tier scheinbar von Kopf bis Schwanz strich. Bei genauerer Betrachtung würde man sehen, dass er die Klinge knapp über dem weißen Fell hielt. Das schöne Puder (denn natürlich war auch das beste weiße Opfertier noch nachgepudert) sollte ja hierdurch nicht abgestrichen werden.
    Dann übergab Dives das Opfermesser dem cultrarius, woraufhin der victimarius mit dem Hammer in der Hand ihm die Frage der Fragen stellte: "Agone?" - "Age!", antwortete Dives mit fester Stimme.


    ZACK! - ZACK!


    So fand erst der Hammer in perfektem Bogen den Weg auf den Kopf des Ochsen, bevor im Augenblick danach aus einer Halsschlagader zwei halbe wurden. Kraftlos, lautlos und irgendwie ganz unspektakulär sackte das Tier in sich zusammen. Ob es wohl wusste, dass ihm sein Ende bevor stand? Sofort eilten einige Opferdiener herbei, um ein Teil des Blutes in paterae aufzufangen. Dennoch bildete sich innerhalb von nur wenigen Wimpernschlägen eine große Blutlache, die schonmal als gutes Omen gedeutet werden konnte.


    Nachdem das Rind ausgeblutet war, wurde der Bauchraum vorsichtig geöffnet, die Eingeweide entnommen und in einzelne paterae gelegt. Die Eingeweideschau könnte beginnen. Dives war gespannt, ob der Gott der Schönheit, des Lichtes und Glanzes sein Opfer angenommen hatte...

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    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Von seiner flauschigen Wolke herab blickte Apoll auf seinen Tempel hinab und legte die Kithara beiseite. Ein richtiger ganzer Ochse, ganz für ihn allein! Ob dieser Sesterzenzähler sich dafür aus der Stadtkasse von Ostia bedient hatte? Aber das war nun sicherlich nicht die seinige Sorge...


    Ein kühler Windstoß umspielte den Opferaltar. Die Innereien zeigten keinen Makel.


    Der Gott der Künste wandte sich unterdessen wieder der Kithara zu. Die Musik war ihm doch die willkommenste unter den Künsten.


    *pling*

  • Ein Aedituus übernahm die Betrachtung der Innereien des mit ehrlich verdientem Geld bezahlten Ochsen, der zeitgleich weiter zerlegt wurde. Bisher war das Opfer gut verlaufen, doch hatte es auch in den Augen des Gottes gereicht?


    Zunächst untersuchte er das Herz, als wichtigstes Organ: Hier schien alles in Ordnung zu sein! Keine Fehler, Flecken oder sonstige Verunreinigungen waren auszumachen. Es folgten die Leber, die Gallenblase, die Lunge, ... Und so konnte bis zuletzt nur die Reinheit des Tieres festgestellt werden... Folglich hatte Apollo das Opfer angenommen und er konnte "LITATIO!" ausrufen.


    Dives entfuhr ein leichter Seuftzer. Gesundheit war ein hohes Gut und keinesfalls selbstverständlich. Das war dem Iulier spätestens in der letzten Zeit klar geworden, in der er so qualvoll ans Bett gefesselt war. Zu dieser Erleichterung ob des angenommenen Opfers gesellte sich dabei auch noch ein seltsames Gefühl von fremder Präsenz. Dives meinte gar den Klang einer Kithara vernommen zu haben, obwohl keiner der Musikanten ein entsprechendes Instrument dabei hatte. Er schob dieses Gefühl jedoch schnell wieder beiseite und verbuchte es unter durch Wunschdenken hervorgerufener Einbildung. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass er etwas hörte, was er hören wollte, und nicht das, was tatsächlich da war... Ja, so war es bestimmt.


    Auf dem Altar wurden anschließend die wichtigsten Organe, wie Herz, Leber und Lunge des Tieres verbrannt, um sie so zu Apollo zu überführen. Der größte Teil des genießbaren Fleisches jedoch wurde verpackt und auf Dives' sklavische Begleiter geladen. Anschließend verließ der iulische Tross den Opferort und setzte sich in Richtung Casa Iulia in Bewegung. Der 'Sesterzenzähler' freute sich bereits auf das Zusammentreffen mit seinen Verwandten...

