Villa Aurelia - Misenum


  • Zunächst fiel mir keine Antwort ein, denn ich war abgelenkt. Maxentius gab keine Erklärung ab und nochmals wollte ich ihn nicht ermahnen müssen.


    "Ich habe mich langsam in Misenum eingerichtet. Die Stadt ist sehr schön. Die Luft ist rein und es weht oft ein frischer Wind."


    Der Aufforderung nach einem Spaziergang durch das Atrium kam ich gern nach. Ich fasste die dargebotene Hand und stand auf. Als wir losliefen, drückte ich Antoninus. Wir hatten uns lange nicht gesehen.

  • Es erfüllte Antoninus’ Herz mit Freude, als er Severinas Händedruck spürte. Er gab den Druck zurück und schlenderte zunächst schweigend durch das große Atrium. Am dessen Ende blieb er stehen und fasste Severina an der Schulter.


    "Wir sehen uns zu selten, meine Liebe. Wann bist du wieder einmal in Rom?"


    Langsam lief er wieder zurück. Die derzeitige Situation missfiel Antoninus. Er traf mit Severina wieder bei den Sitz- und Liegemöbeln ein. Für das leibliche Wohl hatte Maxentius bereits die Sklaven angewiesen. Bevor er auch nur einen Bissen würde zu sich nehmen, wollte er Klarheit haben.


    "Mir ist noch immer nicht klar, in welcher Beziehung ich die junge Frau sehen soll. Gesagt wurde mir, es seien geschäftliche Gründe, weswegen sie den Besuch abstattet, doch sehe ich euch nicht an der Arbeit. Stattdessen findet in Kürze eine gemeinsame Mahlzeit statt, zu der ich noch nicht einmal geladen habe. Aufklärung tut Not und ich bestehe darauf."


    Seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es der Hausherr ernst gemeint hatte. Er nahm mit einem leisen Ächzen Platz und bot Severina den Platz am Fußende seiner Liege an. Er wollte sie bei sich haben.

  • Ich seufzte leise auf. Das was ich mit dem Essen bezweckt hatte ging genau nach hinten los. Jetzt wusste ich wieder was mir an Griechenland so gefallen hatte: Ich stand nicht unentwegt unter der Kontrolle und dem prüfenden Blick meiner Eltern. Ich musste mich nicht rechtfertigen. Doch das dies mit meiner Rückkehr ein Ende finden würde, das war mir klar. Etwas missmutig antwortete ich meinem Vater:


    "Nun, Minervina und mich verbindet eine Freundschaft, nicht mehr und nicht weniger falls du darauf anspielst Vater."


    Das war die Wahrheit, bis jetzt. Was noch kommen möge, das wissen nur die Götter. Ich schaute etwas missmutig drein, denn vor wenigen Minuten wurde ich von meinen Eltern maßgeregelt weil ich Minervina nicht vorgestellt hatte, doch jetzt benahm sich mein Vater wie ein schlechter Gastgeber. Diese letzte Aussage war nicht gerade förderlich und hätte unter vier Augen geführt werden sollen. Doch jetzt war es zu spät.


    Ich fühlte mich wieder in meine Kindheit zurückversetzt. Ich war schon immer ein kleiner Rebell und hatte Spaß daran meinen Vater zu ärgern, doch jetzt war nicht der Zeitpunkt dafür....

  • Ich bemerkte die trübe Stimmung und ich fühlte mich schuldig an der ganzen Sache. Zudem hatte sich in mir ein Bild von Maxentius Eltern gebildet, dass sie als sehr autoritäer erscheinen liess. Das störte mich allerdings nicht, da ich sehr konservativ erzogen wurde.
    Ich stand im Speisezimmer, dass sehr grosszügig was. Die kunstvoll gearbeiteten Ligen und der goldene Dreifuss zeugten von der patrizischen Herkunft der Familie. Auch fielen mir die schön bemalten Wände auf. Sie zeigten herrliche Natur und Pflanzenmuster. Ganz in Gedanken versunken musterte ich auch die Leute, sie trugen edle Gewänder und ich fühlte mich je länger je mehr am falschen Ort.


