Der Marsch

Roma - Ostia - Massilia - Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Seine Männer hatten einen weiten Weg zurückgelegt und Meridius konnte es nicht verdenken, dass sich die Turmae und die Cohorte zur Legio I zurückwünschten. Jedoch...

Er warf seinen Blick zurück, tätschelte Caligula am Hals und sah zu seiner Zufriedenheit, dass sich der gepanzerte Wagen gut auf der Stasse befand. Der Imperator hatte ihm das Kommando über die IX anvertraut und er hatte sich vorgenommen diesen Posten wie jeden anderen zuvor so gut es ging auszuüben. Einzig die Donativa bereiteten ihm ein wenig Kopfzerbrechen. Sollte sich herumsprechen, dass... Er schmunzelte.

Vermutlich machte er sich mehr Sorgen, als angebracht schienen. Kein Mensch konnte davon wissen. Seine Kolonne diente einzig dem Zwecke den neuen Legatus Legionis der Legio IX nach Colonia Claudia zu überstellen.

"Auf, Caligula. Bald haben wir es geschafft."

Er blickte wieder die Strasse nach vorne und sah die beiden Spähreiter zurückkehren.

Germanien. Wie lange war Meridius nicht mehr hier gewesen. Als er das letzte mal durch diese Landschaft reiste - es war jedoch nicht so weit nördlich gewesen - begleitete er Vater.

Vater hatte als Decurio in einer Ala gedient. Vater war sein Held gewesen. Meridius sah zu ihm auf und bewunderte ihn. Er bewunderte die Geschichte, die er erzählte, immer dann, wenn er sich auf Heimaturlaub in Tarraco befand. Er bewunderte, dass die Menschen im Ort zu seinem Vater aufsahen. Er bewunderte, wie Mutter zu ihrem Gemahlen aufsah. Voller Respekt, Anerkennung, Zuneigung und Liebe. Er bewunderte die Rüstung...

Meridius blickte zu einem Waldrand. Es war unglaublich wie bewaldet diese Region war. Wald wo immer man blickte. Bäume, nichts als Bäume. Nur vereinzelt Wiesen, Lichtungen, freie Flächen. Einzelne Siedlungskammern, an denen sie vorbeigezogen waren. Kleine Felderwirtschaft. Mehr als spärliche Erträge waren hier kaum einzubringen.

Nicht mehr weit bis Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Meridus war gespannt wie die Stadt aussehen würde. Natürlich hatte er sich Erkundungen einholen lassen. Und er hatte sogar eine maßstabsgetreue Zeichnung in einer Bibliothek Roms auftreiben können. Es war unglaublich, welches Wissen die Bibliotheken in Rom führten. Dennoch, durch die Stadt selbst zu reiten würde einen riesigen Unterschied machen.

Er dehnts einen Nacken und gähnte. Nur nicht im Sattel einschlafen.

"Auf, Caligula."

Er gab seinem Pferd einen leichten Klapps und beschleunigte sein Tempo.

"Decurio! Zu mir! Sofort!
Ich werde mit einer Turma den Weg nach vorne erkunden."

Er warf einen Blick nach hinten.

"Centurio Gracchus wird wie bisher das Kommando über die Marschkolonne haben. Ich möchte, dass Du besonderen Augenmerk auf die beiden Flanken legst."

Der Decurio nickte mit dem Kopf und stob davon.

Endlich war es soweit. Meridius hatte eine kleine Anhöhe erreicht, von welcher er eine gute Sicht über die umliegend Landschaft hatte. In der Ferne konnte er Colonia Claudia Ara Agrippinensium entdecken. Seine neue Heimat. Er schmunzelte etwas. 'Heimat' war sicher übertrieben, sein Herz würde immer an Tarraco hängen. Doch wie lange der Imperator vorhatte, die Legio hier im Norden stationiert zu halten war die andere Frage.

Ein weiter Weg. Viele der Legionäre, eigentlich die meisten der IX, kamen aus Hispania. Aus Tarraco, der weiteren Umgebung, aus Beatica, und nun standen sie hier oben im Norden. Und der Winter würde erst noch kommen.

Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Ein neues Kapitel in seinem Leben würde sich öffnen. Und Meridius schwor sich, dass es anders enden würde als bei seinem Vater oder seinem Cousin. Er würde Tarraco wiedersehen. Bei Iupiter, er würde es.