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    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Der Weg nach dem Gespräch mit Decima Seiana von der Casa Decima her, dem Caelimontium hinab in das Tal war nicht sonderlich weit, doch selbst in einer Sänfte getragen enervierte dies Gracchus bereits über alle Maßen. Er suchte die Geräusche der Welt um sich achtlos an sich vorbeiziehen zu lassen, doch unbarmherzig drängte sich das Leben in seinen Geist, mehr noch als Sciurus vor dem Tempel des Apoll die schützenden Vorhänge der Sänfte zur Seite zog. Bunte Gewänder, bemalte Hauswände, Waren aller Art, Tiere, Lebensmittel, Tonkrüge, graufarbener Himmel, graufarbene Straße, schreiende Kinder, schnatternde Frauen, brüllende Männer, kalter Wind, surrende Tauben, eine Ahnung von Feuchtigkeit in der Luft, das Klirren von Scherben, welche einen Augenblick zuvor noch einen Teller hatten geformt, das Bellen eines Hundes, spielende Knaben, jammernde Bettler, knarrende Balken, lachende Mädchen, qualvolle Normalität. Wie konnte das Leben schlichtweg weitergehen, wie konnte die Welt nicht stillstehen, während Faustus sich quälte, allfällig im Sterben lag? Hastig trat Gracchus die Stufen zum Tempel des Apollo Medicus empor, um den mannigfaltigen Eindrücken zu entfliehen, sog unter dem gewaltigen Tor des aedes stehend tief die würzige Luft ein, welche aus dem Inneren der cella hinaus wehte. Würde er je wählen müssen zwischen einem Schlafgemach in der Domus Augustana und der cella eines Tempels, er würde aus seinem tiefsten Inneren heraus letztere wählen - ganz ohne dabei einem Gott sein Haus streitig machen zu wollen. Sorgfältig wusch Gracchus seine zitternden Hände in dem Becken neben dem Eingang, murmelte die rituellen Formeln mehr als dass er sie aussprach, zog eine Falte seiner Toga sich über das Haupt und trat in das Innere des Heiligtums ein. Von Kindheit an hatte er eine besondere Beziehung zu Apollo, welcher von den Flavier besonders innig wurde verehrt - die Gründe hierfür indes waren kaum noch bekannt -, war stets fasziniert gewesen von dem apollonischen Prinzip der Wahrheit, von dem Gott, welcher nicht im Stande war zu lügen. Nun stand er hier, durchzogen von einem Geflecht aus Lügen, seine gesamte Existenz nurmehr auf Unwahrheiten fußend, seine Vergangenheit, seine Gegenwart und Zukunft eine einzige große Lüge, welche Tag um Tag aufs neue ihm die Seele quälte. Doch er war nicht seinetwegen gekommen.
    "Apollo Medicus"
    , begann er ruhig, obgleich eine gewaltige innere Unruhe ihn umtrieb, nahm von Sciurus, welcher wie stets als Schatten bei ihm weilte, für alle Notwendigkeiten Sorge trug, das Säckchen mit getrockneten Kräutern entgegen und streute eine Hand voll davon über die Räucherkohlen, auf welchen sie mit leisem Knistern verbrannten.
    "Als namenloser Supplikant stehe ich vor Dir, denn es ist nicht mein Wohl, um welches ich Dich möchte bitten. Dir, Apollo Medicus, gebe ich bereitwillig mein Opfer, Deine Kraft und Deine Gunst zu er..bitten für Faustus Decimus Serapio, Sohn des Marcus Livianus, welcher im Haus des Decimus Mercator auf dem Caelius Mons wohnt."
    Noch einige Kräuter streute er über das Kohlebecken bis dass ein wohliger Duft nach sattem, überbordendem Sommer den Raum um den Altar herum füllte.
    "Du, Apollo Medicus, gibst und nimmst dem Menschen Krankheit und Leiden, Du, Apollo Medicus, gibst und nimmst dem Menschen Gesundheit und Kraft. Nimm diese Gaben, wel'he ich Dir bringe, und nehme dafür Krankheit und Leid von Faustus Decimus Serapio, Sohn des Marcus Livianus. So wie ich Dir diese Gaben gebe, gebe Du, Apollo Medicus, Gesundheit und Kraft dem Faustus Decimus Serapio."
    Aus einem Korb nahm der flavische Vilicus eine Amphore hervor und öffnete sie, so dass Gracchus den rubinrotfarbenen Wein in die Vertiefung auf dem Altarstein konnte gießen, von wo die schimmernde Flüssigkeit langsam durch ein dünnes Loch am Grund abfloss. Es folgten dem einige frische Speltkekse, welche noch warm waren, da der Sklave die Gaben erst auf dem Weg zum Tempel noch hatte gekauft, und einige Münzen in die Opferschale zu Füßen des steinernen Apollon.