    Ich wartete, bis man mir einen Platz zuweisen würde.

  • Gleichfalls missmutig blickte Antoninus seinen Sohn an. Er verzichtete darauf, ihn in römischer Familienführung zu unterrichten und bestellte stattdessen das bereits in Vorbereitung befindliche Essen.


    "Anspielungen finden in diesem, meinem Haus keinen Platz. Ich bin für Klarheiten und die habe ich jetzt."


    Der Princeps machte es sich noch etwas bequemer auf der Kline. Wenn er etwas nicht leiden konnte, dann waren es Verstöße gegen das gute Benehmen, die Höflichkeit und unklare Verhältnisse. Sichtlich entspannten sich seine Gesichtszüge. Wohlwollend registrierte er, dass die junge Frau offenbar eine gute Erziehung genossen hatte, denn sie hielt sich vortrefflich an die Bräuche.


    "Bitte nimm Platz, Minervina. Sei an diesem Abend unser Gast."
    Mit einer freundlichen Geste bot er ihr Platz auf einer der Klinen an.
    "Erzähle uns etwas von deiner Familie."

  • Ich bedankte mich mit einer höflichen Geste und nahm Platz.


    Ich bin aus dem Hause der Annaeer. Meine Eltern waren Annaea Severa und Caius Annaeus Ursus. Ich war bei ihenen in Mantua aufgewachsen und kam dann nach Rom, um Quaestorin zu werden. Später lernte ich Appius Antonius Iunianus kennen und heiratete ihn. Doch das Schicksal schlug zu. Iunianus verscholl auf einer Seereise und ich blieb alleine, noch unwissend, dass ich von ihm eine Tochter auf die Welt bringen würde. Das ist aber schon lange her meine Tochter ist zehn Jahre alt und wir wohnen wieder bei meinem Pater familias in Mantua.


    Das war also meine Geschichte. Ich hoffte, damit die Stimmung nicht noch mehr zu vermiesen.


    Höflich wartete ich, bis der Pater das Mahl eröffnet hatte, erst dann nahm ich bewusst kleine Protionen des Essens, um nicht unanständig zu wirken.

  • Zunächst wurden die Getränke gereicht. Antoninus entschied sich für den guten Wein des Hauses. Er hörte Minervina zu. Dabei war ihm die Überraschung auf das Gesicht geschrieben. Auf das persönliche Schicksal wollte er aber nicht eingehen.


    "Ich hörte, die Annaeer wären konservativ eingestellt. Da wundert es mich jetzt, dass dein Vater dir die Betätigung als Quaestor gestattet hat."


    Antoninus war sich im Klaren, dass auch seine Tochter politisch tätig gewesen war. Eine Tatsache, die er ganz und gar nicht schätzte. Aber er kannte die Einstellung seiner Tochter. Er wusste, sie würde sich größtmöglich an die Traditionen halten.


    Eine Sklavin fragte, ob die Speisen aufgetragen werden sollten. Antoninus stimmte dem zu und eröffnete wenig später das Büffet. Da Antoninus die Gewohnheiten der Annaeer nicht kannte, beugte er einer weiteren peinlichen Situation vor.


    "Minervina, eine Sklavin steht für dich bereit. Sie wird dir die von dir gewünschten Speisen mundgerecht auf einem Teller zubereiten. Sag ihr einfach, was du zu essen wünschst."


    Der Hausherr ließ sich umgehend auch sein Essen anrichten.

  • Als ich merkte dass sich mein Vater wieder beruhigt hatte und begann sich zu entspannen, da versuchte auch ich mich der nun besseren Stimmung hinzugeben. Interessiert horchte ich Minervinas Ausführungen und wartete bis Vater entschloss das Mahl zu eröffnen.


    Doch auch in diesem Moment gelang es mir nicht mich zu entspannen. Zu stark waren die nun schon seit Wochen anhaltenden Kopfschmerzen, die Übermüdung. Immer wieder rieb ich mir unauffällig die Stirn, als ob es ein Mittel gegen die starken Schmerzen wären......

