Dienstag, 4. Oktober 2005
Grün vor Neid!
Wie das Leben vergiftet wird
Das große Auto der Nachbarn, die schicke Wohnung der Freundin oder die glückliche Beziehung des Kollegen - die Objekte des Neides sind vielseitig. Neid löst Gefühle aus, die sich die wenigsten eingestehen.
Er macht wütend oder traurig und kann Freundschaften belasten. Wer lernt, mit Neid umzugehen, macht sich das Leben leichter. "Beim Neid handelt es sich um eine Reaktion darauf, dass sich ein begehrtes Gut, auf das man selbst nicht verzichten möchte, im Besitz eines anderen befindet", sagt Rolf Haubl, Psychologie-Professor aus Frankfurt und Autor einer Studie über Neid. Dabei können sowohl materielle als auch immaterielle Güter Neid auslösen.
"Neid ist immer der Spiegel meines eigenen Mangels", erklärt Helga König, Psychologin aus Dorsten in Nordrhein-Westfalen. "Statt auf mich selbst konzentriere ich mich auf den anderen." Besonders ausgeprägt seien neidische Gefühle bei Menschen mit mangelndem Selbstwertgefühl, die nicht gelernt haben, nach den eigenen Bedürfnissen zu leben.
Neid hat verschiedene Gesichter: Während manche Neider ihren Mitmenschen den Besitz nicht gönnen und alles versuchen, ihnen diesen zu verleiden, reagieren andere mit Traurigkeit und Resignation. Die "feindselig-schädigende" Form des Neides hat Haubl eher bei Männern, die "depressiv-lähmende" eher bei Frauen beobachtet. Letztere bekämen oft Essstörungen und neigten dazu, Aggressionen, die sie nicht nach außen los werden können, gegen sich selbst zu richten.
Neider hätten die Tendenz, ihre Gefühle zu verkleiden, sagt Haubl. Die Selbsterkenntnis werde aber auch dadurch erschwert, dass Neid gesellschaftlich verpönt sei, so König. Darum ist der erste Schritt aus der Neidfalle der Schwerste: Sich den Neid einzugestehen.
Typisch für Neider ist eine einseitige Buchhaltung. "Ich beobachte beim anderen, was er mehr hat, interessiere mich aber nicht dafür, was es ihn gekostet hat", sagt Haubl. Der Neider hätte vielleicht auch gern ein bestimmtes Auto, sei aber nicht bereit, 14 Stunden am Tag dafür zu arbeiten. Haubl rät, die Gesamtrechnung aufzustellen und einen Blick auf die Kosten des anderen zu werfen.
Doch nur selten geht es wirklich um das tolle Auto. "Neider unterstellen, dass der andere durch das größere Auto auch mehr Ansehen und Anerkennung genießt", sagt Haubl. Das gehe soweit, dass der Neider darauf neidisch ist, dass der andere mehr beneidet wird.
Wichtig ist daher herauszufinden, was wirklich hinter dem Neid steckt. "Dafür sollte man sich in einem ruhigen Moment die Frage stellen: "Was ist wirklich los mit mir?"", rät Regina Tamkus, Psychologin aus Berlin. Wer die inneren Bilder kommen lasse, dem werde irgendwann bewusst, was ihm fehle und wo der Mangel herkomme.
Möglicherweise merke der Neider beim Erforschen der eigenen Gefühle und Bedürfnisse, dass er gar nicht auf die Beziehung der Freundin neidisch ist, sondern einfach in der eigenen Beziehung mehr Freiheit braucht, sagt König. Vielleicht ist auch die eigene Wohnung nicht zu klein, sondern braucht nur etwas mehr Licht?
Neid weist den Betroffenen darauf hin, dass er mit sich selbst und seiner Umwelt nicht im Reinen ist, erklärt Prof. Haubl und sieht darin auch eine Chance: "Es ist eine Art Aufforderung, sich mit dem eigenen Lebensentwurf auseinanderzusetzen und zu überlegen: Was investiert du eigentlich, um an bestimmte Güter heranzukommen?".
Neid belastet aber nicht nur die Betroffenen, sondern kann auch Freundschaften gefährden. "Neid schafft Distanz", so Tamkus. Der Neider ziehe sich immer mehr zurück und meide den Kontakt. Wichtig sei daher, das Gefühl, das zwischen den Freunden steht, anzusprechen. Wer selbst neidisch sei, sollte seine Gefühle so formulieren, dass sie der andere als Ausdruck der Bewunderung, auffassen kann. "Wenn man sagt: "Ich beneide dich um deinen Erfolg", klingt das für beide Seiten angenehmer als: "Ich bin neidisch auf dich"", erklärt König.
Der Beneidete sollte das Geständnis jedoch nicht als Aufforderung verstehen, sich vor dem anderen kleiner zu machen oder den Erfolg herunterzuspielen. Vielmehr sollte er anbieten, dem Freund dabei zu helfen, die hinter dem Neid stehenden Gefühle zu erforschen. Eine andere Möglichkeit sei, den Erfolg zu teilen. "Ist die Freundin neidisch auf die Beziehung, dann kann man darüber reden, wie man es schafft, die Liebe lebendig zu halten", sagt König. "Geht es um den Erfolg, kann man verraten, wie man das angestellt hat."
Den Neider auf seine Gefühle anzusprechen, hält König für falsch. "Der andere macht dann sofort zu." Ratsam sei stattdessen, über die Wünsche und Potenziale zu reden, die der andere hat. Ganz sicher finde sich dabei etwas, worum der Neider von anderen beneidet wird.
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