    "Do ut des, Apollo Medicus, ich gebe Dir einen Eber, damit Du Gesundheit und Vitalität gibst dem Faustus Decimus Serapio, Sohn des Marcus Livianus, welcher im Haus des Decimus Mercator auf dem Caelius Mons wohnt."
    Zwar hatte Gracchus den Eber noch nicht gesehen, da indes die Sklaven die Anweisung hatten, das beste Schwein zu erstehen, ungeachtet jeder Kosten, gab es kaum einen Zweifel, dass es vor dem Tempel würde bereit stehen. Darob beschloss Gracchus das Voropfer durch die Wendung nach rechts, schritt durch das Schimmern der Kerzenflammen hindurch aus dem aedes hinaus. Am Ende der Stufen, vor dem Opferaltar, stand bereits ein victimarius neben dem Eber, dessen pastellene Haut zusätzlich rasch mit Kalkstaub war geweißt worden, die Zehen mit einer goldfarbenen Schicht überzogen und auf dem Rücken die obligatorische dorsula. Neuerlich reichte Sciurus eine Amphore, eine etwas kleinere diesmalig, und Gracchus ließ ein wenig Flüssigkeit über den Kopf des Ebers fließen, vollführte sodann mit dem angereichten Opfermesser die rituelle Entkleidung, nahm dabei die Wolldecke vom Rücken des Tieres.
    "Apollo Medicus, Deine Gunst er..bitte ich mit meinen Gaben für Faustus Decimus Serapio, Sohn des Marcus Livianus, welcher im Haus des Decimus Marcator auf dem Caelius Mons wohnt! Strahlender Apollo Medicus, Du gibst und nimmst Gesundheit, Du gibst und nimmst Leid, darum bitte ich Dich, nimm das Leid von Faustus Decimus Serapio und gib Ge..sundheit dem Faustus Decimus Serapio wie ich Dir diesen Eber gebe zu Deinen Ehren!"
    Der victimarius zog den Kopf des Schweines am Rüssel für einen kurzen Augenblick empor, welcher ausreichte, dass Gracchus das Messer in dessen Kehle konnte stoßen. Augenblicklich rann ein Strahl rotfarbenes Blut aus der Wunde des Tieres, welches noch zu Quieken versuchte und einige Herzschläge lang zappelte, sodann den letzten Atem aushauchte. Ein kleiner See aus Blut blieb am Boden zurück, in welchem Gracchus einen Moment lang seine Spiegelung betrachtete. Ohne Bedauern hatte er den Eber abgestochen, hatte ohne einen Anflug von Bedauern dabei zugesehen wie er starb - gleich dem Soldaten in der Casa Decima, welcher den Veteranen hatte abgestochen, ohne einen Anflug von Bedauern hatte dabei zugesehen wie er gestorben war, wie ein rotfarbener See aus menschlichem Blut sich über die Fliesen des Atrium hatte ausgebreitet. Ohne Bedauern. Ohne Regung. Geduldig wartete der Opferdiener, so dass es länger als üblich dauerte bis dass Gracchus zur Seite trat, herausgerissen aus seiner Starre durch das Scheppern eines Handkarrens unweit entfernt. Mit geübter Hand schnitt der victimarius sodann die vitalia aus dem toten Tier, drapierte sie auf einer bronzenen Platte, dass sie schlussendlich dem Flavier konnten präsentiert werden, welcher die Lesung selbst übernahm. Stück um Stück prüfte Gracchus die vitalia, hoffte dabei die Gunst der Götter zu prüfen, war sich doch nicht sicher, ob all dies würde ausreichen, um Faustus zu retten, war sich doch nicht sicher, ob der Ausgleich der göttlichen Prinzipien überhaupt noch einen Sinn hatte. Zumindest jedoch die Organe des Ebers waren äußerlich akzeptabel - äußerlich, wie auch Gracchus eigenes Leben allfällig akzeptabel war, so dass auch der Zustand der Organe letztlich nur bloßer Anschein mochte sein -, so dass er schlussendlich leise verkündete:
    "Litatio."
    Er wollte so sehr daran glauben, dass die Hoffnung nicht vergebens war, wollte so sehr daran glauben, dass Faustus würde wieder gesund werden. In Gedanken versunken wusch er sich seine Hände in der angereichten Schüssel Wasser vom Blut des Tieres rein - könnte er nur vom Blute der Menschen ebenfalls so einfach sich reinwaschen -, während der Kulthelfer die Stücke für Apollon dem Feuer übergab. An den ungustiösen, beißenden Geruch des brennenden Fleisches war Gracchus gewohnt, dennoch zog er seine Toga zurück vom Kopf kaum dass die Stücke verbrannt waren, trat mit dem Weg nach Hause gleichsam die Flucht an vor der qualvollen Normalität um ihn her.

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