  • Zitat

    Original von Marcus Aurelius Antoninus
    Seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es der Hausherr ernst gemeint hatte. Er nahm mit einem leisen Ächzen Platz und bot Severina den Platz am Fußende seiner Liege an. Er wollte sie bei sich haben.


    Ich setzte mich zu Antoninus. Schweigend verfolgte ich die Unterredung. Mir wäre nicht in den Sinn gekommen, mich einzumischen. Aufmunternd nickte ich Maxentius zu. Weder machte es Sinn, gegen den Vater zu rebellieren noch sollte er sich die Worte zu sehr zu Herzen nehmen. Seine Eltern liebten ihn, daran bestand kein Zweifel. Schließlich war alles geklärt und ich wartete gespannt darauf, was Minervina alles zu berichten haben würde.
    Eine Sklavin reichte mir den Teller. Als Getränk wählte ich Quellwasser.

  • Ja, er wollte, dass ich meinen eigenen Weg durch das Leben finde und Tugenden entwickle, das ist ja auch Teil einer konservativen Einstellung und Erziehung. Ich habe mich dann aber freiwillig aus der Politik zurückgezogen, es war keine Tätigkeit für mich. Und meiner jetzigen Meinung wird es auch nie wieder eine für mich sein, ich wurde ja kurz darauf Mutter.


    Ich machte eine kurze Pause und horchte den Ausführungen des Antonius zur Bedienung. Ich war entzückt, es handelte sich hier ja wirklich um einen edlen Haushalt...


    Herzlichen Dank sagte ich zu Antonius, und zur Sklavin Ich würde gerne etwas vom Kohl mit Geflügelstreifen haben.


    Die Sklavin machte sich ans Werk und reichte mir nach kurzer Zeit einen vollen Teller. Ich freute mich auf die tolle Speise. Ich war nun bewusst vorsichtiger. Ich war aus einfachem Haus und kannte die Sitten hier nicht so gut. Man würde mir es verzeihen, dachte ich beruhigt.

  • "Das ist eine löbliche Einstellung. Außerdem zeugt es von Charakterstärke, wenn sich junge Frauen nicht von den Möglichkeiten verblenden lassen, sondern durch freiwilligen Verzicht Bezug zu den Traditionen suchen. Es ist selten geworden, dass man solche Frauen trifft."


    Anerkennend nickte Antoninus.
    Sein Blick traf Severina. In ihr hatte er eine wunderbare Frau gefunden. Es sah weiter zu seinem Sohn.


    "Maxentius. Du bist ungewohnt ruhig. Bei meinem eintreffen hast du sogar geschlafen. Ist dein Amt derart anstrengend?"

  • Wie aus Gedanken gerissen blickte ich auf und sah meinen Vater an. Es schien als müsste ich erst begreifen was Vater gerade gesagt hatte um dann entlich eine Antwort geben zu können:


    "Ja, mein Amt nimmt mich zur Zeit erheblich in Anspruch Vater. Aber es ist nichts womit ich nicht fertig werden würde. Sobald die Geschicke der Stadt ersteinmal wieder laufen wie sie sollen, dann kann ich auch an ruhigere Tage denken."


    Ich versuchte einen halbwegs ausgeruhten Eindruck zu machen, doch es wollte mir nicht so recht gelingen. Zudem hatte mich der Stress der letzten Tage gezeichnet. Auch meine andauernden Stimmungsschwankungen trugen nicht zu einem angenehmen Beisammensein bei......

  • Nachdenklich nickte Antoninus.


    "Hast du dir ein terminliches Ziel gesetzt, bis wann du alles soweit am Laufen haben willst?"


    Ohne je besonders besorgt gewesen zu sein, fiel Antoninus doch auf, dass sich Maxentius ungewohnt oft die Stirn rieb.


    "Bist du krank, Junge?"

  • Ich lachte kurz auf und wurde dann sofort wieder ernst:


    "Terminliches Ziel? Nein, eher nicht. Ich kann es noch nicht sagen bis wann alles wieder läuft wie es soll. Aber es geht voran. Zur Zeit weilt eine Abteilung Vigiles hier, die sich um den Brandschutz kümmert. Im religiösen Bereich ist Minervina hinzugestoßen...."


    ich lächelte Minervina kurz zu und sprach dann weiter:


    ".....Alles in allem beginnen meine Visionen Form anzunehmen. Zudem habe ich kürzlich einen zweiten Scriba eingesetzt, der mich weiter entlastet. Aber ein Ende ist noch nicht in Sicht. Leider. Im Gegenteil, die wirklich schwierigen Aufgaben stehen erst noch an."


    Dann machte ich eine kleine Pause und verfiel wieder einem beinahe gedankenlosen Zustand. Die zweite Frage meines Vaters bekam ich nur nebenbei mit und zeigte mich daher erst überrascht:


    "Wie, was meinst du? Krank?....... Nein nein, das ist nichts. Ich habe nur seit geraumer Zeit leicht Kopfschmerzen, aber das ist nichts."


    Wie immer versuchte ich alles herunterzuspielen. Obwohl ich mich teilweise hundeelend fühlte, so war ich nicht bereit dies zuzugeben. Zu den schweren Kopfschmerzen waren in den letzten Tagen auch noch Schlaflosigkeit und die damit verbundenen Stimmungsschwankungen dazugekommen. Doch ich stellte alles als halb so schlimm dar.....

  • Nun, jeder musste selbst wissen, wo seine Grenzen lagen. Antoninus ging nicht näher auf das Thema Krankheit ein. Er ließ sich den Becher auffüllen und streckte seine Hand nach Severina aus.


    "Und für dich, meine Liebe, läuft alles bestens?"


    Er streichelte ihre Hand. Schließlich hatte er einen Entschluss gefasst und blickte auf.


    "In meinem Leben wird sich einiges ändern. Ich werde die Einheit wechseln."

  • Ich hörte den politischen Reden der männer zu, ass etwas und hörte wieder zu. Obwohl ich nicht mehr viel davon verstand und es auch nicht wollte, war es interessant, zu vergleichen, was sich seit meiner Zeit und der jetzigen in der Politik alles änderte.


    Ich gab der Sklavin neben mir noch einen Auftrag. Dann lächelte ich Maxentius an und das Gefühl flammte wieder auf...


    Doch dieses Mal konnte ich mich schnell wieder beruhigen und ass weiter, als ob nichts geschehen wäre.

  • Ich sah die Blicke von Minervina. Immer wieder. Ich stellte mir die Frage ob da mehr als nur Freundschaft war.....


    ....doch dann ermahnte ich mich selber immer wieder das dies nicht der richtige Zeitpunkt war. Wie es die Götter fügen, so wird es kommen.


    Wie eine Nebensache bemerkte ich zunächst die Bemerkung meines Vaters bezüglich eines Wechsels der Einheit. Doch dann realisierte ich schnell was los war:


    "Wie bitte? Du willst die Einheit wechseln? Wohin möchtest du denn gehen?"


    Ich wirkte etwas überrascht und konnte mir zunächst nicht erklären warum....

  • Es waren Familienthematiken, die hier erörtert wurden. Minervina gehörte nicht zur Familie. Antoninus sah darüber hinweg. Er würde nur kurzfristig in Misenum sein, musste die Zeit nutzen.



    "Ich werde zur Legion gehen. Zwar fällt es mir schwer, Rom den Rücken zu kehren, aber mein Entschluss steht fest. Es sind inhaltliche Gründe, die mich wechseln lassen. Mir ist klar, dass es für meine Karriere wenig förderlich ist. Ich stehe unmittelbar vor der Ernennung zum Centurio bei den Corhortes Urbanae."

  • Ich lächelte und nickte, als Antoninus fragte, ob für mich alles bestens lief. Seine Hand zu spüren. Ich hielt sie fest. Gern hätte ich ihn umarmt, tat es aber nur mit Blicken.


    Fast erschrocken hörte ich von den geplanten Wechsel. Bestimmt hatte er einen gewichtigen Grund. Die Heirat würde also noch warten müssen. :(

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